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Bild von Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht, Dr. Frank Grund © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:01.06.2023 Aufsicht über EbAV und Versicherungsunternehmen

Vortrag von Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), 85. aba – JAHRESTAGUNG am 16. Mai 2023

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Dr. Thurnes, sehr geehrte Damen und Herren,

Ich freue mich, dass Sie sich ganze zwei Tage Zeit nehmen, um über die betriebliche Altersversorgung und die Rentenpolitik zu diskutieren.

Ich spreche heute darüber, welche Rolle die Finanzaufsicht BaFin bei diesem Thema spielt. Im heutigen Programm bin ich dabei so etwas wie ein Fremdkörper, aber dazu später mehr.

Als Aufsicht achten wir darauf, dass Versicherer und Einrichtungen der betrieblichen Altersvorsorge ihren Geschäftsbetrieb ordentlich führen. Dass sie sich an die geltenden Gesetze halten. Und dass die Belange der Versicherten gewahrt bleiben. Dazu gehört natürlich, dass EbAV ihre Verpflichtungen gegenüber den Versicherten dauerhaft erfüllen können.

Gerade dieser letzte Punkt hat uns in den vergangenen Jahren mit Blick auf die Pensionskassen sehr beschäftigt. Denn sie haben zum Teil sehr unter dem extrem niedrigen Zinsniveau gelitten.

Kassen mussten von ihren Trägerunternehmen oder Aktionären gestützt werden. Einige mussten sogar die Leistungen für ihre Versicherten kürzen.

Seit dem vergangenen Jahr steigen die Zinsen wieder. Vor wenigen Wochen hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins erneut angehoben.

Das sind grundsätzlich gute Nachrichten. Aber ein abrupter Zinsanstieg kann auch zu Verwerfungen führen. Und das ist nicht das einzige Risiko, mit dem die Pensionskassen umgehen müssen. Neben den allgemeinen ökonomischen und geopolitischen Risiken bringen auch Umbrüche wie der Klimawandel und die Digitalisierung Unwägbarkeiten mit sich. Um die Zukunftsfähigkeit der Pensionskassen zu stärken, braucht es neue Ansätze.

Beginnen wir mit einem Blick auf die Fakten. Es gibt einige gut aufgestellte und auch zukunftsfähige Pensionskassen. Aber über die Hälfte ist inzwischen für den Neuzugang geschlossen. Die Beitragseinnahmen der Branche stagnieren seit Jahren.

Und unsere Prognoserechnung zeigen: Das wird sich in naher Zukunft auch nicht ändern. Ich gehe daher davon aus, dass die Branche vor einem Konsolidierungsprozess steht. Den werden wir als Aufsicht gerne begleiten.

Auch im abgelaufenen Geschäftsjahr wurden Bestände von kleineren Kassen auf größere Einheiten übertragen – und kleine Kassen in die Liquidation geschickt. Kassen, die sich aufgrund ihrer Bestandsgröße oder auch angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Situation besonders intensiv mit ihrer Zukunft beschäftigen müssen oder sollten, werden wir weiterhin bei der Suche und Umsetzung geeigneter Lösungen unterstützen.

In Frage kommen hier Bestandsübertragungen, bei denen wir gerne Kontakte zu aufnahmewilligen Unternehmen herstellen, aber auch Auflösungen. Sollten Sie für eine solche Pensionskasse Verantwortung tragen: Sprechen Sie dazu am besten Ihr Aufsichtsteam an.

Wie ist die aktuelle wirtschaftliche Lage der Pensionskassen? Die Entwicklung des vergangenen Jahres ist gekennzeichnet durch zwei Faktoren: den deutlichen Zinsanstieg und die sehr hohe Inflation.

Für die vom Niedrigzinsumfeld besonders betroffenen Pensionskassen bedeuten die gestiegenen Zinsen natürlich zunächst eine Entlastung. Die Ertragschancen in der Neu- und Wiederanlage steigen. Gleichwohl bewegen sich die Zinsen – historisch betrachtet – immer noch auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau. Wir sehen immer noch Pensionskassen, deren durchschnittlicher Rechnungszins über der Rendite von zehnjährigen Bundesanleihen liegt.

Kassen mit höherem Rechnungszins sind daher gut beraten, diesem Thema weiter Aufmerksamkeit zu widmen. Sie sollten die erforderlichen weiteren Absenkungen des Rechnungszinses angehen.

