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Porträtaufnahme von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht. © Bernd Roselieb

Erscheinung:16.01.2023 Gemeinsames Aufsichtsbriefing mit der Deutschen Bundesbank 2023

Rede von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen des gemeinsamen Aufsichtsbriefings mit der Deutschen Bundesbank 10. Januar 2023 in Frankfurt am Main

Es gilt das gesprochene Wort!

Vielen Dank, Frau Schwer! Guten Morgen, meine Damen und Herren!

Joachim, Du hast es gerade mit deutlichen Worten gesagt: Der deutsche Bankensektor bewegt sich in schwerem Fahrwasser. Die wirtschaftliche Entwicklung wird wahrscheinlich manche Bank vor Herausforderungen stellen. Und Herausforderungen für deutsche Banken bedeutet auch immer Herausforderungen für die deutsche Bankenaufsicht. Wenn es für Sie ungemütlich wird, dann wird es das für uns auch.

Was wir im kommenden Jahr planen, ist im Grunde keine Überraschung für Sie. Wir werden uns die Kreditrisiken, die Zinsänderungsrisiken und die Marktpreisrisiken einer jeden Bank sehr genau anschauen. Wir werden uns sehr genau anschauen, wie Sie mit diesen Risiken umgehen. Und sie sollten sich darauf einstellen: Wir werden Ihre Antworten auf unsere Fragen mit einer durchaus kritischen Grundhaltung bewerten.

Und wir werden sehr genau darauf schauen, wie Sie mit Cyber- und IT-Risiken umgehen. Dazu später mehr.

Als Joachim Wuermeling und ich im September vergangenen Jahres die Stresstestergebnisse der deutschen LSIs präsentiert haben, waren für mich die Zutaten für einen perfekten Sturm gegeben. Jetzt vernimmt man ja schon wieder leicht optimistischere Töne. Die Rezession wird vielleicht doch nicht so stark wie befürchtet. Die Energiepreise sind wieder etwas gefallen. Die Inflation ist leicht zurückgegangen, wenn auch auf immer noch hoch. Und das 200-Mrd.-Euro-Paket der Bundesregierung scheint auch zu wirken.

Ich muss gestehen: Meine Einschätzung aus dem Herbst hat sich nur wenig geändert. Wir wissen nicht, wie windig es wirklich wird, aber die Bedingungen für einen Sturm sind immer noch gegeben. Oder sagen wir mal: für einen sehr kräftigen Gegenwind.

Die Preise für Energie und energieintensive Rohstoffen sind immer noch hoch. Die Lieferkettenprobleme bestehen weiter. Wir sehen sie seit Ausbruch der Corona-Pandemie, und der Krieg in der Ukraine verschärft sie zusätzlich. Und trotz des Rückgangs zum Jahresende bewegt sich die Inflation immer noch auf einem für Deutschland extrem hohen Niveau.

Sollten die Energiekosten auf lange Sicht hoch bleiben oder sollte es gar zu Engpässen in der Gasversorgung kommen, werden dies nicht alle Wirtschaftsunternehmen überstehen. Ein Problem für deutsche Banken ist: Das Exposure in energieintensiven Branchen ist hoch. Ein anderes Problem ist: Besonders stark betroffen wären wahrscheinlich vor allem die Unternehmen, die nicht „too big to fail“ sind. Also die, die nicht gerettet würden und die auch keine Preissetzungsmacht haben. Also genau der deutsche Mittelständler, der zur Kernzielgruppe vieler deutscher Banken gehört. Kurzgefasst: die Risiken aus Unternehmenskrediten steigen.

Die wesentlichen Risiken bei den Immobilienkrediten hat Joachim Wuermeling bereits dargestellt. Ich will mich deshalb nicht wiederholen. Wir werden es heute ohnehin noch oft genug hören: Die Inflation treibt Herstellungs- und Bewirtschaftungskosten auf breiter Fläche.

Hinzu kommen die gestiegenen Zinsen: Diese haben jetzt schon zu einem deutlichen Rückgang der Nachfrage nach privaten Immobilienfinanzierungen geführt. Und die sind für viele Banken ein dominierendes Ertragsfeld. Und es bricht nicht nur Neugeschäft weg. Die gestiegenen Zinsen können natürlich auch dazu führen, dass nicht mehr alle Kreditnehmer ihre Kredite bedienen können.

Noch mehr Sorgen machen wir uns allerdings um gewerbliche Immobilienfinanzierungen. Und gerade hier haben sich einige Institute in den vergangenen Jahren in Segmente oder Regionen vorgewagt, bei denen sich noch zeigen muss, ob sie die damit verbundenen Risiken wirklich im Griff haben.

Was bedeutet das alles für die Aufsicht?

Wir werden in Sachen Kreditrisiken Ihr ständiger Begleiter sein.

