Erscheinung:11.10.2017 Branchenveranstaltung der Versicherungsaufsicht
Rede von Dr. Frank Grund bei der BaFin-Jahreskonferenz der Versicherungsaufsicht am 11. Oktober 2017 in Bonn
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
alle Jahre wieder Solvency II im Mittelpunkt. So war es bei unseren bisherigen Branchenveranstaltungen. Heute wenden wir uns auch anderen Themen zu. Das neue Regelwerk Solvency II prägt zwar nach wie vor und weiterhin Ihr und unser Tagesgeschäft. Aber angesichts der ökonomischen, technischen und regulatorischen Entwicklungen unserer Zeit drängen sich weitere Themen geradezu auf.
Zur Einstimmung in den Tag möchte ich Ihnen einen kurzen Überblick über die allgemeine ökonomische Situation der Branche und unseren Aufsichtsalltag geben. Wie geht es Ihrer Branche? Wenn ich als Maßstab die Solvenzquoten heranziehe, muss ich der deutschen Versicherungswirtschaft ein gutes Zeugnis ausstellen. Zum 30. Juni 2017 betrug die durchschnittliche SCR-Quote rund 340 Prozent. Die Branche hat also die aufsichtlichen Anforderungen im Mittel deutlich erfüllt. Wenn ich mir nun einzelne Unternehmen ansehe, sieht die Lage weniger rosig aus. Vor allem vielen Lebensversicherern fällt es schwer, die neuen Kapitalanforderungen zu erfüllen. Sie nutzen hierfür bekanntlich zum großen Teil die Übergangsmaßnahmen und können sich so schrittweise den neuen Anforderungen stellen. Das ist auch aus unserer Sicht richtig, weil sich die Unternehmen auf diese Weise die Möglichkeit schaffen, ihr Portfolio sukzessive umzubauen. Im Neugeschäft zeichnet sich ja ein klarer Schwenk zu Produkten ab, die mit geringeren Kapitalanforderungen verbunden sind als die traditionellen Garantieprodukte. Die dauerhafte Erfüllung der Garantien im Bestand bedarf aber angesichts der immer noch sehr niedrigen Zinsen weiterhin bei vielen Unternehmen ganz erheblicher Anstrengungen.
Was wir uns immer wieder bewusst machen müssen: Solvency II zeigt nicht das ganze Bild. Die Rahmenbedingungen des HGB und vor allem die Zinszusatzreserve (ZZR) stellen ebenfalls erhebliche Anforderungen an die Unternehmen. Ende 2017 wird die ZZR auf rund 64 Mrd. Euro gewachsen sein – eine wichtige Absicherung für Kunden. Die ZZR ab 2018 weiter im bisherigen Tempo aufzubauen, ist allerdings weder für die Unternehmen noch für deren Kunden sinnvoll. Die Ertragskraft der Unternehmen würde darunter leiden. Stille Reserven können eben nicht unbegrenzt gehoben werden und oft auch nur zum Preis hoher Transaktionskosten und zulasten zukünftiger Erträge. Da die Erträge der Unternehmen aber weit überwiegend den Versicherungsnehmern zufließen, würde eine unveränderte Fortführung der ZZR deren Belange beeinträchtigen. Hierauf hat die BaFin ja stets ein waches Auge.
Ich hoffe daher, dass die erforderliche Rekalibrierung sehr früh im neuen Jahr erfolgt. Die Unternehmen brauchen früh Planungssicherheit – auch im Sinne ihrer Kunden.
In der Presse erfreut sich derzeit auch das Thema „externer Run-Off“ großer Beliebtheit. Aus unserer Sicht ist dazu nur zu sagen, dass bislang gerade einmal drei Anträge gestellt worden sind – sei es für eine Bestandsübertragung oder im Rahmen eines Inhaberkontrollverfahrens. Alle drei haben wir – nach zum Teil recht langwierigen Verfahren –positiv abgeschlossen. Neue Anträge von Lebensversicherern haben uns noch nicht erreicht und sind auch nicht angekündigt. Sollten sich einzelne Unternehmen mit der Frage eines externen Run-Offs beschäftigen, kann ich eines jetzt schon sagen: Auch in künftigen Fällen werden wir die Belange der Versicherungsnehmer wahren – nicht nur in finanzieller Hinsicht. Je größer die betreffenden Bestände sind, desto größer sind auch die operationellen Anforderungen an einen Übernehmer.
