© BaFin/Matthias Sandmann
Erscheinung:26.02.2025 „Proportionalität ist essentiell für das deutsche Bankensystem“
Abschlussstatement von BaFin-Präsident Mark Branson bei der Veranstaltung „Proportionalität in der Bankenaufsicht und -regulierung“
Es gilt das gesprochene Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!
Zunächst einmal: danke! Danke, dass Sie heute unsere Gäste waren – und danke, dass Sie sich hier mit Ihren Perspektiven und Ihren Ideen eingebracht haben. Einen großen Dank auch an Frau Höpfner und an das gesamte Team der BaFin, das diese Veranstaltung heute auf die Beine gestellt hat. Vielen Dank! Frau Höpfner war es auch, die die Idee für diese Veranstaltung hatte – eine gute Initiative, genau zur richtigen Zeit. Denn der Handlungsdruck in Sachen Proportionalität ist groß.
Das wurde auch in den Gesprächen mit den kleineren Instituten deutlich, die Raimund Röseler und ich in den vergangenen Monaten geführt haben. Überall haben uns die Vorstände sehr valide Argumente vorgetragen, warum wir mehr Proportionalität in der Bankenregulierung brauchen. Ich glaube, ich spreche auch für meine Kolleginnen und Kollegen, wenn ich sage: Für uns war das heute eine wichtige Veranstaltung, die wir wiederholen sollten.
Wenn Sie nun morgen ins Büro kommen und Ihre Kolleginnen und Kollegen Sie fragen „Wie war es bei der BaFin? Was habt Ihr dort besprochen?“, dann möchte ich, dass Sie Ihnen drei Botschaften mit auf den Weg geben.
Erstens: Der Grundsatz der Proportionalität ist essentiell für das deutsche Bankensystem – und uns als Aufsicht daher besonders wichtig. Deutschland ist das Land der kleinen Banken. Und das ist auch gut so. Denn Deutschland hat eine mittelständisch geprägte Wirtschaft. Aber diese kleinteilige Struktur gerät in Gefahr, wenn sie mit immer komplexeren Regelwerken überfrachtet wird. Das wurde mir auch bei meinen Besuchen bei kleinen Instituten sehr deutlich.
Zum Beispiel bei der Stadtsparkasse Grebenstein, der kleinsten Sparkasse Deutschlands. Grebenstein liegt in Hessen, nördlich von Kassel. Die Sparkasse hat einer Bilanzsumme von rund 280 Millionen Euro und rund 50 Beschäftigte. Herr Patock, der Vorstandsvorsitzende, ist heute hier. Danke, dass Sie sich eingebracht haben. Auch im Unterallgäu habe ich eine Bank besucht. Die Raiffeisenbank Pfaffenhausen. Die Bank hat eine Bilanzsumme von fast 400 Millionen Euro und knapp 60 Mitarbeitende. Natürlich ist bei solchen Instituten die Kapazität für Regulierungsprojekte sehr knapp bemessen.
In unseren Gesprächen wurde daher auch schnell deutlich, wie sich eine Regulierung, die Proportionalität zu wenig berücksichtigt, auswirkt. Nämlich durch Überforderung. Kleine Banken haben zu wenig Leute, um viele Regulierungsprojekte zu stemmen. Für eine global aufgestellte, systemrelevante Bank sind solche Projekte natürlich viel einfacher zu verdauen.
Ich weiß, manchmal heißt es: Die BaFin mag vor allem große Banken. Ich habe dazu vor kurzem eine Schlagzeile gelesen: „Die BaFin mag Größe.“ Das hat mich wirklich irritiert. Ganz grundsätzlich gibt es in bürokratischen Institutionen ja auch so etwas wie eine Präferenz für Größe. Viele mögen große Verhandlungspartner, große Banken, nationale Champions – so ist die Welt überschaubarer. Für die BaFin kann ich jedoch sagen: Das stimmt nicht. Wir mögen vor allem gut geführte, solide Institute. Unabhängig davon, wie groß oder klein sie sind. Größe hat Vorteile und Größe hat Nachteile. Was wir auf jeden Fall nicht wollen, ist eine oligopolistische Struktur im deutschen Bankenmarkt. Denn das wäre nicht gut für Kundinnen und Kunden. Im Gegenteil, weil wir auch die Sicht der Kundinnen und Kunden einnehmen, mögen wir Wettbewerb zwischen Banken. Und zwar fairen Wettbewerb.
Umgekehrt mögen wir schlecht geführte Banken überhaupt nicht. Und schlecht geführte Institute gibt es, wenn wir ehrlich sind, auch unter den Kleinen. Der Einfluss von guter oder schlechter Governance – oder vereinfacht gesagt des Faktors Mensch – ist in kleinen Strukturen besonders direkt und weitreichend. Er kann absolut matchentscheidend sein.
