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Porträtaufnahme von Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. © Bernd Roselieb

Erscheinung:13.11.2020 Aktuelle Fragen der Aufsicht über EbAV

Vortrag von Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), bei der Handelsblatt-Jahrestagung BAV 2020 am 12. November 2020.

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Damen und Herren,

wenn man mich bittet, die betriebliche Altersversorgung aus der Perspektive der Aufsicht zu betrachten, schließt das ungefähr genau so viele Aspekte aus wie ein.

Ich spreche heute nicht über die gesetzliche Rente, nicht über die private Vorsorge und auch nicht über die bAV-Durchführungswege Unterstützungskasse oder Direktzusage. Die Direktzusage war zwar mit 306 von 631 Milliarden Euro Deckungsmitteln1 nach aba-Angaben 2018 der bedeutendste bAV-Zweig. Laut Gesetz wird er allerdings nicht durch die BaFin beaufsichtigt.

Stattdessen werde ich mich heute erst zu einigen übergreifenden Themen und dann zu den drei bAV-Durchführungswegen unter BaFin-Aufsicht äußern, sprich: Pensionskassen, Direktversicherungen und Pensionsfonds. Auf sie entfallen 46 Prozent der eben erwähnten 631 Milliarden Euro an Deckungsmitteln.

Mein erstes übergreifendes Thema ist die reine Beitragszusage: Mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz vom 1. Januar 2018 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, Betriebsrenten zu vereinbaren, bei denen sich die Zusage rein auf die Beiträge bezieht – daher auch reine Beitragszusage.

Weder dürfen also die durchführenden Einrichtungen Leistungen garantieren noch stehen die Arbeitgeber in einer Eintrittspflicht. Aber noch immer gibt es keinen einzigen Fall, in dem sich die Tarifpartner auf die reine Beitragszusage verständigt hätten – wenngleich Frau Kerschbaumer vorgestern an dieser Stelle ja einen Abschluss zwischen Verdi und Talanx bis Jahresende in Aussicht gestellt hat.

In einer Niedrigzinsphase, die Corona nun noch einmal verfestigt, sind reine Beitragszusagen, die einem Weniger an Sicherheit auch ein potenzielles Mehr an Rendite entgegenhalten, eine interessante Alternative, um im Neugeschäft zu weniger toxischen Konstellationen zu kommen. Am Bestand mit hoher Garantieverzinsung ändert die reine Beitragszusage natürlich nichts.

Die reine Beitragszusage betrifft exakt jene Durchführungswege, die der Aufsicht durch die BaFin unterliegen und auf die ich später noch zu sprechen komme. Wir würden bei Pensionskassen, Pensionsfonds und Direktversicherungen prüfen, ob sie die reine Beitragszusage entsprechend den Vorgaben der Tarifparteien und der aufsichtsrechtlichen Vorschriften umsetzen. Dafür erhielten wir Einblick in den Tarifvertrag, die schriftliche Vereinbarung der Tarifparteien mit dem durchführenden Unternehmen, in die allgemeinen Versicherungsbedingungen sowie die technischen Berechnungsgrundlagen.

Laufend gäben uns die Unternehmen Informationen über den Kapitaldeckungsgrad und etwaige Anpassungen der Renten. Und die regelmäßigen Risikoberichte wären eine erste Basis für unsere Aufsicht über das Risikomanagement.

Sie wissen, warum ich so viele Konjunktive benutzt habe: Es gibt – wie gesagt – noch keinen fest beschlossenen Tarifabschluss über die reine Beitragszusage. Ich möchte aber allen Beteiligten meine Erwartung mit auf den Weg geben, dass sie sich mit dieser Chance auseinandersetzen: Die BaFin ist bereit wenn Sie es sind, liebe Tarifparteien.

Es gibt drei weitere Themen, die ich gerne vor die Klammer ziehen würde: erstens Berichtspflichten, zweitens BaFin-Rundschreiben und drittens Nachhaltigkeit.

