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Erscheinung:10.04.2018 Eröffnungsrede zur BaFin-Tech 2018

Rede von Felix Hufeld, Präsident der BaFin, am 10. April 2018 in Berlin

Es gilt das gesprochene Wort.

Meine Damen und Herren,

„Das Geheimnis voranzukommen, ist anzufangen“, dieser Satz von Mark Twain spricht vielen Start-up-Unternehmern aus dem Herzen. Auch wir haben uns dieses Motto zu eigen gemacht, als wir vor gut anderthalb Jahren die erste BaFin-Tech aus der Taufe gehoben haben. Obwohl uns klar war, wie sehr die Digitalisierung die gesamte Finanzwelt umtreibt, waren wir über die große Resonanz dennoch sehr erfreut. Dass es dreimal so viele Anfragen gab, wie wir Plätze anbieten konnten – das hat unsere Erwartungen sogar noch übertroffen.

Dass auch die zweite Auflage der BaFin-Tech dreifach überbucht ist, werte ich als Bestätigung dafür, dass sowohl die Vertreter der Fintechs als auch die der etablierten Kreditinstitute - aber auch die Teilnehmer aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung - beim ersten Mal einiges an Input mitnehmen konnten. Das soll natürlich dieses Mal wieder so sein! Deshalb freue ich mich, Sie alle in Berlin sehr zahlreich begrüßen zu können – und hoffe, dass wir die Messlatte, die wir mit der ersten BaFin-Tech gelegt haben, in diesem Jahr vielleicht noch etwas weiter nach oben legen können.

Anderthalb Jahre sind keine lange Zeit. Doch im Zeitalter der Digitalisierung ereignet sich in der Finanzbranche so viel, dass man die Jahre – wie bei Hunden – mit sieben multiplizieren müsste. Was also ist seit der letzten BaFin-Tech passiert?

Augenfällig ist, dass das bipolare Weltbild – hier die Jungunternehmen, dort die klassischen Kredithäuser oder Versicherer – so nicht mehr zu halten ist. Der erbitterte Konkurrenzkampf zwischen traditioneller Finanzwelt und innovativen Fintechs – bis hin zur Disruption - ist bislang jedenfalls ausgeblieben. Stattdessen stehen die Zeichen in vielen Fällen auf Kooperation. Banken mit etabliertem Kundenstamm und fachlicher Expertise suchen innovative Technologien. Die nach wie vor jungen Fintechs sind technologisch up to date, wollen aber Kundenbeziehungen und Reputation aufbauen. Eine klassische Win-Win-Situation, bei der einer von den Stärken des anderen profitieren kann. Eine Erfolgsgarantie gibt es aber nicht. Entscheidend ist, dass die Geschäftsmodelle zusammenpassen und sich die Kulturen gegenseitig akzeptieren. Immer kommt es auf den konkreten Einzelfall geprüft an, ob und in welchem Umfang eine Partnerschaft tatsächlich Sinn ergibt.

Ist damit harter Wettbewerb durch Start-ups aufgehoben und hat einem allgemeinen Kuschelkurs Platz gemacht? Nein, mit Sicherheit nicht! Wir werden noch eine Menge an Innovationen damit an hartem Wettbewerb sehen – und das ist auch gut so! Und dabei haben wir noch gar nicht über die Rolle der Big Techs gesprochen. Wo diese genau stehen, hängt zweifellos davon ab, wo wir gerade hinschauen. Wenn wir nur den deutschen Markt betrachten, haben wir Stand heute den Eindruck einer gewissen Zurückhaltung. Wenn wir in die USA schauen, ist der Schritt ins klassische Bankgeschäft schon sehr viel deutlicher erkennbar.

Und wenn wir nach China schauen, reden wir bereits über hunderte Millionen von Kunden, die auf diese Weise Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen abwickeln.
Wenn wir den Blick wieder auf den deutschen Markt richten, dann fällt die positive finanzielle Entwicklung von Teilen der Fintech-Szene auf. Manche sprechen gar von einer neuen Entwicklungsstufe. Der Zugang zu Kapital ist zumindest für die größten deutschen Fintechs deutlich einfacher als noch vor zwei Jahren.

