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Bild von Exekutivdirektor Versicherungsaufsicht, Dr. Frank Grund © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:02.02.2023 Lebensbestände im Run-off

SZ-Versicherungstag 2023

Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), 2. Februar 2023

Es gilt das gesprochene Wort!

Sehr geehrter Herr Fromme,

herzlichen Dank, dass ich jetzt gegen die Mittagsmüdigkeit ankämpfen darf. Ich werde mich dem Abdriften ins allgemeine Suppenkoma entgegenstellen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

jetzt wird’s schmutzig. Zumindest, wenn man das Urteil einiger Beobachter teilt, die das Run-off-Geschäft einmal als „Müllkippe“ der Versicherungsbranche bezeichnet haben. Stand so vor einigen Jahren in einer großen deutschen Tageszeitung. Für’s Protokoll: Ich mache mir dieses Urteil explizit nicht zu eigen. Anders gesagt: Ich halte es für blanken Unsinn.

Das Run-off-Geschäft und die Run-off-Plattformen sind immer noch relativ neu im deutschen Markt. Die ersten großen Transaktionen gab es vor etwa zehn Jahren. Ich möchte heute gerne darauf eingehen, auf welche Themen wir als Aufsicht in puncto Run-off-Transaktionen achten. Und ich möchte einige Punkte herausarbeiten, die meines Erachtens zurzeit von besonderer Bedeutung sind: für Run-off-Plattformen, aber auch für Versicherer ganz allgemein.

Zunächst einmal beruhen Run-offs auf unternehmerischen Entscheidungen der Versicherer, die wir als solche nicht bewerten. Es steht jedem Unternehmen frei, sein Portfolio und seine Geschäftsstruktur so zu gestalten, wie es das für richtig hält. Natürlich im Rahmen der regulatorischen Vorgaben. Dazu gehört natürlich auch die Option eines Run-offs.

Den Run-off gibt es ja ohnehin nicht. Von der teilweisen oder vollständigen Einstellung des Neugeschäfts, also dem internen Run-off, bis zum Inhaberwechsel eines Versicherungsunternehmens sind viele Formen möglich. Ich werde mich heute auf den externen Run-off konzentrieren. Der externe Run-off kann durch Bestandsübertragung erfolgen. Dann bekommen die Kunden einen neuen Vertragspartner, wobei sich am Vertrag selbst ansonsten nichts ändert. Oder er erfolgt durch Inhaberwechsel. Hier behalten die Kunden ihren Vertragspartner, das Unternehmen erhält lediglich neue Inhaber.

Egal, welche Form Unternehmen wählen, eines ist klar: An der Aufsicht führt kein Weg vorbei. Eine Bestandsübertragung muss nach § 13 VAG von der BaFin genehmigt werden. Und einen Unternehmensverkauf können wir nach § 18 VAG untersagen. Uns als Aufsicht kommt es sowohl bei einer Bestandsübertragung als auch beim Inhaberwechsel vor allem auf eines an: dass die Belange der Versicherten gewahrt bleiben. Ein Run-off, egal in welcher Form, darf nicht auf Kosten der Kundinnen und Kunden gehen.

Im deutschen Markt spielt der externe Run-off eine wichtige Rolle. Stand heute befinden sich sieben Lebensversicherer mit mehr als 4,1 Millionen Verträgen im externen Run-off. Das entspricht einem Marktanteil von etwas mehr als fünf Prozent. Bezieht man die Pensionskassen ein, befinden sich zehn Gesellschaften im externen Run-off. Ich werde mich hier aber auf die Lebensversicherer konzentrieren. Von den sieben externen Run-offs erfolgten sechs als Inhaberwechsel, einer als Bestandsübertragung.

