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Erscheinung:13.01.2015 Neujahrspresseempfang der BaFin 2015

Rede von Dr. Elke König, Präsidentin der BaFin, am 13. Januar 2015 in Frankfurt am Main

- Es gilt das gesprochene Wort -

Ich begrüße Sie herzlich zu unserem diesjährigen Neujahrsempfang, meine Damen und Herren, und wünsche Ihnen ein frohes und erfolgreiches 2015. Das alte Jahr ist wie im Fluge vergangen, und wir stehen wieder hier. Mein Direktoriumskollege Karl-Burkhard Caspari und ich zum letzten Mal, wie Sie wissen. Aber auch ohne uns wird die BaFin mit ihren qualifizierten und motivierten Mitarbeitern weiterhin ihren erfolgreichen Kurs steuern – und das auch in neuen oder gar rauen Gewässern.

In der Bankenaufsicht gibt es eine Zeit vor dem 4. November und eine danach. Seit jenem Tag im Herbst 2014 stehen die Banken der Eurozone unter der Aufsicht des SSM, des Single Supervisory Mechanism. Ein Wortungetüm, dessen deutsche Übersetzung nicht weniger sperrig ist: Einheitlicher Aufsichtsmechanismus. Möge die neue europäische Aufsicht umso effizienter funktionieren.

Die bedeutenden Institute beaufsichtigt der SSM unmittelbar, für sie gibt es nun Joint Supervisory Teams, in denen BaFin-Beschäftigte Seite an Seite mit Aufsehern aus dem gesamten Euroraum arbeiten. Die aufsichtliche Marschrichtung gibt der SSM vor. Bei der Aufsicht über die großen Banken verfolgt die neue Aufsicht – zumindest am Anfang – einen eher quantitativen, sprich: kennzahlenbasierten Ansatz. Auf den ersten Blick vielleicht ein Rückschritt. Doch bei näherem Hinsehen zeigt sich: Dieser Ansatz ist pragmatisch.

Kennzahlenbasierte Aufsicht hat den Vorteil, dass sie die Institute und ihre Risiken besser vergleichbar macht, was es wiederum erleichtert, sie auch gleich zu behandeln. Das ist sinnvoll und gewünscht. Wenn man sich dann noch anschaut, welche Aufsichtsschwerpunkte der SSM für 2015 setzen will, dann darf man die Erwartung haben, dass sich ein vollständiges, ein rundes Bild ergibt: Die neue Aufsicht wird den großen Banken unter anderem in punkto Risikosteuerung und -appetit auf den Zahn fühlen und sich mit der Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsmodelle befassen, was auch die BaFin immer getan hat und weiter tut.

Und sie wird Lehren aus dem Comprehensive Assesment ziehen, etwa was die Übergangsbestimmungen der Capital Requirements Regulation angeht, die in den einzelnen Ländern unterschiedlich gehandhabt werden. Dadurch können Unterschiede in der Berechnung der Kapitalquoten der einzelnen Banken auftreten. Auch das Thema Prudential Valuation wird eine wichtige Rolle spielen, um nur ein weiteres Beispiel zu nennen.

An den so genannten weniger bedeutenden Instituten geht die neue europäische Aufsicht auch nicht spurlos vorüber. Diese Banken beaufsichtigt der SSM zwar nur mittelbar; sie werden also weiterhin von den nationalen Aufsehern beaufsichtigt, was auch vernünftig ist. Aber der SSM wird die verschiedenen nationalen Aufsichtspraktiken vereinheitlichen und dafür sorgen, dass auch diese Institute in allen Euroländern nach einheitlichen Standards beaufsichtigt werden.

Die Europäische Zentralbank (EZB) kann uns zwar nicht anweisen, dieses zu tun und jenes zu lassen. Aber (u.a.) wenn nationale Aufseher die gemeinsamen Aufsichtsstandards verletzen, kann der SSM die Aufsicht über ein weniger bedeutendes Institut komplett an sich ziehen. Wir haben es selbst in der Hand, es so weit gar nicht erst kommen zu lassen.

