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Erscheinung:08.03.2019 Der Countdown zum Brexit läuft - Die Aufsichtsperspektive

Vortrag der Vizepräsidentin und Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht/Asset Management, Elisabeth Roegele, auf dem 12. Finanzplatztag am 7. März 2019 in Frankfurt am Main

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Lieber Torsten,

bereits im vergangenen Jahr hatte ich die Gelegenheit beim Finanzplatztag zu den aktuellen regulatorischen Entwicklungen zu sprechen.

Es ist mir daher eine große Freude auch in diesem Jahr die Gelegenheit zu haben, auf dem nunmehr 12. Finanzplatztag zu dem Thema "Der Countdown zum Brexit läuft" zu sprechen und Ihnen insbesondere die aufsichtsrechtliche Perspektive zum Thema Brexit näher bringen zu dürfen.

Für die erneute Einladung darf ich mich an dieser Stelle daher ganz herzlich bedanken.

Als Torsten Ulrich und ich - uns auf das Thema verständigt haben, konnte man noch nicht absehen, dass die Frage, wie lange der Brexit-Countdown denn nun letztlich dauern wird, nochmals diskutiert werden könnte.

Betrachtet man die Entwicklungen der vergangenen Tage, gewinnt diese Frage aber wieder an Aktualität.

Es ist derzeit weiterhin unklar, wie die endgültige Brexitentscheidung letztlich ausfallen wird.

Die Palette der diskutierten Optionen reicht von einem Austritt Großbritanniens - mit oder ohne Austrittsabkommen - über eine Verschiebung des Austrittsdatums - bis hin zu einem möglichen neuen Referendum mit einem potentiellen Verbleib Großbritanniens in der EU.

Die Frage, die wir uns angesichts dieser unklaren Sachlage mehr denn je stellen müssen, ist, wie wir uns insbesondere auch im Bereich des Kapitalmarktes verantwortungsvoll auf den Brexit vorbereiten.

Bereits in der Vergangenheit haben wir als Aufsicht immer wieder betont, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit dem Thema erfordert, dass Vorbereitungen für ein "worst-case-Szenario" und somit einen Austritt Großbritanniens ohne Abkommen getroffen werden müssen.

Seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016 haben wir unter dieser Prämisse gearbeitet und die notwendigen regulatorischen Anpassungen eingeleitet.

Denn schon Thomas von Aquin wusste, "für Wunder muss man beten, für Veränderungen aber arbeiten."

Diese Aussage, meine Damen und Herren, ist insbesondere für die umfangreichen regulatorischen Brexitvorbereitungen mehr als zutreffend.

Lassen Sie mich Ihnen einen Überblick geben, welche Brexitfragen aus regulatorischer Sicht von zentraler Bedeutung sind, in welchen Bereichen bereits Ergebnisse erzielt wurden und wo noch Anpassungsbedarf besteht.

Ich möchte Ihnen in diesem Zusammenhang auch darlegen, welche Aktivitäten wir auf europäischer Ebene unternommen haben, um dieses Thema adäquat zu adressieren.

Letztlich sind im Brexit-Kontext viele regulatorische Entscheidungen auf europäischer Ebene zu treffen, weshalb auch die europäische Sicht eine zentrale Rolle für die Brexitvorbereitungen spielt.

Grenzüberschreitende Tätigkeit von Banken, Wertpapierdienstleistungsunternehmen und Versicherungen

Beginnen möchte ich mit der wohl wichtigsten Konsequenz, die insbesondere ein harter Brexit im Finanzsektor hat: Dem Verlust des Europäischen Passes für Unternehmen aus Großbritannien.

Mit dem Austritt aus der EU entfällt für britische Banken, Versicherungen und Wertpapierdienstleister die Möglichkeit, Dienstleistungen in der EU27 auf Basis des Europäischen Passes - einem zentralen Baustein des europäischen Finanzmarktes - zu erbringen.

Vor diesem Hintergrund müssen sich viele Institute grundsätzlich entscheiden, ob sie eine entsprechende Unternehmenseinheit in der EU gründen wollen, um weiterhin den europäischen Markt angemessen bedienen zu können, oder ob sie künftig auf einen Zugang zum europäischen Markt verzichten.

Wir als BaFin haben in den letzten Monaten 48 Anträge von Unternehmen erhalten, die ihren Standort nach Deutschland verlagern. Sie können sich sicher vorstellen, dass uns eine solche hohe Anzahl von Anträgen vor große Herausforderungen gestellt hat und wir dies nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung aller beteiligten Kolleginnen und Kollegen meistern konnten.

Ich kann Ihnen jedoch aus den Gesprächen mit den betroffenen antragstellenden Unternehmen widerspiegeln, dass die Professionalität und Effizienz meiner Kollegen sehr gelobt wurde.

Nach wie vor gibt es Unternehmen, die sich erst jetzt mit dem Gedanken einer Standortverlagerung befassen. Interessierte Unternehmen finden daher auch weiterhin die Voraussetzungen zur Antragsstellung auf unserer Homepage.

Im Rahmen dieser Anträge ist immer wieder Diskussionsgegenstand, in welchem Umfang die Institute innerhalb der EU tatsächlich operativ tätig sein müssen.

Lassen Sie mich hierzu Folgendes klarstellen:

Aus Sicht der BaFin gilt nach wie vor der Grundsatz, dass die Gründung von "Empty Shells" oder "Letter Boxes" nicht akzeptiert wird.

Die BaFin hat die Erwartung, dass die Einheiten zumindest die tatsächlichen Schlüsselfunktionen in der EU27 vorhalten.

Diese Erwartungshaltung deckt sich auch mit der europäischen Sichtweise. Insbesondere ESMA weist auf diesen Umstand immer wieder hin.

Supervisory Coordination Network

Auf europäischer Ebene ist im Zusammenhang mit der Bearbeitung von sogenannten Re-Location Anträgen das bei ESMA angesiedelte Supervisory Coordination Network von besonderer Bedeutung. Das Netzwerk ist mit Vertretern aller EU27-Aufsichtsbehörden besetzt.

Innerhalb des Gremiums werden die Anträge der Institute besprochen, welche beabsichtigen, sich in der EU27 anzusiedeln. Die Besprechung erfolgt hierbei auf anonymisierter Basis.

Ziel des Netzwerks ist es, gleichwertige Aufsichtsstandards in den einzelnen Jurisdiktionen sicherzustellen, um ein "race to the bottom" zu verhindern.

Wir sehen die Arbeit innerhalb des Netzwerks weiterhin als wichtigen Beitrag an, um "Supervisory Convergence" – also Aufsichtskonvergenz - innerhalb der EU27 sicherzustellen und Fragen im Rahmen der Zulassungsverfahren frühzeitig auf europäischer Ebene besprechen zu können und ein gemeinsames Verständnis dafür zu entwickeln.

Brexit-Steuerbegleitgesetz

Doch auch ein weiterer Punkt ist mir im Zusammenhang mit der Diskussion um den Europäischen Pass wichtig.

Vor dem Hintergrund eines möglichen "No Deal Szenarios" hat der nationale Gesetzgeber inzwischen den Gesetzesentwurf für das sogenannte Brexit-Steuerbegleitgesetz auf den Weg gebracht.

Mit Inkrafttreten dieses Gesetzes erhält die BaFin die Möglichkeit, britischen Unternehmen, die bislang im Rahmen der Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit in Deutschland tätig waren, für eine Übergangszeit von maximal 21 Monaten die weitere Nutzung des Europäischen Passes zu erlauben, soweit dies zur Vermeidung negativer Folgen für die Funktionsfähigkeit bzw. die Stabilität der Finanzmärkte im Falle eines harten Brexits geboten ist.

Bereits jetzt kann ich Ihnen sagen, sollte es zu einem "No Deal Szenario" kommen, werden wir als BaFin die Befugnisse des Brexit-Steuerbegleitgesetzes im Sinne dieser Ermächtigung nutzen und dort, wo es nötig ist, entsprechende Maßnahmen erlassen.

Die Festlegung des konkreten inhaltlichen Umfanges und der Dauer der jeweiligen Ausnahmeerlaubnisse wird daher in erster Linie Risiko-orientiert erfolgen.

Dabei ist immer zu beachten, dass die verschiedenen Interessen mit einander abzuwägen sind. Auf der einen Seite gilt es zu vermeiden, dass durch den Brexit erhebliche Marktstörungen eintreten. Auf der anderen Seite ist aber auch klar, dass diese Erlaubnisse nicht dazu dienen dürfen, unzureichende Vorbereitungen auf Unternehmensseite auszugleichen.

