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Erscheinung:11.09.2019 | Thema Fintech BaFin-Tech 2019

Begrüßung von Felix Hufeld, Präsident der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) am 11. September 2019 bei der BaFin-Tech in Bonn

Es gilt das gesprochene Wort!

Meine Damen und Herren,

ganz herzlich begrüße ich Sie zur dritten BaFin-Tech und freue mich, dass die Veranstaltung auch dieses Mal wieder so viel Resonanz gefunden hat. Einmal mehr mussten wir vielen Interessenten absagen, weil die Nachfrage deutlich größer war, als Plätze zur Verfügung stehen. So schade das für jeden Einzelnen, der nicht teilnehmen kann, sein mag: Als Veranstalter sind wir über dieses nach wie vor sehr hohe Interesse natürlich froh!

Ganz besonders freue ich mich auf die Gelegenheit, wieder mit Vertretern der verschiedensten Unternehmen ins Gespräch zu kommen. In einem derart dynamischen Marktumfeld ist es wichtig, dass sich Aufseher, Industrie, Gesetzgeber und Vertreter der Wissenschaft regelmäßig austauschen, um gemeinsam ihren digitalen Blick zu schärfen.

Zum ersten Mal findet die BaFin-Tech heute in Bonn statt – und das an einem besonderen Ort: dem ehemaligen Plenarsaal des Deutschen Bundestages. Als das Parlament 1986 entschied, hier einen neuen Plenarsaal zu errichten, dachte wohl niemand daran, dass nur drei Jahre später die Berliner Mauer fallen und sich Deutschland bald darauf wiedervereinigen würde.

Und nie hätte ich mir damals vorstellen können, einmal in dieser Herzkammer der deutschen Demokratie eine Tagung zur Digitalisierung der Finanzmärkte eröffnen zu dürfen. Aber die Geschichte unterliegt nun einmal ihren eigenen Regeln. Und so kam das Plenum des Deutschen Bundestages vor gut 20 Jahren letztmalig an diesem Ort zusammen. Im Oktober 1999 ging das Gebäude dann endgültig in das Eigentum der Stadt Bonn über und wird seitdem als Kongresszentrum genutzt.

Einen Wandel durchlebt zurzeit die Finanzbranche, und die BaFin-Tech ist für mich ein willkommener Anlass, darüber nachzudenken, mit welchem Tempo die Branche Tag für Tag digitaler wird. Die maßgeblichen Treiber des Wandels sind vielfältig, aktuell stehen aber der zunehmende Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) und die Distributed Ledger Technologie (DLT) im Blickpunkt. Aus gutem Grund legt die dritte BaFin-Tech daher ihren Fokus auf diese beiden Technologien und die Geschäftsmodelle, die sich aus ihnen entwickeln sowie mögliche aufsichtliche und regulatorische Implikationen. Mehrere Vorträge und Diskussionsforen sollen uns einen Eindruck vermitteln, welche Veränderungen in naher Zukunft auf Finanzunternehmen wie Aufsicht zukommen, und wie wir ihnen begegnen können.

Meine Damen und Herren,

immer mehr wird auch deutlich: Wenn wir über den digitalen Wandel in der Finanzbranche reden, dann reden wir nicht über ein lindes Lüftchen, das Banken, Versicherungen und Wertpapierunternehmen umweht, sondern über eine richtig steife Brise, die kräftig genug ist, um Geschäftsmodelle, Unternehmen und sogar ganze Märkte aus den Angeln zu heben – mit allen Chancen und Risiken, die sich daraus ergeben. Auch Gesetzgeber und Aufseher können sich diesem Wandel nicht entziehen. Wir alle müssen unsere Strukturen und Prozesse konsequent auf den Prüfstand stellen. Unternehmen müssen überlegen, wie sie in einer immer digitaleren Finanzwelt langfristig erfolgreich sein können. Aufseher und Gesetzgeber müssen sicherstellen, dass eine effektive und risikoorientierte Aufsicht auch in Zukunft noch möglich ist. Natürlich weiß ich, dass diese Herausforderung sehr komplex und sehr vielschichtig ist. Ich möchte in meiner kurzen Eröffnungsrede aber nicht sämtliche aufsichtlichen und regulatorischen Fragestellungen vorwegnehmen. Lassen Sie mich in der Kürze der Zeit den Fokus auf drei Aspekte legen.