Die auf externen Run-off spezialisierten Unternehmen, die Run-off-Plattformen oder Bestandsversicherer haben ein sehr spezifisches Geschäftsmodell. Ihre Inhaberstruktur ist typischerweise anders. Hinter den Run-off-Plattformen stehen oftmals Private-Equity-Gesellschaften und andere Finanzinvestoren. Diese Anleger verbinden mit dem Geschäftsmodell der Run-off-Plattformen, also dem gezielten Ankauf von Lebensversicherungsbeständen, hohe Ertragserwartungen. Daher kommt sicherlich ein besonders starker Fokus auf die Interessen der Anteilseigner.

Bei einem prinzipienbasierten Aufsichtsregime wie Solvency II bestehen gewisse Freiheitsgrade in der Modellierung der Risiken, das liegt in der Natur der Dinge. Wir beobachten bei den Bestandsversicherern einen stärkeren Drang, diese Freiheitsgrade auszutesten. Diese Usancen kannten wir so vorher noch nicht. Das bedeutet natürlich eine besondere Herausforderung für uns als Aufsicht – und sicher auch für die Wirtschaftsprüfer. Aber eine, der wir uns sehr gerne stellen. Eines ist dabei klar: Für Run-off-Plattformen gelten die gleichen Regeln und die gleichen Eingriffsbefugnisse der Aufsicht wie für alle anderen Versicherer.

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir haben in den vergangenen Jahren einige Run-off-Transaktionen begleitet. Wenn ich heute auf diese Projekte zurückblicke, fällt mir auf: Sie betrafen bislang hauptsächlich kapitalmarktorientierte Unternehmen mit Muttergesellschaften außerhalb Deutschlands.

Warum ist das so? Vielleicht, weil bei diesen Unternehmen die Abwägung zwischen der Reaktion der Kunden auf die Ankündigung eines Portfolioverkaufs einerseits und den Interessen der Aktionäre andererseits etwas anders ausfällt als bei Unternehmen, die hierzulande auch ihren Hauptsitz haben? Auch andere Überlegungen, wie die Marktposition oder die Rechtsform, mögen hier eine Rolle spielen.

Wie viele von Ihnen frage ich mich natürlich auch: Wie kann es weitergehen im Run-off-Geschäft? Im vergangenen Jahr ist noch einmal Dynamik in den Markt gekommen. Große Transaktionen wurden vereinbart, sind allerdings noch nicht vollzogen.

Mit diesen Ankündigungen sollte das Potenzial für solche Transaktionen bei großen Lebensversicherungsbeständen mittlerweile weitgehend erschöpft sein. Die Wachstumschancen in diesem Bereich in Deutschland sind nunmehr sehr begrenzt. Das ist lediglich meine Einschätzung, es mag auch anders kommen.

Aber angesichts wieder steigender Zinsen frage ich mich schon: Gibt es in den Unternehmen überhaupt noch Interesse an einer Abgabe der Bestände? Und was ist mit den Unternehmen, die bereits eine Entscheidung zum externen Run-off getroffen haben? Überdenken sie heute ihre Entscheidung? Oder bereuen sie sie vielleicht sogar?

Zudem frage ich mich: Wie wird es längerfristig mit dem Geschäftsmodell der Run-off-Plattformen weitergehen? Ihre Bestände und damit auch ihre Erträge schwinden naturgemäß. Bei den Bestandsversicherern stand bislang die Abwicklung und die Generierung von Kostenvorteilen im Zentrum mit einem entsprechenden Fokus des Managements – für mich ein klares Konzept. Dies scheint aber nicht mehr durchgängig der Fall zu sein – es gibt bereits Anbieter, die versuchen, sich weiterzuentwickeln. Werden wir perspektivisch also vielleicht einen Einstieg dieser Unternehmen ins Neukundengeschäft sehen?

Ich erwarte mir heute natürlich keine Antwort auf all diese Fragen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

kommen wir zurück zur konkreten Aufsichtsarbeit. Bei der BaFin lernen wir mit jeder Run-off-Transaktion dazu. Und diese Erfahrungen und Erkenntnisse nutzen wir natürlich, wenn wir laufende Transaktionsvorhaben beurteilen.

