Erscheinung:03.01.2020 „Aktuelle Herausforderungen für die Aufsicht und Finanzbranche“
Rede von Felix Hufeld Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) im Rahmen des 34. Internationalen Zinsforums am 5. Dezember 2019 in Frankfurt am Main.
Es gilt das gesprochene Wort!
Meine Damen und Herren,
in einem Kaffee-Werbespot aus den 1990er Jahren fragte ein Mann eine Frau, was sie sich denn wünsche, wenn sie einen Wunsch frei hätte. „Alles soll so bleiben, wie es ist“, lautete die Antwort, über die damals oft diskutiert und die noch öfter parodiert wurde. Was würden Bankvorstände wohl sagen, wenn sie einen Wunsch frei hätten? Sicher nicht, dass alles so bleiben solle, wie es ist. Und mit einem Wunsch kämen wir wohl ohnehin nicht aus.
Sie würden sich wünschen, dass die Zinsen wieder steigen, aber nicht abrupt, dass die Konjunktur sich wieder fängt, und zwar schnell, dass man ihnen die schwere regulatorische Last von den Schultern nehme, und zwar für immer, und dass der Veränderungsdruck durch die fortschreitende Digitalisierung nachlässt. Das sind vier Wünsche. Abgesehen davon, dass man über deren Berechtigung streiten könnte: Ich habe bedauerlicherweise keinen Zauberstab und bin auch nicht die gute Fee, die sie alle erfüllen könnte. Die meisten ihrer Probleme müssen die Banken selbst lösen.
In anderen europäischen Ländern bereiten vor allem notleidende Kredite Sorgen. Deutsche Institute haben zwar ihre Eigenkapitalquote auf breiter Basis gesteigert. Ihr zentrales Problem haben sie allerdings noch nicht gelöst: ihre Ertragsschwäche. Dabei hat es die Konjunktur in den vergangenen zehn Jahren ziemlich gut mit uns gemeint. Dank des beständigen konjunkturellen Rückenwindes mussten Banken in Deutschland nur wenig Risikovorsorge betreiben. Für manch ein Institut war die Risikovorsorge zuletzt sogar eine Gewinnquelle, weil es Rückstellungen auflösen konnte. Und so haben wir die bemerkenswerte Situation, dass das Gros der deutschen Kreditwirtschaft zwar mit einigermaßen stabilen Ergebnissen aufwarten konnte, diese Erträge aber seit langem unzureichend sind. Die Kapitalkosten werden nahezu nirgends verdient.
Mit einer baldigen Besserung ist nicht zu rechnen – im Gegenteil: Die konjunkturelle Wetterlage scheint sich gerade zu ändern. Zwar ist die deutsche Wirtschaft im dritten Quartal entgegen vieler Erwartungen mit 0,1 im Vergleich zum Vorquartal leicht gewachsen – und damit knapp einer Rezession entgangen. Allerdings erwartet die Bundesregierung ebenso wie einige führende Wirtschaftsforschungsinstitute für das Gesamtjahr 2019 deutlich weniger Wirtschaftswachstum als im vergangenen Jahr. Auch für 2020 sind die Prognosen der Wirtschaftsforscher verhalten bis pessimistisch.
Dabei wissen wir noch gar nicht en Detail, welche Folgen der Brexit haben wird und was ein andauernder Handelsstreit zwischen den USA und China für die Weltwirtschaft bedeuten könnte. Außerdem dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass die globale Verschuldung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. Wenn nur einige von diesen Risiken parallel schlagend werden, könnte die Lage ausgesprochen schwierig werden. Umso wichtiger ist es, dass die Institute alles tun, um sich wetterfest zu machen.
Die notorische Ertragsschwäche deutscher Banken hat vor allem einen Grund: Rund 70 Prozent ihrer Erträge stammen nach wie vor aus dem Zinsgeschäft. Und das Zinsniveau ist nun schon seit Jahren niedrig – und wird es wohl auch noch eine Weile bleiben. Welche Folgen das haben kann, hat unter anderem unser Stresstest gezeigt, durch den wir kürzlich rund 1.400 kleine und mittelgroße Banken geschickt haben, die unter unserer direkten Aufsicht stehen. Wir haben diese so genannten weniger bedeutenden Institute zu ihrer Ertragslage und Widerstandsfähigkeit im Niedrigzinsumfeld befragt.
Das Ergebnis: Bei einigen Instituten ist die Ertragslage schon jetzt sehr schwach, und die Aussicht auf ein andauernd niedriges Zinsniveau macht einen weiteren Rückgang der Rentabilität sehr wahrscheinlich. Zwar haben viele Banken und Sparkassen schon intensiv daran gearbeitet, die fallenden Zinsen durch steigende Kreditvolumina und längere Laufzeiten zu kompensieren, und einige von ihnen denken sogar darüber nach, negative Zinsen an ihre Kunden weiterzugeben – zumindest an die vermögenden unter ihnen und die Firmenkunden.
Wir dürfen aber zwei Dinge nicht übersehen: Erstens besteht die Gefahr, dass Zinsrisiken das Konjunkturrisiko und das zusätzlich bestehende Immobilienrisiko verstärken können. Diese Risikofelder sind voneinander abhängig, was ein erhebliches makroprudenzielles Risiko bedeuten kann. Weil das Kreditvolumen weiter steigt und zugleich das Bruttoinlandsprodukt zurückgeht, haben wir in diesem Jahr erstmals den antizyklischen Puffer aktiviert und auf 0,25 Prozent gesetzt.
Zweitens ist die deutsche Kreditwirtschaft immer noch hochgradig abhängig von Zinserträgen – und damit auch von geldpolitischen Entscheidungen.
Aus dieser Abhängigkeit kann sie sich nur lösen, wenn sie alternative Ertragsquellen erschließt. Werfen wir einen Blick in die USA. Die Banken dort erwirtschaften ihre Erträge zu 60 Prozent aus Gebühren. Schicken wir jetzt die deutschen Bankenvorstände dorthin zum Hospitieren? Natürlich nicht. In den USA herrschen andere Markt- und Finanzierungsbedingungen als bei uns. Was wir dort sehen, können wir nicht ohne weiteres auf unsere Verhältnisse übertragen. Aber es hilft nichts: Auch in Europa – und vor allem in Deutschland – müssen wir Wege aus der Zinsabhängigkeit finden.
Es gibt keine einfachen Antworte. Keine deutsche Bank – und auch kein Bankenregulierer – wird einfach beschließen können, die gebührenfinanzierten Erträge über Nacht zu verdoppeln. Aber es können sehr wohl viele, auch kleine Stellhebel identifiziert werden, die Schritt für Schritt betätigt werden sollten. Angesichts eines seit langem niedrigen Zinsumfelds, das sich aller Voraussicht nach auch in den kommenden Jahren nicht fundamental ändern wird, ist eines jedenfalls sicher: Wer meint, er müsse nur eine Weile im Schutz einer Berghütte warten, bis das Gewitter vorbeigezogen ist, um alsbald die Wanderung bei strahlendem Sonnenschein fortzusetzen, der irrt gewaltig.
Wer sich in der Berghütte unterstellt, dem wird es auch nicht gelingen, eine weitere große Herausforderung anzugehen: den Auftritt neuer digitaler Konkurrenten. Es drängen große, teils milliardenschwere Player auf den Markt, die über riesige finanzielle Ressourcen und Datenmengen verfügen - und die sich bestens darauf verstehen, diese Daten mit Hilfe moderner Technik innovativ und gewinnbringend zu nutzen. Rund um solche Bigtechs entstehen digitale Ökosysteme, die den Menschen auf Wunsch eine Rundumversorgung angedeihen lassen – und das rund um die Uhr und an sieben Tagen in der Woche. Was hindert solche Bigtechs daran, sich auch im deutschen Bankenmarkt immer mehr auszubreiten? Man sollte zwei Dinge nicht außer Acht lassen: Zum einen haben auch die Kunden in Deutschland Gefallen an den Bequemlichkeiten virtueller Kaufhäuser gefunden und erwarten solch einen Service auch von ihren Banken. Zum anderen muss es den Bigtechs bei Finanzprodukten und -dienstleistungen nicht zwingend ums Geldverdienen gehen, zumindest nicht direkt. Für sie ist es ein Leichtes, solche Angebote querzusubventionieren und sogar kostenfrei anzubieten. Apple, Google und Co. geht es vor allem um Daten. Es geht ihnen darum, Kunden auf ihrer Plattform und in ihrem Ökosystem zu halten – unter anderem mit komfortablen Bezahlmöglichkeiten.