Der Zinsanstieg erhöht – wie gesagt – die Ertragschancen. Gleichzeitig hat er aber bereits die stillen Reserven schmelzen lassen. In den Bilanzen der Pensionskassen haben sich zunehmend stille Lasten gebildet. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: Zum Jahresende 2021 verfügten die Kassen branchenweit noch über stille Netto-Reserven von circa 30 Milliarden Euro. Nur ein Jahr später, also Ende 2022, bestanden bei den Kassen stille Netto-Lasten von rund fünf Milliarden Euro.

Das ist erst einmal nicht weiter tragisch. Denn zinsinduzierte stille Lasten in festverzinslichen Wertpapieren führen bei den Pensionskassen nicht zwingend zu zusätzlichen Aufwendungen. Wir gehen davon aus, dass keine Abschreibung über den Nennwert hinaus erfolgen muss – wenn die Papiere dem Anlagevermögen zugeordnet sind, bis zur Endfälligkeit gehalten werden und kein Bonitätsrisiko besteht. Das ist in der Regel auch der Fall.

Da bei den Pensionskassen ein Storno kaum möglich ist, müssen die stillen Lasten auch nicht realisiert werden, um Liquiditätsanforderungen zu bedienen.

Allerdings führt der Rückgang der stillen Reserven zu einer verminderten Risikotragfähigkeit – das bestätigt auch unser letzter Stresstest, der uns als Frühwarninstrument dient. Die Zahl der Pensionskassen mit einem negativen Ergebnis ist deutlich höher als im Jahr zuvor. Mit diesen Unternehmen gehen wir natürlich in den Dialog.

Werfen wir nun einen Blick auf die Folgen der sehr hohen Inflation. Was macht sie mit den Pensionskassen? Direkte Konsequenzen für deren Leistungen hat sie in der Regel nicht. Denn diese Leistungen sind üblicherweise nicht an die Inflationsentwicklung gekoppelt. Und inflationsbedingte Kostensteigerungen können sich allenfalls auf das Kostenergebnis der Kassen auswirken.

Das ist aber nur ein Teil der Geschichte. Die Inflation wird sich indirekt auf die Pensionskassen auswirken. Nämlich über die Erwartungen der Versicherten an die Überschussbeteiligung. Wir werden uns genau ansehen, welche Überschussbeteiligung die Kassen vorschlagen. Und natürlich werden wir, falls erforderlich, mit den Pensionskassen auch darüber diskutieren, ob ihre Vorschläge tatsächlich dauerhaft finanzierbar sind.

Denn eines muss klar sein: Eine Überschussbeteiligung, wie sie bei Pensionskassen üblich ist, nämlich in Form einer dauerhaft garantierten Rentenerhöhung, vermindert immer die Risikotragfähigkeit der Unternehmen. Deswegen ist hier besondere Sorgfalt geboten. Pensionskassen sollten zum Beispiel darüber nachdenken, dort, wo es die Allgemeinen Versicherungsbedingungen zulassen, die Überschussbeteiligung in Tarife mit einem geringeren Rechnungszins umzuleiten. Das würde ihre Risikotragfähigkeit weniger belasten.

Wie geht es in den kommenden Jahren wirtschaftlich weiter für die Pensionskassen? Aufschluss darüber geben die Ergebnisse unserer mehrjährigen Pensionskassen-Prognoserechnung. Die Unternehmen haben sie gerade zum Stichtag 30. September 2022 durchgeführt – inzwischen zum zehnten Mal. Mit Hilfe dieser Prognoserechnung können wir – neben der wirtschaftlichen Lage – auch die längerfristige Entwicklung der Pensionskassen in verschiedenen Szenarien recht gut einschätzen.

Die jüngste Prognoserechnung wurde – ich denke, das ist Ihnen allen klar, – in einem sehr dynamischen Markt- und Zinsumfeld durchgeführt.

Angesichts des deutlichen Zinsanstiegs seit 2022 haben wir im vorgegebenen BaFin-Szenario entsprechend verbesserte Parameter zugrunde gelegt – unter anderem eine deutlich höhere Neu- und Wiederanlagerendite für die ersten fünf Jahre1.

Dieses Szenario sieht ab dem sechsten Jahr sicherheitshalber einen Rückgang der Neu- und Wiederanlagerendite um einen Prozentpunkt vor.2 Grund sind die Ungewissheit, was die längerfristige Zinsentwicklung angeht, und dass Pensionskassen bekanntlich besonders von niedrigen Zinsen betroffen sind.
Erwartungsgemäß sind die längerfristigen Ergebnisse unserer Prognoserechnung zu Ende September deutlich besser ausgefallen als in den Vorjahren. Vor allem wegen des Zinsanstiegs und der Maßnahmen, welche die Pensionskassen bereits ergriffenhaben. Das gilt nicht nur, jedoch vor allem für das unternehmensindividuelle Langfristszenario. Darin konnten die Pensionskassen die Annahmen aus ihrer eigenen Unternehmensplanung ansetzen, einschließlich entsprechender Neu- und Wiederanlagerenditen.3

Gleichwohl sehen wir in der Prognoserechnung auch: Perspektivisch könnte ein moderates Niedrigzinsumfeld zumindest langfristig bei wenigen Pensionskassen zu Schwierigkeiten führen. Im BaFin-Szenario ist ein solches Szenario gekennzeichnet durch eine Neu- und Wiederanlagerendite von 1,4 Prozent p.a. ab dem sechsten Jahr.

Dabei ist jedoch die Bedeckung der Solvabilitätskapitalanforderungen, zumindest auf Branchenebene, wieder in allen Szenarien gegeben. Und zwar, anders als in Vorjahren, über den gesamten Prognosezeitraum von 15 Jahren. In den Langfristszenarien steigt sie sogar kontinuierlich. Zugleich sinkt die Zahl der Pensionskassen deutlich, die in einem oder mehreren Jahren des Prognosezeitraums Solvabilitätsunterdeckungen ausweisen oder nach dem Prognosezeitraum erwarten lassen.

Die Prognoserechnung ist für uns das wesentliche Instrument, wenn wir überlegen, ob wir ein Institut in die intensivierte Aufsicht nehmen.

Die Ergebnisse unserer jüngsten Prognoserechnung waren alles in allem immehin so gut, dass wir nur noch gut 20 Pensionskassen unter intensivierter Aufsicht haben. Zuvor waren es noch rund 30.

Einige Pensionskassen – durchaus in verschiedenen Branchen – erwarten außerdem weiterhin steigende Beiträge und Überschüsse. Das zeigt: Das Geschäftsmodell kann nach wie vor tragfähig betrieben werden.

Aber perspektivisch könnte selbst ein moderates Niedrigzinsumfeld zu Schwierigkeiten bei wenigen Pensionskassen führen. Auch der aktuelle Stresstest zeigt als Frühwarninstrument entsprechende Risiken auf. Mit solchen Unternehmen gehen wir natürlich in den Dialog.


Meine Damen und Herren,

auf die wirtschaftliche Lage der Pensionskassen zu schauen ist wichtig, aber nicht hinreichend. Denn entscheidend für die Zukunft ist ja nicht nur die Frage, ob die Pensionskassen überhaupt bestehen können. Entscheidend wird sein, ob sie Arbeitgebern Angebote machen können, die attraktiv für deren Beschäftigte sind.

In den vergangenen Jahren hat sich die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland weiterentwickelt. Denken Sie zum Beispiel an das Sozialpartnermodell, das die damalige Großen Koalition 2017 auf den Weg gebracht hat. Betriebsrenten auf Basis einer reinen Beitragszusage sind ein neuer Ansatz in Deutschland. Bei den Pensionsfonds sind die ersten beiden Sozialpartnermodelle inzwischen gestartet. Mit einer Pensionskasse sind wir aktuell in Gesprächen dazu. Ich gehe davon aus, dass weitere folgen.

Mir erscheint es jedenfalls lohnenswert für Pensionskassen, das Geschäftsfeld weiter auszubauen. Sozialpartnermodelle sind ein Zukunftsfeld für Pensionskassen.

Unsere Erfahrungen mit den beiden existierenden Sozialpartnermodellen zeigen übrigens: Je offener der Dialog zwischen BaFin, Anbieter und Sozialpartnern ist, desto schneller können Fragen geklärt werden. Und desto schneller ist das Modell am Markt.

Um konkurrenzfähig zu bleiben, werden Pensionskassen verstärkt auch über Anlageformen mit höheren Renditechancen nachdenken müssen. Alleine schon, weil sich das Zinsniveau trotz der jüngsten Anstiege immer noch auf niedrigen Niveau bewegt.

Dazu eine Anmerkung: Schon die heute gültigen Anlagevorschriften stehen Investitionen in Anlageklassen mit höheren Renditechancen nicht entgegen.

Maßgeblich ist hier die Anlageverordnung.

Wir sehen derzeit, dass die in der Anlageverordnung zulässigen Mischungsquoten auf Branchenebene nicht annähernd ausgeschöpft sind.

Pensionskassen, die Mischungsquoten überschreiten, können zusätzlich die Öffnungsklausel für eine Zuführung zum Sicherungsvermögen nutzen. Außerdem können sie, bei ausreichender Risikotragfähigkeit, einen Antrag auf Ausnahmegenehmigung stellen, wenn die Belange der Versicherten dadurch nicht beeinträchtigt werden. Die Praxis zeigt jedoch: Das passiert oft nicht. Dabei ist – wie gesagt – auch heute schon Vieles möglich.

Das gilt auch für Investitionen in Start-ups, die ja auch gerne gefordert werden. Auch solche Anlagen sind nach der Anlageverodnung bereits zulässig – sofern Pensionskassen die entsprechenden Begrenzungen durch Mischungs- und Streuungsvorschriften beachten. Investitionen in neu gegründete Unternehmen gehen nun einmal mit erheblichen Verlustrisiken einher. Viele Start-ups scheitern. Zudem bringen Anlagen in diesem Bereich keine laufenden Erträge. Deshalb ist es auch schwierig, solche Investitionen in einem größeren Volumen ins Risiko- und ins Asset-/Liability-Management einzubeziehen.


Was die von einigen geforderten Erleichterungen bei der Anlage in Investmentvermögen, also in Fonds, angeht: Die Möglichkeiten für Pensionskassen bei der indirekten Anlage sind schon heute umfangreicher als in der Direktanlage. Für uns heißt das, dass wir der Gefahr entgegenwirken müssen, dass die Kassen über die indirekte Anlage die Anlagevorschriften umgehen.

Als Aufseher kann ich nicht nur über Renditechancen sprechen. Ich muss natürlich vor allem die damit verbundenen Risiken im Blick haben. Dabei spielt unser eben erwähnter Stresstest eine ganz wesentliche Rolle.

Pensionskassen sind verpflichtet zu prüfen, wie flexibel ihr Anlagebestand auf bestimmte Kapitalmarktszenarien und Investitionsbedingungen reagiert, auch im Rahmen unseres Stresstests.

Dieser Test dient einerseits dazu, die Asset Allocation zu überprüfen. Andererseits soll er, im Sinne eines Frühwarnsystems auch für die Unternehmen, zu einer vorausschauenden Investitionspolitik beitragen.

Sie alle wissen: Die größten Risiken in der Kapitalanlage sind Marktrisiken und damit vor allem Zinsänderungsrisiken. Wenn diese Risiken in einem Stresstest nicht angemessen berücksichtigt werden, dann sagt er nicht mehr viel aus.

Deshalb prüfen wir regelmäßig, ob die Vorgaben unseres Pensionskassen-Stresstests noch angemessen sind. Und wir passen sie an, falls erforderlich.

Wir haben zum Beispiel auf Basis aktueller Erkenntnisse die Vorgaben zu den Aktienrisiken angepasst. Das lässt den Aktienstress für hohe Indexstände im Vergleich zu den früheren Vorgaben sinken. Diesen Effekt gibt es übrigens auch bei Infrastrukturbeteiligungen.

Gerade mit Blick auf Infrastrukturbeteiligungen ziehen manche ja gerne einen Vergleich mit Solvency II. Denn in diesem Regelwerk gibt es für „qualifizierte Infrastrukturinvestments“ Erleichterungen bei der Eigenmittelanforderung.

Aber: Solvency-II-Unternehmen müssen Infrastrukturanlagen mit Eigenmitteln unterlegen. Bei EbAV ist das nicht der Fall.

Außerdem nutzen Versicherer sie bisher nur eingeschränkt. Zudem hatten die Erleichterungen bislang keinen merklichen Effekt auf ihre Investitionstätigkeit.

Sie sehen: Ein einfacher Vergleich mit den Solvency-II-Unternehmen kann schnell in die Irre führen.

Stresstests müssen aussagekräftig bleiben. Nur dann sind sie nützlich für das Risikomanagement.

Weswegen wir den Stresstest für Pensionskassen auch künftig weiterentwickeln werden. Wir werden uns dazu mit der Branche weiter austauschen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

Pensionskassen müssen ihre wesentlichen Risiken im Blick behalten. Hier sind beispielhaft drei Themen zu nennen:

Beginnen wir bei der Kapitalanlage, präziser: bei den indirekten Kapitalanlagen, also beispielsweis großen Wertpapier-Spezialfonds und alternativen Kapitalanlagen wie Private-Debt- und Private-Equity-Fonds, Loans, Hypotheken und Infrastruktur. Die damit verbundenen Risiken schauen wir uns in diesem Jahr besonders an. Durch umfangreiche Analysen wollen wir sehen, welche Risiken in den indirekten Kapitalanlagen stecken.

Zahlreiche Pensionskassen haben in den vergangenen Jahren in solche Anlagen investiert. Weil sie im Niedrigzinsumfeld die Chance auf vergleichsweise attraktive Renditen boten. Auch heute, in Zeiten steigender Zinsen, halten viele Pensionskassen an illiquiden Anlagen fest. Wegen der Ertragschancen. Und wegen der Möglichkeit, das eigene Portfolio zu diversifizieren.

Aber: Private Debt und Private Equity sind deutlich komplexere Anlageformen als Staatsanleihen und Aktien. Das Anlageuniversum ist sehr heterogen. Informationen über die Zielunternehmen sind schwerer zu beschaffen und auszuwerten.

Bei Private Debt, also der Gewährung von Fremdkapital über Darlehen, geht es natürlich vor allem um das Kreditrisiko. Hinzukommen Währungsrisiken und rechtliche Risiken bei internationalen Anlagen.

Bei Private Equity, also der Bereitstellung von Eigenkapital über Beteiligungen, liegt die Crux in der Bewertung des Zielunternehmens. Pensionskassen sollten Informationen, die sie hierzu von ihrem Asset-Management bekommen, kritisch hinterfragen. Und bei der Bewertung sollten sie dem Vorsichtsprinzip hinreichend Rechnung tragen. Natürlich sind solche Anlagen vor wirtschaftlichen Turbulenzen nicht gefeit – auch wenn sie nicht unmittelbar von den Kursschwankungen an den Kapitalmärkten betroffen sind.

Trübt sich die gesamtwirtschaftliche Lage weiter ein, steigt die Gefahr von Kreditausfällen und Insolvenzen. Und das heißt: Auch das Abschreibungsrisiko steigt.

Um die Risiken von Private-Debt- und Private-Equity-Anlagen beurteilen zu können, müssen Pensionskassen die Geschäftsmodelle der Zielunternehmen tief durchdringen. Und sie müssen diese Unternehmen über die Laufzeit ihrer Anlagen hinweg im Auge behalten. Sich alleine auf die Berichte und Analysen der Asset-Manager – und Managerinnen zu verlassen? Das reicht nicht. Als Aufseher lege ich darauf großen Wert.

Mindestens genauso relevant sind die Risiken aus dem Klimawandel. Er kann für die Zukunft der Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung von wesentlicher Bedeutung sein. EbAVs können als institutionelle Anleger bei der Dekarbonisierung der Realwirtschaft eine Schlüsselrolle spielen. Und sie sind zugleich selbst von Nachhaltigkeitsrisiken betroffen. Trotzdem nutzen bis dato nur wenige Einrichtungen Klimastresstests und Szenarioanalysen, um diese Risiken zu messen. Wir wissen: In Sachen Datenkonsistenz und Modellkomplexität ist noch einiges zu klären. Dennoch erwarten wir, dass Klimawandelszenarien und -modelle in den kommenden Jahren flächendeckend eingesetzt werden können.

Es geht bei solchen Analysen ja nicht darum, die Auswirkungen der vom Klimawandel ausgehenden Risiken präzise aufs Komma genau zu berechnen. Es geht darum, dass EbAV sich ein Bild über die Wesentlichkeit einzelner Szenarien machen, also von der Bedeutung und den Auswirkungen einzelner Klimaszenarien, und dass sie strategische Schlussfolgerungen ziehen können. Sie sollten die Erkenntnisse eben auch heute schon in ihrem Risikomanagement berücksichtigen.

EIOPA hat 2022 ihren ersten europaweiten Klimastresstest für EbAV durchgeführt hat. Sie wollte die Resilienz von EbAV in einem Klimawandelszenario testen: Unterstellt hat sie den Umstieg auf eine CO2-neutrale Realwirtschaft. Daraus resultierte die Notwendigkeit, ab 2030 den Preis für CO2-Emmissionen schnell zu erhöhen, um das Zwei-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens einzuhalten.

Der Stresstest wurde auf Grundlage der jeweiligen nationalen Rechnungslegungsstandards durchgeführt. In Deutschland also auf Basis des Handelsgesetzbuchs. Zusätzlich wurde ein von EIOPA entwickelter einheitlicher europäischer Bewertungsstandards zugrundegelegt – allein schon aus Vergleichbarkeitsgründen.

Während unter diesem einheitlichen Bewertungsstandard der Marktwert bei den deutschen Teilnehmern um 14 Prozent sank, ging der Wert unter dem HGB4 um vier Prozent zurück.

Die Ergebnisse haben gezeigt: Die EbAV müssen im Rahmen ihres Risikomanagements auch Klimawandelszenarien betrachten. Auch unter dem HGB drohen Abschreibungen bei allen wesentlichen Kapitalanlagearten.

Daher gilt: EbAV müssen sich intensiv mit Risiken des Klimawandels auseinandersetzen. Diese Risiken könnten in der Realität durchaus größer sein, als im Szenario des Klimastresstests angenommen.

Ein weiteres Risiko ist die IT- und Cyber-Sicherheit. Finanzunternehmen sind ein beliebtes Ziel von Cyberattacken. Trotz ihrer Nähe zum Arbeits- und Sozialrecht sind EbAV Finanzunternehmen. Sie fallen deshalb auch unter die Finanzmarktregulierung.

Durch den Krieg in der Ukraine ist die Gefahr von Cyberattacken noch einmal gestiegen – auch wenn nach unserer Kenntnis noch keine nennenswerten erfolgreichen Angriffe stattgefunden haben.

Eines ist mir wichtig: Es geht hier nicht nur um Cyberattacken. Unsere Daten zeigen, dass der größte Anteil aller IT-Vorfälle hausgemacht ist. Das Schadenspotenzial ist auch hier groß.

Die Anfälligkeit der IT-Systeme steigt natürlich auch durch Auslagerungen an IT-Dienstleister.

Wir möchten daher, dass die Unternehmen grundsätzlich resilienter werden, wenn es um die Risiken der Digitalisierung geht.

Ich muss leider sagen: Die Ergebnisse unserer bisherigen Prüfungen sind ernüchternd. In puncto IT-Sicherheit besteht durchaus noch Verbesserungspotenzial.

IT- und Cybersicherheit werden daher hoch auf unserer Agenda bleiben, darauf können Sie sich verlassen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich komme zurück zu meiner Ausgangsaussage: Um die Zukunftsfähigkeit der Pensionskassen zu stärken, braucht es neue Ansätze. Zwar werden streng wirtschaftlich betrachtet viele Kassen überleben. Ein „weiter so“ ist keine Option. Sozialpartnermodelle sind hier eine gute Chance. Pensionskassen brauchen zudem ein gutes Kapitalanlagemanagement und ein effektives Risikomanagement um attraktive Angebote machen zu können und langfrisitg zukunftsfähig zu bleiben. Dann können sie auch die Impulse, die aktuell auch in der Politik besprochen werden, sinnvoll aufgreifen.

Meine Damen und Herren, eingangs habe ich gesagt, ich sei im heutigen Programm so etwas wie ein Fremdkörper. Das liegt daran, dass ich eigentlich erst morgen hätte reden sollen. Da bin ich aber verhindert. Und da dies die letzte aba-Jahrestagung für mich als Exekutivdirektor bei der BaFin ist, war es mir ein sehr großes Anliegen, noch einmal zu Ihnen zu kommen. Ich freue mich sehr, dass ich diese Gelegenheit bekommen habe. Und ich hoffe, Sie drücken ein Auge zu und es gibt gleich keine Sechs – nach dem Motto: „Thema von heute verfehlt.“

Heute ist noch nicht die Zeit, um mich zu verabschieden. Ich möchte Sie stattdessen zu unserer nächsten Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht einladen. Sie findet am 31. August 2023 in Bonn statt. Es wäre sehr schön, sie dort wiederzusehen!

Vielen Dank!

Fußnoten:

  1. 1 2,4 % nach bisher durchgehend 0,5 % p.a. für 15 Jahre.
  2. 2 100 Basispunkte auf 1,4 % p.a.
  3. 3 Im Branchendurchschnitt relativ konstant rund 3,5 % p.a.
  4. 4 Handelsgesetzbuch.

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