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Porträtaufnahme von Mark Branson, Präsident der BaFin. © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:13.09.2022 | Thema Nachhaltigkeit BaFin-Konferenz „Sustainable Finance"

Keynote Mark Branson, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) bei der BaFin-Konferenz "Sustainable Finance" am 13. September 2022 in Berlin

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlich willkommen zur Sustainable Finance Konferenz der BaFin!

Ich freue mich über Ihr großes Interesse und darüber, dass wir uns an diesem ungewöhnlichen Ort persönlich - aber auch virtuell - austauschen können.

In der Finanzindustrie kommt niemand mehr um Sustainable Finance herum. So auch in der deutschen und der europäischen Regulierung, die sich sukzessive dem Thema Nachhaltigkeit angenommen hat. In nur wenigen Jahren ist ein beachtliches Regelwerk entstanden – kritisch begleitet von der Finanzindustrie und der Öffentlichkeit.

Wo stehen wir aktuell?

Ein wichtiger – und aus meiner Sicht absolut richtiger – Schritt fand im August dieses Jahres (2022) statt. Seitdem sind Finanzberater dazu verpflichtet, die Nachhaltigkeitspräferenzen ihrer Kundinnen und Kunden abzufragen.

„Wollen Sie nachhaltig investieren?“ Viele Anleger werden diese Frage mit „ja“ beantworten. Aber was ist eigentlich eine nachhaltige Finanzdienstleistung? Wenn wir nur die Umweltdimension anschauen, ist das alles andere als trivial: Soll sie in eindeutig grüne Aktivitäten investieren, soll sie lediglich umweltschädliche Aktivitäten vermeiden – „ do no harm“ – oder soll sie die Transition zu einer grünen Wirtschaft finanzieren – die Begrünung von braunen Unternehmen, sozusagen?

Als Finanzmarktaufsicht werden wir fast täglich mit der Frage konfrontiert, was als „grün“ bezeichnet werden darf – und wie wir mit dem Problem des Greenwashings umgehen. Vor diesem Hintergrund kann man sehen, dass es nicht ganz leicht ist, unserem Auftrag gerecht zu werden.

Was also ist nachhaltig?

In Europa hat man mit der Taxonomieverordnung versucht, eine konsistente Antwort auf diese Frage zu finden. Genauer gesagt: auf die Frage, was grün ist. Denn in der Verordnung wird bislang definiert, was unter ökologisch-nachhaltigem Wirtschaften zu verstehen ist. Für zwei von sechs Umweltzielen ist definiert, wann eine Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Beitrag zum Klimaschutz oder zur Anpassung an den Klimawandel leistet.

Grundsätzlich ist die Idee hinter der Taxonomie gut. Wenn sich Verbraucherinnen, Verbraucher und Unternehmen bewusst für oder gegen eine nachhaltige Investition entscheiden sollen, müssen die Karten auf den Tisch.

Aus meiner Sicht aber sind bei der konkreten Ausgestaltung der Taxonomie Probleme aufgetaucht.

Die Frage, was nachhaltig ist, lässt sich eben nicht leicht beantworten. Umso wichtiger ist es, dass die Frage objektiv und methodisch sauber beantwortet wird. Wir sollten daher gedanklich noch einmal einen Schritt zurückgehen und uns fragen, wer am besten welche Fragen beantworten kann:

  • Es ist grundsätzlich Aufgabe der Wissenschaft, zu definieren, was nachhaltig im Sinne der Umwelt ist.
  • Zu entscheiden, welche Energiequellen wir benötigen, um den Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft zu schaffen, ist Sache der Politik. Dieses Thema ist durch den Krieg in der Ukraine und die dadurch hervorgerufene Rohstoffknappheit noch komplexer geworden als ohnehin schon – und mittlerweile hoch politisiert.

Nach meiner Wahrnehmung mischen sich aktuell der politische und der wissenschaftliche Diskurs. Das erhöht zusätzlich die Komplexität eines ohnehin schon komplexen Themas.

Deshalb sehe ich die Gefahr, dass durch die – kontroversen – Entscheidungen zur Vollendung der Taxonomie Anleger verwirrt oder sogar enttäuscht werden. Das wäre sehr schade, denn wie gesagt: Die Nachfrage nach grünen bzw. nachhaltigen Produkten besteht durchaus.

Warum diese Sorgen? Eine Sache haben wir gelernt in den letzten Monaten: Ein einfaches Labelling „grün“ oder „nicht-grün“ kann kaum den heterogenen und unterschiedlich differenzierten Präferenzen von Anlegerinnen und Anlegern, die nachhaltig investieren wollen, gerecht werden. Für manche wäre beispielsweise Atomkraft nachhaltig und ein vollkommen vertretbares Investment, aber nicht Gas. Bei manchen kann es genau umgekehrt sein. Außerdem kann sich diese Einschätzung jederzeit ändern. Solche Fragen soll die Regulierung für die Anleger nicht beantworten.

Wie können wir als Aufsicht also unser ursprüngliches Mandat erfüllen?

Jedenfalls nicht, indem wir als Finanzmarktaufseher es uns erlauben, unser Mandat – nämlich die Beobachtung und Regulierung von Finanzmarktrisiken – zu überschreiten und selber versuchen, andere Präferenzen als in der Taxonomie geregelt durchzusetzen. Wir sind in gewisser Weise die Finanzpolizei, aber sicherlich nicht die Umwelt-, Ethik- oder Sozialpolizei. Es ist nicht an uns, zu entscheiden, welche den Finanzprodukten zugrundeliegende Technologie als nachhaltig qualifiziert wird. Das ist nicht unsere Rolle, und wir verfügen auch nicht über die notwendige Expertise hierfür.

Was kann und sollte die Aufsicht aber stattdessen tun?

Wir können – erstensTransparenz schaffen. Dabei verfolgen wir einen pragmatischen Ansatz.

Wie auch auf anderen komplexen Gebieten ist beim Thema Nachhaltigkeit die Transparenz das A und O. Mit ihr stärken wir Verbraucherinnen und Verbraucher: Sie müssen schließlich erkennen können, ob ein Produkt auf Unternehmen basiert, die bereits „grün“ sind, oder auf Unternehmen, die den Übergang zu einer grünen Wirtschaft gestalten. Sie müssen erkennen können, ob ein Produkt in Unternehmen investiert, welche mit oder ohne Atomenergie oder Gas arbeiten.

Denn nur dann besteht die Chance, dass Anleger eine bewusste und gut informierte Entscheidung treffen können. Mit einer größeren Transparenz stärken wir also die Eigenverantwortung der Verbraucherinnen und Verbraucher.

Das bedeutet aber auch: Das Produkt muss in einer Form gekennzeichnet sein, die zumindest einen Teil der Komplexität, welche die Bezeichnung als „grün“ mit sich bringt, in ihren Wahlmöglichkeiten auch widerspiegelt.

Wir plädieren deshalb dafür, die Mündigkeit von Anlegern zu respektieren und zu fördern – und mit der nötigen Transparenz zu unterstützen. Die BaFin setzt sich deshalb ebenfalls auf europäischer Ebene dafür ein, dass diese Transparenz durchgängig und verbindlich umgesetzt wird.

Zweitens: Die BaFin prüft und kontrolliert, ob sich alle Stakeholder ein realistisches Bild machen können und nicht durch Greenwashing getäuscht werden.

Die BaFin hat seit August 2021 167 Publikumsinvestmentvermögen entsprechend ihrer Verwaltungspraxis als nachhaltig genehmigt – Tendenz leicht steigend. Dabei handelt sich um Publikumsfonds, die also Kleinanlegern zugänglich sind, und als explizit nachhaltig vertrieben werden.

Die meisten hiervon handeln sich entweder um Anbieter, die eine explizit nachhaltige Anlagestrategie verfolgen, oder die mit ihrem Fondsprodukt passiv einen als nachhaltig deklarierten Index nachbilden – und dessen Labelling als „grün“ auch plausibilisieren können. Die andere zulässige Kategorie laut unserer Verwaltungspraxis verlangt Investitionen zu mindestens 75 Prozent in nachhaltige – sprich taxonomiekonforme – Vermögensgegenstände. Anträge in dieser Kategorie sind momentan noch etwas seltener – schon aus dem Grund, dass den Asset Managern hierfür oft die erforderliche Offenlegung fehlt. Wir gehen allerdings davon aus, dass sich dies unter anderem durch die CSRD langsam ändern wird.

Bevor die Anträge uns erreichen stimmen sich die Institute in aller Regel schon eng mit uns ab. Das bedeutet: Wir tauschen uns intensiv mit den Unternehmen aus.

Ein Knackpunkt ist, dass wir die Fondsgesellschaften häufig bitten, ihre Anlagebedingungen noch konkreter zu formulieren. Sie sollten sich klar zu einem nachhaltigen Ansatz bei der Verwaltung des Fondsprodukts bekennen – und diesen auch in den Anlagebedingungen beschreiben. Damit stellen wir sicher, dass nicht durch eine zu vage Formulierung ein Produkt als „grün“ gelabelt wird, welches dieses Adjektiv gar nicht verdient.

Um auf mein Beispiel von vorhin zurückzukommen: Investitionen in Erdgas und Atomkraft sind unter gewissen Bedingungen als Übergangstechnologie auch für nachhaltige Investmentvermögen erwerbbar. Die Kapitalverwaltungsgesellschaften müssen aber in den wesentlichen Anlegerinformationen sowie an herausgehobener Stelle im Verkaufsprospekt deutlich machen, ob in diesen beiden Segmenten aktive Portfoliounternehmen im Investmentvermögen enthalten sind.

Mit dieser strikten Verwaltungspraxis unterbinden wir Greenwashing bereits, bevor das Produkt überhaupt auf den Markt kommt. Aber natürlich nur für deutsche Produkte – also für einen Bruchteil des europäischen Markts.

Sehr geehrte Damen und Herren,

unsere Erfahrungen aus der Aufsichtspraxis zeigen: Einen komplexen Sachverhalt mit einem einfachen Etikett zu versehen, kann zur Folge haben, dass häufig nicht „drin“ ist, was Anleger erwarten.

Der Glaube daran, dass allein ein einfaches Etikett die Welt verbessert, mag gut sein. Aus Aufsichtsperspektive sind Transparenz, klare Standards zum Mindestmaß nachhaltiger Anteile am Produkt und marktgetriebene Auswahl jedoch die bessere Grundlage für selbstbestimmte Entscheidungen.

Wir als Aufsicht erfüllen unser Mandat, indem wir für die erforderliche Transparenz sorgen und schauen, dass die Beanspruchung von Nachhaltigkeit plausibel ist. Damit tragen wir zur Eigenverantwortung der Anlegerinnen und Anleger bei. Schließlich müssen sie für sich selbst die Frage beantworten können, was für sie „grün“ ist.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Ich bin auf die unterschiedlichen Beiträge und den heutigen Dialog sehr gespannt.

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