Zudem werden wir letztlich akzeptieren müssen, dass aufgrund des Austritts des UK sich zwangsläufig die Rahmenbedingungen für die Geschäftsbeziehungen mit britischen Unternehmen erheblich ändern und dafür Anpassungen in Kauf genommen werden müssen.

Daher gehen wir davon aus, dass eine Inanspruchnahme der 21 Monatsfrist nicht überall erforderlich sein wird bzw. dass auch kurzfristigere Regelungen in Betracht kommen, bei denen der Bedarf für Verlängerungen zu einem späteren Zeitpunkt erneut geprüft würde.

Ich darf Sie insofern um etwas Geduld bitten und auf unsere Homepage verweisen. Sobald weitere Informationen zu etwaigen Umsetzungsmaßnahmen vorliegen, werden wir diese dort veröffentlichen.

Zentrale Kontrahenten / CCPs

Lassen Sie mich nun zu einem weiteren wichtigen Themenfeld kommen, das ebenfalls als eine der zentralen Herausforderungen im Zusammenhang mit dem Thema Brexit betrachtet wird.

Ich spreche von der Erbringung von Clearingdienstleistungen durch britische Zentrale Kontrahenten bzw. CCPs.

Wie Ihnen sicherlich bekannt ist, erfolgt derzeit das Derivateclearing - und hier insbesondere das Clearing von Zinsderivaten - zu einem wesentlichen Teil durch britische CCPs.

Die Brexit-Diskussion der letzten Wochen war beherrscht von der Frage, wie das Derivateclearing post-Brexit erfolgen soll, wenn die britischen CCPs zu Drittstaaten-CCPs werden.

Nach den Vorgaben der einschlägigen Regelung namens EMIR können Drittstaaten-CCPs Clearingdienstleistungen innerhalb der EU nur dann erbringen, wenn die Europäische Kommission das Aufsichtsregime des Drittlandes als "äquivalent" zu den europäischen Regelungen einstuft und ESMA die Drittstaaten-CCPs anerkennt.

Meine Damen und Herren, diese Voraussetzungen sind inzwischen erfüllt.

Die Europäische Kommission hat eine entsprechende Äquivalenzentscheidung bereits im Dezember getroffen.

ESMA hat Mitte Februar bekannt gegeben, dass die drei britischen CCPs für den Fall eines "No Deal Szenarios" anerkannt werden.

Die Entscheidung wird von uns als nationalem Wertpapieraufseher grundsätzlich begrüßt und mitgetragen, trägt sie doch dazu bei, im Falle eines harten Brexits größeren Marktverwerfungen begegnen zu können.

Hinweisen möchte ich in diesem Zusammenhang allerdings auf zwei Umstände.

Zum einen ist zu beachten, dass es sich bei der Äquivalenzentscheidung um eine auf ein Jahr befristete Entscheidung handelt.

Zum anderen bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen sich für Drittstaaten-CCPs aus den aktuellen EMIR 2 Verhandlungen ergeben. Ich denke hierbei insbesondere an die Diskussion zum Euro-Clearing und zu einer möglichen "Location Policy".
Institute sollten vor diesem Hintergrund ihre Vorbereitungen zur Übertragung von Portfoliopositionen auf EU-CCPs nicht unterbrechen, um auch für die Zeit nach Ablauf der Übergangsfrist gerüstet zu sein.

Zentralverwahrer / CSDs

Lassen Sie mich an dieser Stelle auch noch ein paar Worte zur Anerkennung des britischen Zentralverwahrers verlieren.

Die Europäische Kommission hat die erforderliche Äquivalenzentscheidung in Bezug auf das britische Aufsichtsregime für Zentralverwahrer ebenfalls bereits vor einiger Zeit getroffen.

Die daran anknüpfende Anerkennungsentscheidung durch ESMA ist nun Ende letzter Woche erfolgt.

Wir als BaFin begrüßen auch diese Entscheidung, stellt sie doch letztlich sicher, dass EU-Institute weiterhin Zugang zu diesem Verwahrer haben, sollte es zu einem harten Brexit kommen.

OTC-Derivate

Ein weiteres wichtiges Themenfeld ist der Umgang mit OTC-Derivaten.

Besonders in den Blick zu nehmen sind hierbei OTC-Derivate, die mit britischen Gegenparteien abgeschlossen wurden.

Wir empfehlen Marktteilnehmern - dringend und soweit nicht längst geschehen – auch, dann, wenn sie nur zu Sicherungszwecken derivative Finanzinstrumente halten, ihre Portfolien daraufhin zu analysieren, inwieweit sich Bezüge zu britischen Marktteilnehmern ergeben.

Bei dieser Analyse ist zwischen Derivaten, die in das Clearing überführt wurden, und reinen OTC-Geschäften zu unterscheiden.

Bei OTC-Derivaten, die mit britischen Kreditinstituten vereinbart wurden, ist zu beachten, dass diese Institute im Falle eines harten Brexits den Zugang zum europäischen Markt verlieren.

Der nationale Gesetzgeber hat auf diesen Umstand - wie bereits dargelegt - mit dem Brexit-Steuerbegleitgesetz bereits reagiert.

Im Bereich der OTC-Derivate wird die BaFin so in der Lage sein, die letztlich nötigen zahlreichen Beendigungen bzw. Übertragungen von OTC-Derivatekontrakten in einem angemessenen Zeitrahmen konstruktiv zu begleiten.

Sofern Derivate gehalten werden, in die britische CCPs eintreten, ist aufgrund deren befristeter Anerkennung im Hinblick auf eine Übertragung des geclearten Geschäfts auf EU-CCPs etwas Entspannung eingetreten.

Dies gilt sowohl für Geschäfte, die an einem britischen Handelsplatz getätigt wurden, als auch für OTC-Geschäfte, die nach ihrem Abschluss von einem britischen CCP gecleart wurden.

Ich möchte an dieser Stelle allerdings nochmals betonen, dass die Anerkennung durch die Kommission und ESMA nur temporär ist und der letztlich kurze Zeitraum von 12 Monaten betroffenen Instituten jeden Anlass geben sollte, ihre Risikoexposures bei diesen CCPs, (falls noch nicht geschehen), zu prüfen und ggf. sinnvoll anzupassen.

Besonderheiten ergeben sich bei den OTC-Geschäften auch für solche Kontrakte, die noch vor dem Inkrafttreten der EMIR mit britischen Gegenparteien abgeschlossen wurden.

Diese Kontrakte unterfallen bislang weder der Clearingpflicht noch der Besicherungspflicht nach EMIR.

Bei Übertragung dieser OTC-Kontrakte aufgrund des Brexits auf EU-Gegenparteien wäre dies als Abschluss eines neuen Kontraktes zu werten, so dass diese Kontrakte dann prinzipiell den EMIR-Pflichten unterfallen würden.

Um hier Ungleichbehandlungen zu vermeiden, hat die EU-Kommission zwei Durchführungsverordnungen erlassen, die diese Kontrakte von den EMIR-Pflichten freistellen, wenn sie innerhalb eines Jahres nach dem Brexit übertragen werden.

Handelsplätze

Mein Damen und Herren, Sie merken sicherlich schon jetzt, dass die Folgen des Brexits im regulatorischen Bereich sehr komplex sind und viele Facetten haben.

Wir als Aufsicht stellen uns diesen Herausforderungen gerne, schließlich sind Herausforderungen dazu da, um an ihnen zu wachsen.

Doch lassen Sie mich nun fortfahren mit den Auswirkungen, die ein harter Brexit für die britischen Handelsplätze hat.

Klassifizierung britischer Handelsplätze nach MiFID II.

Zunächst ist hierzu festzuhalten, dass britische Handelsplätze im Falle eines harten Brexits ihren Status als MiFID-Handelsplätze verlieren.

Dies hat verschiedene weitere Konsequenzen.

Erfolgt keine Gleichwertigkeitsentscheidung durch die Europäische Kommission, müssen europäische Wertpapierfirmen ihre Handelsgeschäfte in Aktien, die an einem europäischen Handelsplatz gehandelt werden, grundsätzlich – soweit keine Ausnahme greift - auch auf einem europäischen Platz oder bei einem Systematischen Internalisierer in der EU27 ausführen.

Als Aufseher sind wir uns bewusst, dass diese Situation nicht einfach ist. Derzeit befindet sich viel Liquidität an den Handelsplätzen in London. Bekanntlich bereiten sich aber zahlreiche Londoner Handelsplätze auf den Brexit vor, indem neue Handelsplätze in Europa aufgebaut werden, um dort weiterhin den Handel zu ermöglichen.