Positiv habe ich zur Kenntnis genommen, dass Regulierer und Aufseher bei vielen Fintechs nicht länger als Buhmänner gelten, deren Vorgaben nur das Ziel hätten, unnötig Ressourcen zu binden. Ich spreche an dieser Stelle zwar pro domo, dennoch sehe ich diese Entwicklung für alle Seiten als hilfreich an. Regulierung und Aufsicht dienen ja nicht irgendeinem Selbstzweck, sie sollen den dynamischen und innovativen Finanzmärkten eine stabile Ordnung geben und das Fundament sichern, auf dem der Erfolg aller dort aktiven Unternehmen beruht: das nachhaltige Vertrauen der Kunden. Zwar war es der ehemalige Hauptgeschäftsführer eines Bankenverbandes, der gesagt hat, dass eine effektive Finanzaufsicht ein Gütesiegel für einen Finanzplatz sei. Davon profitieren aber natürlich nicht nur Etablierte, sondern auch Fintechs.

Meine Damen und Herren,

wir sprechen heute zwar sehr viel über und vor allem mit Fintechs. Der Fokus dieser Veranstaltung liegt jedoch eher auf Fin-Tech, also innovativen Finanztechnologien und deren Anwendung. Uns geht es darum, das Gesamtbild der technologiegetriebenen Veränderungen im Finanzsektor zu erfassen und darüber mit Ihnen zu diskutieren.

Wer die Gewinner der Digitalisierung sein werden und wer die Verlierer, ist offen. Entscheidend wird sein, welchen Unternehmen es am besten gelingt, ihre Prozesse, Produkte und Geschäftsmodelle an die neuen Gegebenheiten anzupassen und dabei die Risiken zu beherrschen, die die Digitalisierung nun einmal mit sich bringt. Und natürlich müssen auch wir, die BaFin, an uns arbeiten und uns mit den Fragen beschäftigen, die diese massive finanztechnologische Innovationswelle an Regulierung und Aufsicht stellt.

Eine Veranstaltung wie die BaFin-Tech kann uns ein Update geben, was der Markt denkt und was die Unternehmen bewegt. Damit ist es aber längst nicht getan. Die Digitalisierung und ihre Folgen beschäftigen Aufsicht und Regulierung über diesen Tag hinaus - das gesamte Jahr hindurch.

Klar ist nach wie vor, dass der Grundsatz „gleiches Geschäft, gleiches Risiko, gleiche Regel“ auch im Zeitalter der Digitalisierung gelten muss. Wer bei der ersten BaFin-Tech dabei war, weiß das und wir haben es seither immer wieder wiederholt. Hinzu kommt, dass Aufsicht und Regulierung nur dann mit der Innovationsgeschwindigkeit mithalten können, wenn sie vorausschauend, technologieneutral und prinzipienbasiert konzipiert sind.

Operativ verfolgen wir im Umgang mit der Digitalisierung eine Drei-Säulen-Strategie: In der ersten Säule, Aufsicht und Regulierung, betrachten wir die neuen Geschäftsmodelle und die Veränderungen der Wertschöpfungsstrukturen - dies ist der strategische Fokus. In der zweiten Säule nehmen wir die spezifischen aufsichtlichen Anforderungen an die IT-Sicherheit der Unternehmen in den Blick, die sich aus dem umfassenden Einsatz innovativer Technologien ergeben. Und in der dritten Säule geht es um die notwendige Anpassung unserer eigenen Organisation und Prozesse.

Konkret bedeutet dies, dass auch wir unsere Strukturen immer wieder auf den Prüfstand stellen müssen. Und dass wir darüber nachdenken müssen, welche Qualifikationen wir künftig in der Aufsicht benötigen werden. Ich habe dabei immer einen Vergleich aus der Industrie vor Augen: Früher haben Fahrzeugbauer Autoschlosser gebraucht, heute beschäftigen sie Mechatroniker und zunehmend Programmierer. Wir müssen uns deshalb fragen, was ist in der Aufsicht der Mechatroniker? Und benötigen wir auch künftig Autoschlosser?

So entscheidend es ist, die Weichen an den Hauptgleisen der Digitalisierung richtig zu stellen, so wichtig ist es, auch in der täglichen Realität der Aufsicht schnell angemessene Antworten auf praktische aufsichtliche Fragen zu finden. Und hier bringen uns Vernetzung und Dialog mit Wissenschaft und Unternehmen weiter.

