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Porträtaufnahme von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht. © Bernd Roselieb

Erscheinung:18.05.2021 Statement zur Jahrespressekonferenz 2021 der BaFin

Statement von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht, bei der Jahrespressekonferenz 2021 der BaFin am 18. Mai 2021

Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herren,
im Namen des Direktoriums begrüße ich Sie herzlich zu unserer Jahrespressekonferenz. Erstmals spricht an dieser Stelle kein Präsident, sondern ich als der dienstälteste Exekutivdirektor. Sie alle wissen, warum. Ich danke Felix Hufeld für das, was er für die BaFin geleistet hat. So hat er in der internationalen Gemeinschaft der Aufseher und Standardsetzer sehr hohes Ansehen genossen und mitgeholfen, das internationale Profil der BaFin zu schärfen.

Aber das Leben geht weiter, und mit Mark Branson bekommen wir bald einen Präsidenten, der als Direktor der FINMA nicht nur in der Schweiz einen sehr guten Ruf genießt. Auch in den internationalen Gremien hat er schon nachhaltig Spuren hinterlassen.

Auch die COVID-19-Pandemie geht weiter und prägt nach wie vor unser aufsichtliches Handeln. Über die Folgen für Versicherer und Pensionskassen hat sich mein Kollege Dr. Frank Grund erst kürzlich ausführlich geäußert, nämlich bei der Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht. Wie sieht es bei den Banken aus? Bei der Pressekonferenz vor einem Jahr haben wir gesagt, dass der Sektor relativ widerstandsfähig sei und funktioniere. Eine Systemkrise war damals nicht in Sicht. An dieser Aussage hat sich – Stand heute – im Grunde nichts geändert. Was angesichts der bisherigen Dauer der Pandemie durchaus eine Nachricht ist. Wichtig sind mir aber folgende Punkte: Eine Entwarnung können wir derzeit nur für das System aussprechen, also die Branche als Ganzes. Das eine oder andere Institut, das schon vor der Krise auf wackligen Beinen stand, übersteht die Pandemie möglicherweise nicht. Was bedauerlich wäre, aber in einer Marktwirtschaft nicht ungewöhnlich. Wir haben nicht die Aufgabe, solche Marktaustritte um jeden Preis zu verhindern. Das Schicksal einer Bank liegt in den Händen ihrer Manager. Wenn der Ernstfall eintritt, sorgen wir mit dafür, dass die Insolvenz ordentlich vonstattengeht oder das Institut abgewickelt wird.

So weit sind wir aber noch nicht. Was allerdings auch daran liegt, dass wir noch kein vollständiges Bild haben. Wir müssen davon ausgehen, dass nicht alle von der Pandemie gebeutelten Unternehmen der Realwirtschaft wieder gesunden. Wie und mit welchen Verzögerungen sich das in den Bankbilanzen niederschlagen wird, ist aber kaum abzusehen. Der tatsächliche Wertberichtigungsbedarf der Institute wird sich erst zeigen, wenn die staatlichen Hilfsprogramme ausgelaufen sind und das Insolvenzrecht wieder in vollem Umfang greift. Dabei ist ein gewisser Zeitverzug durchaus möglich. Ein Teil der von der Pandemie besonders betroffenen Branchen hat sich nur in relativ geringem Umfang bei Banken refinanziert. Manche haben andere Finanzierungsquellen: Gaststätten über Brauereien, Einzelhändler über Lieferantenkredite. Hier werden die Folgen der Pandemie nur auf indirektem Weg und wahrscheinlich mit Zeitverzug sichtbar werden.

Dass die deutschen Banken bisher vergleichsweise gut durch die Krise kommen, liegt auch daran, dass Regulierung und Aufsicht nach der Finanzkrise 2007/2008 gründlich reformiert worden sind. Das hat die Institute gestärkt – auch die deutschen. Deutsche Institute haben vielleicht ein Ertragsproblem. Sie hatten aber bislang anders als Banken in anderen Ländern kein NPL-Problem. Und wir erwarten dies auch jetzt nicht.

Dennoch: Wenn deutsche Institute dauerhaft wettbewerbsfähig sein wollen, müssen sie ihre Kosten noch viel rigoroser senken als bisher. In den letzten 15 Jahren ist die Cost-Income-Ratio der Institute eigentlich fast durchgängig gestiegen. Was nicht nur an sinkenden Erträgen, sondern auch an steigenden operativen Kosten lag. Und dann ist da noch die galoppierende Digitalisierung. Sie stellt die Geschäftsmodelle der traditionellen Institute auf eine harte Probe. Die Pandemie wirkt hier wie ein Beschleuniger.

Für uns als BaFin heißt das, dass wir unsere Aufsicht an die neue Realität anpassen werden. Wir müssen uns noch mehr mit den Geschäftsmodellen der Institute beschäftigen, noch intensiver hinter deren Fassade schauen. Die klassischen Kennziffern wie die Eigenkapitalquote und Liquiditätskennziffern allein reichen nicht aus, um alle Risiken zu erkennen. Das war schon bei Wirecard so – und später auch bei der Greensill Bank. Bei der wir übrigens gute Arbeit geleistet haben. Wir hatten aufgedeckt, dass die Bank das breit diversifizierte Kreditportfolio, das sie in ihrer Bilanz auswies, gar nicht hatte.

Der Fall Wirecard hat – wenig überraschend - unsere Arbeit im vergangenen Jahr geprägt – und er tut es noch. Sehr genau und sehr umfassend haben wir analysiert, welche Schlussfolgerungen wir daraus für unsere Arbeitsweise ziehen müssen. In jedem Fall werden wir unsere Aufsichtsansätze gründlich reformieren müssen. Das vom Bundesministerium der Finanzen gestartete Projekt zur Modernisierung der BaFin unterstützen wir aus voller Überzeugung. Im Zusammenwirken mit dem geplanten FISG wird es uns schlagkräftiger machen. Und zwar noch in diesem Jahr.

Noch in diesem Monat soll der Pilot unserer künftigen Fokusaufsicht live gehen. Mit ihr werden wir genau das machen, was ich gerade geschildert habe: viel intensiver hinter die Fassade schauen. Hinter die Fassade von Banken und anderen Unternehmen, deren Geschäftsmodell sehr komplex ist oder sehr innovativ erscheint. Bei solchen Unternehmen wollen wir schneller, genauer und aus erster Hand wissen, wo die Erträge herkommen, denn wo das Geld verdient wird, liegen die Risiken. Wenn wir auf intransparente Verhältnisse stoßen und uns keine Klarheit verschaffen können, handeln wir – und schränken die Geschäfte notfalls ein.

Neben der Fokusaufsicht ist unsere künftige Taskforce ein weiteres zentrales Teilprojekt unseres Modernisierungsvorhabens. Sie soll Mitte August an den Start gehen und Hand in Hand mit der Fokusaufsicht arbeiten. Die Taskforce wird unsere eigene schnelle Eingreiftruppe werden, die von jetzt auf gleich ausrücken kann, um an Ort und Stelle zu prüfen, in den Unternehmen. Gerade wenn es schnell gehen muss, wollen wir nicht erst ein zeitraubendes Vergabeverfahren anstoßen müssen, um einen Wirtschaftsprüfer zu beauftragen.

Die Taskforce wird in Eigenregie prüfen und dabei auch forensische Prüfungen vornehmen können. Womit wir Neuland betreten; bislang spielte Forensik in der BaFin nur bei der Verfolgung unerlaubter Geschäfte eine Rolle. Nun werden wir also auch in der laufenden Unternehmensaufsicht eigene forensische Expertise aufbauen, wovon ich mir einen deutlichen Zugewinn an Schlagkraft verspreche.

Ähnliches gilt für die Bilanzkontrolle. Auf diesem Gebiet will man uns mit dem FISG signifikant stärken – ebenfalls eine Lehre aus dem Fall Wirecard. Auch hier sollen wir also forensisch vorgehen können. Erklärtes Ziel ist, Verdachtsmomente auf fehlerhafte Rechnungslegung bis hin zum Bilanzbetrug möglich frühzeitig und effektiv zu identifizieren und – ggf. im Ermittlungsverbund mit der Staatsanwaltschaft – aufzuklären und, so gut es geht, zu verhindern. Ich sage bewusst „so gut es geht“. Denn eines muss klar sein, und das ist ausdrücklich keine Vorabentschuldigung für künftige Fehler: Man kann uns als Aufsicht bis an die Zähne forensisch bewaffnen, es wird und kann in einem Rechtsstaat nie gelingen, jede Art von Kriminalität zu verhindern.

Meine Damen und Herren,
ich kann dem Ruck, der gerade durch die BaFin geht, sehr viel Positives abgewinnen. Wir gestalten diesen „Wandel post Wirecard“ mit. Und ich bin mir sicher: Unser künftiger Präsident Mark Branson wird weitere konstruktive Impulse setzen.

Zusatzinformationen

Jahresbericht der BaFin 2020

Pressemitteilung zur Jahrespresseonferenz der BaFin am 18.05.2021

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