Vor allem bei Instituten, die viele Gewerbeimmobilienkredite in ihren Büchern haben, werden wir Werthaltigkeitsprüfungen durchführen. Die gute Nachricht ist: Wir werden diese Prüfungen zwar häufiger machen. Wir werden aber Schwerpunkte setzen und nicht immer die komplette Bank prüfen

Wir schauen uns auch an, wie die beiden Puffer wirken, die wir angeordnet haben: der antizyklische Kapitalpuffer und der sektoralen Systemrisikopuffer für mit Wohnimmobilien besicherte Kredite.
Sie lieben uns nicht für diese Puffer, das ist mir schon klar. Und ich kenne die Forderungen, wir sollten sie zurücknehmen. Sie waren nicht zu überhören. Jetzt ist aber definitiv nicht der richtige Zeitpunkt um diese Puffer zurückzunehmen. Sie stärken Ihre Widerstandskraft, sie konservieren Kapital. Und es wäre schlicht leichtsinnig, ausgerechnet jetzt, also bevor Risiken schlagend geworden sind, solche Reserven frei zu geben.

Nicht nur die Kreditrisiken können Ihnen in den kommenden Monaten zu schaffen machen. Auch gegen Zins- und Marktrisiken müssen Sie sich wappnen, meine Damen und Herren!

Ihr Zinsüberschuss wird sich durch den Zinsanstieg nur langsam erholen. Es wird noch eine Weile dauern, bis sich die höheren Zinsen in Ihrer Gewinn- und Verlustrechnung bemerkbar machen.

Seit Jahresbeginn 2022 beobachten wir auch, dass Sie sehr viel mehr Verlustanzeigen abgeben als sonst. 441 Institute haben 2022 eine Verlustanzeige abgegeben. In den meisten Fällen konnten Bewertungsverluste durch die Hebung von Reserven aufgefangen werden. Aber diese Reserven sind jetzt nicht mehr da. Wir werden deshalb sehr genau analysieren, welches Institut von welcher Zinsszenario besonders betroffen sein wird.

Meine Damen und Herren, ein weiteres Thema, das uns Aufsehern Sorgen macht: Dass es bei Ihnen oder einem Ihrer Dienstleister zu schwerwiegenden Störungen der IT kommen könnte. Joachim Wuermeling hat es deutlich gemacht: Die IT- und Cyberrisiken nehmen weltweit zu. Nach wie vor sind überwiegend versehentliche Betriebsvorfälle die Ursache von IT-Störungen. Aber böswillige Sicherheitsvorfälle wie Cyberattacken können besonders hohen Schaden anrichten. Durch den Krieg in der Ukraine ist diese Risiko noch einmal gestiegen, auch wenn es bisher keine erfolgreichen schweren Angriffe in nennenswerter Zahl gegeben hat.

Für den Finanzsektor ist die Bedrohung aber besonders hoch. Wenn jemand einer Volkswirtschaft wirklich schaden will, dann sind Banken ein lohnendes Ziel.

Vor gut drei Monaten gelang es Hackern, beim Autozulieferer Continental rund 40 Terabyte Daten abzugreifen. Darunter auch sensible Daten. Auch bei einem Versicherer haben Cyberangreifer schon erfolgreich zugeschlagen.

Wir werden uns auch 2023 intensiv mit IT-Risiken auseinandersetzen. Auch für dieses Jahr haben wir Sonderprüfungen geplant, um uns anzuschauen, wie Sie mit Cyber- und IT-Risiken umgehen.

Aber nicht nur die Aufsicht, auch die EU macht Tempo bei der Cyber-Resilienz. Nächste Woche, am 16. Januar, tritt der Digital Operational Resilience Act (DORA) in Kraft. Zwei Jahre nach Inkrafttreten muss uns dann der gesamte deutsche Finanzsektor schwerwiegende Vorfälle im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie melden. Darauf bereiten wir uns vor, und das sollten Sie auch tun.

Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren, Herr Wuermeling hat es eingangs beschrieben: Der Bankensektor, aber auch die Aufsicht sehen sich 2023 mit vielen Unwägbarkeiten konfrontiert: die Inflation lässt sich nicht in die Tube zurückdrücken, die Wirtschaft wird schrumpfen, die Kredit- und Zinsrisiken werden zunehmen. Flankierend nehmen auch die Cyber- und IT-Risiken sowie die Geschäftsmodellrisiken zu.

Als gebürtiger Kölner bin ich durchaus ein optimistischer Mensch. Beruflich muss ich allerdings Pessimist sein. Das rheinische „Et hätt noch immer jot jejange“ funktioniert hier nicht. Als Berufspessimist muss ich davon ausgehen, dass nicht alle Banken das kommende Jahr überstehen werden. Und Sie können sicher sein: Wir werden uns nicht scheuen Banken, die nicht mehr lebensfähig sind, aus dem Markt zu nehmen. Das haben wir übrigens auch 2022 gemacht, weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit und ohne größere Schäden. In jedem Fall stehen wir aber bereit, die Kapazitäten unserer Intensivaufsicht jederzeit aufzustocken, wenn es denn nötig wird. Und dann ist es wie im echten Leben: Intensivpatienten verlassen die Intensivstation entweder genesen – oft mit Folgeschäden – oder sie werden beerdigt.

Es liegt vor allem in Ihrer Hand, dafür zu sorgen, dass unsere Intensivpfleger nicht zu viel zu tun bekommen. Ich drücke Ihnen und uns dafür die Daumen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit

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