Was sich aus meiner Perspektive besonders bewährt hat, ist der enge und frühzeitige Trilog mit den beteiligten Unternehmen. Also mit dem Käufer und dem Verkäufer.

Solche frühzeitigen Gespräche sind wichtig, denn es geht ja um sehr komplexe Vorhaben. In diesen Gesprächen machen wir natürlich auch deutlich, was für uns bei der aufsichtlichen Beurteilung von Run-off-Projekten im Zentrum steht: die Belange der Kunden. Sie müssen gewahrt bleiben. Darauf achten wir sehr genau.

Was heißt das aber konkret? Es heißt, dass wir uns externe Run-offs unter finanziellen und organisatorischen Gesichtspunkten anschauen.

Beginnen wir mit dem Finanziellen. Damit meine Ausführungen nicht zu komplex werden, konzentriere ich mich dabei auf die häufigste Form des externen Run-offs, den Inhaberwechsel. Viele der folgenden Anforderungen sind im Fall der Bestandsübertragung materiell ohnehin sehr ähnlich.

Wir erwarten natürlich, dass ein Run-off durchgerechnet wird. Die Bestände werden beim klassischen Run-off zwar nur abgewickelt, deshalb umfassen solche Planungsrechnungen kein Neugeschäft. Aber weil sich eine Abwicklungsstrategie zum Beispiel auf die langfristige Kostenbelastung, den Risikoausgleich im Kollektiv und die Kapitalanlagen auswirkt, benötigen wir für unsere Prüfung entsprechende Prognosen. Die Run-off-Plattformen betonen ja gerne, dass bei ihnen höhere Gewinne entstehen –weil sie die Bestände günstiger verwalten, Aufwendungen für den Vertrieb einsparen und Kapitalanlagen ertragreicher managen können. Für uns ist daher entscheidend, dass das im Einzelfall auch überzeugend dargelegt werden kann.

Weil sich die Abwicklung von Lebensversicherungsverträgen Jahrzehnte hinziehen kann, muss sich der Prognosezeitraum der Planungsrechnungen auf mindestens 15 Jahre erstrecken. Bei einem kürzeren Zeitraum könnten wir nicht bewerten, ob die geschäftlichen Pläne angemessen sind. Und ob die Belange der Versicherten berücksichtigt wurden und finanzielle Solidität gegeben ist.

Zum Paket, das man uns auf den Tisch legen muss, gehören alle relevanten Unterlagen, aus denen hervorgeht, wie sich das Geschäftsmodell auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage auswirkt. Dazu zählen zum Beispiel Planbilanzen, Plangewinn- und Verlustrechnungen und Solvenzkennzahlen. Was wir auch sehen wollen, sind die Annahmen, die den Prognosen zugrunde liegen. Hier machen wir Vorgaben für die zu rechnenden Kapitalmarkszenarien oder verlangen eine Variation der Annahmen.

Sollte sich aus den Prognosen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage ein zusätzlicher Kapitalbedarf oder ein besonderer Liquiditätsbedarf ergeben, muss der Erwerber uns schlüssig erläutern, wie er diese abdecken will.

Ein wichtiges Maß, das wir uns ebenfalls genau ansehen ist die Eigenmittelsituation vor und nach der Transaktion. Wie Sie sicherlich alle wissen, bestimmen sich die vorhandenen Eigenmittel nach den Vorschriften von Solvency II aus dem Überschuss der Vermögenswerte über die Verbindlichkeiten, hieran haben die versicherungstechnischen Rückstellungen ja den wesentlichsten Anteil. Gerade die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen wird aber von einer ganzen Reihe von Faktoren beeinflusst.

Ein Inhaberwechsel zum Beispiel, bei dem ein Unternehmen ja aus seiner bisherigen Versicherungsgruppe herausgelöst wird, hat vielfältige Auswirkungen. Unter anderem auch auf die Auslagerung bestimmter Tätigkeiten. Hier ändert sich typischerweise einiges. Und damit ändern sich auch die künftigen Kosten. Dadurch können sich die versicherungstechnischen Rückstellungen erhöhen – oder aber reduzieren. Gleiches gilt für einen Wechsel des Managements. Ein neues Management wird auf künftige Entwicklungen anders reagieren. Und soweit sich typische Reaktionen vorab fixieren lassen, gehen sie als Managementregeln in die Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen ein.

