BaFin - Navigation & Service

Erscheinung:09.05.2017 Reden zur Jahrespressekonferenz der BaFin 2017

Reden des Präsidenten und der ExekutivdirektorInnen der BaFin, am 9. Mai 2017 in Frankfurt am Main

Es gilt das gesprochene Wort.

Felix Hufeld, Präsident

Im Turnunterricht zählt die Rolle rückwärts zu den eher harmlosen Übungen, meine Damen und Herren. In Politik und Regulierung kann sie gefährlich sein. Zur Erinnerung: Die verheerende Finanzkrise 2007/2008 war auch eine Folge allzu laxer Regulierung. Statt also einer erneuten Deregulierung das Wort zu reden, müssen wir nun prüfen, ob die zahlreichen Reformen nach Ausbruch der Krise die gewünschte Wirkung entfalten – für sich genommen und als Ganzes. Dazu gehört auch die Frage der Verhältnismäßigkeit, der Proportionalität.

Die EU-Kommission hat eine solche Evaluierung bereits angestoßen. So will sie etwa bei der geplanten Novelle von Eigenmittelrichtlinie und Eigenmittelverordnung1 in Sachen Proportionalität nachlegen und kleinere Institute entlasten. Das ist richtig. Wir haben ein Maß an Regulierung erreicht,
das kleinere Banken über Gebühr und – mit Blick auf ihr Risikoprofil – unnötig belastet.

Das sollten wir ändern – ohne allerdings Abstriche bei der Finanzstabilität insgesamt zu machen. Alle Institute, auch die kleinen, müssen mit ausreichend Eigenkapital und Liquidität ausgestattet sein. Der Brüsseler Vorschlag geht uns derzeit nicht weit genug. Wir brauchen einen stärker differenzierten Ansatz. Genau daran arbeiten wir gerade gemeinsam mit dem Bundesfinanzministerium und der Bundesbank – und im Dialog mit der Deutschen Kreditwirtschaft.

Die Fragen, die sich dabei stellen, sind vielfältig. Nur einige Beispiele: Für welche Banken sollten die Baseler bzw. Brüsseler Regeln ohne Einschränkungen gelten? Sollten wir punktuelle Erleichterungen schaffen und, wenn ja, für welche Institute? Wäre es nicht sinnvoll, für die Kleinsten unter den Banken ein eigenes vereinfachtes Regime zu entwerfe Worauf müssten wir dabei achten?

Was die Sache so schwierig macht: Wenn wir Schwellenwerte festlegen, schaffen wir Klippeneffekte, sprich: den Anreiz, knapp unter oder über dieser Schwelle zu liegen. Wir wollen daher möglichst wenige zusätzliche Schwellen einziehen und auf Kriterien aufbauen, die bereits eingeführt sind. Denkbar wäre etwa das der Systemrelevanz.

Was wir nicht wollen, ist ein starres Schubladensystem. Wir müssen immer in der Lage sein, Banken von einem in ein anderes Segment zu verschieben, wenn wir es aus Risikogründen für erforderlich halten. Nirgendwo in Europa gibt es so viele sogenannte weniger bedeutende Institute wie in Deutschland. Das Prinzip der Proportionalität liegt daher vor allem uns deutschen Aufsehern am Herzen. Wir werden also im europäischen Kontext sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. In der Europäischen Union gilt gemeinhin der Grundsatz „gleiche Regeln für alle“. Richtig! Aber man sollte hinzufügen: „für alle, die gleich sind“. Proportionalität bedeutet nämlich, dass Regeln das individuelle Risikoprofil eines Instituts berücksichtigen und danach - zumindest in hinreichend typisierter Form – differenzieren.