Der erste Aspekt betrifft die Frage, wer künftig eigentlich Adressat aufsichtlicher Maßnahmen ist – oder sinnbildlich gesagt: an welche Anschrift wir unsere aufsichtlichen Schreiben schicken können. Momentan zeichnen sich Finanzdienstleistungen noch immer dadurch aus, dass sie mit einer vergleichsweise hohen Wertschöpfungstiefe erbracht werden. Mit anderen Worten: Sehr viel wird noch im eigenen Haus gemacht, aber zunehmend werden Prozesse an Drittanbieter outgesourct. So ist Outsourcing natürlich schon heute in der Finanzindustrie ein wichtiges Thema, dessen Bedeutung in Zukunft allerdings deutlich wachsen wird. Die Entwicklung könnte sogar dahin gehen, dass irgendwann eine begrenzte Anzahl von großen technologiebasierten Playern Dienstleistungen für den gesamten Finanzsektor erbringen wird.

Dies wirft selbstverständlich eine Reihe von neuen regulatorischen und aufsichtlichen Fragen auf, mit denen wir uns so früh wie möglich auseinandersetzen müssen. Ansonsten könnte im Extremfall sogar die Stabilität der Finanzmärkte an sich gefährdet werden. So müssen wir darüber nachdenken, ob und in welchem Umfang es Sinn macht, konkrete Anforderungen für bestimmte Dienstleister, insbesondere für Cloud-Anbieter, zu formulieren, und zwar direkt als Anforderungen an die Vertragspartner.

Dabei dürfen wir natürlich nicht nur mit unserer nationalen Brille auf die Entwicklungen schauen. Angesichts der Vernetzung in der Finanzindustrie brauchen wir europäische, wenn nicht gar globale Lösungen. Die europäischen Aufsichtsbehörden (ESAs) haben der EU-Kommission daher empfohlen, einen geeigneten Aufsichtsrahmen zu entwickeln, um die Drittanbieter angemessen zu überwachen, die wichtige Dienstleister für relevante Unternehmen sind1. An diesen Arbeiten ist die BaFin offensichtlich aktiv beteiligt.

Vor eine ähnliche Problematik stellt uns die zunehmende Verdrängung menschlicher Entscheider durch Algorithmen oder andere Ausprägungen künstlicher Intelligenz. So sind, um nur ein Beispiel zu nennen, Versicherer schon heute grundsätzlich in der Lage, Vorgänge wie die Risikobewertung beim Neugeschäft und die Schadenbearbeitung, insbesondere bei standardisierten, aber auch zunehmend bei komplexeren Sachverhalten, ohne menschliche Eingriffe abzuwickeln. Dass künftig noch andere Prozesse auf den „Kollegen Computer“ übertragen werden können, liegt auf der Hand. Was passiert aber, wenn dabei etwas schiefläuft?

Darf ein Unternehmensvorstand sagen: „Ich war es nicht, der Algorithmus war es.“? Ich meine: nein! Wir werden deshalb alles in unserer Macht Stehende tun, um das Prinzip der personalen, durch Menschen zu tragenden Verantwortung aufrechtzuerhalten. Noch drängender stellt sich die Frage nach dem Prinzip der personalen Verantwortung bei dezentral organisierten technischen Lösungen, wie etwa offenen oder „permissionless“ Netzwerken auf DLT- oder Blockchain-Basis. Wem sollen wir hier einen Brief schreiben, etwa, wenn wir auf dem sensiblen Feld der Geldwäscheprävention tätig werden müssen? Auf jeden Fall tun wir gut daran, uns frühzeitig auf derart komplexe regulatorischen und aufsichtlichen Fragen einzustellen.

Der nächste Aspekt, den ich beleuchten will, betrifft die zeitliche Dimension und dabei konkret die Frage, wie lange haben aufsichtliche Genehmigungen in Zeiten von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen Bestand? Betrachten wir hier zum Beispiel die aufsichtlich genehmigungspflichtigen internen Modelle zur Bestimmung des regulatorischen Kapitalbedarfs. Getrieben von selbstlernenden Elementen, die sich ständig weiterentwickeln, kann ein Modell, das Aufseher heute genehmigen, schon morgen – um genauer zu sein: schon wenige Minuten später - ganz anders aussehen.

Wir werden deshalb Prinzipien definieren müssen, mit deren Hilfe wir festlegen können, ob eine Modifikation bereits eine Modelländerung im aufsichtlichen Sinne bedeutet. Und wir müssen uns der Frage stellen, wie sehr sich ein Modell verändern darf, ohne dass eine Bank oder ein Versicherer gleich wieder bei der Aufsicht vorstellig werden muss. Dieser Klärungsprozess wird nicht einfach werden und bedarf ebenfalls der Auswertung konkreter Anwendungsfälle und eines Dialogs mit allen Beteiligten. Ganz grundsätzlich könnte sich zum Beispiel die Frage stellen, ob wir zukünftig Beurteilungsverfahren entwickeln, bei denen der Fokus eher auf dem Output oder einem Outputkorridor liegt, die sich also an Wirkweisen orientieren - und nicht an einem als statisch gedachtem Modell wie bisher.