Dass der SSM für den gesamten Euroraum einheitliche Standards vorgibt, ist ein erklärtes Ziel der neuen Aufsicht und auch sinnvoll – bis zu einem gewissen Grad. Die Vereinheitlichung von Regulierung und Aufsicht darf nicht in Gleichmacherei ausarten. Sie kennen mein Mantra: Nur was gleich ist, sollte gleich reguliert und beaufsichtigt werden. Gewachsene und sinnvolle nationale Besonderheiten verdienen es, als solche behandelt zu werden.

Der SSM sollte sie nicht einebnen; er sollte sie angemessen berücksichtigen. Ich meine damit auch die Besonderheiten des deutschen Drei-Säulen-Modells, das einzigartig in Europa ist – und erhaltenswert. Meine Sorge ist auch, dass aus Vereinheitlichung falsch verstandene Vereinfachung wird – Stichwort Interne Modelle. Nicht immer wird die vermeintlich einfache Regelung der komplexen Realität gerecht. Nach der Krise sind die regulatorischen Zügel kräftig angezogen worden – zu Recht. Nun ist der Zeitpunkt gekommen, einmal tief Luft zu holen und sich besonnen ans Implementieren zu begeben. Ich stimme Marc Carney, dem Vorsitzenden des Financial Stability Board (FSB) darin zu, dass 2015 das Jahr der Implementierung wird.

Besonnenheit ist auch in einer anderen Hinsicht gefordert: Der SSM ist ein Netzwerk, in dem supranationale Akteure und nationale Aufseher eng zusammenarbeiten. Ein komplexes Gebilde also, in dem jeder erst einmal seinen Platz finden muss – anfängliche Reibungsverluste inklusive. Man wird die Rollenverteilung in den Joint Supervisory Teams ebenso kritisch betrachten müssen wie die Entscheidungsprozesse im SSM. Das Supervisory Board, in dem auch die BaFin vertreten ist, wird sich mit unzähligen Vorlagen befassen müssen.

Damit ist es bekanntlich nicht getan: Verbindliche Aufsichtsentscheidungen kann nach geltender Rechtslage allein der EZB-Rat treffen. Dessen Mitglieder müssen sich also auch noch einmal über diese Vorlagen beugen. Zwar hat man, um das Board zu stärken, ein Non-objection-Verfahren eingeführt. Vorschläge des Boards gelten als angenommen, wenn der EZB-Rat nicht innerhalb von zehn Arbeitstagen widerspricht. Und ändern darf der EZB-Rat die Vorschläge auch nicht; er kann sie nur annehmen oder zurückweisen. Das ändert aber nichts an dem Risiko, dass sich das Entscheidungsprozedere zu lange hinzieht, was der Effektivität der neuen Aufsicht nicht gerade förderlich wäre. Man sollte darüber nachdenken, formale Entscheidungskompetenzen zu delegieren – an das Supervisory Board, ans gehobene Management des SSM oder gar an die Joint Supervisory Teams. Eine solche Lösung hätte zudem den Charme, dass Geldpolitik und Bankenaufsicht deutlicher voneinander getrennt wären.

Meine Damen und Herren, wer SSM sagt, muss auch SRM sagen. Der SRM, der Single Resolution Mechanism, ist die zweite Säule der europäischen Bankenunion und macht diese erst komplett. Der europäische Abwicklungsmechanismus wird – auf Basis der Bank Recovery and Resolution Directive (BRRD) – möglich machen, was lange Jahre kaum möglich war: Geraten systemrelevante Banken ins Wanken, werden wir sie künftig geordnet abwickeln können. Die Allgemeinheit soll dabei keinen Schaden nehmen, und der Steuerzahler soll geschont werden – mit allen Mitteln, die uns bald zur Verfügung stehen. Das Mittel der Wahl wird Bail in sein. Vom Bail out wollen und müssen wir uns verabschieden. Den Banken muss klar sein, dass der Staat sie nicht auffangen wird, wenn ihr Geschäftsmodell versagt. Das marktwirtschaftliche Grundprinzip der Haftung muss auch für sie gelten. Umso verantwortungsvoller werden sie mit ihren Risiken umgehen. In diesem Stabilitätsgewinn liegt für mich der größte Nutzen des SRM.

Ich sehe seine Aufgabe nämlich nicht darin, strauchelnden Instituten, die früher zu groß zum Sterben gewesen wären, ein Begräbnis erster Klasse auszurichten. Der Abwicklungsmechanismus soll präventiv und disziplinierend wirken. Das gelingt ihm, indem er – basierend auf der Sanierungsplanung der Institute – eine sorgfältige und glaubhafte Abwicklungsplanung entwickelt, was vor allem bedeutet, dass Abwicklungshindernisse frühzeitig aus dem Weg geräumt werden.

Für das berühmte Abwicklungswochenende ist entscheidend, dass Banken genügend bail-in-fähige Mittel vorhalten. Nur dann können Eigentümer und Gläubiger der Bank die Verluste tragen und die wesentlichen Funktionen des Instituts ausreichend rekapitalisiert werden. Beides ist wiederum Voraussetzung dafür, dass wir sie geordnet abwickeln können. Die europäische Abwicklungsrichtlinie sieht aus diesem Grunde vor, dass Banken einen Mindestbetrag an berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten vorhalten müssen. Das FSB geht mit seinem Vorschlag zur Total Loss Absorbing Capacity (TLAC) in die gleiche Richtung, aber noch einen Schritt weiter.

Wir werden darüber hinaus auch Regelungen brauchen, mit denen wir die Liquidität in der Abwicklung sichern können, damit wir nicht auf den Staat und die Zentralbanken zurückgreifen müssen. Auch daran arbeiten unter anderem das FSB – und ganz sicher das Single Resolution Board.

Ein weiterer Schlüssel zum Erfolg ist das reibungslose Funktionieren des Abwicklungsmechanismus. Auch im SRM dürfen die Entscheidungswege nicht zu lang sein. Eine Bankenabwicklung ist nichts, womit man sich Zeit lassen könnte. Reibungslos muss auch die Zusammenarbeit des SRM mit den nationalen Abwicklungsbehörden, der neuen europäischen Bankenaufsicht, EU-Kommission und Parlament sein. Auf diesem Gebiet haben wir sicherlich noch die eine oder andere Hürde zu nehmen.

Die Europäische Union hat mit ihrem Abwicklungsregime für die Eurozone den einzig sinnvollen Weg beschritten und einen grenzüberschreitenden Ansatz gewählt. Wir brauchen aber – das liegt in der Natur der Sache – ein globales Abwicklungsregime und weltweit einheitliche Abwicklungspraktiken. Der SRM wird sich daher als starker Verhandlungspartner positionieren und die Arbeiten im FSB vorantreiben. Da wir noch eine lange Wegstrecke vor uns haben, sollte der SRM möglichst schnell mit Drittstaaten über eine Angleichung der Systeme und Werkzeuge und eine wechselseitige Anerkennung verhandeln.

Meine Damen und Herren, brauchen wir neben der Bankenunion eine Versicherungsunion in Europa? Im Moment verfolgt die europäische Politik dieses Thema nicht. Sie hat auch keinen Grund dazu: Eine Reihe bedeutender Regulierungsvorhaben wird europa- und weltweit die Aufsicht harmonisieren und für einheitliche Eigenkapitalregeln sorgen. In Europa Solvency II und auf globaler Ebene „ComFrame“, das Gemeinsame Rahmenwerk (Common Framework), das unter anderem einen weltweit geltenden Kapitalstandard für bestimmte international tätige Konzerne umfassen wird.

Hinzu kommt, dass sich das bisherige Zusammenspiel der Versicherungsaufseher in Europa – gebündelt und gesteuert von EIOPA, der Europäischen Behörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung – bewährt hat.

Brauchen wir eine Kapitalmarktunion? Die Europäische Kommission möchte in den kommenden fünf Jahren eine solche Union schaffen. Sie will die Integration des europäischen Kapitalmarktes vorantreiben, sie will Regulierung und Aufsicht stärker harmonisieren. So soll ein Umfeld entstehen, in dem sich vor allem mittelständische Unternehmen leichter am Kapitalmarkt finanzieren können. Aus deutscher Sicht grundsätzlich eine gute Idee, an die man aber mit Augenmaß herangehen sollte. Den Handlungsdruck, den wir bei der Schaffung der Bankenunion hatten, haben wir hier nicht. Am Anfang aller Arbeiten muss eine umfassende und – wie es so schön heißt – ergebnisoffene Analyse stehen.

Welche Reformen brauchen wir wirklich? Welche Strukturen und Praktiken haben sich bewährt und sollten beibehalten werden? Diese und andere Fragen müssen geklärt sein, bevor man losläuft. Wichtig ist mir auch, dass wir im Blick behalten, welch wichtige Rolle Banken zweifelsohne auch in Zukunft bei der Unternehmensfinanzierung spielen. Und wenn wir die Verbriefungsmärkte in Europa wiederbeleben wollen, dann nur mit einer entsprechenden Regulierung, die für die gesamte EU definiert, wie „High-Quality-Verbriefungen“ auszusehen haben.

Außerdem müssen wir aufpassen, dass wir den mittelständischen Unternehmen das Leben nicht schwerer machen – etwa durch überzogene Transparenzanforderungen. Wir dürfen den Proportionalitätsgedanken nicht aus den Augen verlieren. Dass die Kommission bei ihren Plänen für die Kapitalmarktunion auch die Themen Anlegerschutz und Finanzbildung aufgreift, ist richtig und wichtig. Einige Privatanleger haben bekanntlich mit Mittelstandsanleihen Geld verloren, was auch daran lag, dass sie die Gleichung hohe Rendite = hohes Risiko nicht beachtet haben – oder nicht kannten.

Sie kennen meine Meinung: Auf transparente und faire Marktbedingungen sind alle Investoren angewiesen. Doch private Anleger brauchen einen besonderen Schutz, weil sie mit den Anbietern und den professionellen Investoren meist nicht auf Augenhöhe agieren. Sie haben nicht das gleiche Wissen, sie haben keinen vergleichbaren Zugang zu Informationen, und sie verfügen nicht über ein Heer von Experten, die ihnen helfen, das Kleingedruckte zu entziffern und die vollmundigen Renditeversprechen der Anbieter zu werten. Der Staat muss daher, ich sage das nicht zum ersten Mal, ein rechtliches Umfeld schaffen, das private Anleger in die Lage versetzt, sich ausreichend zu informieren, um ihre Anlageentscheidungen treffen zu können. Es gibt bereits zahlreiche Gesetze, die private Anleger schützen, weitere sind in Arbeit. Zu den Ansatzpunkten zählen der Vertrieb und das Produktdesign – etwa bei der MiFID II. Doch was nützen all diese Regelungen, wenn Anleger die vielen Informationen nicht verstehen?

Soziologie war nie mein Spezialgebiet und auch nicht mein Hobby. Doch ein Satz Theodor W. Adornos hat es mir angetan: „Mündig ist der, der für sich selbst spricht, weil er für sich selbst gedacht hat und nicht bloß nachredet.“ Für sich selbst denken und nicht bloß nachreden – das erwarte ich auch von Verbrauchern, von privaten Anlegern. Das Wissen von Anbietern und professionellen Investoren werden die meisten von ihnen nie haben, gewisse Grundkenntnisse sollten sie sich aber aneignen. Die zu vermitteln ist auch Aufgabe des Staats.

Meine Damen und Herren, ein Marktsegment, auf dem Anleger bislang nicht ausreichend geschützt waren, ist der Graue Kapitalmarkt. Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz, das noch vor der Sommerpause in Kraft treten soll, will der Gesetzgeber das ändern. Über das Gesetzesvorhaben wird viel und heftig diskutiert. Wie weit geht die Bundesregierung in ihrem Entwurf? Sie hätte eine radikale Richtung einschlagen und den Grauen Kapitalmarkt für Privatanleger komplett sperren können. Dafür hätte sie wahrscheinlich sogar Applaus bekommen. Doch sie hat sich anders entschieden – aus gutem Grund: Die Lösung kann nicht darin bestehen, private Anleger von diesem Segment fernzuhalten. Das käme einer Entmündigung gleich. Es muss ein ausgewogenes Verhältnis geben zwischen staatlicher Regulierung und Eigenverantwortung.

Genau darum geht es auch beim Kleinanlegerschutzgesetz. Ich will nur einige Stichpunkte nennen: erweiterte Prospektpflichten, aktuellere Informationen für Anleger, strengere Vorgaben für Vertrieb und Werbung und mehr Eingriffsbefugnisse für uns.

Verbraucher dürfen also von uns noch mehr Schutz erwarten, als wir bislang bieten konnten – und durften. Ich muss aber vor falschen Hoffnungen warnen. Anbieter und Emittenten von Vermögensanlagen werden wir weiterhin nicht beaufsichtigen. Sie müssen uns zwar vor ihrem öffentlichen Angebot einen Prospekt vorlegen und – wenn wir ihn gebilligt haben – veröffentlichen. Ein Urteil darüber, ob die Anlage wirtschaftlich sinnvoll und erfolgversprechend ist, geben wir aber nach wie vor nicht ab, und das kann auch nicht unsere Aufgabe sein.

Die BaFin wird auch weiterhin nicht den einzelnen Anleger oder Kunden schützen, indem sie ihm zu seinem Recht verhilft – das ist Sache der Ombudsleute und der Gerichtsbarkeit. Wir sind weiterhin allein im öffentlichen Interesse tätig und dem kollektiven Verbraucherschutz verpflichtet. Das allerdings stärker als bislang: Der kollektive Verbraucherschutz wird nun als weiteres Aufsichtsziel der BaFin gesetzlich verankert und umfasst künftig alle Aufsichtsbereiche. Damit nimmt der Gesetzgeber uns noch stärker in die Pflicht und stärkt uns zugleich den Rücken.

Wir leisten gerne unseren Beitrag, denn wir sind – das sage ich nicht zum ersten Mal – Verbraucherschützer aus Überzeugung. Wertvolle Impulse erhoffe ich mir auch vom Finanzmarktwächter. Wenn dann noch die Verbraucher für sich selbst denken und nicht bloß nachreden, wenn sie also ihren Teil der Verantwortung tragen, dann sind wir einen großen Schritt weiter.

Meine Damen und Herren, nun zu einem aufsichtlichen Dauerbrenner: dem niedrigen Zinsniveau. Es ist wie mit einer Medizin. Je länger man sie nimmt, desto deutlicher zeigen sich die Nebenwirkungen – bei allen betroffenen Unternehmen. Vor allem für die Lebensversicherer ist die Lage schwierig. Unsere Stresstests und Prognoserechnungen zeigen zwar nach wie vor, dass die Unternehmen kurz- bis mittelfristig ihre Leistungsversprechen erfüllen können. Aber: Die Erträge der Kapitalanlagen gehen schneller zurück als die garantierten Zinsen im Bestand. Wie geht es also weiter? Und – besonders wichtig – wie geht es in Zeiten von Solvency II weiter? Das wollten wir wissen und haben im Spätsommer vergangenen Jahres die Unternehmen befragt, wie ihre Eigenmittelausstattung unter Solvency-II-Bedingungen aussähe.

Das Ergebnis: Die deutschen Lebensversicherer insgesamt können den Einstieg in das neue Aufsichtszeitalter bewältigen – dank der Übergangsregelungen und der Volatilitätsanpassung, die das Regelwerk nun vorsieht. Nur sehr wenige Unternehmen konnten trotz dieser Maßnahmen keine ausreichenden Eigenmittel nachweisen; ihr Marktanteil liegt zusammengerechnet nicht einmal bei einem Prozent. Leider sind die Kapitalmarktzinsen seit unserer Erhebung weiter gesunken, was heißt, dass wir deren Ergebnisse noch einmal kritisch hinterfragen müssen. Sicher ist schon jetzt: Wenn die Zinsen weiter so niedrig bleiben, werden sich die Lebensversicherer in der 16-jährigen Übergangsphase sehr anstrengen müssen, um ihre Kapitalbasis hinreichend zu stärken.

Was können wir tun? Herzlich wenig, was die eigentlichen Ursachen des Problems angeht. Was nicht heißt, dass wir hilflos wären. An dieser Stelle möchte ich noch einmal das Loblied auf die Zinszusatzreserve anstimmen, die die Lebensversicherer seit dem Geschäftsjahr 2011 aufbauen müssen, um ihre Deckungsrückstellung zu stärken und damit die Stillen Lasten der Passivseite zu kompensieren, die sich aufgrund der gesunkenen Zinserwartungen ergeben. Die Zinszusatzreserve dürfte Ende 2014 insgesamt einen Betrag von etwa 20 Mrd. € erreicht haben. Allein 2013 haben die Unternehmen hierfür rund sechs Mrd. Euro aufgewendet. Im Jahr 2014 dürfte es noch etwas mehr sein, die endgültigen Zahlen liegen noch nicht vor. Auch ich weiß, dass die Versicherer diese Summe erst einmal erwirtschaften müssen. Aber ich bleibe dabei: Die Zinszusatzreserve ist ein sinnvolles Instrument. Sie darf nur nicht das einzige bleiben.

Vor allem ist die Branche selbst gefragt. Kosten zu senken mag ein Mittel sein. Vor allem aber muss sie Produkte entwickeln, die dem Marktumfeld – sprich: den niedrigen Zinsen – ebenso gerecht werden wie den künftigen regulatorischen Anforderungen. Zugleich muss sie natürlich die Bedürfnisse der Kunden befriedigen, und die wünschen sich heutzutage Sicherheit und Rendite, aber auch mehr Flexibilität. Die MiFID II wird die Versicherer – wie andere Anbieter auch – demnächst sogar dazu verpflichten, sich schon bei der Produktentwicklung an den Interessen der Verbraucher zu orientieren, was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte.

Dennoch: Ein begrüßenswerter Schritt in bester Absicht. Er darf nur nicht dazu führen, dass wir Markthindernisse aufbauen oder durch die Hintertür die Produktkontrolle wieder einführen. Wir dürfen die Unternehmen auch nicht mit übermäßigen administrativen Anforderungen lähmen und ihren Innovationseifer dadurch ersticken. Alles eine Frage der Balance.

Erste Schritte in Richtung neuer Produkte haben die Unternehmen schon 2013 unternommen. Dabei hat sich wieder einmal gezeigt, welch wichtige Rolle Vertrauen spielt. Objektiv können sich die Kunden auf ein Leistungsversprechen verlassen. Subjektiv empfinden sie viele Produkte als unverständlich und zu komplex. Die Unternehmen müssen ihre Produkte für den Kunden verständlich machen, damit diese ihren Nutzen nachvollziehen können. Transparenz im Vertrieb ist das A und O. Die europäische Vermittlerrichtlinie wird hierfür neue Leitplanken vorgeben. Auch hierbei ist es wichtig, die Balance zu halten: die Balance zwischen den berechtigten Interessen der Kunden und dem berechtigten Interesse der Unternehmen an einem funktionierenden Vertrieb.

Meine Damen und Herren, auch für die deutschen Banken zählt das niedrige Zinsniveau zu den größten Herausforderungen. Traditionell macht der Zinsüberschuss rund 70 Prozent der operativen Erträge der deutschen Institute aus und ist damit ihre mit Abstand wichtigste Ertragsquelle. Unter anderem aus diesem Grund erzielen sie im internationalen Vergleich in punkto Profitabilität keine Traumnoten. Das Zinsergebnis auch nur zu halten, ist beim derzeitigen Zinsniveau eine Herausforderung, und das Ertragspotential aus der Fristentransformation dürfte sich weiter verringern. Eine plötzliche Wendung in der Zinspolitik könnte vor allem die Banken vor Probleme stellen, die langfristige Finanzierungen anbieten.

Also auf zu neuen Ertragsquellen? Angesichts der Bankendichte hierzulande und des daraus resultierenden harten Wettbewerbs nicht unbedingt ein Weg, der große Erfolge verheißt. Sich über maßgeschneiderte Produkte erfolgreich von der Konkurrenz abzusetzen, ist nur schwer möglich. Es besteht daher zumindest die Gefahr, dass Banken bei ihrer Suche nach Erträgen allzu kurzatmig agieren und auf lange Sicht massive Risikopositionen aufbauen, die in keinem Verhältnis zu ihren kurzfristig erzielten Erfolgen stehen. Hier sind wir wieder bei der viel beschworenen Nachhaltigkeit der Geschäftsmodelle gelandet, mit der die BaFin sich sehr intensiv beschäftigt und die der SSM zu einem aufsichtlichen Schwerpunktthema gemacht hat.

Auch an der Kostenschraube können die Institute drehen. Fusionen können dabei helfen, ein Allheilmittel sind sie aber nicht. Die viel beschworenen Synergieeffekte sind oft allzu flüchtig. Und: Aus zwei hässlichen Entlein wird nicht automatisch ein schöner Schwan. Auch über ihre Präsenz in der Fläche können die Institute nachdenken. Ein weiterer Ansatzpunkt: Banken sollten für ihre Dienstleistungen grundsätzlich risiko- und kostengerechte Preise verlangen. So viel zur Theorie. Risiko- und kostengerechte Preise sind wegen des harten Wettbewerbs hierzulande häufig nicht durchsetzbar.
In anderen Ländern sieht es ähnlich aus. Über Girokonten, Depots oder Kreditkarten zum Nulltarif mögen sich die Kunden freuen, wirtschaftlicher Logik entsprechen sie nicht, und Cross-Selling löst das Problem auch nicht immer.

Wenn ich von niedrigen Zinsen spreche, meine Damen und Herren, kann ich die Bausparkassen nicht unerwähnt lassen. Dass auch sie unter dem Niedrigzinsniveau leiden, ist nicht überraschend. Anders als andere Institute können sie sich keine neuen Geschäftsfelder erschließen. Das Bausparkassengesetz erlaubt ihnen nur Geschäfte mit wohnwirtschaftlichem Bezug und beschränkt ihre Anlagemöglichkeiten auf risiko- und damit renditearme Investments. Was die Bausparkassen können: Sie können neue Tarife entwickeln. Im vergangenen Jahr haben das wieder etliche Bausparkassen getan und neue, deutlich niedriger verzinste Bauspartarife eingeführt. Ein zentrales Problem haben sie damit nicht gelöst: dass die hoch verzinsten Altbausparverträge, die sie nach wie vor in ihren Beständen haben, auf ihre Erträge drücken. Viele Bausparkassen greifen daher zu einem anderen Mittel. Sie kündigen Verträge – nicht wegen Übersparung, wie in der Vergangenheit, sondern aus einem anderen Grund: Bausparer nehmen die Zuteilung eines Bauspardarlehens nicht an, obwohl der Bausparvertrag schon seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif ist, und nutzen ihren Bausparvertrag als Spareinlage. Dazu sind Bausparverträge nach Ansicht der Bausparkassen nicht da.

Über Wochen hat sich hartnäckig das Gerücht gehalten, wir hätten die Bausparkassen zur Kündigung aufgefordert. Das haben wir natürlich nicht. Solche Entscheidungen treffen die Institute in eigener Verantwortung. Ob die Kündigungen zivilrechtlich zulässig sind, müssen – wie immer, wenn es um Kündigungen geht, – die Gerichte entscheiden.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, die neuen Themen sind die alten. Die fortschreitende Internationalisierung der Aufsicht, der Verbraucherschutz, das Bemühen um angemessene Aufsichtsansätze und das Niedrigzinsniveau. Statt diese Liste nun weiter fortzusetzen, möchte ich mich lieber mit Ihnen austauschen, meine Damen und Herren. Ich bin mir sicher, dass wir interessante Gespräche führen werden. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

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