Am 30. September 2019 ist eine Allgemeinverfügung der BaFin in Kraft getreten, wonach Pensionskassen und Pensionsfonds verpflichtet sind, uns bestimmte Pensionsdaten zu melden. Wir leiten die Daten an EIOPA weiter – und an die Bundesbank, die sie zur EZB gibt.

Die Erhebung ist kein Selbstzweck: EIOPA will mit Hilfe der nationalen Aufsichtsbehörden herausfinden, wie es um die bAV in Europa grundsätzlich bestellt ist.

Um einen solchen Überblick zu bekommen, braucht es natürlich einen gewissen Grad an Harmonisierung in der Erhebung der Daten. Und wir als BaFin nutzen die Daten als Ergänzung zu den uns bereits vorliegenden Informationen. Dies gilt zum Beispiel für die Informationen zu den Kapitalanlagen, die einen erheblichen Mehrwert stiften.

Dieses Forum gibt mir die Gelegenheit, noch einmal darauf hinzuweisen, dass wir die Allgemeinverfügung zwischenzeitlich aktualisiert haben.

Anlass waren Fehlerkorrekturen auf Seiten von EIOPA. Wir haben dann gleich die Chance ergriffen, mit den Erfahrungen aus den ersten Meldestichtagen unseren Erläuterungstext anzupassen.

Inhaltlich geändert hat sich nichts. Was für die Betroffenen sicherlich am wichtigsten ist: Die Meldebögen sind unverändert geblieben.

Die Unternehmen müssen die aktualisierte Allgemeinverfügung erstmals berücksichtigen, wenn sie uns die Daten für das vierte Quartal 2020 und die Jahresmeldung 2020 übermitteln.

Mein zweiter Punkt sind zwei lang ersehnte BaFin-Rundschreiben:

  • Die „Aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die Geschäftsorganisation von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung“ – besser bekannt als „MaGo für EbAV“.
  • Und die „Aufsichtsrechtlichen Mindestanforderungen an die eigene Risikobeurteilung von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung“.

In beiden Fällen lief die Konsultation der Entwürfe am 27. September 2020 aus. Im Großen und Ganzen hat uns das Feedback gezeigt, dass die Branche mit den Rundschreiben gut wird umgehen können. Einige Anmerkungen werden wir noch berücksichtigen. Mit fundamentalen Änderungen ist aber nicht mehr zu rechnen.

Wir versprechen uns von den Rundschreiben, dass sie eine Hilfestellung für die EbAV sind, wenn sie ab dem nächsten Jahr die regelmäßige eigene Risikobeurteilung vornehmen. Ebenso sollen sie die EbAV bei der Gestaltung ihrer Geschäftsorganisation unterstützen, wenn es beispielsweise um die Anwendung des Grundsatzes der Proportionalität, um die Wahrnehmung der Aufgaben der Schlüsselfunktionen oder die Ausgliederung von Tätigkeiten geht.

Derzeit gehen wir davon aus, die finale Fassung spätestens im Dezember dieses Jahres veröffentlichen zu können.

Lassen Sie mich zur Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage (meinem dritten Punkt) ein paar grundsätzliche Dinge sagen.

Corona hat zwar ein paar „Fridays for Future“ beeinträchtigt. Aber weiterhin sollte allen klar sein: Die Energiewende ist ein gesamtgesellschaftlicher Kraftakt, bei dem Unternehmen aus der Finanzbranche mit anpacken.

Entsprechend ist das Thema bei Aufsichtsbehörden und beim Gesetzgeber auf dem Schirm.

Die BaFin etwa hat vor einigen Monaten ein „Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken“ veröffentlicht. Es enthält Good-Practices – empfehlenswerte, aber unverbindliche Verfahrensweisen.

Manche Zuhörer erstaunt das. Sie wittern eine versteckte grüne Regulierung.

Dies gibt es natürlich auch – aber sie kommt nicht von der Aufsicht, sondern vom Gesetzgeber. Die europäische Transparenz-Verordnung und die EU-Taxonomieverordnung gelten auch für Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung und sehen vor, dass sie nachhaltigkeitsbezogene Angaben auf ihrer Website, in vorvertraglichen Informationen und in der regelmäßigen Berichterstattung machen. Wir als BaFin stellen uns auf die ersten Offenlegungen ein, die schrittweise ab März 2021 erfolgen sollen.

Diese EU-Verordnungen schreiben den Unternehmen aber keine grünen Anlagen vor. Und das ist auch gut so, da nachhaltige Anlagen zumindest nicht per se risikolos sind.

Nun also zu den drei bAV-Durchführungswegen unter BaFin-Aufsicht. Die Deckungsmittel des größten Zweigs, der Pensionskassen, betragen mittlerweile über 183 Milliarden Euro. Derzeit beaufsichtigen wir 135 Kassen.

Nach deutschem Recht sind Pensionskassen Lebensversicherer, die wegfallendes Erwerbseinkommen versichern. Weil sie ausschließlich lebenslange Renten mit teils hohen Garantien zahlen, sind sie von der Niedrigzinsphase besonders betroffen.

Für unsere Aufsicht ist es nicht unerheblich, ob es sich um eine regulierte oder um eine deregulierte Kasse handelt. Auf regulierte Pensionskassen entfällt ein Marktanteil von rund 70 Prozent. Sie müssen sich ihre allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarife von uns genehmigen lassen. Das ist aber keinesfalls ein Freifahrtschein für die Zukunft.

Wir haben zum Beispiel beobachtet, dass regulierte Pensionskassen in vor Jahren genehmigte Tarife mit vergleichsweise hohen Garantiezinsen auch im aktuellen Niedrigzinsumfeld weiterhin neue Kunden aufnehmen.

Das sehen wir überaus kritisch, denn wenn sich ökonomische Rahmenbedingungen ändern, muss die Geschäftsleitung darauf auch angemessen reagieren.

Daher haben wir die Pensionskassen, die noch einen Rechnungszins von mehr als 0,9 Prozent verwendet haben, aufgefordert, die entsprechenden Tarife zu schließen. Mit dem Ergebnis dieser Aktion sind wir bisher sehr zufrieden. Lediglich in einigen, wenigen Sonderfällen müssen noch Lösungen gefunden werden. Wir stehen hierzu mit den betroffenen Kassen in Kontakt.

Ich selbst habe deutlich gemacht, dass wir in neuen Tarifen regulierter Pensionskassen Rechnungszinsen oberhalb von 0,25 Prozent nicht mehr unbefristet genehmigen werden.2

Nicht regulierte Pensionskassen benötigen für ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Berechnungsgrundlagen keine Genehmigung; sie müssen sie uns lediglich vorlegen.

Nicht regulierte Pensionskassen dürfen im Neugeschäft maximal einen Garantiezins auf dem Niveau des Höchstrechnungszinses aufrufen – derzeit also 0,9 Prozent. Wie stark eine Kasse den Höchstrechnungszins ausschöpft, liegt auch hier in der Verantwortung der Geschäftsleitung.

Für regulierte wie für nicht regulierte Pensionskassen gilt: Die unreflektierte Verwendung des Höchstrechnungszinses als Garantiezins ist jedenfalls mit einem guten Risikomanagement nicht vereinbar.

36 Pensionskassen stehen momentan unter intensivierter Aufsicht, weil sie ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber ihren Kunden möglicherweise nicht dauerhaft erfüllen können. Wir drängen die betroffenen Kassen dazu, bei ihren Trägerunternehmen oder Aktionären für die Zukunft finanzielle Unterstützung anzufordern. Wenn sich deren Lage durch die Corona-Pandemie verschlechtert, wird das natürlich leider umso schwieriger.

Und die Lage von Pensionskassen, die in der Vergangenheit bereits Unterstützung erhalten haben, könnte sich dadurch verschlechtern, dass Trägerunternehmen die zugesagten Mittel Corona-bedingt nicht aufbringen können.

Es ist allerdings in der Vergangenheit auch schon vorgekommen, dass wir einzelnen Pensionskassen das Neugeschäft untersagen mussten. Bei Pensionskassen in der Rechtsform eines Versicherungsvereins besteht in der Regel die Möglichkeit, Versicherungsansprüche notfalls zu kürzen. Solche Leistungskürzungen hat es bisher bei drei Pensionskassen gegeben.

