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Porträtaufnahme von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht. © Bernd Roselieb

Erscheinung:22.09.2020 Aufsicht in der Corona-Krise

Rede von Raimund Röseler Exekutivdirektor Bankenaufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beim 18. Retail-Bankentag der Börsen-Zeitung am 22. September in Frankfurt

Es gilt das gesprochene Wort!

Das nenne ich einen Imagewandel, meine Damen und Herren: Vor etwa 13 Jahren standen die Banken am Pranger. Sie zählten zu den Auslösern der Finanzkrise 2007/2008, die sich dann später zu einer globalen Wirtschaftskrise auswuchs. Die Banken hatten ein gewaltiges Problem verursacht, welches den Steuerzahler viel Geld kostete. Heute zählen die Banken zu den Problemlösern. Sie tragen dazu bei, die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Realwirtschaft abzumildern. Sie tun dies übrigens, indem sie ihrer klassischen Rolle nachkommen: nämlich Kreditgeber zu sein, Mittler zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern.

Operativ haben sich die Institute der Krise von Anfang an gut geschlagen. Auch im Lock-down waren Bankdienstleistungen mehr oder weniger ohne Probleme verfügbar.

Auch wirtschaftlich kommen die deutschen Institute, die wir direkt beaufsichtigen, recht gut durch die Krise – bislang jedenfalls. Der Bankensektor ist heute widerstandskräftiger als vor der Finanzkrise. Was auch an den harten Regulierungsreformen liegt, die seit dem Lehman-Zusammenbruch verabschiedet worden sind. Ihnen haben wir zu verdanken, dass wir heute mehr Liquidität im Bankensystem haben – trotz der gerade hohen Nachfrage und obwohl die Institute den meisten Stundungswünschen ihrer Kunden nachkommen und auch neue Kredite vergeben. Dank der Post-Lehman-Reformen verfügen Banken heute auch über mehr und besseres Eigenkapital.

Wir haben derzeit im gesamten deutschen Bankenmarkt noch über 100 Milliarden Euro Überschusskapital.

Trotzdem, es gibt noch keinen Anlass zur Entspannung. Die Corona-Krise wird Folgen haben. Und diese Folgen sehen wir in Teilen nur deshalb noch nicht, weil wir Zeit gekauft haben. Zeit gekauft durch die staatlichen Rettungsprogramme. Und Zeit gekauft durch den temporären Verzicht auf Diagnoseinstrumente. Die Änderungen im Insolvenzrecht führen dazu, dass noch nicht alle Unternehmen, die nicht mehr überlebensfähig sind, aus dem Markt ausgeschieden sind. Und unsere aufsichtlichen Maßnahmen führen auch dazu, dass noch nicht alle Kredite, die gestundet sind und nicht mehr gesunden werden, wertberichtigt sind. Die scheinbare Gesundheit der Banken kommt zum Teil also auch daher, dass wir auf die Diagnose verzichten. Das ist wie beim Arzt, der nicht weiß, wie hoch das Fieber seines Patienten ist, weil er das Fieberthermometer weggelegt hat.

Was wir aber tun, ist, zu schauen, wie sich die Lage der Patienten in Zukunft entwickeln wird. Wir legen daher unser Augenmerk auf die Früherkennung. Was passiert, wenn es trotz aller Rettungsprogramme zu einer tiefen Rezession kommt? Das haben wir in verschiedenen Szenarien simuliert. In einem – wie wir im Frühjahr noch dachten – sehr drastischen Szenario haben wir angenommen, dass das Bruttoinlandsprodukt um -10,8 Prozent einbricht. Die durchschnittliche harte Kernkapitalquote der so genannten weniger bedeutenden Institute sänke dann um 4,7 Prozentpunkte auf 11,2 Prozent. Aber selbst dann wären die Banken im Durchschnitt noch ausreichend kapitalisiert. Dabei haben wir Gegenmaßnahmen, die die Institute selbst ergreifen können, nicht einmal berücksichtigt. Auch die Auswirkungen der verschiedenen staatlichen Hilfsprogramme sind nicht eingeflossen.

Kurzum: Im Moment sieht es nicht so aus, als würde aus der Corona-Krise eine Bankenkrise werden. Diese Aussage ist allerdings mit Vorsicht zu genießen – und zwar aus fünf Gründen.

