© BaFin/Matthias Sandmann
Erscheinung:27.01.2025 Rede von Exekutivdirektor Raimund Röseler beim Digitalen Aufsichtsbriefing
Es gilt das gesprochene Wort!
Vielen Dank, lieber Herr Theurer, für die treffende Bestandsaufnahme zur aktuellen Lage.
Meine Damen und Herren!
Die Rahmenbedingungen sind anspruchsvoll und herausfordernd. Für die Kreditinstitute. Und für uns in der Bankenaufsicht.
Bundesbank und BaFin haben sich für 2025 vier Aufsichtsschwerpunkte vorgenommen, die diesem Umfeld Rechnung tragen. Dabei gehen wir auch in diesem Jahr wieder risikoorientiert vor. Das heißt: Wenn Sie in einem Institut ohne besondere Risiken arbeiten, werden wir Sie wahrscheinlich nicht groß stören. Mit allen anderen hingegen werden wir voraussichtlich das eine oder andere intensive Gespräch führen. Und wir werden auch Prüfungen durchführen. Apropos Prüfungen: Wir haben uns mit der Bundesbank auf ein modulares Prüfungskonzept verständigt. Das heißt, die Mehrzahl unserer Prüfungen werden wir künftig fokussierter und damit auch aufwandsärmer gestalten.
Was steht für 2025 konkret auf unserer Agenda?
Michael Theurer hat es eben deutlich gemacht: Die Institute müssen sich 2025 in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld bewegen. Für die Institute bedeutet das: Das Kreditrisiko steigt. Es drohen vermehrte Kreditausfälle und steigende Wertberichtigungen. Dazu kommt das schwache Neugeschäft mit Immobilienfinanzierungen. Es wirkt sich vor allem auf die Geschäftsmodelle und die Ertragslage derjenigen Institute aus, bei denen die Kreditvergabe in diesem Bereich der Hauptbestandteil des Geschäfts ist.
Angesichts des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds haben wir uns im nationalen Aufsichtsprogramm konkrete Ziele vorgenommen. Wir wollen in diesem Jahr stetig überwachen: Wie entwickeln sich die Kreditvergabestandards? Wie die Kreditausfallquoten? Und wie die Werte der Sicherheiten? Dafür werden wir uns im Rahmen einer Querschnittsanalyse ansehen, wie sich die Risiken und Ausfälle im Kreditgeschäft entwickeln. Insbesondere im Geschäft mit hoch verschuldeten und wirtschaftlich schwachen Kreditnehmern. Oder mit Unternehmen aus Branchen oder Regionen, die von der schwierigen wirtschaftlichen Lage besonders betroffen sind.
Außerdem werden wir die Ergebnisse des LSI-Stresstests nachverfolgen und Auffälligkeiten adressieren. Und wir haben eine ganze Reihe von Sonderprüfungen geplant. Sonderprüfungen des Kreditgeschäfts, vor allem von solchen Instituten, die hohe Risiken in ihrem Unternehmenskreditportfolio und in ihrem Bestand an Gewerbeimmobilienfinanzierungen aufweisen. Und aus gegebenem Anlass werden wir uns auch die Depot-A Positionen und die Eigenanlagen von Banken in Immobilien anschauen.
Zweitens werden wir uns mit der IT-Sicherheit befassen. Das Cyber- und IT-Risiko steigt. Wir beobachten zwar nicht dramatisch steigende Zahlen von Cyber-Angriffen. Sehr wohl aber eine zunehmende Professionalität und auch kriminelle Energie der Angreifer. Das Risiko durch Cyber-Angriffe steigt sicher auch durch geopolitische Spannungen. IT-Sicherheit sollte deshalb nicht nur bei uns, sondern auch jedem Vorstand eines Kreditinstitutes ganz oben auf der Agenda stehen. Die Verantwortung liegt aber hier nicht alleine bei den Instituten, sondern auch bei ihren Dienstleistern, insbesondere den großen Mehrmandantendienstleistern.
Wir werden in diesem Jahr daher den aufsichtlichen Dialog mit Instituten und mit den IT-Mehrmandantendienstleistern intensivieren. Dazu gehört auch die Durchführung von Prüfungen bei solchen Dienstleistern. DORA gibt uns hier neue Möglichkeiten, aber auch neue Pflichten. Wir haben uns zudem vorgenommen, Konzentrationen von Auslagerungen zu ermitteln sowie die damit verbundenen Risiken. Außerdem werden wir ein Cyber-Lagebild der deutschen Finanzwirtschaft fertigstellen und laufend aktualisieren.
Kommen wir nun zum dritten Schwerpunkt, den wir uns in diesem Jahr vorgenommen haben: der Governance. Es ist unabdingbar, dass Kreditinstitute kompetent geführt werden und über eine effektive Geschäftsorganisation verfügen. Wir haben in den letzten Jahren einige Banken in Schieflage gesehen. Sie alle kennen zumindest die prominenten Beispiele. Die Ursache der Probleme lag eigentlich nie in der allgemeinen wirtschaftlichen Situation des Umfeldes. Ursache war eigentlich immer, dass diese Banken sehr bemerkenswerte – oder besser: merkwürdige – Geschäfte gemacht haben. Geschäfte, deren Risiken sie nicht verstanden. Dass es dazu kommen konnte, lag immer an Defiziten der bisherigen Führung oder der Aufsichtsorgane.
Ich sage es sehr deutlich: Wir werden als Aufsicht keine schlechte Governance akzeptieren. Wenn wir Institute mit Mängeln in diesem Bereich identifizieren, werden wir auch vor sehr einschneidenden Maßnahmen nicht zurückschrecken.
Schließlich werden wir uns – viertens – in diesem Jahr mit den Auswirkungen der Zinsentwicklung beschäftigen. Eines ist klar: Die schönen Zinsmargen der vergangenen beiden Jahre werden zurückgehen. 2023 war für die meisten Institute ein wirklich goldenes Jahr, ohne dass die Banken hierfür viel tun mussten. Auch 2024 war noch ziemlich gut. Wir gehen aber davon aus, dass der Rückenwind durch die schönen Zinsmargen abflauen wird. Darauf müssen sich die Institute einstellen. Und wir werden beobachten, wie die Banken denn hierauf reagieren.
Meine Damen und Herren,
Bundesbank und BaFin setzen sich natürlich auch in diesem Jahr wieder mit Themen auseinander, von denen wir wissen, dass sie mittel- bis langfristig wichtiger für die Banken werden:
Erstens mit dem Thema ESG, insbesondere mit dem Klimawandel. Meine Damen, meine Herren: mir ist bewusst, dass die europäische Regulierung zu diesem Themenkomplex derart granular und detailliert ist, dass sich manch ein Marktteilnehmer überfordert fühlt. Meines Erachtens zu Recht! Wir als deutsche Aufsicht werden uns daher im Rahmen unserer Möglichkeiten für eine vernünftige Regulierung einsetzen. Aber wir müssen auch feststellen: Diese Risiken sind leider nicht so weit weg, wie manche denken. Die Naturkatastrophen in den vergangenen Jahren haben dies deutlich belegt. Banken müssen diese Risiken in ihrem Risikomanagement und ihrer Strategie berücksichtigen.
Zweitens: digitale Transformation. Neue Technologien und Dienstleister brechen alte Wertschöpfungsketten auf und setzen etablierte Institute unter Druck. Entwicklungen im Bereich von KI werden das noch beschleunigen. IT-Systeme sind nicht mehr nur Infrastruktur für erfolgreiches Banking, IT-Systeme werden zum Wettbewerbsfaktor. Institute, die hier nicht mithalten können, werden auf Dauer nicht überlebensfähig sein. IT sollte daher bei jedem Institut Chefsache sein.
Und dann, drittens, der demografische Wandel: Er betrifft die Institute auf unterschiedliche Weise. Zum einen geht es um Fachkräfte. Gibt es die künftig noch in hinreichendem Ausmaß? Bis zum Jahre 2030 werden die allermeisten Banken einen großen Teil ihrer Fachkräfte in den Ruhestand verabschieden. Und diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden sie nicht alle ersetzen können. Wie wirkt sich dies auf die Banken aus? Und zum anderen werden natürlich auch die Kundinnen und Kunden älter. Auch das wird sich auf die Geschäftsmodelle auswirken.
Meine Damen und Herren,
das neue Jahr hält einiges an Herausforderungen für die Institute bereit. Umso wichtiger ist ein stringentes Management der Risiken. Das erwarten wir von Ihnen. Ich weiß aber: Auch Sie haben berechtigte Erwartungen an uns, an die Aufsicht. Zum Beispiel, dass der regulatorische Aufwand sinkt. Wir haben Ende November 2024 eine Aufsichtsmitteilung veröffentlicht, in der wir aufzeigen, welche Spielräume kleine Institute in ihrem Risikomanagement bereits heute haben. Außerdem haben wir mit der Aufsichtsmitteilung weitere Erleichterungen eingeführt. Davon dürften etwa drei Viertel der deutschen Kreditinstitute profitieren. Für uns war das ein erster Schritt. Weitere werden hoffentlich folgen. Wir bleiben an dem Thema dran.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Erlauben Sie mir zum Schluss noch eine persönliche Bemerkung. In gut zwei Monaten werde ich mein Amt als Exekutivdirektor Bankenaufsicht an meinen Nachfolger übergeben. Das ist heute also mein letztes Aufsichtsbriefing. Ich möchte diese Gelegenheit nutzen, Ihnen allen für den Dialog in den vergangenen Jahren sehr herzlich zu danken. Wir waren nicht immer einer Meinung; dies wäre aber auch erstaunlich. Aber gemeinsam haben wir es geschafft, den deutschen Bankensektor vergleichsweise stabil auch durch schwere Zeiten zu lotsen. Das war nur zusammen möglich.
Ich habe es bereits öfters gesagt – und ich stehe nach wie vor dazu: Die Struktur des deutschen Bankensektors passt aus meiner Sicht sehr gut zur Struktur der deutschen Wirtschaft. Ich denke, wir alle sollten dazu beitragen, dass dies auch künftig so ist.
Ich wünsche Ihnen alles Gute für das Jahr 2025. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.