Dank künstlicher Intelligenz können solche Anbieter ihre Leistungen immer genauer personalisieren und immer genauer zu ermitteln, welchen Preis ein Kunde zu zahlen bereit ist.
Die zweite europäische Zahlungsdiensterichtlinie, die PSD 2, hat das Tor für digitale Konkurrenten noch einmal weiter geöffnet. Mit der Richtlinie sind weitere digitale Dienstleister unter Finanzaufsicht gestellt worden: Kontoinformationsdienste und Zahlungsauslösedienste zum Beispiel. Die Banken müssen diesen neuerdings regulierten und von uns beaufsichtigten Anbietern Zugang zu ihrem Hometurf verschaffen – genauer gesagt: zu einem ihrer wichtigsten Produkte: dem Girokonto. Wenn der Kunde damit einverstanden ist, das ist Voraussetzung.
Wie können Banken und Sparkassen in dieser Gemengelage wieder auf die Erfolgsspur kommen – und dort möglichst auch bleiben? Wie ich gerade schon angedeutet habe: Es gibt keine einfache Erfolgsformel. Fest steht nur: Es wird für Finanzinstitute keinen dauerhaften Erfolg geben, wenn nicht auch sie das Potenzial der Digitalisierung bestmöglich ausschöpfen. Auch sie verfügen über einen großen Datenschatz.
Und sie haben noch dazu einen entscheidenden Vorteil: Sie genießen nach wie vor hohes Vertrauen – trotz Finanzkrise und verschiedener Skandale.
Seien es Zinsen, seien es digitale Konkurrenten, seien es andere Herausforderungen: Wenn die Banken dauerhaft am Markt bestehen wollen, müssen sie ihr gesamtes Geschäftsmodell auf den Prüfstand stellen: die Produktpalette, den Vertrieb, die Kundenansprache, interne Prozesse – alles! Welche Schalthebel zu betätigen sind, entscheiden – wie gesagt – die Banken selbst. Wir Aufseher greifen nicht in die unternehmerischen Entscheidungen einer Bank ein, indem wir vorgeben, wohin die Reise gehen soll.
Aber: Wir sind involviert. Es geht hier nämlich um die Geschäftsstrategie der Institute – und damit um einen zentralen Aspekt des Risikomanagements. Die Geschäftsstrategie ist für uns seit Ausbruch der Finanzkrise 2007/2008 besonders wichtig.
Seit 2009 verlangen wir von den Instituten in unseren MaRisk, den Mindestanforderungen an das Risikomanagement, nachhaltige Geschäftsstrategien.
Über das Gesetz zur Umsetzung der Capital Requirements Directive IV ist die Nachhaltigkeit von Geschäftsstrategien sogar ins Kreditwesengesetz gelangt. Seit Anfang 2014 werden Banken in Deutschland gesetzlich auf die „Festlegung einer auf die nachhaltige Entwicklung des Instituts gerichteten Geschäftsstrategie (…)“ verpflichtet. Das hat natürlich gute Gründe: Das dickste Eigenkapitalpolster wäre im Nu aufgezehrt, wenn die Geschäftsstrategie nicht aufgeht.
Was machen wir also, wenn wir feststellen, dass eine Geschäftsstrategie nicht nachhaltig ist? Mit unseren formalen Instrumenten gehen wir sehr umsichtig um. Verstößt eine Bank gegen § 25a des Kreditwesengesetzes, dort sind die Anforderungen an das Risikomanagement angesiedelt, nutzen wir erst einmal unser bewährtes informelles Instrumentarium: Wir sprechen mit den Betroffenen.
Als Aufsicht müssen wir aber auch darauf vorbereitet sein, dass einige Institute in starke Turbulenzen geraten könnten.
Um in solche Fällen noch effektiver handeln zu können, haben wir kürzlich eine spezialisierte Abteilung aufgebaut und dort einige der Kolleginnen und Kollegen mit viel Krisen-Know-how zusammengezogen. Sie beobachten die dort zugewiesenen Institute ständig und suchen intensiv nach Lösungen. Deshalb noch einmal mein dringender Appell an die Manager: Kommen Sie raus aus der Berghütte und marschieren Sie mit voller Kraft los – auch wenn es schmerzt.
Viele Banken werden dabei die eine oder andere auch regulatorische Vorgabe als ungebührliche Last wahrnehmen. Was ich sogar nachvollziehen kann.
Wir sollten aber nicht vergessen, dass unsere heutige Regulierung nichts anderes ist als die notwendige und gewollte Antwort auf eine nie dagewesene Finanzkrise: mehr und besseres Eigenkapital etwa, strengere Vorgaben an die Liquiditätsausstattung, Regeln zur besseren Abwicklungsfähigkeit und auch die Notwendigkeit, deutlich mehr aufsichtsrelevante Daten einzufordern als zuvor.
Niemandem, auch den Banken nicht, wäre damit gedient, wenn wir diesen neu aufgebauten Regulierungs- und Aufsichtsrahmen rückabwickeln würden. Wir landeten dann geradewegs wieder im regulatorischen Schweinezyklus, in dem auf jede Deregulierung eine Krise und auf die erneute Regulierung folgt – und so weiter und so fort.
Was wir dagegen sehr wohl tun können und sollten: darauf achten, dass Regulierung und damit auch Aufsicht ausreichend differenzieren, dass sie angemessen und proportional sind, also dem jeweiligen Risiko entsprechen. Halten Regulierung und Aufsicht derzeit diesem Anspruch stand? Elemente proportionaler Regulierung finden sich seit Jahren in BaFin-Rundschreiben und anderen Auslegungshilfen, wie etwa den MaRisk, den Mindestanforderungen an das Risikomanagement. Auch in der laufenden Aufsicht verfahren wir nach diesem Ansatz: Kleinere Institute, die ordentlich geführt werden, besuchen wir relativ selten. Bei dem einen oder anderen großen Institut vergeht dagegen kein Tag, an dem nicht mindestens ein Aufseher im Haus ist.
Wie sieht es auf breiter Regulierungsfront aus? Kurze Rückblende: Unter dem frischen Eindruck der Weltfinanzkrise 2007/2008 wurde der Ruf nach einer strengeren Regulierung laut. Unter anderem in der Bankenregulierung wurden die Zügel deutlich angezogen. Berechtigterweise! Mittlerweile sind wir bei Basel III und seinen europäischen Pendants angelangt, der Eigenmittelverordnung (CRR II) und der fünften Eigenmittelrichtlinie (CRD V).
Basel III hat als Gesamtkunstwerk einen enormen Wert für Finanzstabilität und faire Wettbewerbsbedingungen weltweit. Umso wichtiger ist es auch, dass wir es global einheitlich umsetzen. Andernfalls könnte das Regelwerk seine positive Wirkung nicht voll entfalten. Aber: Die Baseler Regeln werden in der Europäischen Union traditionell auf alle Kreditinstitute angewendet. Bei der Umsetzung muss daher unbedingt auf ausreichende Proportionalität geachtet werden. Wir sollten nämlich nur gleich regulieren, was gleich ist. Inwieweit sich dies in Regulierungserleichterungen übersetzen lässt, werden die anstehenden europäischen Verhandlungen zeigen.
Der europäische Gesetzgeber hat im Rahmen des europäischen Bankenreformpakets einen ersten wichtigen Schritt in Richtung mehr Proportionalität unternommen: Mit der Definition für „kleine, nicht komplexe Institute“, die an einer Bilanzsumme von maximal fünf Milliarden Euro und einer Reihe qualitativer Kriterien anknüpft, hat er eine wichtige Grundlage geschaffen, solchen Banken Erleichterungen zu verschaffen. Die werden übrigens nicht auf Kosten der Finanzstabilität gehen. Im Fokus stehen nämlich vor allem Anforderungen, bei denen der Verwaltungsaufwand in keinem angemessenen Verhältnis zum aufsichtlichen Nutzen steht. Erleichterungen wird es daher vor allem bei Berichts- und Offenlegungspflichten geben, aber auch bei den Vergütungsregeln.
Für diese Herangehensweise haben wir uns bei den Arbeiten am Bankenreformpaket immer stark gemacht. Haben wir unser regulatorisches Ziel erreicht? Noch nicht, aber wir haben erste wichtige Schritte getan. Bei der weiteren Überarbeitung der Eigenmittelverordnung und der Eigenmittelrichtlinie müssen wir den Weg der Proportionalität konsequent weitergehen.