Bei Bestandsübertragungen ändert sich die Eigenmittelsituation noch stärker, weil hier sämtliche Wechselwirkungen zwischen dem vorhandenen und dem neu übertragenen Bestand abzubilden sind.

Werfen wir nun einen Blick auf die Gruppenebene. Auch hier tut sich bei einem externen Run-off einiges. Grundsätzlich ändern sich für beide Gruppen, für die abgebende und für die aufnehmende Gruppe, die vorhandenen Eigenmittel und die Kapitalanforderungen. Und dabei können überraschende Effekte eintreten. Zum Beispiel kann sich die Lage beider Gruppen verbessern. Oder verschlechtern. Abhängig von den Veränderungen auf Ebene des Einzelunternehmens und den Auswirkungen gruppeninterner Transaktionen. Natürlich sind auch etwaige Verpflichtungen der übergeordneten Unternehmen, die zur Sicherung der Kundeninteressen vereinbart wurden, in den Eigenmitteln und Solvenzkapitalanforderungen auf Gruppenebene zu berücksichtigen. Beispielsweise Ergebnisabführungsverträge und Beistandsgarantien.

Besonders interessiert uns natürlich die Frage, ob der Kunde durch den Übergang von einer Versicherungsgruppe auf eine Run-off-Plattform negativ beeinträchtigt wird. Die Sicherheit für den Kunden hängt in der abgebenden Versicherungsgruppe ja nicht nur von der finanziellen Ausstattung des einzelnen Unternehmens ab. Auch die Fähigkeit der Gruppe, ein in Not geratenes Unternehmen zu stützen, spielt eine große Rolle. Mit dem Übergang verliert der Kunde diese Gruppenhaftung. Und dafür muss er angemessen kompensiert werden.

Naturgemäß sind die Verhältnisse in der aufnehmenden Gruppe anders. Aus Kundensicht können sie mehr Sicherheit bedeuten oder weniger. Und wenn ein Weniger an Sicherheit zu befürchten ist, dann verlangen wir Absicherungsmaßnahmen. Zum Beispiel muss uns ein Erwerber regelmäßig eine konkrete Kapitalausstattung in Höhe des bisherigen Niveaus zusagen, natürlich deutlich über dem gesetzlichen Minimum. Und diese Kapitalausstattung darf er für einen klar definierten Zeitraum nicht unterschreiten. Es versteht sich von selbst, dass der Erwerber die entsprechenden Mittel nachweisen muss. Diese Mittel dürfen nicht irgendwo liegen, sondern müssen in einem Unternehmen, verfügbar sein das unter unserer Aufsicht steht.

Neben den Kapitalanforderungen spielt aus Sicht des Kunden natürlich auch die Überschussbeteiligung eine wesentliche Rolle. Deshalb schauen wir uns diese für unterschiedliche Szenarien ganz genau an. Denn sie basiert in hohem Maße auf Annahmen über die zukünftigen Maßnahmen des Managements. Wir achten darauf, dass die Unternehmen in ihren Darstellungen angemessene Annahmen treffen.

Auch und gerade mit Blick auf die Überschussbeteiligung gilt, dass Kunden durch eine Bestandsübertragung bzw. einen Unternehmensverkauf nicht schlechter gestellt werden dürfen.
Wenn sich Änderungen in der Struktur der Kapitalanlagen auf die zukünftige Überschussbeteiligung auswirken, dann wollen wir das wissen. Der Erwerber muss die Auswirkungen genau darlegen.