Meine Damen und Herren, bekanntlich steht die Evaluierung des Lebensversicherungsreformgesetzes an, d.h. die Überprüfung inwieweit die Änderungen durch das LVRG aus dem Jahr 2014 die erwünschte Wirkung gezeigt haben. Hier werden auch die Erkenntnisse unserer Prognoserechnung mit Stichtag 30. September 2017 einfließen. Hierfür erheben wir die Widerstandsfähigkeit der deutschen Lebensversicherungsunternehmen unter fest definierten Szenarien in den nächsten 15 Jahren nach HGB. Von einer besonderen Solvency-II-Prognoserechnung sehen wir derzeit ab, da im Rahmen des Reviews der Standardformel ohnehin ein sog. Impact-Assessment vorgesehen ist.
Ein Blick noch auf die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung unter unserer Aufsicht, auf die Pensionsfonds und Pensionskassen. Gerade bei den Pensionskassen wirken sich die niedrigen Zinsen bekanntlich besonders negativ aus. Unsere Prognoserechnungen zeigen, dass sich bei vielen Pensionskassen der Abstand zwischen der laufenden Verzinsung der Kapitalanlagen und dem durchschnittlichen Rechnungszins der Deckungsrückstellung in den nächsten Jahren verkleinern wird. Diesen Pensionskassen wird es zunehmend schwerer fallen, eine Absenkung des Rechnungszinses zu finanzieren. Dieses Problem könnte gemildert werden, wenn Aktionäre oder Arbeitgeber, die die Pensionskasse für die betriebliche Altersversorgung (bAV) ihrer Arbeitnehmer nutzen, den Pensionskassen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen. Hierauf drängen wir natürlich in unseren Aufsichtsgesprächen mit den Unternehmen.
Der Gesetzgeber hat zum 1. Januar 2018 mit dem Betriebsrentenstärkungsgesetz einen neuen Weg der betriebliche Altersversorgung ermöglicht – einen ohne Garantien. Bis heute haben wir mit einer einstelligen Zahl von interessierten Unternehmen und Tarifvertragsparteien Gespräche zur Umsetzung der neuen reinen Beitragszusage geführt. Unser Eindruck aus diesen Gesprächen ist, dass zumindest kurzfristig nicht viele diesen neuen Weg der betrieblichen Altersversorgung beschreiten. Aber, wie gesagt: Dieser Weg ist gerade erst geebnet.
Von den anderen Versicherungszweigen möchte ich heute nur die Rückversicherung hervorheben: In den Bilanzen international tätiger Unternehmen werden wir nach längerer Zeit wieder einmal deutliche Spuren der Hurrikansaison in den USA sehen. Wie deutlich diese Spuren aussehen, ist noch nicht abzusehen. Aber an diesen Ereignissen kann man sehen, wie wichtig es ist, dass die deutschen Rückversicherer so gut kapitalisiert sind.
Ein weiteres Rückversicherungsthema, das uns aktuell beschäftigt, ist das sogenannte „Covered Agreement“: Nach intensiven Bemühungen der EU und der USA ist im Januar das „Bilaterale Abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten von Amerika über Aufsichtsmaßnahmen für die Versicherung und die Rückversicherung“ ausgehandelt worden. Die BaFin begrüßt den erfolgreichen Abschluss der Verhandlungen und die Unterzeichnung des Abkommens im September. Das Abkommen kann einerseits dazu beitragen, gleiche Wettbewerbsbedingungen für US-Versicherer in der EU und für EU-Versicherer in den USA zu etablieren, und andererseits den Herausforderungen des globalisierten Versicherungsmarktes Rechnung zu tragen. Die betroffenen Versicherer in der EU und den USA werden sich mit den Regelungen des Abkommens beschäftigen müssen. Die BaFin beabsichtigt in Bezug auf Versicherer aus den USA, die die Voraussetzungen des Covered Agreements erfüllen, bereits unmittelbar nach Abschluss des EU-Ratifizierungsverfahrens das Abkommen anzuwenden. Einer gesetzlichen Umsetzung in deutsches Recht bedarf es nicht. Dies werden wir auch zeitnah noch schriftlich kommunizieren.
Meinen kurzen Überblick über unseren Aufsichtsalltag möchte ich damit abschließen. Bei unserem Gespräch „SII – Spannungsfelder der Praxis“ werden wir aber sicher von diversen Themen hören, die unter diese Rubrik fallen – Themen wie „HGB versus SII“, Auswirkungen auf das Risikomanagement, Proportionalität, Inhalt und Tiefe von SFCR- und ORSA-Berichten und andere mehr.
