BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:03.01.2020 „Künstliche Intelligenz – Eine Revolution in der öffentlichen Verwaltung“

Impulsvortrag von Felix Hufeld Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beim 3. Public Sector Roundtable am 27. November 2019 in Berlin.

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Damen und Herren,

als ich las, dass ich heute bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Künstliche Intelligenz – Eine Revolution in der öffentlichen Verwaltung“ sprechen soll, da habe ich mich schon gefragt, ob Sie nicht den falschen Mann eingeladen haben. Finanzaufseher sind nicht gerade die Ersten, an die man denkt, wenn man etwas über Revolutionen hören will. Außerdem gebe ich evolutionären Veränderungen meistens den Vorzug. Wenn Menschen erst einmal zu der Meinung gelangt sind, eine Revolution sei notwendig, muss vorher einiges schiefgelaufen sein. Und um genau das auf den Finanzmärkten zu verhindern, gibt es Finanzaufseher und -regulierer.

Aktuell erleben wir zwar, wie sich die Finanzindustrie – angetrieben durch technische Innovationen – fundamental verändert. Von einer vorrevolutionären Situation, in der die Finanzstabilität an sich an allen Ecken und Enden gefährdet ist, sind wir aber einigermaßen weit entfernt. Was aber nicht bedeutet, die Hände in den Schoß zu legen. Als Aufseher müssen wir stets daran denken, die Funktionsfähigkeit, Stabilität und Integrität der Finanzmärkte auch in Zeiten fortschreitender Digitalisierung langfristig sicherzustellen. Dabei muss eine Behörde wie die BaFin den Anspruch haben, den digitalen Wandel innerhalb ihres Mandats mitzugestalten. Unter anderem deshalb hat sich die BaFin eine Digitalisierungsstrategie mit drei Säulen gegeben, Strategie, IT-Sicherheit und wir selbst, die im August 2018 veröffentlicht wurde.

Mit Blick auf die Transformation der BaFin selbst heißt es darin, dass wir die Möglichkeiten, die uns die Digitalisierung bietet, so nutzen wollen, dass wir unsere Aufgaben noch effizienter und noch besser erledigen können. Die konkrete Digitalisierung der Aufsichts- und Unterstützungsprozesse fußt dabei ihrerseits auf drei Säulen, über die ich Ihnen nun einen Überblick geben möchte. Auch der Einsatz von Künstlicher Intelligenz spielt dabei eine wesentliche Rolle.

1. Meldewesen/Datenerhebung

Die erste Säule umfasst das Meldewesen und die Datenerhebung. Ein Aspekt, auf dem momentan unser besonderes Augenmerk liegt, ist der Datentransfer, der regelmäßig zwischen uns und den von uns beaufsichtigten Unternehmen stattfindet. Hier sind wir längst noch nicht so digital, wie wir eigentlich sein wollen: Wir verteilen Templates, die die Banken dann ausfüllen. Und die eingereichten Meldungen werten wir dann wiederum aus. Ich denke, hier brauchen wir grundlegende Reformüberlegungen, die dem digitalen Zeitalter angemessen sind. Wir planen daher im nächsten Jahr eine Machbarkeitsstudie, wie wir den Informationsaustausch zwischen den Banken und uns optimieren können. Außerdem beobachten wir sehr genau, ob auch andere europäische Aufsichtsbehörden an innovativen Verfahren arbeiten. Wir wollen nämlich keine Insellösungen. Ein modernes digitales Meldewesen muss bestmöglich in das europäische Gesamtgefüge integrierbar sein.

2. Analytics/Datenauswertung

Meine Damen und Herren,

nun zur nächsten Säule: der Auswertung und Analyse von Daten. Ein Gebiet, auf dem wir dabei künftig stärker auf KI-Anwendungen setzen wollen, ist die Geldwäschebekämpfung (Anti Money Laundering – AML). Vor allem bei der Kundenauthentifizierung, dem Transaction Monitoring und der Bearbeitung von „false positives“ ist die Chance groß, Prozesse mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz weiter zu optimieren. Wie könnte das konkret aussehen? Zum Beispiel im Rahmen einer effektiveren Zusammenarbeit von Unternehmen und Behörden beim Austausch und der Analyse relevanter Finanztransaktionsdaten. Auch hier wollen wir als BaFin eine Vorreiterrolle einnehmen und haben deshalb gemeinsam mit der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (Financial Intelligence UnitFIU), dem Bundeskriminalamt und rund ein Dutzend Banken vor zwei Monaten die Anti Financial Crime Alliance (AFCA) ins Leben gerufen. Ziel ist, im Rahmen einer öffentlich-privaten Partnerschaft – unter Federführung der FIU – den Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung zu verstärken und zu koordinieren. Klar ist aber auch: Künstliche Intelligenz ist kein Zauberstab, mit dem sich Erfolge bei der Bekämpfung von Finanzkriminalität herbeihexen lassen. Wir können aber die Möglichkeiten nicht ungenutzt lassen, die uns digitale Prozesse auf diesem aufsichtlich immer wichtiger werdenden Gebiet versprechen.

