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Porträtaufnahme von Mark Branson, Präsident der BaFin. © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:31.08.2023 | Thema Versicherungen „Schneller, mutiger und risikoorientierter“

Rede von Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), bei der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht.

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Petra, lieber Frank,

ich begrüße Sie ganz herzlich zur Jahreskonferenz der BaFin für die Versicherungsaufsicht.

Die heutige Konferenz ist besonders. Es ist die letzte Jahreskonferenz unseres Exekutivdirektors Dr. Frank Grund, der in den wohlverdienten Ruhestand geht. Er hat unsere Versicherungsaufsicht in den vergangenen acht Jahren erfolgreich geleitet und die BaFin als Behörde geprägt.

Unsere Aufsicht wandelt sich: Sie wird schneller, mutiger und risikoorientierter. Frank Grund hat diese Transformation unserer Behörde stark vorangetrieben und wichtige Weichen gestellt. Für uns ist der Wechsel an der Spitze der Versicherungsaufsicht ein wichtiges Ereignis.

Ich möchte dies als Anlass nehmen, zunächst zurückzuschauen: Was haben wir in den vergangenen acht Jahren erreicht? Danach werfe ich einen Blick auf die zukünftigen Herausforderungen.

Für viele Beaufsichtigte waren die vergangenen Jahre schwere Jahre. Die Niedrigzinsen haben die deutschen Lebensversicherer aufgrund der hohen Garantieversprechen deutlich härter getroffen als ihre europäischen Pendants.

Vor acht Jahren, als Chef der Schweizer Finanzmarktaufsicht, sah ich auf den deutschen Lebensversicherungsmarkt und fragte mich: Geht das gut aus? Von „Angst vor dem Kollaps“ und „Manndeckung“ war die Rede. Trotzdem kam die Branche schließlich verhältnismäßig glimpflich durch diese Phase.

Dies ist auch ein Verdienst unserer vorausschauenden Aufsicht:
Das Morgen und Übermorgen sind für uns Aufseher fast wichtiger als das Heute. Mit Hilfe unserer Prognoserechnungen für fünf, zehn und sogar 15 Jahre konnten wir in der Niedrigzinsphase herausfinden, welche Unternehmen auch langfristig überlebensfähig waren und welche in den drauffolgenden Jahren Probleme bekommen könnten. Wo das der Fall war, griffen wir sofort ein und intensivierten unsere Aufsicht.

Frank Grund sah auch schon sehr früh, wie schwierig die Niedrigzinsphase insbesondere für Pensionskassen werden könnte. Durch ihn bekam das Thema die nötige Aufmerksamkeit – er brachte es sogar 2018 auf die Titelseite der BILD-Zeitung. Es ist unter anderem seiner Weitsicht zu verdanken, dass es nur vereinzelt zu Leistungskürzungen kam.

Unter Frank Grund kämpfte die BaFin für jede Pension. Egal, ob ein Unternehmen marktbedeutend war oder nicht. Er ist in dieser schwierigen Phase aktiv auf Träger zugegangen, hat viele Einzelgespräche geführt und nach Branchenlösungen gesucht.

Er hat aber nicht nur Feuer ausgetreten, sondern im Sinne der vorausschauenden Aufsicht stets darauf geachtet, dass kein neues entsteht.

Er hat darauf gedrängt, dass die Lebensversicherer weniger Garantieversprechen im Neugeschäft anbieten. Und auch die Pensionskassen mussten ihre Zinsen im Neugeschäft senken.

Selbstverständlich mischen wir uns als BaFin grundsätzlich nicht in unternehmerische Entscheidungen ein. Es sei denn, wir sehen, dass daraus hohe Risiken entstehen, die die Gemeinschaft der Versicherten belasten könnten. Dann werden wir sofort aktiv.

Wer Frank Grund kennt, weiß, dass er nicht davor zurückschreckt, sofort zum Hörer zu greifen und auch unbequeme Entscheidungen zu treffen.

Ich glaube, ich übertreibe nicht, wenn ich sage: Wir haben eine der am meisten respektierten Solvenzaufsichten weltweit. Ich war schon dieser Meinung, als ich in der Schweiz eine Partnerbehörde leitete, und bin es immer noch.

Wir haben in den vergangenen Jahren einiges getan, um unsere Solvenzaufsicht weiter zu verbessern. Die Einführung von Solvency II war für die Versicherungsaufsicht nicht weniger als ein Paradigmenwechsel: von einem regelbasierten zu einem prinzipienbasierten Aufsichtsregime.

Frank Grund hat fast zeitgleich mit der Einführung von Solvency II sein Amt übernommen. Er hat schnell die Stärken dieses Regimes erkannt und unsere Aufsicht konsequent danach ausgerichtet. „Solvency II macht die Risiken transparent“, betonte er. Potentielle zukünftige Entwicklungen könnten auf diese Weise früher erfasst werden.

Für viele Unternehmen war die Umstellung ein Kraftakt. Frank Grund und seine Mannschaft haben sie dabei eng begleitetet, indem sie ihre Erwartungen klar kommuniziert haben. Sie haben auch dafür gesorgt, dass die Unternehmen zwar gefordert, aber nicht überfordert wurden.