Das ist gerade in einem so heterogenen Bankenmarkt wie dem europäischen sehr wichtig. Da ich die Rolle rückwärts auch als regulatorische Übung nicht schätze, treten wir bei den Verhandlungen zur Vollendung von Basel III dafür ein, die Risikosensitivität des Regelwerks zwar auf sinnvolle Weise zu beschränken, sie als regulatorisches Prinzip aber zu erhalten. Auf dem Programm stehen noch immer das Design und die Kalibrierung eines Output Floors für Banken, die interne Modelle verwenden. Dieser Floor soll verhindern, dass die risikogewichteten Aktiva und damit die Kapitalanforderung der Institute ungerechtfertigter Weise voneinander abweichen. Wenn wir diesen Floor zu hoch ansetzen, erdrosseln wir allerdings jede Risikosensitivität, und das wäre aus meiner Sicht als Regulierer ausgesprochen schädlich. Den Beteiligten ist klar, welche Verantwortung sie tragen. Wir wollen eine tragfähige gemeinsame Lösung – eine, mit der wir alle leben können. Das ist allerdings nicht das Gleiche wie ein Kompromiss um jeden Preis.

Auch in der Verhaltensregulierung müssen wir uns vor einer unreflektierten Rolle rückwärts hüten. Die Reformen der Nachkrisenzeit haben uns im Verbraucherschutz spürbar gestärkt – man denke nur an unsere neuen Instrumente in der Product Governance, Frau Roegele wird darauf gleich noch eingehen. Und dennoch: Auch in der Verhaltensregulierung ist hier und da zu viel des Guten getan worden.

Beispiel Information: Wurden Anleger lange Zeit schlecht informiert, werden sie mittlerweile mit Informationen überflutet – nach dem Motto „viel hilft viel“. Doch diese Fülle an Informationen hilft den Anlegern nicht, sie überfordert sie. Die europäische PRIIPs2 -Verordnung setzt nun einen neuen Akzent – und zwar indem sie standardisierte Basisinformationsblätter einführt, die sich auf die Merkmale eines Produktes konzentrieren, die für die Anlageentscheidung wesentlich sind. Die nächste Zeit wird zeigen, wie dieser Ansatz in der Praxis funktioniert. Wir werden möglicherweise auch hier nachjustieren müssen. Kleinanlegern ausreichende und zugleich verständliche und strukturierte Informationen zur Verfügung zu stellen, ist und bleibt jedenfalls ein zentrales regulatorisches Thema.

Zu den großen Herausforderungen für Beaufsichtigte wie Aufseher zählt nach wie vor auch das historisch niedrige Zinsniveau. Je länger es dauert, desto stärker belastet es die ohnehin schwache Ertragslage der deutschen Banken – vor allem der Häuser, deren Hauptertragsquelle der Zinsüberschuss ist. Das wissen wir aus unseren beiden Umfragen, und wir gehen davon aus, dass der aktuelle Stresstest, den wir Anfang April angestoßen haben, kein grundlegend besseres Bild zeichnen wird. Mehr dazu werden Sie gleich von Herrn Röseler erfahren. Unter dem wachsenden Druck des Niedrigzinsniveaus verlangen die Banken mittlerweile verstärkt Gebühren – kritisch beobachtet von einer Öffentlichkeit, die sich daran gewöhnt hat, viele Bankdienstleistungen zum Nulltarif zu beziehen. Eine verständliche, wenn auch kurzsichtige Haltung: Wer Kunde einer gesunden Bank oder Sparkasse sein will, muss akzeptieren, dass das Institut aufwandsgerechte Preise verlangt und neue Ertragsquellen erschließt, wenn alte versiegen.

Das ist das Normalste der Welt – für jedes Unternehmen in jeder Branche, die Veränderungen ausgesetzt ist. Und sobald der konjunkturelle Rückenwind abflaut, könnte der Druck auf die Institute noch einmal deutlich steigen.

Dass das Dauerzinstief auch die Lebensversicherer stark unter Druck setzt, wissen und sagen wir seit Jahren. Auf kurze und mittlere Sicht wird die Branche zwar nicht in existenzielle Nöte geraten. Risikomanagement und -bewusstsein der Versicherer haben sich deutlich verbessert, und wir gehen davon aus, dass am 22. Mai alle Unternehmen ausreichende Solvency-II-Solvenzquoten präsentieren. Mehr dazu gleich von Herrn Dr. Grund. Aber: Eine Reihe von Lebensversicherern beaufsichtigen wir besonders intensiv – und dafür haben wir gute Gründe. Einige Lebensversicherer bieten mittlerweile den Policen-Klassiker mit fester Garantie nicht mehr an – andere aber sehr wohl. Branchenweit geht der Trend hin zu Produkten ohne feste Garantien. Alles in allem wartet die Branche also mit einem stärker diversifizierten Angebot auf. Genau das verlangen wir von ihr seit Jahren.

Ein wesentliches Sicherheitspolster in der Zinsflaute ist, Sie wissen es, die Zinszusatzreserve. Rund 64 Milliarden Euro werden die Lebensversicherer darin bis Ende dieses Jahres mutmaßlich eingezahlt haben. Eine stolze Leistung – und ein wahrer Kraftakt! Den Aufbau der Zinszusatzreserve sollte man daher fortan etwas weniger kraftraubend gestalten – zumal die Unternehmen die Zinszusatzreserve zu großen Teilen aus stillen Reserven gespeist haben, was dem einen oder anderen zunehmend schwer fallen dürfte und offensichtlich nicht endlos fortgesetzt werden kann.

Nun zu einem weiteren Thema von gesellschaftlicher Relevanz: Die Informationstechnik ist heute in der Finanzwelt nicht mehr nur Nebenbedingung, um Erträge zu erwirtschaften, sondern Basisinfrastruktur für sämtliche Prozesse. Kurzum: Ohne IT läuft im Finanzsektor heute fast gar nichts mehr, was ihn aber auch verwundbar macht. Finanzdienstleister, denen Menschen ihr Geld und ihre intimsten materiellen Daten anvertrauen, zählen zu den beliebtesten Zielen von Cyberangriffen. Dringen Cyberkriminelle in das IT-System einer Bank ein, entsteht finanzieller Schaden, der Ruf des Instituts leidet, und die Kunden und Anleger verlieren das Vertrauen. Eine Cyberattacke kann sogar die Stabilität des gesamten Finanzsystems und damit der Volkswirtschaft gefährden.

Unsere Anforderungen an die Infrastruktur der Finanzdienstleister müssen daher immer auf der Höhe der Zeit sein. Wir haben daher beispielsweise unsere MaRisk, die Mindestanforderungen an das Risikomanagement, entsprechend novelliert und werden sie mit weiteren Anforderungen flankieren und konkretisieren, um den Banken eine angemessene Prävention und ein Mehr an IT-Sicherheit abzuverlangen. Wir sehen da noch großen Verbesserungsbedarf, und wer meint, er sei auf der sicheren Seite, wenn er nur hier und da ein wenig an seinem IT-System herumbastelt, sitzt einem gefährlichen Irrtum auf. Natürlich werden wir nicht bei den Banken stehenbleiben. Auch Versicherer und andere Akteure des Finanzmarkts verfügen schließlich über viele Daten – und viel alte IT. Hinzu kommt die wachsende Neigung zum Outsourcing. Fest steht: Unternehmen und Aufseher müssen zusehen, dass sie den Herausforderungen der Cyberkriminalität gewachsen sind. Diese Übung kommt dann schon eher einem Felgaufschwung am Reck nahe.

Eine Anstrengung ganz anderer Art ist es, die vom Gesetzgeber beschlossene Versorgung mit Basiskonten sicherzustellen. Näheres dazu nun von Frau Freiwald.

Béatrice Freiwald, Exekutivdirektorin Innere Verwaltung und Recht

Meine Damen und Herren, nur wer Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr hat, kann uneingeschränkt am wirtschaftlichen und sozialen Leben teilhaben. Verbraucher haben daher seit Juni vergangenen Jahres das Recht auf ein Zahlungskonto mit grundlegenden Funktionen.3 Eine Frage wird seitdem immer wieder gestellt: Wieviel darf ein solches Basiskonto kosten? Abwehrpreise dürfen die Kreditinstitute nicht verlangen, eine Höchstgrenze hat der Gesetzgeber aber bewusst auch nicht festgelegt. Das Entgelt muss angemessenen sein.4 Ist es das nicht, können wir eine Bank anweisen, ihr Entgeltmodell entsprechend anzupassen. Bei diesen Verfahren handeln wir im öffentlichen Interesse, um Funktionsmängel bei den Banken abzustellen. Dies wirkt sich dann mittelbar auch auf die einzelnen Vertragsverhältnisse der Verbraucher aus.

Wann aber ist ein Entgelt angemessen? Das Gesetz nennt zwei Kriterien, die wir bei der Beurteilung berücksichtigen: Erstens: Ein Entgelt muss marktüblich sein. Laut Gesetzesbegründung ist ein Entgelt selbst dann angemessen, wenn es für das Institut kostendeckend und angemessen gewinnbringend ist. Banken müssen also Basiskonten nicht zwangsläufig zu Konditionen anbieten, die sie zum Beispiel bei Kontomodellen verwenden, bei denen sie bewusst auf Kostendeckung verzichten. Woran orientieren wir uns also bei der Prüfung der Entgeltangemessenheit? Auch, aber nicht nur an anderen Basiskonten. Entscheidend sind vor allem die Konditionen, die auf dem Markt üblicherweise für vergleichbare Dienstleistungen verlangt werden.

Ein zweites Kriterium ist das Nutzerverhalten. Das Entgeltmodell muss sich danach richten, auf welche Art und Weise, über welches Medium und in welchem Umfang der einzelne Kunde Zahlungsdienste nutzt. Die Institute müssen also entweder unterschiedliche Angebote für unterschiedliche Nutzertypen vorhalten, was bei den allgemeinen Zahlungskonten gang und gäbe ist. Oder sie müssen in ihren Entgeltmodellen ein unterschiedliches Nutzerverhalten berücksichtigen. Sprich: Wer sein Konto wenig nutzt oder auf bestimmte Leistungen verzichtet, zahlt weniger. Dies haben vor allem (solche) Institute zu beachten, die ihren Kunden bei anderen Zahlungskonten ermöglichen, durch ihr Verhalten die Höhe des Entgelts zu beeinflussen. Wenn also Institute bei ihren allgemeinen Zahlungskonten nach Online- oder Schalternutzung unterscheiden, dürfen sie für Basiskonten nicht ausschließlich Pauschalmodelle anbieten. Zehn Institute haben wir zu ihren Entgeltmodellen bereits angehört. Die meisten haben unsere Argumente aufgegriffen und bieten mittlerweile auch für Basiskonten mindestens zwei Entgeltmodelle für unterschiedliche Nutzertypen an.

Eine Besonderheit gibt es für uns im Hinblick auf die aufsichtlichen Befugnisse, die den Zugang zum Basiskonto sicherstellen: Die Institute müssen mit allen Verbrauchern einen Basiskontovertrag abschließen, wenn die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen gegeben sind. Tun sie das nicht, können sich die Verbraucher mit der Bitte um Prüfung auch an uns wenden. Hat der Verbraucher tatsächlich das Recht auf die Einrichtung eines Basiskontos, können wir seinen Anspruch individuell durchsetzen. Wir greifen also an dieser Stelle – und nur hier – in ein einzelnes Vertragsverhältnis unmittelbar gestaltend ein.