Ein anderes zentrales Vorhaben, bei dem wir uns Künstliche Intelligenz zu Nutze machen wollen, heißt „Automatisiertes Alarm- und Marktüberwachungssystem“ – kurz ALMA. Wertpapierfirmen, die Geschäfte mit Finanzinstrumenten tätigen, müssen uns die dabei anfallenden einzelnen Transaktionsdaten melden, die durch ALMA automatisiert nach auffälligen Handelsteilnehmern und Transaktionsmustern durchsucht werden. Die dafür erforderlichen Modelle testen und entwickeln wir derzeit BaFin-intern in einer Projektgruppe aus Analysten, IT-Experten und Data Scientists. Eines bleibt aber sowohl für ALMA als auch für alle ähnlich gelagerten Projekte ungeschriebenes Gesetz: Black Boxes lassen wir nicht zu. Nicht bei Unternehmen, die unter unserer Aufsicht stehen, und schon gar nicht bei uns selbst. Die letzte Entscheidung darüber, welcher Sachverhalt als auffällig zu bewerten ist, müssen Menschen treffen.

3. Prozessoptimierung

Meine Damen und Herren,

kommen wir nun – last but not least – zur Optimierung aufsichtlicher Arbeitsprozesse. Angefangen bei Routineverfahren mit hohen Fallzahlen bis hin zu komplexen Einzelaufgaben, bei denen große Mengen an Daten und Dokumenten zu bearbeiten sind. Digitale Prozesse sollen uns in Zukunft dabei helfen, unsere Aufgaben effizienter, in kürzerer Zeit und in höherer Qualität zu erledigen. Oder um es etwas prosaischer zu sagen: Digitale Verfahren sollen dazu beitragen, dass wir im manchmal hektischen Aufsichtsalltag stets den Blick für das Wesentliche behalten. Eine entscheidende Rolle kommt einem Projekt zu, dem wir nicht ohne Grund den Namen des griechischen Göttervaters Zeus gegeben haben: die Einführung eines neuen E-Aktensystems. Zeus ersetzt nicht nur die Papierakte vollständig und optimiert die Aktenverwaltung. Zeus ist ein wichtiger Grundstein, um in allen Geschäftsbereichen der BaFin workflowbasierte Prozesse zu digitalisieren – sowohl Aufsichts- als auch Verwaltungsprozesse. Alle Beschäftigten werden mit Zeus Bekanntschaft machen, und alle dokumentengestützten Prozesse müssen daraufhin angepasst werden. Damit dies gelingt, werden wir die Anwendung sukzessive ausrollen und Stück für Stück testen. Anfang 2020 startet die Pilotphase, in der rund 500 Beschäftigte aus verschiedenen Geschäftsbereichen das neue System nutzen und testen. Von 2021 an ist der vollständige Roll-Out vorgesehen.

Meine Damen und Herren,

natürlich braucht jede digitale Vision ein Fahrgestell, auf dem sie landen kann. Dementsprechend viel Wert legen wir darauf, unsere IT-Ausstattung und Supportprozesse regelmäßig zu evaluieren und zu modernisieren. Und nicht zu vergessen: Digitalisierungsprojekte sind immer Veränderungsprojekte, bei denen Change- und Akzeptanzmanagement eine wesentliche Rolle spielen. Wir wollen eben keine Revolution, bei der manche auf der Strecke bleiben und die andere abschreckt. Wir setzen auf Evolution und binden deshalb alle Kolleginnen und Kollegen so früh wie möglich in die Veränderungsprozesse ein. Nur so kann die Binnendigitalisierung der BaFin wirklich gelingen. Um diesen durchaus anspruchsvollen Change Prozess mit dem Ziel, die Aufsichts- und Unterstützungsprozesse konsequent auf den digitalen Wandel hin auszurichten, zu strukturieren, zu steuern und voranzutreiben, haben wir seit Mitte dieses Jahres die Position eines Chief Digital Officers geschaffen, der mit einem kleinen, aber sehr aktiven Stab die Nachhaltigkeit dieser Veränderungsprozesse gewährleisten soll.

Denn auf Nachhaltigkeit kommt es letzten Endes an. Deshalb sollte sich der digitale Wandel in einer Behörde wie der BaFin in einem organischen und ständigen Prozess vollziehen. Im Zweifel muss Aufsicht sogar rund um die Uhr funktionieren. Und genau deswegen können wir uns keine Revolution leisten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Und nun freue ich mich auf die Diskussion.

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback