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Porträtaufnahme von Mark Branson, Präsident der BaFin. © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:02.03.2023 | Thema Fintech Innovationen: Grenzenlose Chancen oder Risiken ohne Ende?

Rede von Mark Branson, Präsident Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), im Rahmen der Finanzmarktklausur des CDU-Wirtschaftsrats am 2. März 2023 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrte Damen und Herren, lieber Herr Steinbrück, ich danke Ihnen sehr für Ihre Einladung!

Auf der Agenda stehen heute wichtige Themen wie die Transformation der Wirtschaft, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts und die Digitalisierung. Ich will mich in meiner Rede daher mit einem Phänomen beschäftigen, das alldem zugrunde liegt: die Innovation. Genauer gesagt: die Innovation in der Finanzwelt.

Als Aufseher habe ich sicher einen speziellen Blick auf das Thema. Es ist sehr wichtig, dass Aufsichtsbehörden sich nicht nur mit den Geschäftsmodellen von heute und den Unfällen von gestern beschäftigen. Wir müssen uns auch vorbehaltlos auf Neuerungen am Markt einlassen.

Daher so viel vorab: Wir wollen Innovationen ermöglichen und sie intensiv begleiten. Wobei eines klar sein muss: Grundsätzlich bringen Innovationen die Branche nur voran, wenn sie dem Kunden dienen und nicht umgekehrt.

Ich bin mir sicher, Sie alle kennen die Aussage von Paul Volcker aus dem Jahr 2009: Der Geldautomat sei im Grunde die einzige nützliche Innovation, die die Finanzbranche über 20 Jahre zustande gebracht habe. Hätte Volcker noch heute Recht? Eines ist zumindest klar: Die Erfindung des Geldautomaten vor mehr als 50 Jahren hat den Menschen ohne Zweifel einen Nutzen beschert. Sie kommen leichter an ihr Geld – und das Tag und Nacht.

Bei den meisten anderen Neuerungen fällt der Befund deutlich weniger eindeutig aus. Es gab mehr „financial engineering“ als echte Innovationen. Dabei werden Innovationen gerade in der Finanzwelt häufig erst einmal euphorisch begrüßt.

Die Begeisterung für die großen Versprechen eines neuen Produkts oder einer neuen Technologie steigert sich jedoch nicht selten zu einer gefährlichen Form irrationalen Überschwangs. Die Risiken geraten dann solange aus dem Blick, bis sie sich letztlich doch materialisieren. Das ist oft ein schmerzlicher Prozess.

Ein aktuelles Beispiel hierfür ist die Blockchain-Technologie. Ihr Potenzial ist zweifellos faszinierend: Sie verspricht unter anderem eine erhöhte Transparenz und geringere Transaktionskosten mit weniger Intermediären.

Das würde viele altgediente Prozesse komplett auf den Kopf stellen. Zugleich birgt die Anwendung dieser Technologie aber enorme Risiken, die wir noch nicht ausreichend begrenzt haben: Auf der Blockchain basierende Krypto-Werte etwa sind eine ganz neue Herausforderung für den Verbraucherschutz, aber auch für die Bekämpfung von Geldwäsche und anderen Formen der Finanzkriminalität.

Womöglich existieren in der Zukunft auch Risiken für die Finanzstabilität.Bislang ist der Krypto-Markt mit der traditionellen Finanzindustrie zwar nicht besonders eng verflochten. Denken Sie an den Zusammenbruch der großen Krypto-Börse FTX im vergangenen Jahr. Er hat die Finanzstabilität nicht gefährdet.

Wird es beim nächsten Mal auch gut ausgehen? Da können wir nicht sicher sein. Wir als BaFin müssen immer auf alle Fälle vorbereitet sein. Auch auf Unwahrscheinliche. Deswegen ist es für uns so wichtig, dass wir technologische Innovationen so früh und so eng wie möglich begleiten.

Wir wollen nicht im Wege stehen. Innovationen und neue Geschäftsmodelle sind schließlich ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts. Deswegen kommen Innovationen auch prominent in unseren Mittelfristzielen vor.