Woran denke ich dabei konkret? Ich denke zum Beispiel an einen angemessenen Umgang mit illiquiden Kapitalanlagen. Üblicherweise sichern Run-off-Plattformen ja ihre Zinsrisiken durch liquide Anlagen ab. Und über illiquide Anlagen streben sie dann einen Zusatzertrag an. Zum Beispiel über Private Debt. Unternehmen sollten sich jedoch darüber im Klaren sein: Das sind hoch risikoreiche Anlagen. Alleine das Kreditrisiko ist erheblich. Versicherer müssen die Risiken dieser Anlagen angemessen managen. Das ist uns sehr wichtig.

Deshalb werden wir uns die Entwicklung in puncto Alternative Kapitalanlagen sowie Spezialfonds der Versicherer – nicht nur, aber auch der Run-off Plattformen – 2023 genau ansehen. Und gegebenenfalls werden wir notwendige Aufsichtsmaßnahmen vornehmen. Wir erwarten ein hohes Verständnis für diese Themen. Und wir erwarten, dass die Versicherer sprechfähig sind.

Kommen wir damit zu den organisatorischen Aspekten, auf die wir achten. Die meisten Lebensversicherer sind Unternehmen innerhalb eines Konzerns – und damit eingebunden in ein Geflecht aus vertraglichen Beziehungen und Abhängigkeiten.

Beim Inhaberwechsel muss der Erwerber selbstverständlich in der Lage sein, den Betrieb des Unternehmens angemessen fortzuführen. Daher prüfen wir seine Angaben zur künftigen Organisation und zur technischen Ausstattung sehr genau. Das bedeutet zum Beispiel, dass er sich zu allen relevanten Vertragsbeziehungen äußern muss. Also zu Unternehmensverträgen, Rückversicherungsverträgen, Dienstleistungsverträgen, Arbeitsverträgen mit Mitarbeitern, et cetera. Üblicherweise betreibt die abgebende Gruppe die Vertragsverwaltung, die Leistungsbearbeitung, das Aktuariat, die Kapitalanlagen und das Rechnungswesen unterschiedlich lange als Dienstleistung weiter. Der Erwerber übernimmt die einzelnen Aufgaben oft erst sukzessive in seine eigenen Strukturen. Würden sämtliche Funktionen auf einen Schlag übertragen, wäre möglicherweise der reibungslose Weiterbetrieb gefährdet.

Natürlich achten wir bei sämtlichen Transaktionen auf eine reibungslose Migration der Bestände. Sprich darauf, dass die Bestandsverwaltung funktioniert. Denn für die Kunden kommt es vor allem darauf an, dass ihre Ansprüche erfüllt werden. Und zwar ohne Zeitverzug. Die IT spielt daher eine entscheidende Rolle. Vor allem das System zur Verwaltung des Versicherungsbestands. Es muss dem Kundenbetreuer, dem Leistungsbearbeiter, dem Aktuar, dem Risikomanager und dem Buchhalter zugleich dienen – und dann auch noch die notwendigen Informationen für die aufsichtliche Berichterstattung bereithalten.

Die Bestandsmigration ist bei externen Run-offs ja der Regelfall. Teilweise ist sie sogar Teil des Geschäftsmodells, da ja Kostenvorteile durch die Migration auf ein angeblich besseres System erst generiert werden sollen. Die Bestandsmigration geschieht aber nicht auf Knopfdruck, sondern ist auch bei gründlicher Vorbereitung eine äußerst komplexe und fehleranfällige Angelegenheit.

Selbstverständlich haben auch die übernehmenden Unternehmen ein Interesse an funktionsfähigen und effizienten Systemen. Schon, weil sie ihre Bestände so kostensparend wie möglich verwalten müssen. Wir lassen uns bei Transaktionen von den Unternehmen sehr genau erklären, was sie vorhaben, um eine adäquate Verwaltung der Bestände sicherzustellen.

Unser Anspruch als Aufsicht ist klar: Es darf gar nicht erst dazu kommen, dass sich Kunden über Probleme wie verspätete Auszahlungen beschweren. Wir nehmen solche Vorfälle sehr ernst. Ich kann Ihnen versichern: Wir behalten die betroffenen Unternehmen besonders im Blick. Und wenn es bei einem Unternehmen in der Vergangenheit schon einmal zu Problemen gekommen ist, dann schauen wir bei neuen Vorhaben noch genauer hin.

Lassen Sie mich noch einmal unterstreichen: Wir tolerieren keine Leistungsverzögerungen. Ich habe übrigens keinerlei Zweifel, dass die Unternehmen das auch so sehen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

externe Run-offs sind äußerst vielschichtige Projekte. Und deshalb prüfen wir sie – im Interesse der Kunden – auch sehr genau. Ich denke, das habe ich deutlich gemacht.

Unsere Arbeit als Aufsicht endet natürlich nicht, wenn wir eine Bestandsübertragung genehmigen bzw. einem Inhaberwechsel nicht widersprechen. Im Gegenteil. Und deshalb möchte ich noch drei Themen ansprechen, die nicht nur, aber auch für Run-off-Plattformen sehr relevant sind.

Das sind zum einen die versicherungstechnischen Rückstellungen. Ich hatte es schon einmal erwähnt: Als prinzipienbasiertes Aufsichtsregime ermöglicht Solvency II den Unternehmen Freiheitsgrade. Das ist systemimmanent. Aber dennoch müssen sich Versicherer bei der Ermittlung ihrer versicherungstechnischen Rückstellungen an die Vorgaben der Aufsicht halten, die wir etwa in unseren Merkblättern veröffentlichen.

Mitunter entdecken wir jedoch erstaunlich kreative Ansätze in der Berechnung der versicherungstechnischen Rückstellungen und der Solvenzquote. Da werden die Kosten der Kapitalanlage nicht richtig abgebildet. Oder es werden fragwürdige Vertragskonstruktionen zur Risikominderung modelliert, die die Kapitalanforderungen reduzieren, ohne dass ökonomisch ein hinreichender Risikotransfer vorliegt. Zudem sind diese Konstruktionen auch noch mit Kosten für die Versicherungsnehmer verbunden.

Ein zweites Thema sind latente Steuern und ihre Verlustausgleichsfähigkeit, die die Kapitalanforderungen reduziert. Entscheidend ist hier natürlich eine angemessene Werthaltigkeitsprüfung aktiver latenter Steuern insbesondere nach Eintritt eines Eins-in-200-Jahren-Verlustereignisses. Wir erwarten von den Unternehmen, dass sie im Rahmen der hierfür erforderlichen Prognoserechnungen vorsichtige Annahmen treffen. Zu optimistische Annahmen akzeptieren wir nicht.

Dann ist da, drittens, noch die Rückversicherung, oder genauer: die Ausgestaltung der passiven Rückversicherung. Rückversicherung kann ein wertvolles Instrument im Risikomanagement sein; auch dazu haben wir uns geäußert. Eine unangemessene Schmälerung der Überschussbeteiligung durch eine unsachgemäße Verbuchung oder der Abschluss von Verträgen zu Lasten bestimmter Teilkollektive ist für uns nicht akzeptabel. Auch hier sind der Kreativität Grenzen gesetzt. Die Belange der Versicherungsnehmer sind stets zu berücksichtigen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

das ist unser zentraler Maßstab. Die Belange der Kundinnen und Kunden. Sie müssen bei Run-off-Transaktionen auf jeden Fall gewahrt bleiben. Für mich bleibt eine Frage besonders spannend: Wie geht es mit dem Run-off-Geschäft weiter? Wie werden die Unternehmen umgehen mit dem Spannungsfeld aus steigenden Kostenquoten durch abnehmende Bestände einerseits und einer angesichts anziehender Zinsen mutmaßlich geringeren Nachfrage nach Run-offs andererseits?

Ich bin gespannt auf die Perspektiven der Marktteilnehmer auf diese und andere Themen in der Podiumsdiskussion gleich. Ihnen allen danke ich sehr für Ihre Aufmerksamkeit direkt nach dem Mittagessen. Wie ich sehe, sind die meisten von Ihnen noch bei Bewusstsein.

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