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Erscheinung:24.02.1997 | Geschäftszeichen I 3 - 236 - 4/96 | Thema Eigenmittel Rundschreiben 3/1997 (BA) - Kreditnehmereinheiten nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KWG

Kreditnehmereinheiten nach § 19 Abs. 2 Satz 1 KWG

Das 5. KWG-Änderungsgesetz hat in § 19 Abs. 2 Satz 1 KWG zwei zusätzliche Tatbestände für die Zusammenfassung von Kreditnehmern eingeführt:

  1. Zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften bilden insofern eine Kreditnehmereinheit, als eine von ihnen unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss über die anderen ausüben kann.
  2. Zwei oder mehr natürliche oder juristische Personen oder Personenhandelsgesellschaften bilden insofern eine Risikoeinheit, als es die zwischen ihnen bestehenden Abhängigkeiten wahrscheinlich erscheinen lassen, dass, wenn einer dieser Kreditnehmer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, dies auch bei den anderen zu Zahlungsschwierigkeiten führt.

Die bisherigen Zusammenfassungstatbestände hat der Gesetzgeber in dem neuen § 19 Abs. 2 Satz 2 KWG fortgeschrieben. Insoweit ist nach Maßgabe der Erweiterungen des Ausnahmekataloges in § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a bis d KWG grundsätzlich an die bisherigen Kreditnehmereinheiten und die durch das Bundesaufsichtsamt bisher veröffentlichten Auslegungsgrundsätze anzuknüpfen. § 19 Abs. 2 Satz 2 KWG ist gesetzestechnisch als unwiderlegbare Rechtsvermutung konzipiert. Das bedeutet: Zwei oder mehr Adressen, die unter einen der Tatbestände des § 19 Abs. 2 Satz 2 KWG fallen, sind für die Zwecke der §§ 10, 13 bis 18 KWG, beispielsweise für die Auslösung der Meldepflichten der §§ 13, 13a und 14 KWG und für die Berechnung der Auslastung der Großkreditobergrenzen, zu einem Kreditnehmer zusammenzufassen und zwar unabhängig davon, ob sie sich unter eine der beiden Fallgruppen des § 19 Abs. 2 Satz 1 KWG subsumieren lassen oder nicht.

  1. § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 KWG (beherrschender Einfluss)

    § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 KWG betrifft Zusammenfassungen, die auf die Möglichkeit zurückgehen, unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss auszuüben. Da das Merkmal des beherrschenden Einflusses auch ein konzernrechtlicher Begriff ist (§ 17 Abs. 1 AktG), schließt diese Variante den Unterordnungskonzern als Kreditnehmereinheit nach § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 KWG ein, der als wichtigster Unterfall den Anwendungsbereich des § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 KWG weitgehend abdeckt.


    Eine selbständige Bedeutung kommt dem neuen Tatbestand namentlich in den Fällen zu, in denen eine Person unmittelbar oder mittelbar beherrschenden Einfluss über eine juristische Person oder einen Personenzusammenschluss ausüben kann, ohne die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte zu halten und ohne selbst Unternehmen zu sein. § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 KWG hat insoweit die Funktion eines Auffangtatbestandes. Für die Bildung von Kreditnehmereinheiten ist bei Beherrschungsverhältnissen die Unternehmenseigenschaft keine Voraussetzung mehr.


    Dies hat beispielsweise in den folgenden Fällen Bedeutung:


    Bei einem Gemeinschaftsunternehmen, an dem paritätisch ein Unternehmen und ein Nicht-Unternehmen oder auch zwei Nicht-Unternehmen beteiligt sind und Indizien für eine gemeinsame Herrschaft entsprechend meiner Verlautbarung I 3 - 236 - 2/85 vom 20. Januar 1992 vorliegen, ist es nunmehr auch möglich, neben der Kreditnehmereinheit "Gemeinschaftsunternehmen/beteiligtes Unternehmen" eine weitere Kreditnehmereinheit "Gemeinschaftsunternehmen/paritätisch beteiligtes Nicht-Unternehmen" bzw. zwei Kreditnehmereinheiten "Gemeinschaftsunternehmen/paritätisch beteiligtes Nicht-Unternehmen" zu bilden. Die ergänzende Verlautbarung I 3 - 236 - 2/85 vom 20. April 1994 wird insoweit durch dieses Rundschreiben abgelöst.

  2. § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG (Risikoeinheit aufgrund wechselseitiger finanzieller Abhängigkeiten)

    § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG betrifft Kreditnehmer, die ohne Vorliegen eines Beherrschungsverhältnisses als Risikoeinheit anzusehen sind, da die zwischen ihnen bestehenden (wirtschaftlichen) Abhängigkeiten es in hohem Maße wahrscheinlich erscheinen lassen, dass, wenn einer dieser Kreditnehmer in finanzielle Schwierigkeiten gerät, dies auch bei den anderen zu Zahlungsschwierigkeiten führt. Der Zusammenfassungstatbestand "Risikoeinheit" ist nicht kumulativ mit den anderen Zusammenfassungstatbeständen des § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 1 und Satz 2 KWG anzuwenden. Es ist jedoch denkbar, dass ein Kreditnehmer einer Risikoeinheit zugeordnet wird und darüber hinaus aufgrund anderer Zusammenfassungstatbestände weiteren Kreditnehmereinheiten zuzuordnen ist.


    Finanzielle Schwierigkeiten im Sinne des § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG liegen vor, wenn ein Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Es muss sich dabei um nicht unerhebliche Zahlungsverpflichtungen handeln, deren Nichterfüllung den wirtschaftlichen Fortbestand des Kreditnehmers fraglich erschienen ließe. Ein Indiz kann z. B. ein nachhaltiger Rückstand mit Tilgungsraten sein. Hingegen wird allein die vorübergehende Inanspruchnahme des sog. unfreiwilligen Lieferantenkredits regelmäßig noch kein ausreichendes Indiz sein.


    Die Zusammenfassung nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG ist auf eine Prognoseentscheidung zu stützen. Die bestehenden Abhängigkeiten müssen nicht mit absoluter Sicherheit zur Übertragung von Zahlungsschwierigkeiten führen, sondern sie lediglich wahrscheinlich erscheinen lassen. Die entfernte Möglichkeit einer Übertragung genügt indessen nicht; sie muss vielmehr bei normalem Lauf der Dinge nahe liegen.


    Die Abhängigkeit muss wechselseitig sein. Einseitige Abhängigkeiten, beispielsweise von Zulieferbetrieben oder Großabnehmern, genügen nicht. Die Zusammenfassung von Kreditnehmern zu einer Risikoeinheit nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG setzt voraus, dass finanzielle Schwierigkeiten eines x-beliebigen Gliedes der Einheit direkt oder indirekt wahrscheinlich auch bei allen anderen Gliedern dieser Einheit zu Zahlungsschwierigkeiten führen (Domino-Effekt).


    Beispiel:

    A, B und C seien Kommanditisten einer KG; D sei der einzige Komplementär.
    Einzelbevollmächtigte seien A und D. Beide beziehen sie ihr Einkommen nahezu ausschließlich aus der KG; für private Kredite haben sie ihre KG-Anteile verpfändet. Für die umfangreichen Kredite der KG habe A selbstschuldnerische Bürgschaften übernommen, ohne die die Kredit gebenden Banken nicht bereit gewesen wären, Kredite in diesem Umfang an die KG zu gewähren. A besitze kein nennenswertes Privatvermögen. Er drohe insolvent zu werden, wenn er aus der Bürgschaft in Anspruch genommen werde.


    Die KG und A bilden gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG eine Risikoeinheit; eine wechselseitige Übertragung von Zahlungsschwierigkeiten (von der KG auf A und von A auf die KG) ist wahrscheinlich.


    D ist mit der KG gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KWG zu einer Kreditnehmereinheit zusammenzufassen. Es genügt, dass D persönlich haftender Gesellschafter ist; auf einseitige oder wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeiten kommt es nicht an. § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG ist dagegen nicht einschlägig; D´s wirtschaftliche Abhängigkeit von der KG ist einseitig, eine wechselseitige wirtschaftliche Abhängigkeit lässt sich aus dem Sachverhalt nicht begründen.


    Aus diesem Grund lassen sich nach § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG auch nicht A/KG und D/KG zu einer Risikoeinheit verklammern. Zwar gilt: wenn A "fällt", dann "fällt" wahrscheinlich (über KG) auch D; aber es gilt nicht: wenn D "fällt", dann "fällt" wahrscheinlich auch A (D <- KG <-> A).


    Folglich sind in dem Beispiel zwei Kreditnehmereinheiten zu bilden:


    KNE 1: A + KG

    KNE 2: D + KG

Unabhängig hiervon bleibt es den Kreditinstituten auch weiterhin unbenommen, über den Tatbestand des § 19 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 KWG hinaus weitergehende Risikoeinheiten für ihre hausinterne Risikoeinschätzung zu bilden.

Um auch fortan eine einheitliche Zusammenfassungspraxis zu gewährleisten, werden die Kreditinstitute gebeten, Fälle, in denen die Zusammenfassung nach den vorstehenden Prämissen zweifelhaft ist, der jeweiligen Landeszentralbank auf dem üblichen Meldeweg schriftlich unter Darlegung der Sachverhalts und der für die Zusammenfassung maßgeblichen Gründe zur Entscheidung vorzulegen. Sofern erforderlich, wird die Landeszentralbank die Abstimmung mit dem Bundesaufsichtsamt herbeiführen.

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