Wir freuen uns deshalb auf den Austausch mit Ihnen über das vieldiskutierte Thema „Big Data-Analytics“. „Schöne neue Finanzdatenwelt: Kundendaten und Vertrauen im Zeitalter von Big Data, API und DSGVO“ lautet der Titel einer Panel-Diskussion, die vom Workshop „Big Data trifft auf künstliche Intelligenz: Implikationen für Branche und Aufsicht“ flankiert wird. Wir werden darüber sprechen, wie sich der Einsatz von Big Data und künstlicher Intelligenz auf die Geschäftsmodelle der Unternehmen und den Markt auswirken.

Dabei stellen sich für uns Aufseher neue Fragen, auf die auch wir neue Antworten finden müssen – auch auf dem Feld des Verbraucherschutzes. Eine ausufernde Nutzung persönlicher Daten oder gar deren Missbrauch untergräbt nicht nur das Vertrauen derer, die ihre sensiblen Finanzdaten den Unternehmen anvertrauen, es berührt auch den Verbraucherschutz an sich. Und dem ist die BaFin auch per Gesetz verpflichtet.

Ein anderes Hot topic sind die Blockchain-Technologie und ihr wohl bekanntestes Beispiel, Kryptowährungen, also Krypto-Token wie z.B. Bitcoin.

Mit der Blockchain-Technologie kann auf Intermediäre – zumindest technologisch – ganz verzichtet werden. Aber Sie kennen das: Wo Chancen sind, lauern auch Risiken. Zu den Risiken zählt beispielsweise die Pseudonymität, also die Intransparenz der Teilnehmer, bis hin zur völligen Anonymität. Sie macht Krypto-Token neben allen Potenzialen auch zu einem weiteren geeigneten Vehikel für Geldwäsche und betrügerische Vorgänge.

Wie bei anderen Phänomenen der Digitalisierung auch, besteht bei der Blockchain die Kunst darin, die Risiken zu beherrschen, ohne die Chancen zu schmälern. Ich bin sicher, dass dieser Aspekt in den beiden Workshops und der Panel-Diskussion zur Blockchain-Technologie angesprochen werden wird. Und weil alle Theorie grau ist, soll uns ein Blockchain-Showcase ein praxisnahes Anwendungsbeispiel dieser Technologie zeigen.

In der Praxis spielen selbstverständlich auch die IT-Kompetenzen der Geschäftsleiter von Banken und Versicherungen eine immer wichtigere Rolle. Als Aufsicht haben wir darauf reagiert und unsere Anforderungen angepasst. Dieses Thema werden wir ebenfalls in einem Vortrag erörtern.
Auch der Trend zum Cloud-Computing wird künftig viele neue Fragen aufwerfen, auch rechtlicher Art. Sachverhalte, über die wir heute ebenfalls in einem Workshop nachdenken wollen.

Meine Damen und Herren,

die Digitalisierung mit all ihrer Dynamik verlangt von Unternehmen wie auch von der Aufsicht, vielfach neue Wege zu gehen. Wohin wir uns dabei bewegen müssen, darüber wollen und müssen wir diskutieren. Und das selbstverständlich nicht nur heute, sondern dauerhaft und in einem fortlaufenden Prozess.

Als eine der größten Finanzaufsichtsbehörden der Welt haben wir den Anspruch an uns selbst, nicht nur im Geleitzug der Debatten mitzufahren, sondern deren Richtung mitzuprägen. Beispielsweise werden wir noch in diesem Halbjahr, gemeinsam mit Partnerschaft Deutschland, dem Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme und der Boston Consulting Group, einen Bericht zum Thema Big Data und Künstliche Intelligenz vorstellen. Herr Fußwinkel wird Ihnen in seinem Vortrag einen Vorgeschmack darauf geben. Er leitet in unserem Haus das inzwischen nicht mehr ganz so neue Referat „Finanztechnologische Innovationen“, das eine Hub-Funktion für digitale Themen wahrnimmt.

Last but not least möchte ich unsere neue Schriftenreihe BaFinImpulse ankündigen, die im Juni erstmals erscheinen soll und ebenfalls Aspekte der Digitalisierung zum Schwerpunkt haben wird.

Nun bleiben wir aber erst einmal beim Hier und Jetzt und unserer heutigen Veranstaltung. Hierfür wünsche ich uns viele interessante Eindrücke und anregende Gespräche!

Nun übergebe ich das Wort an Ellen Frauenknecht, Ihnen allen sicher als Börsenexpertin der ARD bekannt, die uns heute durch die Tagung führen wird.

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