Erstens: Die Banken stünden heute schlechter da, wenn nicht unmittelbar nach Ausbruch der Pandemie staatliche Hilfspakete historischen Umfangs geschnürt worden wären, wenn nicht die Europäische Zentralbank für Liquidität am Markt gesorgt hätte und wenn nicht wir Aufseher binnen kurzer Zeit eine Reihe von Maßnahmen ergriffen hätten, um den Banken den Rücken zu stärken. Es ist auch dieser Dreiklang, der bislang eine größere wirtschaftliche Katastrophe und schwerere Turbulenzen im Bankensystem verhindert hat.

Was haben wir als BaFin getan, um die Institute in der Krise zu unterstützen? Wir haben die Banken natürlich administrativ entlastet. So hatten wir im Frühjahr alle Vor-Ort-Prüfungen gestoppt und den Stresstest auf Eis gelegt. Und wir haben sehr früh den antizyklischen Kapitalpuffer wieder auf null Prozent gesenkt. Damit haben wir den Banken den nötigen Spielraum gegeben, um die krisenbedingten Belastungen schultern zu können. Wir wollen diesen Puffer mindestens bis Ende dieses Jahres bei null belassen, damit die Banken weiterhin ohne unnötige Verzögerungen eigene und staatliche Mittel an die richtigen Stellen weiterleiten können.

Außerdem haben wir – und andere Aufsichtsbehörden – die Flexibilität des bestehenden Rahmenwerks genutzt und eine Reihe weiterer Maßnahmen ergriffen. Auch diese Maßnahmen sind temporär. Wir sind damit den Banken sehr weit entgegengekommen, aber nur so weit, wie es Gesetz, Rechnungslegungsvorschriften und Finanzstabilität zulassen. Wir erlauben den Instituten zum Beispiel nicht, ihr Risikomanagement und sämtliche Kreditvergabestandards einzumotten.

Zweitens: Bislang habe ich vom deutschen Bankensektor gesprochen, genauer gesagt: von der Gesamtheit der Institute, die wir direkt beaufsichtigen. Dieser Gesamtheit kann ich, Stand heute, eine ausreichende Stressresistenz attestieren. Was ich nicht kann: garantieren, dass jede einzelne Bank die Corona-Krise übersteht. Schon vor der Krise waren einige Institute sehr schwach. Denen geht es jetzt nicht besser. Wie bei Menschen auch gilt hier: Wer Vorerkrankungen hat, der hat ein größeres Risiko, Corona nicht zu überleben.

Drittens – und auch das relativiert meine Aussage zur Stressresistenz – können wir nach wie vor nur in Szenarien rechnen. Niemand kann derzeit seriös vorhersagen, wie sich die Dinge im Detail entwickeln: Werden wir irgendwann einen ausreichend getesteten Impfstoff haben? Wann wird es so weit sein? Wann haben wir ein Medikament zur Behandlung des Virus? Wie entwickelt sich die Zahl der Infektionen – weltweit und in Deutschland? Und wie wird sich die Pandemie weiter auf die Realwirtschaft auswirken?

Wir wissen es nicht, können aber – viertens – davon ausgehen, dass wir uns trotz der umfangeichen staatlichen Hilfsprogramme in Richtung einer schweren Rezession bewegen, vielleicht der schwersten seit Ende des Zweiten Weltkriegs.

Mit anderen Worten: Da kommt offenbar noch einiges auf die Banken zu. Die Institute müssen damit rechnen, dass die Zahl der Unternehmensinsolvenzen – und damit die der Kreditausfälle – steigt, und zwar in mehreren Wellen. Wie hoch genau die coronabedingten Ausfälle letztendlich sein werden, kann aber – wie gesagt – niemand exakt prognostizieren. Ich rechne aber damit, dass es zu sehr hohen Wertberichtigungen kommen wird. Und die könnten die Gewinne schmälern und sogar zu Verlusten führen und die Kapitalausstattung angreifen.

Und umso wichtiger ist es, dass die Institute vorsorgen und möglichst viel Kapital im Bankensystem halten. Die staatlichen Milliarden, die Freiräume, die wir Aufseher den Banken derzeit geben, sollten nicht dadurch konterkariert werden, dass an anderer Stelle Kapital aus dem Bankensystem abfließt. Was wir von den Instituten unter unserer Aufsicht erwarten, haben wir daher schon zu Beginn der Pandemie deutlich gemacht, nämlich, dass sie vorerst darauf verzichten, Dividenden oder Gewinne aus dem Jahr 2019 auszuschütten. Wenig später traten EZB, EBA und der ESRB mit vergleichbaren Erwartungen an die Öffentlichkeit. EZB und Finanzstabilitätsrat haben ihre Empfehlungen mittlerweile für die sogenannten bedeutenden Institute unter direkter EZB-Aufsicht über Oktober 2020 hinaus bis zum Januar 2021 verlängert.

Wie positioniert sich die BaFin dazu? Allgemein verbieten können wir die Ausschüttung von Gewinnen oder Dividenden nicht. Wir haben dafür keine gesetzliche Grundlage und können uns selbst auch keine basteln. Angesichts der gerade geschilderten Unsicherheiten rate ich allerdings nach wie vor jedem Institut, das wir direkt beaufsichtigen, auf Gewinn- und Dividendenausschüttungen zu verzichten. Und wer partout ausschütten will, sollte sich erst einmal fragen, ob er für sein Institut eine nachhaltig positive Ertragsprognose geben kann und auch dann noch ausreichende Kaptalpuffer hätte, wenn die Stressphase weiter anhielte.

Wir jedenfalls werden diese beiden Fragen in jedem einzelnen Fall stellen. Wenn die Antwort „nein“ lautet, wenn also ein Institut ausschüttet, obwohl es keine gute Kapitalausstattung und nicht genug Liquidität hat, können und werden wir das sanktionieren. Wobei ich vor falschen Umkehrschlüssen warne: Wenn ein Institut keine Dividenden zahlt, heißt das nicht, dass es dazu zu schwach wäre. Nein: Viele Institute verzichten auf Dividendenzahlungen, obwohl sie stabil sind. Ich hoffe, dass sich möglichst viele so verhalten. Immerhin reden wir hier schätzungsweise über Gewinne und Dividenden in Höhe von insgesamt fast 1,6 Mrd. Euro.

Fünftens: So widerstandfähig der deutsche Bankenmarkt mittlerweile ist, so eindrucksvoll er seine Handlungsfähigkeit in der Krise beweist, so wenig lassen sich die Probleme leugnen, die er schon vor der Pandemie hatte: das Zinsergebnis, immer noch Ertragsquelle Nr. 1, notorisch mau, die digitale Konkurrenz dafür umso innovativer und lebhafter. Aber: In allen Sektoren gibt es Institute, die trotz der schwierigen Bedingungen profitabel wirtschaften. Aber einigen Banken gelingt dieses Kunststück nicht.

Dabei waren die zehn Jahre vor Corona noch vergleichsweise gut. Der konjunkturelle Rückenwind blies beständig, und die Banken betrieben entsprechend wenig Risikovorsorge, was sich positiv auf ihre Ergebnisse auswirkte. Dass diese Zeiten dem Ende entgegengehen würden, zeichnete sich schon ab, bevor wir im Radio zum ersten Mal von einem neuartigen Virus in China gehört haben. Nun stehen die Banken vor einer schweren Rezession, und das Zinstief ist erneut in die Verlängerung gegangen.

Was tun? Dass sich viele Institute in den vergangenen Jahren ein ansehnliches Kapitalpolster zugelegt haben, ist natürlich gut. Einige scheinen sich darauf allerdings auszuruhen, was die falsche Strategie ist. Denn obwohl das Tagesgeschäft gerade besonders anspruchsvoll ist, müssen die Banken über den Tag hinaus strategisch denken und die Weichen für eine auskömmliche Zukunft stellen. Nun gab es immer schon Banken, die sich eher aufs Klagen verlegt haben: die EZB, die Umstände, die Aufseher, die Regulierung – Schuld sind immer andere. Gebracht haben diese Klagen: nichts. Es gibt aber auch Institute, die auf die zahlreichen Herausforderungen mit der gebotenen Beweglichkeit reagieren. Die ihre Geschäftsmodelle und ihre Prozesse auf den Prüfstand stellen. Die grundlegenden Reformen anpacken, Kosten senken und ihre Häuser für die Zukunft rüsten – eine Zukunft, die weiter durch niedrige Zinsen geprägt sein wird. Diese Institute haben gute Chancen, auch die Herausforderungen durch Corona und neue Wettbewerber erfolgreich zu bewältigen.

Es gibt aber auch die anderen Banken. Die, bei denen nicht genug passiert. Die stattdessen eine gefährliche Behäbigkeit an den Tag legen. Diese Institute stellen sich nicht auf die Marktgegebenheiten ein und schöpfen ihre Kostensenkungspotenziale nicht aus. Dabei stand für einige von ihnen schon vor der Corona-Krise die Uhr auf fünf vor zwölf. Statt auf bessere Zeiten zu hoffen, sollten diese Banken spätestens jetzt überlegen, wie sie ihre Prozesse, ihre Produkte und Vertriebswege gestalten wollen, um auf lange Sicht am Markt bestehen zu können. Sie sollten zum Beispiel die Chancen der Digitalisierung stärker nutzen – ihrer eigenen Effizienz wegen und um von der digitalen Konkurrenz nicht abgehängt zu werden. In der Corona-Krise sehen wir, dass Kunden verstärkt auf digitale Angebote ausweichen. Wenn die Banken ihre Kunden nicht an digitale Wettbewerber verlieren wollen, müssen sie ihre Angebote eben besonders attraktiv machen. Und mit dem Pfund wuchern, das sie immer noch haben: dem Vertrauen, das man ihnen – wieder und immer noch – entgegenbringt.

Gleichzeitig sollten die Banken noch einmal ein genaues Augenmerk auf Ihre Kosten und deren Struktur werfen. In Schweden etwa, kommt auf 250 Einwohner ein Bankmitarbeiter. In Deutschland kommen 150 Einwohner auf einen Bankmitarbeiter - wobei dieser im Schnitt nur ein Drittel des Geschäftsvolumens seines schwedischen Kollegen verantwortet. Dieses Dilemma sehen wir auch in der Höhe und Entwicklung der Cost-Income-Ratio. Dabei sah es Anfang der 2000er gar nicht so schlecht für Deutschland aus. Die Cost-Income-Ratio war relativ niedrig. Aber während sie hierzulande immer weiter angestiegen ist, ist sie zum Beispiel in den Niederlanden, Schweden, Dänemark und Norwegen kontinuierlich gesunken. Heute haben deutsche Banken einen vergleichsweise hohen Aufwand im Verhältnis zu ihrem Ertrag. Was machen die nordischen Länder also anders? Ich unterstelle ihnen sehr mutige Schritte in Sachen Kostensenkung und einen Schwenk in eine regelrechte Kostenersparnis-Kultur. Zugegebenermaßen lassen sich nicht alle Entwicklungen in den nordischen Ländern auf Deutschland übertragen. Die sehr verbreitete Nutzung des Online-Bankings in Schweden ist nur ein Beispiel dafür, dass andere Bedingungen herrschen. Aber diese Bedingungen ändern sich gerade, wie wir eindrucksvoll sehen können. Jetzt ist es an der Zeit, die Weichen neu zu stellen.

Was ich da gerade mit wenigen Worten umrissen habe, ist natürlich keine Liste mit Punkten, die eine Bank nur abzuhaken braucht, um für immer und ewig erfolgreich zu sein. In Wahrheit sind die Dinge viel komplizierter. Und in Wahrheit werden auch nicht alle Institute willens und in der Lage sein, das Ruder herumzureißen. Corona-Krise hin oder her: Marktaustritte hat es immer gegeben und wird es immer geben.

In Aufseher-, aber auch in Bankerkreisen fällt an dieser Stelle meist das Wort „Fusion“ – gerne auch von grenzüberschreitenden. Und ja: Zusammenschlüsse können sinnvoll und hilfreich sein – etwa was die Kosten angeht. Auch deshalb finden ja ständig Fusionen statt – nur, dass kaum jemand darüber redet. Und natürlich sind Spielräume für Preiserhöhungen eher denkbar, wenn Kapazität aus dem Markt verschwindet – in der Theorie zumindest. Aber glauben Sie wirklich, dass sich alle Probleme des deutschen Bankensektors in Luft auflösen, wenn wir statt rund 1.400 Banken nur noch 700 oder 500 hätten? Ich glaube das nicht.

Meine Damen und Herren, noch einige Takte zur Aufsicht in und nach der Corona-Krise. Auch für uns Aufseher gilt es seit März dieses Jahres, unsere Handlungsfähigkeit zu beweisen – und das in dreifacher Hinsicht: Wir müssen unsere Beschäftigten schützen. Wir müssen dazu beitragen, die Ausbreitung des Covid-19-Virus einzudämmen. Und zugleich müssen wir als Aufsicht funktionieren. Es ging uns wie den Banken: Wir haben von jetzt auf gleich in den Krisenmodus geschaltet – und in diesem Modus befinden wir uns immer noch. Örtliche Prüfungen konnten nicht mehr stattfinden, aber auch vom Büro und vom Home Office aus machen wir uns fortlaufend ein Bild von der Lage der einzelnen Institute. Mit einigen haben wir anfangs jeden Tag telefoniert, mit anderen nicht ganz so häufig.

Wie so häufig in Krisensituationen mussten wir zudem sehr schnell einige wichtige aufsichtliche Weichen stellen. Wir haben das nach bestem Wissen und Gewissen getan, ohne aber genau vorhersagen zu können, ob unsere Entscheidungen aufgehen würden. Wie gesagt: Wir arbeiten mit Szenarien, nicht mit rundum abgesicherten Fakten. Bislang sieht es so aus, als hätten wir richtig entschieden. Aber noch sind wir nicht an Schmitz Backes vorbei, wie wir Rheinländer sagen.

Was haben wir getan? Wie schon mehrfach angesprochen: Wir haben unsere aufsichtlichen Rahmenbedingungen denen der Krise angepasst. Dabei haben wir den Boden der geltenden Regulierung nicht verlassen. Wir nutzen die darin bewusst angelegten Spielräume. Unsere zentralen Ziele: den Instituten den Rücken freizuhalten, damit sie ohne unnötige Verzögerungen die eigenen und die bereitgestellten staatlichen Mittel weiterleiten können. Und: sie zu stärken, damit sie die zu erwartenden Kreditausfälle möglichst gut abfedern können.

Unsere Anpassungen sind temporär. Wenn die Krise vorüber ist, werden wir wieder zur aufsichtlichen Normalität zurückkehren. Überlegt, langsam, Schritt für Schritt. Die Institute brauchen keine Angst vor aufsichtlichen Hauruck-Aktionen zu haben. Die wird es nicht geben, das kann ich versprechen.

Wer nun insgeheim gedacht hat, unsere Anpassungen könnten zum Dauerzustand werden oder es sei nun Zeit für eine allgemeine Deregulierung, den erinnere ich gerne daran, dass genau das er falsche Weg wäre. Ich kann es gar nicht oft genug sagen: Dass der Bankensektor in der aktuellen Krise widerstandsfähig ist, liegt auch und vor allem daran, dass wir nach der letzten großen Krise die regulatorischen Zügel angezogen haben. Sie nun pauschal wieder zu lockern, wäre gefährlich.

Unser Ziel muss sein, die bestehende Regulierung weiter zu verbessern und noch schärfer zwischen international agierenden Bankenriesen und kleineren risikoärmeren Instituten zu unterscheiden. Was wir brauchen, ist mehr Risikoorientiertheit, mehr Proportionalität. Für die sehr großen und vernetzten Banken haben wir mittlerweile in der Europäischen Union ein Abwicklungsregime und beaufsichtigen sie auch besonders streng. Beides ist vernünftig und ihrem besonderen Risiko angemessen. Aber auch kleine und mittlere Institute müssen ihrem Risiko angemessen reguliert und beaufsichtigt werden.

Das 2019er Bankenpaket geht hier schon in die richtige Richtung. Unser Ziel ist es auch entsprechend, dass Basel III in Europa vollständig umgesetzt wird. Wir sollten dabei aber auch in Erinnerung halten: Basel III ist eigentlich für große, international tätige Banken entwickelt worden. Für kleinere Institute sollten wir aber die vorhandenen Spielräume nutzen können. Hier brauchen wir nach wie vor mehr Proportionalität. Erste Ansätze sind ja bereits umgesetzt worden. Aber ich denke, da geht noch mehr. Und warum verzichten wir bei kleineren, nicht kapitalmarktorientierten Instituten nicht komplett auf die Offenlegungsanforderungen? Die waren ja mal geschaffen worden, um Investoren ein Bild über die wirtschaftliche Lage zu verschaffen. Aber welcher Privatkunde einer kleineren Sparkasse oder Volksbank schaut sich die wirklich an? Mir sagte vor kurzem der Vorstandschef einer durchaus großen Sparkasse, dass der Offenlegungsbericht des vergangenen Jahres insgesamt 4-mal im Internet abgerufen worden ist. Davon waren 2 Abrufe von den Mitarbeitern der Sparkasse, die den Bericht erstellt haben.

Es gibt noch weitere Ansätze für mehr Proportionalität. Aber zugegeben: In Europa interessiert dieses Thema nicht so schrecklich viele Mitspieler. Lassen Sie uns deshalb versuchen, mit guten, ausgereiften Vorschlägen hier Mitstreiter zu finden.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und freue mich auf eine lebhafte Diskussion.

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