Die europäischen Aufseher diskutieren die Handelspflicht und planen hier Hilfestellungen für eine Übergangszeit.

Erlaubnis nach § 102 WpHG

Es ist derzeit nämlich nicht absehbar, ob die europäische Kommission eine Entscheidung treffen wird, um die betroffenen britischen Handelsplätze den geregelten Märkten im Sinne der MiFID II gleichzustellen.

Sollte keine Äquivalenzentscheidung getroffen werden, bedürfen britische Märkte darüber hinaus grundsätzlich einer Erlaubnis der BaFin, um deutschen Handelsteilnehmern den Marktzugang zu britischen Handelsplätzen zu gewähren.

Inwieweit die britischen Handelsplätze im Falle eines harten Brexits einen solchen Erlaubnisantrag stellen würden, wird sich zeigen.

Um hier etwaige Nachteile für die Funktionsfähigkeit der Finanzmärkte zu vermeiden, beabsichtigt der nationale Gesetzgeber im Rahmen des Brexit-Steuerbegleitgesetzes ebenfalls vorzusehen, dass die BaFin die Befugnis erhält, die Erlaubnispflicht für britische Handelsplätze für einen Übergangszeitraum zu suspendieren.

Die entsprechende Übergangsregelung wird im WpHG verankert und lehnt sich an die für das KWG und das VAG vorgesehene Übergangsregelung an.

Das heißt, dass insbesondere auch der maximale Zeitraum, in der die Erlaubnispflicht suspendiert werden kann, 21 Monate beträgt.

Eine Entscheidung darüber, für welchen konkreten Zeitraum eine Suspendierung der Erlaubnispflicht erfolgen soll, ist auch hier noch nicht getroffen.

Benchmarks

Folgen hat ein harter Brexit auch in Bezug auf die Verwendung von Benchmarks. Wenn Sie erlauben, möchte ich auch diesen Aspekt kurz beleuchten.

Innerhalb der EU dürfen Unternehmen einen Referenzwert grundsätzlich nur dann verwenden, wenn dieser von einem bei ESMA registrierten EU-Administrator oder einem anerkannten Drittstaatenadministrator bereitgestellt wird.

Im Falle eines harten Brexits werden die bisherigen britischen Administratoren zu Drittstaatenadministratoren.

Sofern keine Äquivalenzentscheidung in Bezug auf das britische Benchmarkregime erfolgt, müssen die britischen Administratoren daher ein Anerkennungsverfahren durchlaufen, wenn sie weiterhin Referenzwerte innerhalb der EU zur Verfügung stellen wollen.

Alternativ können die britischen Administratoren ihre Referenzwerte auch auf in der EU ansässige Administratoren übertragen.

Meine Damen und Herren, was bedeutet dies nun für die Verwender britischer Benchmarks?

Diese müssen sich darauf einstellen, dass sie britische Referenzwerte post-Brexit nicht mehr ohne Weiteres verwenden können.

Sie sollten daher prüfen, ob und welche verwendeten Referenzwerte von britischen Administratoren bereitgestellt werden und ob diese planen, post-Brexit die weitere Verwendung der Referenzwerte in der EU zu ermöglichen.

Datenaustausch

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nun zu dem - zugegebenermaßen komplexen - Thema des Datenaustauschs post-Brexit kommen.

Denn auch auf diesen Bereich wirkt sich ein harter Brexit letztlich aus.

Darlegen möchte ich Ihnen zunächst die Konsequenzen, die ein harter Brexit im Bereich der Meldung von Geschäften mit Finanzinstrumenten - dem sogenannten Transaktionsreporting - hat.

Im Anschluss möchte ich Ihnen kurz die Folgen aufzeigen, welche sich im Bereich der Marktmissbrauchsaufsicht ergeben.

Transaktionsreporting

Zunächst zum sogenannten Transaktionsreporting.

Wertpapierfirmen - und unter gewissen Voraussetzungen auch Handelsplätze - melden die von ihnen ausgeführten Geschäfte mit Finanzinstrumenten an die für sie zuständige Behörde, z.B. die BaFin.

Sind wir als BaFin nicht selbst die für das jeweilige Finanzinstrument zuständige Behörde, leiten wir die Meldung an die zuständige Behörde weiter.

Umgekehrt erhalten wir von anderen Behörden Meldungen zu Finanzinstrumenten, für die wir zuständig sind.

Dieser Austausch von Meldungen erfolgt täglich und gibt der für das Finanzinstrument zuständigen Behörde ein umfassendes Bild für die Überwachung der Marktintegrität.

Ein harter Brexit hätte zur Folge, dass dieser tägliche Austausch von Transaktionsmeldungen mit der britischen Aufsicht abrupt endet.

Sowohl der BaFin als auch anderen europäischen Behörden würden wichtige Informationen zum Handel im Vereinigten Königreich dann nicht mehr vorliegen.

MAR

Auch im Bereich der Marktmissbrauchsrichtlinie ergeben sich mit Blick auf den Datenaustausch Konsequenzen.

Nach den Vorgaben der MAR haben u.a. Wertpapierfirmen, die einen Handelsplatz betreiben, und Personen, die gewerbsmäßig Geschäfte vermitteln, die Pflicht, einen Verdacht auf etwaige Insidergeschäfte, Marktmanipulationen oder den Versuch hierzu unverzüglich ihrer zuständigen Behörde zu melden.

Die empfangende Behörde hat die Meldung - den sogenannten STOR - an diejenige Behörde weiterzuleiten, welche für den liquidesten Markt, an dem das betreffende Finanzinstrument gehandelt wird, zuständig ist.

In Fällen, in denen beispielsweise die Transaktion in Großbritannien erfolgt, der liquideste Markt aber in Deutschland ist, ist dies nicht mehr automatisch gewährleistet.

Denn letztlich ist die britische Aufsicht, die Financial Conduct Authority, post-Brexit nicht mehr an die MAR gebunden und daher auch grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, etwaige STORs weiterzuleiten.

Als Aufseher haben wir allerdings - gerade auch im Bereich der Marktüberwachung - ein großes Interesse daran alle Informationen, die für eine effektive Marktaufsicht erforderlich sind, zu erhalten.

Wir begrüßen es daher ausdrücklich, dass Anfang Februar dieses Jahres zwischen der Financial Conduct Authority und den europäischen Aufsichtsbehörden - darunter die BaFin - ein Memorandum of Understanding ausverhandelt wurde.

Dieses Memorandum of Understanding umfasst - neben anderen Bereichen - auch den künftigen Austausch von wichtigen Marktdaten zwischen der Financial Conduct Authority und den europäischen Aufsichtsbehörden.

Ich kann an dieser Stelle sagen, dass wir uns für diese Memorandum of Unterstandig sehr eingesetzt haben und gegenüber allen Entscheidungsträgern auf die Wichtigkeit eines solchen MoUs hingewiesen haben. Ferner waren meine Kolleginnen und Kollegen wesentlich an der Erstellung dieses Dokumentes und an vielen weiteren Vorbereitungsarbeiten beteiligt und ich möchte meinen Kolleginnen und Kollegen dafür ausdrücklich danken.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich an dieser Stelle Folgendes klarstellen:

Wir haben als BaFin - nicht nur im Bereich des Datenaustausches - zum Ziel, auch im Falle eines harten Brexits die gute Zusammenarbeit mit unseren englischen Kollegen so weit wie im Rahmen der künftigen Beziehungen nur möglich aufrechtzuerhalten.

Mit diesem Hinweis möchte ich es hier zu dem Thema Datenaustausuch belassen und nun noch auf einige ausgewählte Brexit-Fragestellungen im Bereich der Investmentaufsicht eingehen.

Investmentaufsicht

Im Bereich der Investmentaufsicht stehen zwei Themen im Fokus:

  • zum einen die Auslagerung des Portfoliomanagements auf britische Unternehmen und
  • zum anderen der Weitervertrieb britischer Fonds in Deutschland.

Beide Themen konnten durch den Abschluss des Memorandums of Understanding - ich erwähnte es bereits - erfolgreich entschärft werden.

Lassen Sie mich zunächst einige Worte zum Vertrieb sagen.

Im Falle eines harten Brexits entfällt für britische Verwaltungsgesellschaften der EU-Vertriebspass.

