Erscheinung:01.06.2011 | Geschäftszeichen WA 36 - Wp 2002-2010/0002 | Thema Compliance Rundschreiben 6/2011 (WA) zu den Informationsblättern nach § 31 Abs. 3a, 9 WpHG und § 5a WpDVerOV
Inhalt
Rundschreiben 6/2011 (WA) zu Informationsblättern
An die Finanzdienstleistungsinstitute der Gruppen IIIa und IIIb, welchen die Erlaubnis zur Anlageberatung nach §§ 32, 1 Abs. 1a Nr. 1a des Kreditwesengesetzes (KWG) erteilt wurde oder bei welchen die Erlaubnis nach § 64i Abs. 1, 2 KWG als erteilt gilt, die Anlageberatung im Sinne des § 1 Abs. 1a Nr. 1a KWG ausführen, aufgrund
- der Ergänzung des § 31 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) durch den Absatz 3a und den Satz 2 in Absatz 9
der Einfügung des § 5a in die Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV)
durch das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes (Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz – AnsFuG)
I. Einführung
Am 11.02.2011 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes. Es wurde am 07.04.2011 im Bundesgesetzblatt verkündet (BGBl. 2011 I S. 538 – 548). Die Ergänzung des § 31 WpHG durch Abs. 3a und Abs. 9 Satz 2 sowie die Aufnahme des § 5a WpDVerOV treten am 01.07.2011 in Kraft.
II. Zu § 31 Abs. 3a, 9 WpHG und § 5a WpDVerOV
1. § 31 Abs. 3a WpHG lautet:
Im Falle einer Anlageberatung ist dem Kunden rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts über Finanzinstrumente ein kurzes und leicht verständliches Informationsblatt über jedes Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen, auf das sich eine Kaufempfehlung bezieht. Die Angaben in den Informationsblättern nach Satz 1 dürfen weder unrichtig noch irreführend sein und müssen mit den Angaben des Prospekts vereinbar sein. An die Stelle des Informationsblattes treten bei Anteilen an inländischen Investmentvermögen die wesentlichen Anlegerinformationen § 42 Absatz 2 des Investmentgesetzes, bei ausländischen Investmentvermögen die wesentlichen Anlegerinformationen nach § 137 Absatz 2 des Invest-mentgesetzes sowie bei EU-Investmentanteilen die wesentlichen Anlegerinformationen, die nach § 122 Absatz 1 Satz 2 des Investmentgesetzes in deutscher Sprache veröffentlicht worden sind.
2. § 31 Abs. 9 S. 2 WpHG lautet:
Ein Informationsblatt nach Absatz 3a Satz 1 oder Dokument nach Absatz 3a Satz 3 muss professionellen Kunden im Sinne des § 31a Absatz 2 nicht zur Verfügung gestellt werden.
3. § 5a WpDVerOV (Informationsblätter) lautet:
(1) Das nach § 31 Absatz 3a Satz 1 des Wertpapierhandelsgesetzes zur Verfügung zu stellende Informationsblatt darf bei nicht komplexen Finanzinstrumenten im Sinne des § 7 nicht mehr als zwei DIN-A4-Seiten, bei allen übrigen Finanzinstrumenten nicht mehr als drei DIN-A4-Seiten, umfassen. Es muss die wesentlichen Informationen über das jeweilige Finanzinstrument in übersichtlicher und leicht verständlicher Weise so enthalten, dass der Kunde insbesondere
1. die Art des Finanzinstruments,
2. seine Funktionsweise,
3. die damit verbundenen Risiken,
4. die Aussichten für die Kapitalrückzahlung und Erträge unter verschiedenen Marktbedingungen und
5. die mit der Anlage verbundenen Kosten
einschätzen und mit den Merkmalen anderer Finanzinstrumente bestmöglich vergleichen kann. Das Informationsblatt darf sich jeweils nur auf ein Finanzinstrument beziehen und keine werbenden oder sonstigen, nicht dem vorgenannten Zweck dienenden Informationen enthalten.
(2) Das Informationsblatt kann auch als elektronisches Dokument zur Verfügung gestellt werden.
4. Vorläufige Anwendungshinweise:
a. Diese neuen Bestimmungen gelten nur für die Anlageberatung von Privatkunden durch Wertpapierdienstleistungsunternehmen (WpDU). Die Pflichten zur Erstellung und Übergabe des Beratungsprotokolls bleiben unberührt.
b. Die Zurverfügungstellung eines Informationsblatts ist nur dann erforderlich, wenn die Anlageberatung nach dem Verständnis des Kunden zu einer Kaufempfehlung über ein oder mehrere Finanzinstrumente geführt hat, sei es isoliert oder in Kombination mit einer ebenfalls empfohlenen Desinvestition. Bei einer reinen Desinvestitionsempfehlung oder einer Kaufempfehlung, welche sich nicht auf ein Finanzinstrument im Sinne des Wertpapierhandelsgesetzes, sondern nur auf ein anderes Produkt bezieht, ist ein Informationsblatt nicht erforderlich. Ein Produktinformationsblatt ist für jedes Finanzinstrument zur Verfügung zu stellen, das Gegenstand der Empfehlung ist.
c. Bei Empfehlungen zum Kauf von Anteilen an den im Gesetz genannten Investmentvermögen treten an die Stelle des Informationsblattes die dort jeweils definierten wesentlichen In-formationen nach dem Investmentgesetz in der durch das OGAW-IV-Umsetzungsgesetz geänderten, ab dem 01.07.2011 geltenden Fassung.
d. Das Informationsblatt kann auch elektronisch zur Verfügung gestellt werden, insbesondere durch Hinweis auf die exakte Fundstelle im Internet.
e. § 31 Abs. 3a WpHG ist eine Konkretisierung der bisher nur abstrakt in § 31 Abs. 3 S. 1 bis 3 WpHG vorgesehenen Pflicht des WpDU, den Kunden mit den Informationen zu versorgen, die dieser für eine eigenverantwortliche Anlageentscheidung benötigt. Hieran ändert sich durch die Einführung der Informationsblätter nichts. Die Bezeichnung der konkreten Informationsblätter, die Art und Weise sowie der Zeitpunkt ihrer Zurverfügungstellung sollen im Beratungsprotokoll für den Privatkunden dokumentiert werden.
f. Die Erfüllung der Pflicht nach § 31 Abs. 3a WpHG obliegt dem WpDU, das die Anlageberatung ausführt bzw. dem sie nach § 2a Abs. 2 S. 2 WpHG als eigene zugerechnet wird. Die ordnungsgemäße Erstellung der Informationsblätter kann auch durch Dritte, insbesondere die Emittenten der Finanzinstrumente, erfolgen. Die Verantwortung dafür, dass die Informationsblätter den normativen Anforderungen entsprechen, liegt jedoch nach § 31 Abs. 3 S. 1 WpHG bei dem sie verwendenden WpDU.
g. Bedient sich ein WpDU in der Anlageberatung eines vertraglich gebundenen Vermittlers als Auslagerungsunternehmen , trägt das WpDU die Verantwortung dafür, dass der Vermittler die Pflichten nach § 31 Abs. 3a WpHG für das WpDU erfüllt.
h. Das Informationsblatt muss die wesentlichen Informationen über das Finanzinstrument wiedergeben. Diese schließen insbesondere die in § 5a Abs. 1 Nr. 1 bis 5 WpDVerOV aufgezählten Informationen mit ein. (s. o. II. 3.)
i. Werden gegenüber einem Privatkunden in einer Anlageberatung Kaufempfehlungen gegeben, ohne dass diesem rechtzeitig vor dem Abschluss eines Geschäfts über das oder die empfohlene(n) Finanzinstrument(e) das jeweilige Informationsblatt zur Verfügung gestellt wurde, verletzt das Institut seine wertpapierrechtlichen Pflichten. In Betracht kommt zudem die Verwirklichung eines Bußgeldtatbestandes nach § 39 Abs. 2 Nr. 15a WpHG.
5. Weitere Umsetzung:
a. Das Bundesministerium der Finanzen kann durch Rechtsverordnung nach § 31 Abs. 11 S. 1 Nr. 2a WpHG n. F. im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz nähere Bestimmungen zu Inhalt und Aufbau der Informationsblätter sowie zur Art und Weise ihrer Zurverfügungstellung treffen.
b. Die Bundesregierung hat die BaFin bereits in der Begründung ihres Gesetzentwurfes vom 08.11.2010 beauftragt, ab dem ersten Geltungstag der neuen Bestimmungen die von den unterschiedlichen Instituten eingesetzten Informationsblätter auf ihre Vergleichbarkeit hin zu überprüfen. Sollten sich hierbei Defizite ergeben, kann eine konkretere Festlegung insbesondere zu den Vorgaben für Format und Inhalt durch eine Rechtsverordnung erfolgen.
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[1] §§ 1 Abs. 1a Nr. 1 KWG, 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG sowie Gemeinsames Informationsblatt der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht und der Deutschen Bundesbank zum neuen Tatbestand der Anlageberatung vom 12.11.2007
[2] § 31a Abs. 3 WpHG
[3] §§ 2 Abs. 4, 2a WpHG
[4]§§ 34 Abs. 2, 2a WpHG; 14 Abs. 6 WpDVerOV
[5] §§ 1 Abs. 11 KWG; 2 Abs. 2b WpHG
[6] §§ 25a Abs. 2, 4; 2 Abs. 10 KWG, 2a Abs. 2 WpHG
[7] BT-Drucks. 17/3628, S. 22: „Zu Buchstabe d“