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Erscheinung:17.01.2018 Neujahrspresseempfang der BaFin 2018

Rede von Felix Hufeld, Präsident der BaFin, am 17. Januar 2018 in Frankfurt am Main

Es gilt das gesprochene Wort.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich begrüße Sie herzlich zu unserem Neujahrspresseempfang und wünsche Ihnen ein erfolgreiches und vor allem gesundes 2018, meine Damen und Herren! Mit großem Vergnügen habe ich Ihre Betrachtungen zum alten und zum neuen Jahr gelesen. Dank Ihrer glänzenden Arbeit brauche ich Ihnen heute keinen ausführlichen Rück- oder Ausblick zu präsentieren und kann mich auf wenige regulatorische Fragen beschränken. Erst einmal aber einige Takte in eigener Sache:

Jedem Anfang wohne ein Zauber inne – mit diesen Worten Hermann Hesses beschrieb vor etwa 15 Jahren mein Vorgänger Jochen Sanio die ersten Monate der BaFin. Einen Neuanfang erleben wir in diesen Tagen erneut. Seit dem 1. Januar ist die BaFin um eine weitere wichtige Aufgabe reicher: Sie ist nun auch Nationale Abwicklungsbehörde, eine Funktion, die sie von der bisherigen Bundesanstalt für Finanzmarktstabilisierung (FMSA) übernommen hat. Herr Dr. Pötzsch, der Exekutivdirektor des neuen Geschäftsbereichs Abwicklung, freut sich darauf, Sie heute Abend kennenzulernen.

Dass Herr Pötzsch und seine Kolleginnen und Kollegen von der FMSA jetzt Teil der BaFin sind, ist sinnvoll und konsequent. Abwicklung und Aufsicht profitieren davon, eigenständig zwar, aber unter einem Dach vereint zu agieren. So lässt es sich einfach effizienter arbeiten.

Wenn eine wichtige Bank in eine Schieflage gerät, können wir sie nun leichter restrukturieren oder – falls erforderlich und die Voraussetzungen vorliegen - abwickeln und auf diese Weise Schaden von der Allgemeinheit abwenden. In einem solchen Fall zählt jede Minute, und die Spezialisten aus Aufsicht, Sanierung und Abwicklung müssen als perfekt eingespieltes Team handeln. Das lässt sich innerhalb einer Institution natürlich eleganter bewerkstelligen – zumal wir als nationale Instanz auch insoweit selten Soloauftritte absolvieren, sondern eher in einem hoch komplexen europäischen Orchester mitspielen.

Dass wir gerade zu Beginn des Jahres 10 nach Lehman Nationale Abwicklungsbehörde werden, ist eine bemerkenswerte Koinzidenz. Das wirtschaftliche Beben, das der Zusammenbruch der Bank auslöste, aber auch die Bankenrettungen in der Krise haben eine regulatorische Lücke offenbart, die heute, zumindest institutionell, weitgehend geschlossen ist: Das Abwicklungsregime, das in Deutschland und Europa geschaffen worden ist, kann helfen, Fälle wie Lehman zu verhindern. Es schärft zudem das Bewusstsein für eine in Vergessenheit geratene Selbstverständlichkeit: Wer den Nutzen hat, muss auch für den Schaden aufkommen.

So wichtig es ist, dass wir nun auch Banken im Bedarfsfall restrukturieren oder abwickeln können, so wichtig ist ein taugliches Aufsichtsregime, das Banken zu Lebzeiten Leitplanken vorgibt. Basel III ist ein solches Regime.

Im Dezember haben wir das Opus Magnum der globalen Bankenregulierung abgeschlossen. Ja, es war ein langer Kampf. Aber ist das verwunderlich, wenn man 28 Länder mit ihren divergierenden Strukturen und Interessen in Einklang bringen möchte und zugleich den Anspruch hat, ein umfassendes Regelwerk mit hohem Detaillierungsgrad zu schaffen? Dass letztendlich ein Konsens gelungen ist, dürfen Sie als Beleg für die Handlungsfähigkeit der globalen Regulierungscommunity werten. Ein verlässlicher globaler Regulierungsrahmen für Banken dient der weltweiten Finanzstabilität – und er entspricht dem berechtigten Wunsch der Finanzindustrie nach regulatorischer Berechenbarkeit, Sicherheit und vergleichbaren Wettbewerbsbedingungen. Basel III ist ein Gewinn für alle. Ein Spaziergang wird es für keinen.