Bislang haben wir in rund 110 Fällen die Eröffnung eines Basiskontos auf diese Art durchgesetzt. Nur 17 Mal mussten wir dies förmlich anordnen, in den anderen Fällen haben die Institute schon nach unserer Anhörung reagiert. Im ersten halben Jahr nach Einführung des Basiskontos haben sich pro Monat noch durchschnittlich knapp 40 Verbraucher mit dem Grund an uns gewandt, die Banken weigerten sich, ein Basiskonto zu eröffnen. Seit Anfang dieses Jahres sind es im Monat nur noch rund 20 Fälle. Für uns ein Zeichen dafür, dass sich Institute in das Modell „Basiskonto“ hineingefunden haben.

Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht

Die Ertragslage und die Widerstandsfähigkeit kleiner und mittlerer deutscher Kreditinstitute im Niedrigzinsumfeld zählen zu unseren großen Themen, meine Damen und Herren. Zwei Umfragen haben wir dazu schon zusammen mit der Bundesbank durchgeführt, und seit April stehen diese Themen auch im Mittelpunkt unseres gemeinsamen Stresstests.

Einen solchen Aufwand betreiben wir nicht ohne Grund. Das Dauerzinstief wirkt sich immer stärker auf die Ergebnisse der rund 1.500 Institute aus, die wir unmittelbar beaufsichtigen. Wir Aufseher müssen uns daher ein vollständiges Bild vom Ernst der Lage machen. Und da wir über das reguläre Meldewesen nicht all die Informationen erhalten, die wir dazu brauchen, müssen wir sie uns auf anderem Wege besorgen.

Natürlich haben sich manche Institute über den Aufwand beschwert. Aber mindestens ebenso natürlich achten wir darauf, dass wir die Institute so wenig wie möglich belasten. Auch hierbei gehen wir nach den Prinzipien der Proportionalität und der Verhältnismäßigkeit vor. Wir haben zudem schon sehr früh den engen Austausch mit den Verbänden, den Rechenzentren und den Instituten gesucht. In zahlreichen Runden haben wir den Beteiligten die Möglichkeit gegeben, uns ihre Sicht der Dinge darzulegen, und haben diese Sicht auch an einigen Stellen berücksichtigt.

Unser Stresstest besteht aus drei Teilen:

Im ersten Baustein fragen wir die Plan- und Prognosedaten der Kreditinstitute und fünf aufsichtlich vorgegebene Zinsszenarien für den Zeitraum von 2017 bis 2021 ab. In diesen Szenarien gehen wir davon aus, dass die Zinsen niedrig bleiben, wir haben aber auch positive und negative Zinsschocks eingebaut.

Der zweite Baustein besteht aus einem Stresstest im eigentlichen Sinne, der Zinsänderungsrisiken, Kreditrisiken und Marktpreisrisiken umfasst. Wir wollen dabei prüfen, wie widerstandsfähig die Institute sind, wenn weitere Stressfaktoren hinzukommen – etwa eine abrupte Zinswende, zunehmende Ausfälle im Kreditportfolio und plötzliche Vermögenspreisverluste.

Bei diesem Stresstest geht es übrigens nicht um Bestehen oder Nichtbestehen. Wir wollen die Risiken aus den Stressszenarien zur Bemessung der aufsichtlichen Eigenmittelzielkennziffer heranziehen.
Im dritten Baustein schauen wir auf die Vergabe von Krediten für Wohnimmobilien, Kreditvergabestandards und Belastungen aus Pensionsverpflichtungen. Alle diese Themen sind eng mit dem Niedrigzinsniveau verquickt. Die Preise für Wohnimmobilien steigen nach wie vor. Für uns ist es daher wichtig, Informationen zur Qualität der Wohnimmobilienkredite und zur Kreditvergabepolitik der Banken abzufragen.

Wir wollen erkennen, ob institutsspezifische oder gar systemische Risiken entstehen. Außerdem wollen wir herausfinden, ob Banken auf der Suche nach alternativen Ertragsfeldern ihr Kreditvolumen in einer nicht risikogerechten Weise aufblähen.