Wir haben in der BaFin ein ganzes Team, dass sich nur mit finanztechnologischen Innovationsthemen wie zum Beispiel der Distributed Ledger Technologie (DLT), Künstlicher Intelligenz und Open Finance beschäftigt.

Ich möchte Ihnen nun zunächst kurz beschreiben, wie die BaFin Innovationen grundsätzlich begleitet, dann gehe ich auf zwei konkrete Beispiele ein.

Uns wird manchmal vorgeworfen, dass wir den Markt überregulierten, neue Technologien behinderten und es jungen Unternehmen besonders schwer machten. Das mag aus deren Sicht manchmal so wirken, schließlich sind innovative Unternehmen besonders ungeduldig: sie wollen vor der Konkurrenz auf dem Markt sein.

Wenn wir Ideen und Konzepte kritisch hinterfragen, ist das jedoch kein Selbstzweck: Unser Anspruch ist immer klar: Wir sorgen für faire Rahmenbedingungen und tragen dazu bei, dass innovative Geschäftsmodelle auch tragfähig sind.

Unser Auftrag ist es nicht, Schutzgebiete für bedrohte alte Geschäftsmodelle einzurichten. Genau so wenig aber schaffen wir Wohlfühloasen für Fintechs und andere Newcomer, indem wir ein Auge zudrücken, wenn aufsichtliche Standards und Compliance-Regeln nicht eingehalten werden. Für uns gilt der bekannte Grundsatz: Same business, same risks, same rules.

Bankgeschäfte sind aus gutem Grund streng reguliert. Was aber auch bedeutet: Eine BaFin-Erlaubnis muss ein Gütesiegel sein, das für Seriosität steht: Das müssen sich die Unternehmen erstmal verdienen: Das erreichen sie mit einem plausiblen Geschäftsmodell, genügend Startkapital und verlässlichem Führungspersonal.

Time to market, die Zeit bis zum Markteintritt, ist wie gesagt gerade für junge Unternehmen entscheidend. Dem wollen wir Rechnung tragen, indem wir sie so früh wie möglich begleiten. Wir wollen mit ihnen so früh, so effizient und so transparent wie möglich kommunizieren.

Und wir stärken den Dialog. Wir haben zum Beispiel unsere FinTech Internetpräsenz vollständig überarbeitet. Dadurch können die Unternehmen leichter mit uns in Kontakt treten. Und wir ihnen relevante Fragen schneller beantworten.

Mit ausgewählten Innovationen und Geschäftsmodellen setzen wir uns auch in Workshops mit der Industrie auseinander. Erst vor einer Woche haben wir ein FinTech Forum veranstaltet. Dabei haben wir uns mit wichtigen Vertreterinnen und Vertretern der Branche rege und lebendig ausgetauscht.

Und um selbstkritisch zu sein: wir müssen schneller werden. Wir sollen frühzeitig Rechtssicherheit schaffen. Ein schnelles „Nein“ ist mehr Wert für einen Unternehmer als ein zögerliches „Vielleicht“. Daran arbeiten wir. Wir verschlanken unsere Arbeitsabläufe und setzen uns dabei klare Ziele.

Die BaFin-Erlaubnis muss aber ein echtes Gütesiegel bleiben. Das ist langfristig wichtig für die Branche. Ich möchte nun noch konkret auf zwei besonders wichtige technologische Entwicklungen eingehen. Zuerst die Künstliche Intelligenz (KI). Banken und Versicherer nutzen sie entlang ihrer kompletten Wertschöpfungskette, um Prozesse zu optimieren.

Mit Künstlicher Intelligenz können Kreditinstitute zum Beispiel leichter abschätzen, ob und wann ein Kunde in Zahlungsschwierigkeiten geraten könnte. Auch bei der Geldwäscheerkennung zeigt sich, dass dynamische KI- Technologien sich besonders schnell an Veränderungen in Mustern und Verhaltensweisen anpassen und auf neue Risiken reagieren.

Auch Versicherer nutzen diese Innovationen, im Schaden- und Stornomanagement beispielsweise, und im Vertrieb. In der Wertpapierbranche werden diese Technologien im Handel, der Beratung, im Risikomanagement und der Compliance angewendet.