Ein Weitervertrieb kommt dann in Betracht, wenn ein entsprechendes bilaterales Vertriebsanzeigeverfahren für Drittstaaten-Fonds durchlaufen wird, so wie für jeden anderen Drittstaaten-Fonds auch.

Um den Weitervertrieb möglichst reibungslos zu gewährleisten, nimmt die BaFin bereits jetzt entsprechende Anträge entgegen, auch wenn zum gegenwärtigen Zeitpunkt das tatsächliche Austrittsdatum und der anschließende Status des Vereinigten Königreichs noch nicht feststehen.

Ein weiterer Aspekt, der die deutsche Fondsindustrie umgetrieben hat, ist die Weiterführung von Auslagerungsverträgen mit britischen Partnern.

Eine solche Auslagerung der Portfolioverwaltung oder des Risikomanagements stand im Falle eines harten Brexits auf der Kippe, da die gesetzlichen Anforderungen voraussetzen, dass die Zusammenarbeit der BaFin mit der zuständigen Aufsichtsbehörde des Drittstaates sichergestellt ist.

Aufgrund des MoUs zwischen der BaFin und der Financial Conduct Authority, ist diese Voraussetzung inzwischen erfüllt, so dass eine Auslagerung auch im Falle eines harten Brexits weitergeführt werden kann.

Auch im Fondsbereich hat sich also der Einsatz der BaFin auf europäischer Ebene für das MoU gelohnt. Ich kann verstehen, dass die Fondsindustrie den Abschluss dieses MoUs mit großer Ungeduld erwartet hat und meine Kolleginnen und Kollegen und ich haben alles dafür getan, dass wir hier einen schnellen Abschluss erreichen können. Gleichwohl kann ein verantwortlicher Aufseher erst dann Vollzug verkünden, wenn beide Seiten ein solches Dokument unterzeichnen können.

Verbraucherschutz

Last but not least möchte ich es nicht versäumen, Sie auch noch auf unsere Informationen zum Thema Brexit und Verbraucherschutz aufmerksam zu machen.

Wir haben auf unserer Homepage Antworten zu häufigen Fragen von Verbrauchern zum geplanten EU-Austritt Großbritanniens zusammengestellt.

Diese reichen von der Frage, wie Verbraucher erkennen können, ob sie aktuell Finanzdienstleistungen britischer Unternehmen in Anspruch nehmen, bis hin zu der Frage, ob eine Versicherung post-Brexit noch fortbesteht.

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Punkt besonders hinweisen.

Sollten Anleger Fragen zum weiteren Vertrieb britischer Investmentfonds haben, so sollten sich diese an die Informationsstelle im Inland bzw. an die Verwaltungsgesellschaft wenden, die in den wesentlichen Anlegerinformationen genannt ist.

Ausblick

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

ich hoffe ich konnte Ihnen einen kleinen Einblick geben, welche Herausforderungen aus regulatorischer Sicht mit dem Brexit verbunden sind.

Sicherlich konnte ich hier nicht alle Themenfelder mit Brexit-Bezug erschöpfend aufarbeiten - dafür ist die Materie schlicht zu umfangreich.

Müsste ich das Thema aus Aufsichtsperspektive aber auf einen Nenner bringen, so wäre mir wichtig zu betonen, dass wir das Ziel haben, die negativen Folgen - insbesondere eines harten Brexits - für die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Finanzmärkte zu minimieren bzw. diesen entgegenzuwirken. Hierzu gehört an erster Stelle unser Bemühen, möglichst alle betroffenen Unternehmen für die Notwendigkeit ihrer rechtzeitigen umfassenden eigenen Vorbereitung zu sensibilisieren.

Als Aufseher haben wir an dem Ziel der Vermeidung von Risiken für die Stabilität und Funktionsfähigkeit in den vergangenen Jahren sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene intensiv gearbeitet und werden das auch weiterhin tun.

Denn wir wissen ja alle, dass man für Wunder beten, für Veränderungen aber arbeiten muss.

Wie ich bereits zu Beginn meiner Rede ausgeführt habe, schärft der Dialog zwischen Ihnen und uns als Aufsehern den Blick auf die jeweilige Fragestellung immer wieder neu.

Ich möchte Sie daher auffordern, auch zu dem Thema Brexit mit uns im engen Austausch zu bleiben, damit wir am Ende gemeinsam eine für alle Seiten gute Lösung finden.

In diesem Sinne bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit!

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