Herzstück des letzten Basel-III-Reformschrittes war es, die exzessiven und ungewollten Schwankungen bei der modellbasierten Messung der risikogewichteten Aktiva und damit des Eigenkapitalbedarfs zu begrenzen.

In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Versuche, interne Modelle vollständig zu diskreditieren und diesen risikosensitiven Ansatz zu eliminieren. Für mich war immer klar: Wäre diese rote Linie überschritten worden, hätte ich dem Basel-III-Kompromiss nicht zugestimmt. Aber wir haben diese Versuche erfolgreich abgewehrt. Der Standardansatz ist jetzt deutlich risikosensitiver, und interne Modelle dürfen weiterhin zum Einsatz kommen, wenn auch die Risikosensitivität dieses Ansatzes eingedämmt worden ist.

Haben wir uns einen Output Floor von 72,5 Prozent gewünscht? Nein! Haben wir uns überhaupt einen Output Floor gewünscht? Nein! Der Baseler Kompromiss liegt vermutlich genau an der Schmerzgrenze, so dass wir gerade noch zustimmen konnten. Mit dieser Art Grenzerfahrung muss man bei internationalen Kompromissen wohl generell umgehen können. Möglich war der Kompromiss überhaupt nur, weil wir gemeinsam mit starken europäischen Verbündeten unsere Positionen vortragen und verhandeln konnten. Ein großartiges Beispiel dafür, was möglich ist, wenn europäische Allianzen funktionieren. Wenn wir nun einige Ausreißerbanken regulatorisch einfangen, verletzen wir damit übrigens nicht die ursprünglichen Ziele der Reform von Basel III. Wir erfüllen sie! Das gilt auch für einige deutsche Banken.

Entscheidend ist jetzt, dass alle Mitgliedstaaten des Basler Ausschusses die Regeln in ihre nationalen Gesetze umsetzen – ohne sich Rosinen herauszupicken und Standards zu verwässern. Nun sind die Baseler Empfehlungen seit jeher für die Dickschiffe unter den Banken gedacht, die sich auch in ausländischen Gewässern bewegen. Die meisten Mitglieder des Basler Ausschusses haben dies in der Vergangenheit auch beherzigt. Die Europäische Union (EU) hat sich bekanntlich entschieden, die Baseler Standards für alle Banken anzuwenden. Wir diskutieren daher gerade darüber, ob und wie wir die Regelungen proportionaler auf kleinere Banken in der EU zuschneiden können, ohne Abstriche in der Stabilität zu machen.

Es ist uns ein Anliegen, das Projekt „Mehr Proportionalität wagen“ Schulter an Schulter mit Bundesfinanzministerium und Bundesbank weiter voranzutreiben. Mittlerweile liegen einige gute Vorschläge auf dem europäischen Verhandlungstisch, etwa der, Ausnahmen für Förderbanken zu schaffen, da diese keine Wettbewerbs- oder Gewinnziele verfolgen, sondern einen öffentlichen Förderauftrag erfüllen. Für solche Institute brauchen wir keine einheitlichen europäischen Regelungen, sondern adäquate nationale Anforderungen. Auch der Vorschlag, für kleinere Banken eine vereinfachte Net Stable Funding Ratio einzuführen, hat Charme.

Wir könnten damit den operativen Aufwand der kleinen Institute drosseln, hätten aber immer noch ein effektives Aufsichtsinstrument in der Hand. Auf Basis der Vorschläge müssen wir nun bei den anstehenden europäischen Verhandlungen ein gutes Gesamtergebnis erzielen – was, wie immer, keine leichte Veranstaltung ist.

Wenn wir in der Bankenregulierung mehr Proportionalität wagen wollen, ist das übrigens kein verdeckter Deregulierungsvorstoß. Es geht darum, die europäische Bankenregulierung stärker nach den Risiken der Institute zu differenzieren. Für die großen Institute gibt es zu Recht besonders anspruchsvolle Regeln, für die kleinen dagegen kann das regulatorische Motto an einigen Stellen des EU-Regelwerks „keep it simple“ lauten, nämlich vor allem da, wo es um administrative Fragen geht.

Ein weiteres regulatorisches Opus Magnum sorgt derzeit für Diskussionen: Das europäische Reformpaket aus MiFID II und MiFIR , das im Paarlauf mit der PRIIPs -Verordnung die Verhaltensregulierung in der EU noch einmal von Grund auf verändert. Mehr Transparenz, besserer Anlegerschutz – mit vier Worten lässt sich zusammenfassen, was allein in der MiFID II auf hunderten von Seiten ausbuchstabiert worden ist. Keine Frage: Auch die MiFID II befindet sich in der regulatorischen Superschwergewichtsklasse – und damit grundsätzlich in bester Gesellschaft.