Diese Technologien können deutsche Finanzunternehmen effizienter und damit auch wettbewerbsfähiger machen. Aber es gibt auch Risiken: Was ist zum Beispiel, wenn Verbraucher direkt oder indirekt diskriminiert werden? Die Folgen können fatal sein, wenn Menschen oder Unternehmen allein aufgrund intransparenter und automatisierter Prozesse keinen Zugang mehr zu finanziellen Leistungen bekommen.

Für uns ist es daher wichtig, dass die Entscheidungen der KI stets nachvollziehbar, erklärbar und kontrollierbar sind. Hier muss das Kundeninteresse im Zentrum stehen.

Ich komme zu meinem zweiten Beispiel: die Blockchain-Technologie und Krypto-Werte. Ich bin schon zu Beginn meiner Rede kurz auf diese Technologie eingegangen. Die Technologie ist zweifellos innovativ aber wird sie auch im Interesse der Kunden angewendet? Oder ist es nur die jüngste Version eines alten Tricks: mit Neuigkeiten Leute um ihr Geld zu bringen?

FTX ist leider nicht der erste Krypto-Anbieter, den es dahingerafft hat. Und er wird auch nicht der letzte sein. Die aktuelle Ernüchterung könnte schon bald verflogen sein. Viele werden dann glauben, die Kinderkrankheiten der Branche seien auskuriert. Deswegen müssen wir jetzt aus dem FTX-Kollaps und ähnlichen Fällen die richtigen Lehren ziehen.

Wir sollten jetzt die Anbieter der Krypto-Branche regulieren. Und zwar äquivalent zur Regulierung im traditionellen Sektor –Standards dürfen nicht verwässert werden, bloß, weil etwas innovativ ist. Nur dann entsteht ein gesunder Wettbewerb zwischen beiden Welten.

Mit der MiCA-Verordnung zur Krypto-Regulierung hat die Europäische Union einen entscheidenden Schritt gemacht. Aber da dürfen wir nicht stehenbleiben. Wir brauchen „MiCA plus plus“. Konkret müsste die Regulierung auf alle Aktivitäten ausgedehnt werden, von denen Risiken für die Integrität oder Stabilität der Finanzmärkte ausgehen können.

Wir dürfen da nicht anders vorgehen als beim traditionellen Geschäft. Ich denke vor allem an Pooling, Lending und Decentralized Finance. Wir brauchen echte und risikoorientierte Kapital- und Liquiditätsanforderungen. Wir können nicht einfach zusehen, wenn marktbeherrschende Unternehmen Aktivitäten unter einem Dach bündeln, ohne dass sich auch die Anforderungen entsprechend erhöhen.

Wir müssen zusehen, dass wir die Geldwäscherisiken eindämmen. Und wir sollten den unklaren Status von Krypto-Werten im Insolvenzfall gesetzlich klären.

Und das Ganze brauchen wir weltweit: Wir brauchen weltweit eine einheitliche angemessene Regulierung und eine vergleichbar intensive Aufsicht. Sonst laufen die Geschäfte ungestört auf fernen Inseln weiter. Selbst der entlegenste Ort ist für Anleger nur einen Mausklick entfernt.

Regulierung darf aber nie bedeuten, dass es „picking winners“ von staatlicher Seite gibt. Wir, die Aufsicht, halten die Risiken in Schach. Wir tragen dazu bei, dass innovative Geschäftsmodelle tragfähig sind und Verbraucher nicht den Kürzeren ziehen. Einen Vollkaskoschutz bieten wir aber nicht. Weder für junge Unternehmen noch für Verbraucher.

Nicht alle Geschäftsideen werden überleben. Innovationen sind ein Produkt ihrer Zeit. Manchmal kommen sie vor ihrer Zeit. Sie verschwinden, und vielleicht kommen sie in anderer Form zurück. Geschäftsmodelle werden und dürfen versagen. Es sollten am Ende die Märkte, genauer gesagt: die Kunden entscheiden, welche Geschäftsmodelle und Technologien sich tatsächlich durchsetzen.

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