Das zweite große Thema für unsere Konferenz ist die Digitalisierung. Darüber wird in diesen Tagen auf vielen Veranstaltungen diskutiert. Zu Recht? Das soll unsere Diskussion mit hochkarätigen Insidern zeigen. Wir beobachten derzeit eine starke Tendenz zur Modernisierung der Prozesse innerhalb der Versicherungsbranche. Dieser Trend sollte auch den Versicherungsnehmern nutzen, da die Kommunikation mit dem Versicherer erleichtert, Kernprozesse beschleunigt und mittelfristig Kosteneinsparungen realisiert werden.
Gleichzeitig nimmt die Bedeutung von IT- und Cyberrisiken zu, denen Versicherer angemessen begegnen müssen. Aber auch wir als Aufseher sind gefragt, uns auf die Entwicklungen einzustellen. Aufgrund des Markteintrittes von Tech-Unternehmen herrscht derzeit ein intensivierter Wettbewerb um den direkten Kontakt zum Kunden. Werden Versicherungsunternehmen künftig nur noch als Risikoträger fungieren? Werden alle weiteren Glieder der Wertschöpfungskette auf spezialisierte Technologieunternehmen, die selbst ja nicht unter Aufsicht stehen, ausgelagert werden? Das ist noch nicht absehbar und ich bin gespannt auf die Meinungen unserer Gesprächsteilnehmer hierzu: Wie sichert man sich als Versicherer den jederzeitigen Zugriff auf diese ausgelagerten Funktionen? Und wie stellen die Versicherer sicher, dass wir als Aufsicht unseren gesetzlichen Auftrag auch vor Ort erfüllen können? Wir werden uns jedenfalls im ersten Halbjahr 2018 zu den Anforderungen an die IT in der Versicherungswirtschaft äußern – selbstverständlich nach ausführlicher Konsultation mit der Branche.
Etwas näher möchte ich noch auf den dritten Schwerpunkt unserer Veranstaltung eingehen: die aktuellen und kommenden regulatorischen Veränderungen. Frau Berger wird uns gleich aus erster Hand die Sicht der EU Kommission auf die regulatorische Fortentwicklung in Europa schildern. Wir sind zwar keine Regulatoren/Regulierer sondern Aufseher, wir wirken aber an der Vorbereitung von Regulierung hierzulande, in Europa und auch global mit. In Deutschland arbeiten wir derzeit u.a. an der Umsetzung entscheidender regulatorischer Weichenstellungen im Verbraucherschutz. Die neuen Anforderungen werden die Unternehmen und den Vertrieb fordern. Etwa die Richtlinie über den Versicherungsvertrieb (Insurance Distribution Directive – IDD). Der weit überwiegende Teil der Vorschriften zur Änderungen der GewO, des VAG und des VVG tritt am 23. Februar 2018 in Kraft. Wenige Vorschriften gelten bereits seit Ende Juli, beispielsweise das Sondervergütungs- und Provisionsabgabeverbot für Versicherungsunternehmen (§ 48b VAG). Die große Herausforderung ist nun die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in die Praxis. Diese Aufgabe trifft Unternehmen und Aufsicht gleichermaßen. Unternehmen müssen individuell, also z.B. in internen Arbeitsanweisungen, definieren, wie sie die neuen Regelungen in der Praxis anwenden werden. Die EU-Kommission hat am 21. September2017 die delegierten Rechtsakte zur IDD auf den Weg gebracht. Auf dieser Basis arbeiten wir nun an Auslegungs- und Arbeitshilfen. Dabei beschäftigen wir uns unter anderem intensiv mit den Anforderungen an den provisionsbasierten Vertrieb gerade in der Lebensversicherung. Dazu gibt uns die IDD den gesetzlichen Auftrag. Denn Provisionen dürfen nicht zu Fehlanreizen führen.
Wann besteht ein Fehlanreiz? Welche Anforderungen sind an das Provisionssystem zu stellen? Wir erwarten, dass sich die Versicherer, aber auch die betroffenen Vermittler bereits jetzt mit den neuen Regelungen auseinandersetzen. Wir beobachten auch den Stand der Umsetzung in den einzelnen Häusern. Wir werden uns von ausgewählten Unternehmen mittels einer Umfrage berichten lassen, wie weit sie sind. Und auch wir werden uns zum Themenkomplex Fehlanreize und Provisionen eine Meinung bilden – und die dann natürlich auch äußern. Ich kann mir vorstellen, dass wir bei der Beurteilung, ob ein Fehlanreiz besteht, qualitative Merkmale (z.B. Stornoquote) ebenso berücksichtigen wie Dienstleistungen, die über den bloßen Vermittlungserfolg hinausgehen.
Auf europäischer Ebene analysieren wir gerade im Rahmen des SCR-Review, ob wir die Ermittlung des SCR mit der Standardformel anpassen sollten. Wir setzen uns dafür ein, die Standardformel weniger komplexer als bislang zu gestalten.
Wichtig ist uns zudem die angemessene Kalibrierung des Zinsänderungsrisikos auch für negative Zinsen. Dass an dieser Stelle etwas getan werden muss, ist angesichts des lang anhaltenden Niedrigzinsumfelds offensichtlich. Derzeit sind in der Standardformel – anders als bei Internen Modellen – negative Zinsen gar nicht vorgesehen. Wir arbeiten aktuell an einem Vorschlag von EIOPA.
Mit Blick auf die Überprüfung der LTG-Maßnahmen – also der Besonderheiten für langfristige Garantien setzen wir uns stark für den Erhalt der Übergangsmaßnahmen ein. Ich habe immer davor gewarnt, die Unternehmen, die Übergangsmaßnahmen in Anspruch nehmen, zu stigmatisieren. Im Interesse der Kunden kann es – wie eben schon erwähnt – im Gegenteil sehr vernünftig sein, diese Möglichkeit zu nutzen. Denn langfristige Garantien verbunden mit der Volatilität eines marktwertbasierten Systems können zu derart hohen Kapitalanforderungen führen, dass Unternehmen ihre Kapitalanlagestrategie zum Nachteil der Kunden anpassen – weg von ertragreichen aber auch stärker risikobehafteten Anlageklassen hin zu Anlagen, die kaum noch Renditen bringen.
Als Aufsicht bringen wir unsere Expertise in die einzelnen Arbeitsstränge der laufenden Solvency-II-Reviews ein. Dabei versuchen wir auch, die Gesamtauswirkung einzelner Maßnahmen im Auge zu behalten. Isoliert an einzelnen Parametern zu arbeiten, birgt die Gefahr unerwünschter Nebenwirkungen in der Gesamtschau. Am Ende entscheidet aber die Politik über das Gesamtpaket.
Ein beliebtes Thema im politischen Diskurs ist die Nutzung aufsichtlicher Kapitalanforderungen zur Wirtschaftsförderung – also z.B. zur Förderung von Infrastrukturanlagen und nachhaltigen Investments. Ehe man sich für einzelne Assetklassen stark macht, sollte man sich intensiv das Thema einer angemessenen Kapitalanforderung für langfristiges Garantiegeschäft vornehmen.
Ein weiterer großer Schritt steht bevor: Die EU-Kommission arbeitet an einem Vorschlag für ein europäisches Produkt der privaten Altersvorsorge, das einfach, effizient und wettbewerbsfähig sein soll – dem paneuropäischen privaten Altersvorsorgeprodukt (PEPP). Viele Fragen sind noch nicht beantwortet. Vor allem sollte sichergestellt werden, dass die Grenzen zwischen den Produkten nicht verschwimmen: zwischen Altersvorsorgeprodukten – also Langzeitinvestments mit dem Ziel, Kunden ein stetiges Einkommen im Alter zu generieren – und reinen Investmentprodukten – die auf Rendite ausgerichtet sind.
Der Bundesverband der Deutschen Industrie hat die deutschen Unternehmen in Großbritannien in der vergangenen Woche gemahnt, sich auf einen sehr harten Brexit einzustellen. Deutsche Firmen müssten deshalb jetzt mit ihren Vorbereitungen auf ein solches Szenario beginnen. Alles andere „wäre naiv“. Dies gilt sicher auch für Versicherer mit Niederlassungen in Großbritannien und solche mit Dienstleistungsverkehr dorthin. Vereinzelt habe ich in Gesprächen den Eindruck, dass sie das Thema zu sehr auf die leichte Schulter nehmen. Sollte der EU-Pass ersatzlos wegfallen, besteht die Gefahr, dass diese Unternehmen unerlaubtes Versicherungsgeschäft betreiben. Dies wäre nach deutschem Recht ja auch umgekehrt der Fall. Betroffene Unternehmen müssen daher sicherstellen, dass sie ihre Geschäftstätigkeit in Großbritannien nach den dort geltenden Regularien ordnungsgemäß ausgestaltet haben. Wie sie dies sicherstellen, ist grundsätzlich erst einmal eine unternehmerische Entscheidung. Denkbar wäre zum Beispiel eine frühzeitige Übertragung der betroffenen Versicherungsbestände auf Unternehmen mit Sitz in Großbritannien. Man könnte auch eine eigene Tochtergesellschaft oder eine Drittstaaten-Niederlassung in Großbritannien gründen und die Bestände dorthin übertragen. Wie gesagt: Was Sie tun, ist Ihre Entscheidung. Aber ignorieren Sie dieses Thema bitte nicht.