Meine Einstellung kennen Sie: Auch in der Verhaltensregulierung müssen wir die Prinzipien von Verhältnismäßigkeit, Angemessenheit und Proportionalität wahren. Sollte die Last der neuen Regulierung ungebührlich hoch sein oder der unerwünschte Kollateralschaden zu groß, wäre damit niemandem gedient – im Gegenteil. Bevor wir aber die MiFID II unreflektiert mit dem Label „regulatory Overkill“ versehen, sollten wir zwei Dinge beachten:

Erstens: Vergessen wir nicht, dass in der noch jungen Verhaltensregulierung nach wie vor dringender Handlungsbedarf bestand. Die neuen Regelwerke treffen auf eine Branche, die sich im Umgang mit ihren Kunden und bei Gestaltung und Vertrieb ihrer Produkte – zurückhaltend formuliert - nicht nur mit Ruhm bekleckert hat. In ihren Ansätzen sind die Reformen daher richtig. So nimmt beispielsweise die MiFID II die gesamte Wertschöpfungskette vom Produktgeber bis zum Kunden in den Blick und stärkt dabei das schwächste Glied: den Kunden. Das ist ebenso erforderlich wie richtig.

Zweitens: Können wir jetzt schon beurteilen, ob die MiFID II zu viel des Guten ist? Nein! Wir haben es gerade mit den üblichen Einführungsschwierigkeiten zu tun. Wie bei allen Regelwerken gilt: Erst wenn wir MiFID II & Co. eine Weile angewendet haben, können wir ermessen, wie die Regelwerke tatsächlich wirken – für sich genommen und zusammen. Es wäre nicht überraschend, wenn wir auch die MiFID II an der einen oder anderen Stelle nachjustieren müssten. Nicht ohne Grund ist die Überprüfung maßgeblicher Neuregelungen der Richtlinie vorgesehen – allerdings erst in etwa zwei Jahren. Beobachten wir also, wie sich die Dinge entwickeln.

Im Laufe der nächsten beiden Jahre werden wir schon etwas klarer unterscheiden können, wer lediglich die ritualisierten Klagegesänge anstimmt, die immer nach der Einführung großer Regelwerke erklingen, und wer – basierend auf handfesten Fakten – auf unerwünschte Nebenwirkungen hinweist, über die wir tatsächlich nachdenken müssen. Wer faktenbasierte Argumente hat, findet bei der BaFin immer ein offenes Ohr.

Uns ist bewusst, dass die Umsetzung zweier Regelwerke wie MiFID II und PRIIPs ein Kraftakt ist. Wir verfolgen daher weiter unser Prinzip der „Aufsicht mit Augenmaß“, mit dem wir auch bei der Einführung anderer Mammutwerke schon gute Erfahrung gemacht haben.

Wer sich ernsthaft bemüht, neue Regeln fristgerecht umzusetzen, es aber nicht schafft, etwa weil die IT Probleme bereitet, dem reißen wir nicht den Kopf ab. Aufsicht mit Augenmaß ist allerdings kein Freifahrtschein dafür, es mit der MiFID insgesamt nicht so genau zu nehmen und die eine oder andere Vorschrift zu schlabbern.

Dies gilt übrigens auch für die Versicherungsunternehmen und -vermittler. Sie müssen nun die Anforderungen der europäischen Versicherungsvertriebsrichtlinie umsetzen. Die dürfte zwar später in Kraft treten als geplant. In Deutschland rückt aber der 23. Februar 2018 immer näher. Von dem Tag an muss das Umsetzungsgesetz angewendet werden, und wichtige Änderungen zugunsten der Verbraucher müssen stehen. Zum Beispiel das Produktfreigabeverfahren mit seinen Zielmärkten, zusätzliche Anforderungen für den Onlinevertrieb und die konfliktträchtige Gestaltung des Provisionssystems. Der Fokus muss auch hier auf das Interesse der Kunden gerichtet sein.

Meine Damen und Herren, manchmal ist Verhalten nach geltender Rechtslage zwar legal, nach allgemeiner Auffassung aber nicht legitim. Möglicherweise sind die Panama Papers ein Beispiel dafür: Wir haben nachgeforscht, ob auch deutsche Banken in Geschäfte mit Mantelgesellschaften und anderen Steuersparkonstruktionen verwickelt waren, die über die panamaische Kanzlei Mossack Fonseca liefen. Wir wollten herausfinden, ob sie dabei geldwäscherechtliche Vorschriften verletzt haben.

Bislang sieht es so aus, als habe keines der elf Institute, die an derartigen Geschäften beteiligt waren, in erheblichem Maße gegen geldwäscherechtliche Vorschriften verstoßen. Wir sehen diese Geschäfte zwar kritisch, vor allem mit Blick darauf, wie die Geldwäschebeauftragten die gruppenweite Umsetzung geldwäscherechtlicher Standards in Off-Shore-Gebieten kontrollieren können. Formal haben die Banken aber die geltenden Geldwäschevorschriften weitgehend eingehalten. Ob Steuern hinterzogen worden sind, konnten wir mangels Mandat nicht prüfen.

Der springende Punkt ist: Grundsätzlich sind die Modelle und Konstruktionen, auf die wir bei den Untersuchungen gestoßen sind, nach deutscher Rechtslage erlaubt und nicht jeder, der sie nutzt, ist ein Steuerhinterzieher. Was ethisch davon zu halten ist, dass Banken sich – wenn auch legal – dazu benutzen lassen, Steuern zu umgehen, steht auf einem anderen Blatt.

Hier stoßen wir offensichtlich an die Grenzen dessen, was Aufsicht in einem Rechtsstaat leisten kann und darf. In Anlehnung an den früheren Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde lebt der freiheitliche Rechtsstaat auch in der Verhaltensregulierung ab einem bestimmten Punkt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.

Meine Damen und Herren, Herr Dr. Grund und seine Kollegen haben vor zwei Jahren das erlebt, was Frau Roegele und ihre Kollegen in diesen Tagen erleben: die Einführung eines regulatorischen Superschwergewichts. Solvency II ist seit Anfang 2016 in Kraft. Die Versicherer sind in der neuen risikosensitiven Welt angekommen und finden sich darin einigermaßen zurecht. Das ist eine gute Nachricht, wenn man bedenkt, wie komplex das neue Regime ist. Für 2018 erwarten wir allerdings, dass sich die Unternehmen noch tiefer in das neue Regime hineinknien. An einigen Stellen sehen wir noch Verbesserungsbedarf – beim ORSA etwa und beim Bericht über die Solvabilität und Finanzlage1, der noch etwas an Tiefgang vermissen lässt.

Wie zu erwarten, tun sich die Unternehmen auch mit dem Prinzip der Proportionalität noch ein wenig schwer, das explizit in der Richtlinie verankert ist. Checklisten waren einmal.

Mit Solvency II haben wir uns aus der Tradition der regelbasierten Aufsicht gelöst und praktizieren eine vorausschauende und prinzipienbasierte Aufsicht. Es ist erst einmal Sache der Unternehmen, ihre Risiken selbst zu erfassen und – auch mit Blick in die Zukunft – angemessen abzufedern. Wir schauen uns das Ergebnis an und bewerten es individuell. Das ist für beide Seiten anspruchsvoll, aber wir wachsen gemeinsam in diese Aufgabe hinein.

Zu den spannenden regulatorischen Themen dieses Jahres zählt auch die Frage, was mit der Zinszusatzreserve passiert. Wir sollten darauf möglichst schnell eine gute Antwort finden. Zum Ende 2017 dürfte die Zinszusatzreserve auf rund 60 Mrd. Euro gewachsen sein – ein beachtliches Sicherheitspolster für die Kunden. Es ist aber weder erforderlich noch ratsam, diese – grundsätzlich sehr sinnvolle – Reserve weiterhin im bisherigen Tempo aufzubauen. Das Wechselspiel zwischen der Absicherung bestehender Garantieverpflichtungen und der Vorwegnahme künftiger Kapitalerträge muss angesichts des anhaltend niedrigen Zinsniveaus neu justiert werden.

Ein weiteres großes Thema in diesem Jahr ist der Solvency-II-Review. Dass wir uns das Regelwerk bereits so früh noch einmal kritisch ansehen, ist in der Richtlinie selbst angelegt und auch sinnvoll.