Von diesem Proportionalitätsgedanken sollten wir uns auch leiten lassen, wenn wir regulatorische Antworten auf die zahlreichen Fragen finden wollen, welche die Digitalisierung aufwirft. Den Sicherheitsaspekt lasse ich aus Zeitgründen heute außen vor. Mir geht es heute vor allem um die Frage, ob Bigtechs wie Amazon & Co. künftig beispielsweise auch als Plattformbetreiber unter Finanzaufsicht gehören und nicht nur dann, wenn sie erlaubnispflichtige Finanzdienstleistungen anbieten. Sicher nicht die Unternehmen als Ganzes, aber eventuell einige spezifische Verhaltensweisen und deren Einflüsse auf das Marktgeschehen.
In der Wertpapieraufsicht gehen wir schon lange so vor. Zum Beispiel bei Industrieunternehmen, deren Anteile am geregelten Markt zum Handel zugelassen sind. Als Unternehmen beaufsichtigen wir sie nicht. Gleichwohl gelten aber für sie als Emittenten Ad-hoc- oder sonstige Publikationspflichten. Vergleichbare Verhaltensvorgaben könnten probate Instrumente sein, um – im Zusammenspiel mit Wettbewerbshütern und Datenschützern – in der neuen digitalen Finanzwelt auch Bigtechs in geordnete Bahnen zu lenken.
Eine weitere Frage stellt sich: Neben den Plattformbetreibern werden Daten- und Auswertungsmonopolisten entstehen – und damit möglicherweise neue systemische Risiken. Wie gehen wir damit um? Sollten wir künftig zum Beispiel auch Anbieter beaufsichtigen, die strukturell Wissen und Informationen in den Finanzmarkt liefern, obwohl sie selbst keine Finanzdienstleistungen erbringen? Darauf habe ich derzeit noch keine klare Antwort.
Etwas weiter sind wir bei einem anderen wichtigen Themenkomplex: dem des Klimawandels oder der Nachhaltigkeit allgemein. Der Klimawandel kann auch die Stabilität einzelner Unternehmen und der gesamten Finanzmärkte bedrohen. Wir als Aufsicht haben dafür Sorge zu tragen, dass die Finanzmärkte stabil bleiben.
Aus diesem Grund fordern wir von den Unternehmen unter unserer Aufsicht, dass sie ihre Klimarisiken angemessen steuern. Ende September haben wir ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken zur Konsultation gestellt. Bis Ende des Jahres wollen wir die Rückmeldungen aus der Branche auswerten und das Papier veröffentlichen. Aus Gesprächen mit Vertretern der Branche wissen wir aber, dass die meisten Unternehmen Nachhaltigkeit schon längst auf ihrer Agenda haben. Viele Geschäftsleiter sind bereit, Kapital für nachhaltige und wirtschaftlich sinnvolle Projekte bereitzustellen. Wichtig ist mir, dass wir in der Lage sind, Nachhaltigkeitsrisiken zu durchdringen und zu quantifizieren. Vor allem müssen wir eine allgemein akzeptierte Taxonomie entwickeln. Was ist nachhaltig und was nicht? Die Europäische Kommission treibt deshalb ihre Arbeiten an einer Taxonomie mit Hochdruck voran.
Wichtig ist mir auch, dass wir keine Investitionseuphorie fördern, die blind für Risiken macht. Ich bin strikt dagegen, grüne Investitionen oder Kredite zu privilegieren, etwa mit einem Bonus bei der Kapitalunterlegung. Banken dürfen sich auch nicht einer umfänglichen Risikobewertung verschließen, die selbstverständlich auch Klimarisiken umfassen muss.
Wie viel Eigenkapital eine Bank hinterlegen muss, darf allein von den objektiv in ihren Bilanzen vorhandenen Risiken abhängen – und nicht davon, ob Aufseher die Mittelverwendung ökologisch gut oder schlecht finden. Andernfalls riskieren wir die Fehlallokation von Kapital und treiben nicht nur Banken, sondern auch gutmeinende Kleinanleger in hochriskante Anlagen.
Meine Damen und Herren, egal, ob Zinsen, Konjunktur, digitale Konkurrenz oder Nachhaltigkeit – auch für Banken und Sparkassen gilt das, was Charles Darwin einst festgestellt hat: Nicht die größten und stärksten Spezies überleben, sondern die, die sich am besten anpassen können. Und schon sind wir wieder bei den nachhaltigen Geschäftsstrategien. Aber damit will ich Sie nicht länger quälen. Obwohl das Thema ja spannend ist …
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.