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Exekutivdirektor Bankenaufsicht, Raimund Röseler © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:01.06.2022 „Risiken im Fokus der Bankenaufsicht: Was tut die BaFin?“

Vortrag von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, BaFin, im Rahmen des NPL-Forum 2022 am 1. Juni 2022 in Frankfurt am Main

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Damen und Herren,

Non Performing Loans sind das Thema dieser Veranstaltung.

Noch vor wenigen Jahren galten non-performing loans in Fachkreisen als ein Problem von Wenigen.

Ein NPL-Problem hatten die Länder, die im Mittelpunkt der EU-Staatsschuldenkrise standen. Ansonsten kämpften allenfalls einzelne Banken mit einem größeren Bestand an notleidenden Krediten.

Heute muss unsere Perspektive eine andere sein. Denn angesichts der unsicheren wirtschaftlichen und geopolitischen Lage sind es nicht mehr nur die anderen, die Probleme mit NPLs haben. Wir alle müssen uns mit NPLs befassen. Daher freue ich mich, hier beim NPL-Forum in Frankfurt mit Ihnen über die „Risiken im Fokus der Bankenaufsicht“ sprechen zu können. Dabei geht es mir weniger um die ausgefallenen Kredite, die sich bereits in den Bilanzen der Banken befinden. Wir müssen über die NPL reden, die durch aktuelle und kommende Entwicklungen noch entstehen können.

Vor beinahe zweieinhalb Jahren hat sich unser Leben grundlegend gewandelt: Die COVID-19-Pandemie stellte und stellt uns alle vor große Herausforderungen. Unser Alltag hat sich in einer Weise geändert, wie wir es vor der Pandemie nie für möglich gehalten hätten. Und zu Beginn der Pandemie hatten wir massive Sorgen über die wirtschaftlichen Konsequenzen dieser Entwicklungen.

Die beispiellosen staatlichen Hilfsmaßnahmen haben die wirtschaftlichen Konsequenzen der Pandemie in Deutschland und in Europa tatsächlich weitgehend abgefedert.

Eine Zeitenwende markiert jetzt der Krieg in der Ukraine. Dieser Krieg stellt vor allem ein menschliches Drama dar. Er hat aber auch wirtschaftliche Folgen, die derzeit noch nicht vollständig absehbar sind. Die direkten Auswirkungen des Kriegs und der gegen Russland und Belarus verhängten Sanktionen dürften – nach derzeitigem Stand – für das deutsche Finanzsystem verkraftbar sein. Was daran liegt, dass sich die unmittelbaren Verflechtungen mit diesen Ländern und der Ukraine in Grenzen halten.

Unsere Analysen zeigen: Die größten Kreditgeber aus Deutschland könnten selbst bei einem Total-Ausfall aller Schuldner aus den genannten Ländern die Verluste durch vorhandenes Kapital auffangen.
Problematisch könnten allerdings die Zweit- und Drittrundeneffekte werden.

Diese Effekte lassen sich nur schwer abschätzen. Wir sehen aber schon jetzt, wie der Krieg zum Beispiel weltweit das Wirtschaftswachstum bremst, wie er Handelsbeziehungen stört und Preise in die Höhe treibt.

Die wirtschaftlichen Folgen des Kriegs werden sich auch auf die sechs Risikofelder auswirken, die uns derzeit die größten Sorgen bereiten. Dies sind:

1) Risiken aus Unternehmenskrediten,
2) Risiken aus dem Zinsumfeld,
3) Risiken aus den Entwicklungen an den Finanzmärkten,
4) Risiken an den Immobilienmärkten,
5) Cyberrisiken und
6) Geldwäscherisiken.

Lassen Sie mich in den nächsten Minuten skizzieren, worin diese Risiken aus Sicht der Aufsicht bestehen – und wie wir damit umgehen werden.

Beginnen möchte ich mit dem Ausfall von Unternehmenskrediten. So gut die meisten Kreditinstitute auch bislang durch die Corona-Pandemie gekommen sind: Manche Teile der deutschen Wirtschaft haben sich nach mehr als zwei Jahren der COVID-19-Pandemie wirtschaftlich noch nicht erholt.

Sicher, die staatlichen Hilfsmaßnahmen haben die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie stark abgefedert. Die Insolvenzraten sind niedrig geblieben.

Herr Ibel hat es bereits erwähnt: Auch in Deutschland ging im vergangenen Jahr – anders als erwartet – die Zahl der beantragten Unternehmensinsolvenzen im Vergleich zum Vorjahrszeitraum um rund zwölf Prozent zurück. Im Vergleich zu 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, sind sie sogar um ein Viertel gesunken. Und zum Jahresanfang 2022 bewegten sich die Zahlen auf ähnlich niedrigem Niveau wie in der zweiten Jahreshälfte 2021.

Auch die NPL-Quote ist nach wie vor vergleichsweise niedrig: Sie lag im März 2022 bei 1,4 Prozent1. Die NPL-Quoten deutscher Banken bei Unternehmenskrediten sind im Vergleich zum 4. Quartal 2021 relativ konstant geblieben. Im Durchschnitt lagen die NPL-Quoten der Kreditinstitute bei Unternehmenskrediten sogar unterhalb der Vergleichswerte vor Beginn der Pandemie. Auch die von den Banken gebildete Risikovorsorge ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich nach unten gegangen. Hieran hat auch die Pandemie nichts geändert.

Festzustellen ist aber auch: Die Pandemie hat den Strukturwandel in der Wirtschaft beschleunigt. Der Internethandel hat Marktanteile gewonnen, dienstliche Reisen werden seltener, um nur zwei Beispiele zu nennen. Und wie bei jedem Strukturwandel wird es auch hier Verlierer geben, die aus dem Markt ausscheiden werden.

Hinzu kommen die bereits erwähnten Folgen des Kriegs in der Ukraine. BaFin und Bundesbank haben kürzlich einige kleinere Institute mit Sitz in Deutschland befragt, wie stark sie sich vom Krieg in der Ukraine betroffen sehen. Die Umfrage ergab zwar, dass die meisten befragten Banken negative Auswirkungen auf wesentliche Kreditnehmer erwarten – allein schon durch steigende Energiepreise und unterbrochene Lieferketten. In diesem Zuge erwarten sie auch steigende NPL-Quoten. Aber: Die Auswirkungen auf die Institute selber sind nach deren eigener Einschätzung moderat.

Hoffen wir, dass die Institute recht haben. Ich bin skeptisch.

Skeptisch aus einem ganz einfachen Grund: Nicht alle Unternehmen werden diese Entwicklungen überleben. Steigende Rohstoffpreise und vor allem steigende Energiepreise führen dazu, dass manche Unternehmen nicht mehr kostendeckend produzieren können. Wenn sie denn überhaupt noch produzieren können. Wir kennen genügend Unternehmen, bei denen gestörte Lieferketten dazu führen, dass die Produktion komplett stillsteht. Oft sind es nur kleine Komponenten, die fehlen, die aber die gesamte Produktion ausfallen lassen. Denken Sie nur an die fehlenden Kabelbäume aus der Ukraine, die dazu führen, dass so mancher Hersteller die Autoproduktion einschränken musste. Und wenn die Bänder von Autofabriken stillstehen, dann gibt es auch weniger Bedarf nach Produkten der Autozulieferer.

Wir sind zu diesem Thema laufend im engen Austausch mit den von uns beaufsichtigten Instituten, aber auch mit Vertretern der Industrie. Und dabei stellen wir fest: Sehr oft haben die Kreditinstitute ein sehr gutes Verständnis von der Absatzseite ihrer Kunden. Die Beschaffungsseite war allerdings bis vor kurzem für die Kreditanalysten der Banken oft eine Black Box.

Jedenfalls ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass nicht alle Kreditnehmer in der Lage sein werden, ihre Kredite zu bedienen. Wir beobachten deshalb sehr genau, wie sich die Kreditportfolien der Banken entwickeln. Wir werden deshalb noch häufiger als bisher Werthaltigkeitsprüfungen durchführen. Und im Bedarfsfall werden wir nicht zögern, die Bewertungspraxis der Banken näher zu durchleuchten.

Das zweite und dritte Risiko, das ich hier ansprechen möchte, resultieren aus dem Zinsumfeld und den Entwicklungen an den Finanzmärkten. Sehr lange haben viele Kreditinstitute unter dem niedrigen Zinsniveau gelitten. Viele dürften sich daher über den jüngsten Anstieg der Zinsen freuen. In der Tat ist ein moderater Zinsanstieg für den deutschen Bankensektor grundsätzlich eine gute Entwicklung. Jedoch verläuft solch ein Wandel im Zinsumfeld selten harmonisch und ohne Nebenwirkungen. Und dies vor allem in einem Umfeld, in dem die Inflationserwartungen deutlich gestiegen sind. Steigende Rohstoffpreise, Probleme bei Lieferketten sind ein guter Nährboden für Inflation. Hinzu kommen Kostensteigerungen, die dadurch entstehen, dass mit Blick auf geopolitische Risiken die globale Arbeitsteilung und damit effiziente Wertschöpfungsketten in Frage gestellt werden. Dies hat das Potential für schockartige Entwicklungen. Turbulenzen an den Finanz- und Assetmärkten sind daher aus unserer Sicht durchaus nicht unwahrscheinlich.

Der Rückgang der Bewertungen im Technologiesektor ist ein erster Warnhinweis. Wir sehen auch jetzt schon, dass sich mancher Highflyer aus der Fintech-Szene schwer damit tut, das nötige Funding für die weitere Expansion zu gewinnen. Das mag man noch als gesunde Korrektur so mancher Übertreibung abtun. Doch die Gefahr von Turbulenzen an den Assetmärkten ist sicherlich gestiegen.

Vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass wir uns – viertens – um die Entwicklungen an den Immobilienmärkten Sorgen machen.

Schon vor der Pandemie sind – auch vor dem Hintergrund der niedrigen Zinsen – die Preise auf den Wohnimmobilienmärkten deutlich gestiegen – und in den vergangenen Jahren hat sich dieser Trend beschleunigt. Mir wurde auch schon von Quadratmeterpreisen von 20.000 Euro für Eigentumswohnungen berichtet – und das nicht in den allerbesten Lagen.

Wenn aber die Zinsen steigen, lässt – zumindest in der Theorie - die Nachfrage nach Immobilien nach. Die Folge: Kurzfristig könnten die Preissteigerungsraten zurückgehen. Langfristig könnten auch die Preise für Wohnimmobilien sinken – und damit der Wert der Sicherheiten.

Sollte außerdem der Krieg zu einem wirtschaftlichen Abschwung führen, dürfte sich dies auch an den Immobilienmärkten niederschlagen. Dies gilt für Wohnimmobilien und noch viel mehr für Gewerbeimmobilien.

Wenn ich mit den Instituten spreche, versichern mir alle, dass sie selber eine konservative Kreditvergabe betreiben. Das riskante Geschäft machen immer die anderen. De facto beobachten wir aber insbesondere seit Jahresbeginn einen höheren Schuldendienst der Kreditnehmer im Neugeschäft – und damit verbunden möglicherweise steigende Ausfallrisiken. Wir sind uns sicher: Einige Kreditgeber überschätzen die Schuldendienstfähigkeit ihrer Kreditnehmer und die Werthaltigkeit der Immobiliensicherheiten. Anders ausgedrückt: Viele Banken unterschätzen die Risiken ihrer Kredite.

In diesem Frühjahr haben wir daher mit einem makroprudenziellen Paket die Rahmenbedingungen für die Vergabe von Krediten verschärft, insbesondere für Immobilien. Mir ist bewusst, nicht alle hier im Saal haben diese Maßnahme begrüßt. Unseres Erachtens war dies aber nötig. Und unseres Erachtens ist es auch völlig übertrieben, zu behaupten, dass hierdurch die Gefahr einer Kreditklemme gestiegen ist. Die Kreditvergabe ist nach wie vor dynamisch. Zudem ist die Kapitalbindungswirkung durch unsere Maßnahmen sehr gering. Wir reden hier über gut 22 Mrd. Euro für den gesamten deutschen Bankenmarkt. Bezogen auf eine durchschnittliche Immobilienfinanzierung entspricht unser Maßnahmenpaket einer Verteuerung um ganze fünf Basispunkte. Da ist die Wirkung der normalen Volatilität an den Zinsmärkten deutlich größer.

Unsere Maßnahme sollte aber als Signal dafür verstanden werden, dass wir uns das Kreditvergabeverhalten der Banken sehr genau anschauen werden. Wir werden die Kreditvergabestandards fortlaufend analysieren und hier, wenn nötig, korrigierend eingreifen. Darüber hinaus werden wir die Immobilienexposures ausgewählter Institute genauer unter die Lupe nehmen.

Kommen wir zum fünften der eingangs genannten Risiken: Je digitaler die Banken werden, desto verwundbarer werden sie für Cybervorfälle. Ob böswillig oder – wie im Großteil der Fälle, die uns aktuell gemeldet werden – versehentlich herbeigeführt, können sie gravierende Folgen haben: Für das einzelne Institut steht die Reputation auf dem Spiel – nicht zu reden von Folgen für Kunden, die vielleicht nicht mehr an ihr Geld kommen. Cybervorfälle gefährden nicht nur die Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit von Daten und IT-Systemen – sie können sogar die Finanzstabilität an sich bedrohen.

Die BaFin hatte schon früher davor gewarnt, dass mit jedem internationalen Konflikt die Gefahr von Cyber-Angriffen feindlich gesinnter Staaten steigt. Wir analysieren deshalb seit Beginn des Kriegs in der Ukraine täglich die Informationen aus dem nationalen Cyber-Abwehrzentrum und informieren die Finanzindustrie über mögliche Angriffsmuster. Bisher ist die große effektive Angriffswelle ausgeblieben. Es gab nur einzelne Attacken, die mehr oder weniger wirkungslos geblieben sind. Dennoch: kein Grund zur Beruhigung.

Und es muss nicht einmal in Ihrem eigenen Unternehmen passieren. Auch Angriffe auf Serviceprovider und Infrastrukturanbieter oder interne Vorfälle bei diesen Dienstleistern bergen ein extrem hohes Schadenspotential. Oder Angriffe bei den Kunden der Banken. Welche Bank und welcher Kreditanalyst ist wirklich in der Lage, die IT-Sicherheit der Bankkunden zu beurteilen? Ich jedenfalls kenne nur wenige Institute, die sich damit intensiver befassen.

Was tut die BaFin? Wir führen unter anderem mehr gezielte IT-Prüfungen bei den Instituten und Dienstleistern durch. Auch bei der laufenden operativen Aufsicht überprüfen wir verstärkt die Einhaltung aufsichtlicher IT-Anforderungen. Kein Bank-Manager sollte sich herausreden und mit dem Finger auf die IT-Dienstleister zeigen können.

Kommen wir zum letzten Themenfeld, das uns wirklich Sorgen bereitet: Geldwäscherisiken. Die Erste Nationale Risikoanalyse der Bundesregierung bewertet die Bedrohung durch Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung für Deutschland als mittel-hoch. Das ist nicht beruhigend, sondern entspricht der zweithöchsten Stufe der Bewertungsskala. Und noch im vergangenen Jahr haben wir in unserer Subnationalen Risikoanalyse 2020/2021 festgestellt, dass das Geldwäscherisiko in bestimmten Banksektoren „very high“ ist.

Banken und Sparkassen können auf zweierlei Weise betroffen sein: Erstens können sie von Dritten zur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung missbraucht werden. Zweitens können Vertreter der Institute selbst zu Tätern werden. Unterschätzen Sie das Geldwäscherisiko nicht, meine Damen und Herren: Die daraus resultierenden finanziellen Auswirkungen und Reputationsschäden können Finanzinstitute existenziell gefährden.

Die BaFin wird daher ihre On- und Offsite-Maßnahmen intensivieren und verstärkt auch selber Geldwäscheprüfungen vornehmen. Zusätzlich zu den Finanzinstituten werden wir auch die Inhaber bedeutender Beteiligungen, Geschäftsleiter und Aufsichtsratsmitglieder verstärkt in den Blick nehmen und Verdachtsmomenten nachgehen. Die Teams, die für die Geldwäscheprävention zuständig sind, stocken wir gerade weiter auf.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich habe Ihnen heute einen Überblick darüber gegeben, wie die BaFin die aktuelle Risikolage einschätzt, und worauf wir bei unserer Aufsicht einen besonderen Fokus richten – auch über Unternehmensausfallrisiken hinaus.

Sie kennen vielleicht den Spruch „There is no glory in prevention“. Denn Außenstehende sehen nicht, was man erfolgreich verhindert hat. Aber präventive Maßnahmen sind erforderlich, um die Finanzstabilität in Deutschland auch weiterhin zu gewährleisten – insbesondere in einer Welt voller Unsicherheit.

Es ist unsere Aufgabe, Risiken so früh wie möglich zu erkennen und – soweit wie eben möglich – gegenzusteuern. Nur so können wir unserem Auftrag, die Stabilität und Integrität der Finanzmärkte nachhaltig zu sichern gerecht werden.

Der stetige Dialog mit Ihnen – den Finanzinstituten und der Industrie, der Wissenschaft, der Politik und natürlich unseren Partnern auf europäischer Ebene – ist und bleibt ein wichtiger Impulsgeber für unsere Arbeit.

Daher freue ich mich auf einen anregenden Austausch von Meinungen gleich im Anschluss.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Fußnote:

  1. 1 Non-performing loans and advances excluding cash balances and other demand deposits / total gross carrying amounts – eigene Berechnung.

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