Wir als Aufseher müssen immer damit rechnen, dass aus dem Unwahrscheinlichen Tatsachen werden. Das gilt auch für die Minuszinsen. Niemand hätte es damals für möglich gehalten, dass diese Phase so lange andauern würde. Deswegen war es wichtig und richtig, die Zinszusatzreserve einzuführen und diese zu befüllen. Auch gegen den Widerstand der Branche.

Aber Frank Grund hat nicht nur auf das Umfeld reagiert. Er hat proaktiv unsere Aufsichtsarbeit vorangetrieben. Er hat repriorisiert, Schwerpunkte gesetzt und ist stärker auf die individuellen Risiken der Unternehmen eingegangen. So konnten wir unsere Schlagkraft erhöhen und unsere Ressourcen dort einsetzen, wo sie am meisten gebraucht wurden.

Und er hat die internationale Zusammenarbeit der Aufseher gestärkt. In den höchsten Gremien der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden IAIS und der europäischen Aufsichtsbehörde EIOPA war er sehr aktiv. Er hat dafür gekämpft, dass die Eigenheiten der Versicherungsbranche stärker berücksichtigt werden. Und dass Solvency II zum weltweiten Vorbild für Regulierungsstandards wird.

Die Frage ist jetzt: Wie geht es ohne Frank Grund weiter? Es gibt, wie immer, Arbeit, die nicht vollendet ist. Wer auf Frank Grund folgt, muss hier den Ball aufnehmen. Einen Namen kann ich Ihnen zwar heute nicht nennen, aber ich bin sehr zuversichtlich, dass wir hier bald nachlegen werden.

Fest steht: Wir müssen die Versicherungsaufsicht jenseits der Solvenzaufsicht weiter stärken. Diese ist in vielen Ländern Europas noch unterentwickelt, wie erst kürzlich die EIOPA attestiert hat. Auch wir müssen da mehr tun. Petra gibt uns zu Recht hier eine schlechte Note.

Immerhin: Geteiltes Leid ist halbes Leid – unsere Kolleginnen und Kollegen von 17 europäischen Versicherungsaufsichtsbehörden haben ebenfalls genauso schlecht abgeschnitten.

Eine exzellente Solvenzaufsicht reicht nicht. Die Kundinnen und Kunden brauchen nicht nur einen Anbieter, der nicht untergeht, sondern einen, der ihnen zudem ein passendes Produkt zu einem fairen Preis anbietet.

Das können wir leider aus Erfahrung nicht nur dem Markt überlassen. Wir werden daher noch stärkerer den Fokus auf die Produkte und deren Vertrieb setzen. Kundinnen und Kunden sollen nur Policen angeboten bekommen, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Und das zu fairen Preisen.

Manche Lebensversicherungen sind aktuell so teuer, dass sie sich kaum lohnen können. Vor allem, wenn man die hohen Stornoquoten sieht. Der Markt ist imperfekt und die Informationen, die den Kundinnen und Kunden gegeben werden, sind teilweise schwer verständlich.

Auch Interessenkonflikte im Vertrieb sind für sie nicht genügend erkennbar. Die Anreize sind teilweise so ausgestaltet, dass Kundinnen und Kunden bestimmte Produkte angeboten werden, obwohl ein anderes passender wäre. Das muss sich ändern.

Frank Grund hat schon einiges getan, um Exzesse im Vertrieb zu stoppen. Mit dem Merkblatt zur Wohlverhaltensaufsicht hat er eine wichtige Grundlage geliefert. Der Weg dorthin war nicht einfach – es hat viel Widerstand gegeben. Wir nehmen jetzt den Ball auf, indem wir die Ausreißer bei Provisionen und Produktkosten intensiv prüfen.

Frank Grund ist Versicherungen. Er hat sein ganzes Berufsleben in der Branche verbracht. Und kennt sie aus sehr unterschiedlichen Perspektiven.

Fast 30 Jahre war er als Manager in der Branche tätig. Dann kam er zur BaFin. Für uns war das schlicht ein Glücksfall. Sein Führungsstil war für die Behörde erfrischend: klar, kooperativ, fordernd, aber stets auf Augenhöhe mit seinen Mitarbeitenden. Er war immer ansprechbar, hat sich jeder Diskussion gestellt und immer versucht, die beste Lösung zu finden.

Ich habe von ihm viel gelernt. Nicht zuletzt hat er mich mit dem Karneval vertraut gemacht. Frank, wir werden Deine an der Weiberfastnacht in der BaFin vermissen.

Du bist das lebende Beispiel dafür, dass Humor manchmal in den unwahrscheinlichsten Ecken der Welt zu finden ist: sogar bei der deutschen Versicherungsaufsicht.

Du gehst. Gleichzeitig hinterlässt Du hier in der BaFin eine tolle Mannschaft, die Du in den vergangenen Jahren zusammengestellt und aufgebaut hast. Das stimmt mich sehr zuversichtlich für die Zukunft. Frank, wir machen da weiter, wo Du aufhörst.

Vielen herzlichen Dank im Namen des gesamten Direktoriums und der Belegschaft der BaFin.

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