Bei der IAIS, der Internationalen Vereinigung der Versicherungsaufsichtsbehörden, diskutieren wir gerade darüber, ob wir interne Modelle auch bei den globalen Kapitalstandards zur Risikomessung zulassen sollen. Wir bringen unsere Meinung hier sehr stark ein: Aus unserer Sicht sind interne Modelle ein unverzichtbarer Bestandteil eines jeden Aufsichtsregimes. Einige wichtige Staaten sind allerdings skeptisch. Sie befürchten eine willkürliche Eigenregulierung der Versicherer. Dieser Gefahr kann man nur durch eine intensive und knallharte Aufsicht über interne Modelle begegnen. Wir sind überzeugt, dass wir hier auf einem sehr guten Weg sind. Wir haben viele und durchweg gute Erfahrungen gemacht. Unsere Erwartung hat sich bestätigt: Interne Modelle bilden die individuellen Risiken der Versicherungsunternehmen noch besser ab als die Standardformel. Auf das Phänomen der negativen Zinsen beispielsweise kann man so viel besser eingehen. Die Vorteile für die Aufsicht liegen auf der Hand: Wenn Unternehmen interne Modelle nutzen, können wir sie, ihr Risikoprofil und ihr Risiko- und Kapitalmanagement viel besser beobachten und im Zweifel zielgenauer handeln. Zugleich sind interne Modelle für die Unternehmen ein wichtiges Steuerungsinstrument. Wenn sie sich intensiv mit diesen Modellen beschäftigen, können sie Risiken viel besser identifizieren und gegensteuern. Selbstverständlich heißt das nicht, dass interne Modelle den gesunden Menschenverstand ersetzen können, und auch sie können nicht alle Risiken als ein Modell abbilden. Die Realität sieht immer anders aus als ein Modell. Ich bin daher weit weg davon zu sagen, interne Modelle seien das Allheilmittel. Dennoch: Aus meiner Sicht sind sie die Königsklasse des Risikomanagements in einem Versicherungsunternehmen. Wie werden daher weiterhin Interne Modelle unterstützen.
Bevor ich nun zum Ende meines Vortrags komme, möchte ich noch kurz etwas zum ESA Review sagen bzw. den Plänen der EU Kommission zur Umgestaltung von EIOPA. Wir unterstützen das Ziel, EIOPA zu stärken, um die Konvergenz in der Anwendung der Regulierung schneller voranzutreiben. Bestimmte Aufgaben kann EIOPA auch effizienter wahrnehmen als wir nationalen Aufsichtsbehörden es können, beispielsweise die Untersuchung der Äquivalenz von Drittstaaten. Nachbesserungs- oder Ergänzungsbedarf sehe ich aber bei einzelnen Governance-Fragen. Dies betrifft beispielsweise den Prozess der Genehmigung von Internen Modellen. Hier sollte man noch einmal darüber nachdenken, ob eine Schlichtung zwischen den betroffen nationalen Aufsichtsbehörden auf Eigeninitiative des Schlichters wirklich sinnvoll ist. Aus unserer Sicht haben sich die bestehenden Kompetenzen Governance Strukturen der ESA’s bewährt. Wir verstehen sie grundsätzlich als „members driven organisation“ und das sollen sie auch bleiben.
Sie sehen, meine Damen und Herren, die aktuellen Themen der Versicherungsaufsicht sind sehr vielseitig und im Tagesprogramm unserer Branchenveranstaltung sicher nicht vollständig abzubilden. Wir mussten also Schwerpunkte bilden, priorisieren. Mit den Schwerpunktthemen „Zukunft der Regulierung“, „Solvency II im Praxistest“ und „Digitalisierung“ widmen wir uns heute brandaktuellen Themen. Ich wünsche Ihnen und uns viele neue Erkenntnisse und Anregungen durch die Beiträge der Referenten und Diskussionsteilnehmer - vor allem aber auch viele inspirierende Gespräche am Rande der Veranstaltung. Sie wissen ja, der Dialog mit der Branche ist uns sehr wichtig.