Bei unserer Abfrage zu den Pensionsrückstellungen geht es uns schließlich darum abzuschätzen, wie stark sich die Kraftanstrengungen der Institute, in Zeiten dauerhaft niedriger Zinsen den Rechnungszins für ihre Pensionsrückstellungen zu stemmen, auf die Ertragslage auswirkt.

Sie sehen, meine Damen und Herren, wir haben tatsächlich gute Gründe für unsere dritte Erhebung. Und ich bin mir sicher, dass die Mehrheit der Institute dies bestätigen wird.

Dr. Frank Grund, Exekutivdirektor Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht

Meine Damen und Herren, der deutschen Lebensversicherung ist schon oft das Totenglöcklein geläutet worden. Und doch bleibt unser grundsätzlicher Befund, dass die Branche kurz- und mittelfristig keine lebensbedrohlichen Probleme haben wird – trotz des andauernden Zinstiefs, das die Gesundheit der Lebensversicherer erheblich beeinträchtigt.

Sie haben gerade schon gehört, dass wir derzeit davon ausgehen, dass diesmal alle Lebensversicherer die Solvenzquote nach Solvency II einhalten. Das ist eine gute Nachricht. Doch wenn die Unternehmen ihre Quoten am 22. Mai veröffentlichen, sollten Sie nicht allzu viel hineingeheimnissen. Auch wenn sich die Kennzahlen grundsätzlich vergleichen lassen, zur Aufstellung einer Rangliste taugen sie nicht. Für sich genommen, isoliert sind sie nämlich nur bedingt aussagekräftig.

Wenn beispielsweise Versicherer A eine Solvenzquote von 140 ausweist und Versicherer B eine von 120, sagt das erst einmal nichts über die Portfolien der beiden. Möglicherweise ist das Geschäft von A viel volatiler als das von B. Solvency II reagiert sehr empfindlich auf Marktänderungen; B kann daher mit seinen 120 Prozent das stabilere Portfolio haben.

Hinzu kommt: Die Versicherer können bei ihrer Risikomessung verschiedene Wege gehen, und sie können Übergangsmaßnahmen nutzen. All das und noch viel mehr muss man wissen und verstehen, wenn man die Kennzahlen am 22. Mai interpretieren will.

Einige Versicherer entscheiden sich angesichts des andauernden Niedrigzinsniveaus zu einem Run-off, sie stellen also ihr Neugeschäft ein und wickeln ihren Bestand in Teilen oder ganz ab. Versicherungsnehmer reagieren darauf mitunter besorgt, auch wenn das Unternehmen weiterhin alle vertraglichen Vereinbarungen und alle aufsichtlichen Spielregeln einhalten muss. Aber der ohnehin bestehende Zielkonflikt zwischen Versicherungsnehmern und Aktionären verschärft sich, wenn mangels Neugeschäft der Wettbewerbsdruck nachlässt.

Einen externen Run-off, d.h. eine Übertragung auf eine Run-Off-Plattform, haben wir bislang erst einmal genehmigt, zwei weitere prüfen wir gerade. Von einem großen Trend ist also noch nicht viel zu sehen. Dabei können Abwicklungsplattformen durchaus ein taugliches Sanierungsinstrument sein. Ein Allheilmittel ist der Verkauf des Bestandes aber nicht. Die gesetzlichen Hürden sind so hoch, dass sich eine Übertragung für den Käufer selten lohnt. Denn die BaFin wird die Belange der Versicherten wahren, und das kann für die Übernehmer teuer werden.

Deshalb ist es wirtschaftlich nur dann sinnvoll, ein Portfolio zu übernehmen, wenn sich große Kostenvorteile erzielen lassen – durch eine besonders leistungsfähige IT oder etwa eine wesentlich schlankere Organisation. Was mir auch wichtig scheint: Run-off-Plattformen werden sicher auch prüfen, ob sie Solvency-II-Übergangsmaßnahmen in Anspruch nehmen können. Attraktiv könnten daher für die Plattformen gerade die Bestände von Unternehmen sein, die keine Übergangsmaßnahmen nutzen.