„Last but not least“ zum Spannungsfeld zwischen privaten und öffentlichen Zahlungsmitteln. Karl der Große hatte das Münzwesen in seiner Hand konzentriert und so das Münzregal, also das Hoheitsrecht, die Münzordnung zu bestimmen, zu einem Königsrecht gemacht2. Gegen Ende des 14. Jahrhunderts erkannte dann Karl IV. das Münzregal den Kurfürsten des Heiligen Römischen Reiches zu3.

Kaiser und Könige gibt es in Deutschland zwar seit über 100 Jahren nicht mehr, aber Regierungen und Zentralbanken, die bei Währungsfragen immer noch das letzte Wort haben. Die öffentliche Kontrolle über Währungen, deren Wert letzten Endes auf Vertrauen beruht, halte ich heute wie auch in der Zukunft noch für notwendig, um die Grundlagen aller Finanztransaktionen zu schützen. Aber auch dieses Axiom wird zumindest neuerdings in Frage gestellt – und zwar auf Grundlage neuerer Innovationen. So glauben einige, dass Krypto Assets, die Blockchain-Technologie zur Grundlage haben, sowohl Finanzintermediäre als auch klassisches Zentralbankgeld mittel - bis langfristig herausfordern oder gar in Teilen ersetzen könnten. Durch die Ankündigung des weltgrößten Social-Media-Konzerns Facebook, eine eigene Kryptowährug namens Libra lancieren zu wollen, ist dieses Thema auf der regulatorischen Agenda weit nach oben gerückt. Und andere sind hier ebenfalls aktiv, offen wie verdeckt.

Egal, was aus Libra werden mag: Als Aufseher jedenfalls beobachten wir auch die Entwicklungen von Krypto Assets sehr genau und reagieren, wo immer es uns notwendig erscheint.

Solche aufsichtlich-regulatorischen Maßnahmen mögen mit Blick auf den anarchischen Gründungsmythos dezentraler Technologien und blockchainbasierter Firmen eine enttäuschende Nachricht sein. Doch die Stimmen der Regulierer und zunehmend auch der Blockchain-Branche selbst mehren sich, bitte doch den häufiger werdenden Fällen des Missbrauchs durch staatliche Regulierung entgegenzutreten. Die Herausforderung ist, in dieser sich schnell entwickelnden Welt die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen. Auf der einen Seite gilt es, ein stabiles und integres deutsches und internationales Finanzsystem und den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten. Auf der anderen Seite bedarf es fortlaufender Innovationen und Ideen. Hier die richtige Balance zu finden, bleibt eine Daueraufgabe.

Meine Damen und Herren,

die von mir genannten Fragestellungen beschreiben gewissermaßen nur die Spitze des Eisbergs und zeigen, wie spannend und vielfältig die Themen sind, die uns heute erwarten. Und ich bin sicher, dass wir reichlich Stoff haben, um in den Panels und Breakout Sessions, aber auch in den Pausen intensiv miteinander ins Gespräch zu kommen.

Dabei freue ich mich, dass in diesem Jahr nicht nur Kolleginnen und Kollegen der BaFin zum Austausch bereitstehen. Die Teilnahme des Bundesministeriums der Finanzen, der Deutschen Bundesbank, des Bundesbeauftragten für den Datenschutz4 und zweier Initiativen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie5 macht deutlich, dass der öffentliche Sektor die Herausforderungen der Digitalisierung auf dem Finanzmarkt Hand in Hand angeht, um ihre Potentiale zu heben und sie zu meistern.

In diesem Sinne freue ich mich auf viele anregende Gespräche und neue Impulse.

Fußnoten:

  1. 1 In ihrer gemeinsamen Stellungnahme JC 2019 26 vom 10. April 2019 zum „FinTech-Aktionsplan“ der Europäischen Kommission haben sich die ESAs dafür ausgesprochen, einen geeigneten Aufsichtsrahmen für die Überwachung kritischer Dienstleister zu entwickeln. Dazu können auch Cloud-Anbieter gehören. Die BaFin hat an der Erarbeitung mitgewirkt und unterstützt die Empfehlung an die Europäische Kommission.
  2. 2 Niklot Klüßendorf, Numismatik und Geldgeschichte: Basiswissen für Mittelalter und Neuzeit, Peine (Verlag Hahnsche Buchhandlung) 2015, Seite 79.
  3. 3 Niklot Klüßendorf, Numismatik und Geldgeschichte: Basiswissen für Mittelalter und Neuzeit, Peine (Verlag Hahnsche Buchhandlung) 2015, Seite 131
  4. 4 Namentlich Frau Dr. Grundmann im Rahmen von Panel 2
  5. 5 Namentlich „Digital Hub Initiative“ und des „High-Tech Gründerfonds“

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