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Erscheinung:21.06.2021 | Thema Verbraucherschutz „Das ist Verbraucherschutz“

Informieren und zahlen oder nachbessern – die BaFin nimmt bei Prämiensparverträgen mit unwirksamen Zinsanpassungsklauseln die Banken in die Pflicht. Zu den Hintergründen äußert sich Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch im Interview.

Die BaFin verpflichtet Kreditinstitute dazu, ihre Kundinnen und Kunden zu informieren, wenn ihre Prämiensparverträge unwirksame Zinsanpassungsklauseln enthalten. Dazu hat die Aufsicht am 21. Juni 2021 eine Allgemeinverfügung veröffentlicht. Danach müssen die betroffenen Institute den Sparern auch erklären, ob sie durch die verwendeten Klauseln zu geringe Zinsen erhalten haben. Sollte das der Fall sein, gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder müssen die Banken den Kunden unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern. Oder sie müssen ihnen einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten, der die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BHG) aus dem Jahr 2010 (Urteil vom 13.04.2010 – XI ZR 197/09) berücksichtigt.

Zum Hintergrund: Ein Prämiensparvertrag ist eine langfristige Sparform mit variabler Verzinsung und gleichbleibender Sparleistung. Kundinnen und Kunden erhalten zusätzlich zum Zins eine Prämie, die meist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt ist. Viele Kreditinstitute haben Zinsanpassungsklauseln verwendet, die ihnen einräumten, die vertraglich vorgesehene Verzinsung einseitig zu ändern. Diese Praxis hat der BGH 2004 für unwirksam erklärt. In späteren Entscheidungen 2010 und 2017 hat er sich dann zu den Anforderungen an solche Klauseln geäußert.

Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Abwicklung und derzeit auch oberster Wertpapieraufseher und Verbraucherschützer der BaFin, erläutert im Interview, warum die Aufsicht die Banken jetzt in die Pflicht nimmt.

Herr Dr. Pötzsch, warum hat die BaFin jetzt eine Allgemeinverfügung herausgegeben?

Dr. Thorsten Pötzsch: Weil wir die Aufgabe haben, Verbraucher angemessen zu schützen. Uns war klar: Wir haben hier einen Missstand, den wir beheben müssen. Das scharfe Instrument der Allgemeinverfügung haben wir aber nicht sofort gezückt. Erstmal haben wir versucht, mit den Banken eine einvernehmliche Lösung im Sinne der Kunden zu finden.

Schon im Februar 2020 haben wir die Banken aufgefordert, ihre Kunden über unwirksame Zinsklauseln in Prämiensparverträgen zu informieren und ihnen angemessene Lösungen anzubieten. Ende November 2020 haben wir dann die Verbände der Kreditwirtschaft und Verbraucherschutzorganisationen an einen Runden Tisch eingeladen. Am Ende des Gesprächs war klar: Auf diesem Wege kommen wir nicht zum Ziel.

Wir sind dann mehrgleisig gefahren: Anfang Dezember 2020 haben wir Verbraucherinnen und Verbraucher aufgerufen zu schauen, ob ihre Prämiensparverträge Zinsanpassungsklauseln enthalten, die der BGH für unwirksam erklärt hat. Parallel dazu haben wir eine Allgemeinverfügung entworfen, die wir Ende Januar 2021 zur Konsultation gestellt haben.

Mit der Allgemeinverfügung, die wir jetzt erlassen haben, sorgen wir flächendeckend dafür, dass betroffene Kunden informiert und rechtmäßig behandelt werden. Die Banken müssen ihnen entweder unwiderruflich eine Zinsnachberechnung zusichern oder aber einen Änderungsvertrag mit einer wirksamen Zinsanpassungsklausel anbieten. Maßstab ist die Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 2010. Das ist Verbraucherschutz, was wir hier tun. Verbraucherschutz, der wirkt.

Erwartet die BaFin, dass die betroffenen Banken gegen die Allgemeinverfügung vorgehen? Welche Rechtsmittel gibt es?

Dr. Thorsten Pötzsch: Damit ist zu rechnen, ja. Die Banken können Widerspruch einlegen. Das werden sicher einige tun. Wir werden jeden Widerspruch prüfen und jedem Institut dann einen Widerspruchsbescheid schicken. Einige Banken werden sich damit vermutlich an das Verwaltungsgericht wenden. Das ist übliches Prozedere im Rechtsstaat.

Glauben Sie, dass die Allgemeinverfügung einer gerichtlichen Betrachtung standhält?

Dr. Thorsten Pötzsch: Davon gehe ich aus, sonst wären wir damit nicht angetreten. Aus meiner Sicht ist die Allgemeinverfügung handwerklich sauber verfasst worden.

Der BGH hat im April entschieden, dass Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bank unwirksam sind, die ohne inhaltliche Einschränkung die Zustimmung des Kunden zu Änderungen der AGB und Sonderbedingungen fingieren. Plant die BaFin zur Umsetzung dieses Urteils auch eine Allgemeinverfügung?

Dr. Thorsten Pötzsch: Das prüfen wir noch. Wir schießen auch hier nicht aus der Hüfte. Aktuell beschäftigen wir uns sehr intensiv mit der Urteilsbegründung. Wir schauen, welche konkreten Folgen das Urteil für Kundinnen und Kunden hat, welche Ansprüche sie unter Umständen haben. Und selbstverständlich achten wir auch darauf, ob und wie die Banken die BGH-Entscheidung beachten und umsetzen. Fest steht: Wenn wir Maßnahmen ergreifen müssen, werden wir das tun. Unabhängig davon kann ich Kunden nur raten, eventuelle Ansprüche bei ihrer Bank geltend zu machen.

Prallen bei beiden Themen nicht die Interessen von Verbraucherschutz und Solvenzaufsicht aufeinander? Die BGH-Rechtsprechung zu den Zinsanpassungsklauseln und zu den AGB wird nicht spurlos an den Banken vorübergehen.

Dr. Thorsten Pötzsch: Es ist richtig, dass Belastungen betroffener Banken durch etwaige Rückforderungen, soweit diese eine gewisse Größenordnung erreichen, auch unter dem Gesichtspunkt der Solvenzaufsicht betrachtet werden können. Als integrierte Aufsicht sind wir aber zum Glück in der Lage, beiden Mandaten gerecht zu werden. Wir stehen hier in einem sehr engen Austausch mit meinem Direktoriumskollegen Raimund Röseler und dem Geschäftsbereich Bankenaufsicht.

Zusatzinformationen

Allgemeinverfügung bezüglich Zinsanpassungsklauseln bei Prämiensparverträgen

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