Kommen wir zum Durchführungsweg Direktversicherung mit seinen inzwischen rund 70 Milliarden Euro Deckungsmitteln: Lebensversicherungsunternehmen unterliegen zwar einem anderen Aufsichtsregime als Pensionskassen, nämlich Solvency II. Aber das Gebot der Zinszurückhaltung, eine Prognoserechnung zum 30. September jeden Jahres und das Instrument der intensivierten Aufsicht – das gibt es auch hier.

Lassen Sie mich noch etwas zu den Pensionsfonds sagen, die der Gesetzgeber mit dem Altersvermögensgesetz 2002 eingeführt hat. Pensionsfonds sind damit der fünfte und früher kleinste bAV-Durchführungsweg. Wir gehen aber davon aus, dass er mittlerweile bei fast 50 Milliarden Euro an Deckungsmitteln steht und damit die Unterstützungskassen deutlich hinter sich gelassen hat.

Pensionsfonds sind keine Versicherungsunternehmen. Sie sagen nicht durchgehend versicherungsförmige Garantien zu und verfolgen hauptsächlich nicht-versicherungsförmige Pensionspläne.

Nicht zufällig heißt unser Geschäftsbereich bei der BaFin daher auch Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. Für Pensionsfonds gelten aber viele Vorschriften analog, die auch für Lebensversicherungsunternehmen gelten.

Im Vergleich zu Pensionskassen können sie risikoreicher investieren, weil kaum Vorgaben zur Mischung der Kapitalanlagen existieren.

Derzeit beaufsichtigen wir 33 Pensionsfonds:

  • Sie legen uns die Pensionspläne vorab vor, aus denen hervorgeht, ob das Unternehmen eine Leistungszusage oder eine Beitragszusage mit Mindestleistung durchführt.
  • Ein weiteres Instrument unserer Aufsicht sind auch bei Pensionsfonds die jährlichen Prognoserechnungen.
  • Und wenn eine vorübergehende Unterdeckung des Sicherungsvermögens eintritt, muss uns der Pensionsfonds einen Bedeckungsplan vorlegen, aus dem hervorgeht, wie er die vollständige Bedeckung wiedererlangen will.
  • In der Corona-Pandemie gewährte die BaFin den Pensionsfonds bis zum 1. Oktober auch länger als die üblichen drei Monate, um den Bedeckungsplan einzureichen. Von der verlängerten Frist machten allerdings nur wenige Pensionsfonds Gebrauch. Und dabei ging es dann auch nur um kleinere Unterdeckungen.

Meine Damen und Herren: Die BaFin ist zum Schutz der Kunden berufen. Absolute Sicherheit für Betriebsrenten kann sie jedoch nicht gewährleisten.

Ich begrüße es daher, dass der Gesetzgeber eine Lücke geschlossen hat, indem er den Durchführungsweg Pensionskasse der PSV-Pflicht unterstellt. Damit ist der Fall geheilt, dass ein Pensionskassen-Versicherungsverein in die Knie geht, dem Betriebsrentner die Subsidiärhaftung seines Arbeitgebers aber gleichzeitig nichts bringt, weil dieser nicht mehr existiert. Dann springt künftig der PSV ein.

Anwartschaften aus Eigenbeiträgen von Versicherten nach deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis unterliegen aber auch weiterhin im Regelfall keiner Subsidiärhaftung durch den Arbeitgeber und sind damit auch künftig nicht durch den Pensions-Sicherungs-Verein geschützt.

Kein System kann absolute Sicherheit bieten. Das spricht aber nicht gegen die bAV. Ganz im Gegenteil: Als eine von drei Säulen trägt die bAV das Dach der Alterssicherung in Deutschland entscheidend mit. Ihre Rolle muss stärker werden, nicht schwächer.

Hierzu trägt auch eine engagierte Aufsicht durch die BaFin ihren Teil bei.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Fußnoten:

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