Wir haben erste Erfahrungen gesammelt, und die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Am marktwertbasierten System will niemand rütteln, wir können und wollen es aber anpassen und verbessern. Nehmen wir nur das Beispiel Standardformel. Sie ist zu komplex, und wir setzen uns stark dafür ein, sie zu vereinfachen. Hinzu kommt, dass die Standardformel von der Wirklichkeit überholt worden ist. Sie kennt – anders als die internen Modelle – keine negativen Zinsen. Was dazu führen kann, dass die Unternehmen ihr Zinsänderungsrisiko unterschätzen.

Meine Damen und Herren, was die Finanzindustrie, Aufseher und Regulierer natürlich ebenfalls umtreibt, ist die fortschreitende Digitalisierung. Fast täglich bringt sie neue Dienstleister, Produkte, Trends – und Risiken hervor. Den Unternehmen muss es gelingen, sich und ihre Kunden vor diesen Risiken zu schützen. Und sie müssen sich fragen, mit welchen Strategien sie in der digitalisierten Welt erfolgreich sein können. Reicht es, nur Prozesse anzupassen, oder müssen sich die Geschäftsmodelle radikal wandeln?

Auch wir Aufseher und Regulierer müssen den digitalen Wandel in all seinen Facetten begreifen. Wir müssen ihn rechtlich und wirtschaftlich einordnen und schauen, ob und wie wir tätig werden müssen, um die Finanzstabilität zu wahren und Verbraucher zu schützen.

Ist unsere Rolle dadurch die eines Bremsers oder Bewahrers überkommener Strukturen? Nein, ganz sicher nicht. Wir haben bisher bereits gezeigt und werden dies auch weiterhin tun, dass wir mit grundlegendem Wandel und Innovation – Stichwort: Fintechs oder Fit & Proper-Anforderungen an IT-Vorstände – offen und sehr konstruktiv umgehen – aber eben immer als das, was wir sind: als Aufseher und Regulierer. Und klar muss auch weiterhin sein: Gleichgültig, um welches noch so relevante Thema es sich handelt – etwa um Infrastrukturinvestitionen, Green oder Sustainable Finance, Digitalisierung, um nur einige Beispiele zu nennen – in keinem Fall rechtfertigt dies in der Finanzwelt einen regulatorischen Bonus, der losgelöst von faktenbasierter Analyse, der Bewertung von Risikoprofilen, Ausfallwahrscheinlichkeiten, Risiko-Return-Verhältnissen oder Ähnlichem gewährt werden dürfte.

Wer dies tut, legt den Keim für neue Finanzkrisen: Die Bildung von Wohneigentum in der Hand einkommensschwacher Haushalte in den USA war zu Beginn der 2000er Jahre auch ein ebenso legitimes wie allseits gelobtes, politisches Ziel. Erst im Zusammentreffen mit einer unzulänglichen und gewissermaßen schweigenden Finanzregulierung wurde daraus bekanntlich ein Desaster.

Im vielstimmigen Chor politischer Debatten ist es daher die Pflicht der Finanzregulierer und Aufseher, auf alte und neue Risiken deutlich hinzuweisen, sei es für Endkunden, sei es für die Finanzstabilität. Wie erfolgreich wir dabei sein werden, uns Gehör zu verschaffen, wird sich weisen, hängt aber auch davon ab, wie gut es uns gelingt, auf neue, teils weitreichende Fragen Antworten zu finden. Wie können wir Geschäftsmodelle beaufsichtigen, die dezentral angelegt sind – beginnend bei Peer-to-peer-Modellen und nicht aufhörend bei Blockchain? Wie schützen wir die Nutzer und Kunden solcher Geschäftsmodelle?

Und was geschieht mit den traditionellen Anbietern des Finanzmarktes, wenn Spieler, deren wesentliche Ertragsquellen außerhalb der Finanzindustrie liegen, mit der primären Motivation, Daten zu generieren, Finanzprodukte anbieten, ohne auf die Erträge daraus angewiesen zu sein? Wer wird die Risiken tragen? Beaufsichtigen wir überhaupt noch die Richtigen? An diesen und vielen weiteren Fragen arbeiten wir gerade in der BaFin und in den Regulierungsgremien. Ich bin aber auch sehr gespannt, was Sie dazu sagen, meine Damen und Herren.

Ich bin mir sicher, dass Sie wertvolle Anregungen für uns haben. Wir haben Sie schließlich nicht ohne Grund eingeladen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. Meine Kollegen im Direktorium und ich freuen uns auf die Gespräche mit Ihnen.

Fußnoten:

  1. 1 Solvency and Financial Condition Reports (SFCR).

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