Alles in allem: Die Versicherungsnehmer können auch auf die BaFin zählen, wenn ihre Police an eine Run-off-Plattform verkauft wird oder aber der Versicherer lediglich das Neugeschäft einstellt. Wir achten auch in solchen Fällen darauf, dass die einst gegebenen Leistungsversprechen gehalten werden.

Elisabeth Roegele, Exekutivdirektorin Wertpapieraufsicht/Asset-Management

Gestern Abend, meine Damen und Herren, haben wir erstmals von unserer Möglichkeit der Produktintervention Gebrauch gemacht. Wir haben Vermarktung, Vertrieb und Verkauf von finanziellen Differenzkontrakten (Contracts for DifferenceCFDs) eingeschränkt. Kontrakte mit einer Nachschusspflicht dürfen Privatkunden vom 10. August an nicht mehr angeboten werden.

Damit haben wir bei einem der brennendsten Themen des Verbraucherschutzes einen großen Fortschritt erzielt. In CFDs mit Nachschusspflicht zu investieren, ist wie Glückspiel – mit dem entscheidenden Unterschied, dass Sie dabei nicht nur ihr eingesetztes Kapital verlieren können, sondern auch Teile Ihres restlichen Vermögens. Je nach Hebelwirkung sogar Ihr gesamtes Hab und Gut. Ein Risiko, das wir als Verbraucherschützer nicht hinnehmen können.

Wer meint, ich malte den Teufel an die Wand, sei an den Frankenschock erinnert: Als die Schweizerische Nationalbank den Franken vom Euro abkoppelte, gab es für Anleger ein böses Erwachen. Wer zuvor vierstellige Beträge investiert hatte, sollte plötzlich sechsstellige Beträge nachschießen. In allen Statistiken sehen wir, dass private Anleger beim Investment in CFDs mit Nachschusspflicht ganz überwiegend auf der Verliererseite standen.

Wir befinden uns mit unserer Entscheidung in guter Gesellschaft. Die ESMA hat schon mehrfach vor Gefahren von CFD-Geschäften gewarnt. In der Europäischen Union (EU) haben bereits Polen, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Irland, die Niederlande und Malta aufsichtliche Maßnahmen zu CFDs ergriffen oder angekündigt. In allen Ländern der EU ist das Thema auf der Tagesordnung. Auch in der Fachöffentlichkeit hat man das Problem offenbar verstanden: In etwa einem Drittel der Eingaben zu unserer Anhörung wurde die Regulierung von CFDs begrüßt. Immerhin!

Die Anbieter von CFDs mit Nachschusspflicht haben nun drei Monate Zeit, um ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Einige haben bereits Produkte ohne Nachschusspflicht im Angebot. Andere wiederum haben in Erwartung unserer Intervention angekündigt, solche Angebote zu schaffen.

Wir hoffen aber, dass wir darüber hinaus mit unserer Anhörung in der CFD-Branche einen gewissen Qualitätswettbewerb angestoßen haben. Die Reaktionen einiger Anbieter könnte man zumindest so lesen. Ich wünschte mir jedenfalls, dass die Branche nun darüber nachdenkt, wie sie ein faires und transparentes Produktangebot entwickeln kann. Davon würden nicht nur die Verbraucher profitieren, sondern auch die Anbieter selbst.

Fußnoten:

  1. 1 Capital Requirements Directive IV (CRD IV) und Capital Requirements Regulation (CRR).
  2. 2 Packaged Retail and Insurance-based Investment Products.
  3. 3 § 31 Absatz 1 Zahlungskontengesetz (ZKG ).
  4. 4 § 41 Absatz 2 ZKG.

Zusatzinformationen

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback