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Bild des Präsidenten der BaFin, Mark Branson © BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:18.05.2022 | Thema Fintech BaFinTech 2022

Begrüßung von Mark Branson, Präsident der BaFin, am 18. Mai 2022 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Damen und Herren,

herzlich willkommen zur vierten BaFinTech! Sie ist zugleich eine Premiere – nicht nur für mich: In diesem Jahr richten wir die Veranstaltung erstmals gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank aus.

In der Zeit der Pandemie ist die digitale Innovation weiter fortgeschritten. Was auch an diversen Lockdowns und Kontaktbeschränkungen lag: Sehr viele Menschen sind in dieser Zeit dazu übergegangen, ihre Finanzgeschäfte auf digitalem Wege zu erledigen. Wir werden sie kaum in den Schalterhallen wiedersehen.

Ist das schlecht? Nein, gar nicht. Die Pandemie ist schlecht, Innovation ist gut. Sie ist der Motor, den jeder Markt, jeder Finanzplatz braucht, um zu wachsen und zukunftsfähig zu bleiben. Auch der deutsche Finanzplatz.

Aufsicht und Regulierung dürfen Innovation daher nicht im Wege stehen – auch nicht unbewusst. Ich sage das, weil Regulierung dazu neigt, die Geschäftsmodelle von heute im Blick zu haben und die Probleme von gestern verhindern zu wollen.

Wir sehen das an den europäischen Regelwerken, die teilweise von einer solchen Komplexität sind, dass sie de facto für junge Unternehmen eine Eintrittsbarriere darstellen. Und Aufsichtsbehörden sind naturgemäß eher risikoavers. Um diesen Effekt zu verhindern, müssen wir uns permanent hinterfragen.

Natürlich kann Innovation auch disruptive Wirkung entfalten. Aber auch diese Disruption gehört zum circle of business life, und es ist nicht unsere Aufgabe, sie zu bremsen. Wir haben die Integrität und Stabilität des Markts zu sichern und Verbraucher zu schützen – auch in Zeiten disruptiven Wandels.

Wir haben weder den Auftrag, Reservate für bedrohte Geschäftsmodelle einzurichten, noch schaffen wir Wohlfühloasen für Fintechs und andere Newcomer, in denen wir ein Auge zudrücken, wenn aufsichtliche Standards und Compliance-Regeln nicht eingehalten werden.

Ja, wir sind neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen. Aber zugleich sind wir neutral: Wir orientieren uns an unserem bewährten Grundsatz „gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regel“.
Wir sorgen also für faire Rahmenbedingungen.

Denn egal, ob alt oder neu: Durchsetzen sollten sich die Unternehmen mit den nachhaltigsten Geschäftsmodellen, mit dem besten Angebot für die Kunden und mit der besten wirtschaftlichen Performance. Letzten Endes entscheidet der Markt, ob ein Unternehmen erfolgreich ist oder nicht.

Der Wettbewerb darf nicht über eine lässigere Compliance mit den Spielregeln stattfinden. Fluggesellschaften ködern mit Erfolg Passagiere mit niedrigen Preisen. Mit laxen Sicherheitsstandards gelänge ihnen das nicht.

Wenn wir uns das aktuelle Marktgeschehen ansehen, dann fällt auf, wie die Digitalisierung die klassischen Wertschöpfungsketten der Finanzindustrie immer weiter aufbricht und sogar völlig neue Geschäftsfelder eröffnet. Dieses window of opportunity nutzen innovative Unternehmen, um mit neuen Geschäftsmodellen am Markt Fuß zu fassen.

Anknüpfen können sie an verschiedenen Stellen entlang der Wertschöpfungskette von Finanzdienstleistungen. Und „Fuß fassen“ ist in einem digitalisierten Marktumfeld nicht immer mit einer physischen Präsenz oder Repräsentanz verbunden.

Darauf und auf viele weitere Entwicklungen, von denen einige heute und morgen auf der Agenda stehen, müssen wir mit einer entsprechenden Aufsichtspraxis reagieren. Wir wollen Innovation kompetent begleiten und dafür sorgen, dass die damit einhergehenden Risiken in geordneten Bahnen bleiben.

In einem unserer zehn Mittelfristziele haben wir uns daher dazu bekannt, in den nächsten Jahren signifikante Fortschritte im Umgang mit digitalen Innovationen erzielen zu wollen.

Da die Innovationszyklen immer kürzer werden, wollen wir unser aufsichtliches Handeln so vorausschauend und prinzipienbasiert wie möglich konzipieren. Und weil die Gefahr von Aufsichtsarbitrage umso größer wird, je weniger der physische Standort eines Unternehmens eine Rolle spielt, setzen wir uns auch dafür ein, Aufsichtsarbitrage zu bekämpfen, innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.

Parallel arbeiten wir daran, selbst noch digitaler zu werden und geben unseren internen Prozessen und Tools ein technisches Upgrade.

Eine Aufsichtsbehörde, die sich innovationsaffin und aufgeschlossen gibt, darf nicht im Zeitalter der Faxmaschine steckenbleiben.

Gerade habe ich gesagt, wir wollten digitale Innovation kompetent begleiten. Das bedeutet auch: Wir wollen Rechtssicherheit schaffen für die Unternehmen, die mit neuen Technologien arbeiten.
Und weil wir wissen, dass time to market ein entscheidender Faktor für jedes Fintech und jeden Newcomer ist, wollen wir mit ihnen so früh, so effizient und so transparent wie möglich kommunizieren. Und das selbstverständlich auf Augenhöhe.

Für die Unternehmen ist eine Erlaubnis der BaFin auch ein Qualitätssiegel. Wer dieses Siegel hat, dem bringen Kundinnen und Kunden Vertrauen entgegen. Aus Unternehmenssicht kann ein Erlaubnisverfahren daher gar nicht schnell genug gehen. Doch Erlaubnis und Vertrauen wollen verdient sein.

Jedes Unternehmen, das den regulierten Finanzmarkt betreten will, muss uns erst einmal beweisen, dass es das Zeug dazu hat, dass also zum Beispiel sein Führungspersonal fit and proper ist, dass es genügend Startkapital hat und dass sein Geschäftsmodell plausibel ist.

Wir tragen hier als Aufsicht eine sehr hohe Verantwortung. Was nicht heißt, dass wir den Kalender aus den Augen verlieren. Und ich kann Ihnen versprechen: Wir arbeiten daran, unsere Prozesse weiter zu verbessern und die Durchlaufzeiten bei Anfragen und Anträgen zu verkürzen.

Meine Damen und Herren, ich kann mein Statement nicht beenden, ohne zumindest kurz auf ein Thema einzugehen, das gerade sehr präsent ist und viel mit Vertrauen zu tun hat: die Turbulenzen an den unregulierten Märkten für Kryptowerte. Finanzprodukte, die auf der Blockchain-Technologie basieren, beschäftigen uns schon eine ganze Weile.

Die Blockchain-Technologie an sich ist vielversprechend. Hoffentlich kommen wir einmal weg von „vielversprechend“ zu „effektiv und skalierbar“. Aber nicht alle Anwendungen sind seriös. Innovationswellen haben schon immer Trittbrettfahrer und Betrüger angelockt.

Gewisse auf der Blockchain-Technologie basierende Kryptowerte bergen erhebliche Risiken, vor allem dann, wenn man sie als Anlageobjekt betrachtet. Dass man Kryptotulpen kaufen und einer Community von sogenannten „Lunatics“ angehören kann, scheint auf den ersten Blick harmlos zu sein.

Aber auf diese Weise können sich in wenigen Tagen Sparvermögen in Milliardenhöhe pulverisieren. Wir haben Verbraucherinnen und Verbraucher daher schon öfter davor gewarnt, dass sie mit solchen Investments sogar einen Totalverlust erleiden können. Leider ist jetzt genau das in einem bedeutenden Fall passiert.

Sind die Turbulenzen auch eine Gefahr für die Finanzstabilität? Derzeit wohl nicht. Künftig könnte es aber in diese Richtung gehen, wenn die Verflechtungen mit dem traditionellen Finanzsystem noch enger würden.

Turbulenzen im unregulierten Markt bringen Vertrauensverluste und schmerzhafte finanzielle Verluste mit sich. Überregulierung würgt Innovation ab. Was wir brauchen, sind ausgewogene und flexible Aufsichtsansätze und regulatorische Bedingungen, unter denen durchdachte und seriöse Projekte wachsen und Mehrwert für ihre Kunden liefern können. Später mehr zu diesem Thema.

Ich wünsche uns allen gute und ergiebige Diskussionen!

Zusatzinformationen

Programm BaFinTech 2022

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