Damit wir also die differenzierte Struktur der deutschen Bankenlandschaft erhalten können, brauchen wir eine Regulierung, die den jeweiligen Instituten angemessen ist. Die nicht so umfangreich, kompliziert und komplex ist, dass sie die Kreditinstitute überfordert. Eine solche proportionale Regulierung wäre keine laxe Regulierung. Sie muss natürlich risikoorientiert bleiben. Es geht nicht darum, regulatorische oder aufsichtliche Standards zu senken. Auch proportionale Regulierung muss, wenn nötig, strenge Regulierung sein.
Damit bin ich bei meinem zweiten Punkt, den sie heute mitnehmen sollten: Wir haben schon einiges erreicht – aber es gibt immer noch viel zu tun. Wir haben es heute gehört – es kann auch sinnvoll sein die Regulierungsdichte für kleine Banken zu reduzieren aber im Gegenzug höhere Sicherheitspuffer zu verlangen. Das würde gar keine Abstriche am Kundenschutz bedeuten. Ein Kleinbankenregime dieser Art würde Europa guttun.
Natürlich setzen wir uns in Berlin und vor allem in Brüssel und Paris bei der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA für mehr Proportionalität in der Bankenregulierung ein. Aber nur mit dem Finger auf andere zeigen, das reicht nicht. Deshalb haben wir, nach vielen Gesprächen mit kleinen Instituten, unsere eigene Verwaltungspraxis kritisch angeschaut. Ein wichtiges Zwischenergebnis dieses Prozesses ist unsere Aufsichtsmitteilung. Ich sage bewusst Zwischenergebnis, denn bei den Erleichterungen, die wir im November beschrieben haben, wollen wir nicht stehen bleiben. Die meisten von Ihnen werden mir zustimmen, dass es viele Bereiche gibt, in denen wir noch mehr Proportionalität brauchen. Nur ein Beispiel: Nehmen Sie den Bereich der qualitativen Anforderungen an die Geschäftsorganisation. Hier kommt es besonders stark auf die Gegebenheiten im jeweiligen Institut an. Auch in vielen Ihrer Beiträge wurde heute deutlich, dass wir in puncto Proportionalität noch einiges erreichen können. Noch einmal herzlichen Dank, dass Sie sich hierzu eingebracht haben!
Ich glaube, auch durch diese Veranstaltung heute sind wir auf einem guten Weg. Und das ist der dritte und letzte Punkt, den Sie heute mitnehmen sollten: Wir bleiben an dem Thema dran. Wir setzen uns weiter für mehr Proportionalität ein. Und wir werden auch künftig den direkten Dialog suchen.
Dabei fangen wir bei uns selbst an. Zum Beispiel indem wir unsere eigenen Regelwerke wie etwa die MaRisk weiter kritisch anschauen. Dazu sprechen wir natürlich auch mit den zentralen Verbänden. Besonders wichtig sind uns aber die direkten Kontakte und Gespräche mit den kleinen Instituten. So wie wir sie heute führen konnten.
Ich kann Ihnen versichern: Wir werden auch der neuen Bundesregierung konkrete Vorschläge machen, wie wir in Deutschland und in Europa mehr Proportionalität in der Bankenaufsicht und -regulierung erreichen können. Darauf drängen wir auch in den europäischen Gremien, in denen wir vertreten sind.
Die Diskussionen mit unseren Kolleginnen und Kollegen aus dem Vereinigten Königreich und aus der Schweiz haben zudem gezeigt, dass wir das Rad nicht komplett neu erfinden müssen. Wir haben in der EU mit dem Small-and-Non-complex-institution-Regime ja bereits Ansätze für ein Kleinbankenregime. Darauf könnten wir aufbauen.
Meine Damen und Herren,
mehr Proportionalität in der Bankenaufsicht und -regulierung erreichen, das heißt, sehr dicke Bretter zu bohren. Das werden wir nicht von heute auf morgen schaffen. Das ist eine Daueraufgabe. Eine Daueraufgabe, für die wir auch in den kommenden Monaten und Jahren Ihren Input und Ihre Perspektiven brauchen werden. Wir werden nicht immer mit Ihren Ideen einverstanden sein. Aber dann haben wir zumindest die Möglichkeit, Sinn und Zweck einer Regulierung besser zu erläutern. Ich bitte Sie daher: Bringen Sie sich weiter zu diesem Thema ein. Lassen Sie uns im Gespräch bleiben und an den guten Austausch des heutigen Tages weiter anknüpfen. Wir freuen uns darauf.
Vielen Dank und kommen Sie gut nach Hause!