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Erscheinung:22.02.2016 „Wir können Vertrauen nicht einfach herbeiregulieren“

BaFin-Präsident Felix Hufeld äußert sich im Gespräch mit Meike Schreiber und Markus Zydra von der Süddeutschen Zeitung unter anderem zur Lage der Banken, zur Regulierung und zur europäischen Bankenaufsicht.

Herr Hufeld, Europas Banken stehen derzeit unter Generalverdacht. Droht eine neue Finanzkrise?
Hufeld: Nein, die derzeitigen Ausschläge an den Aktienmärkten spiegeln nicht die fundamentalen Fakten wider, so wie wir sie in den Bilanzen sehen.

Das heißt, Sie lehnen sich entspannt zurück?
Natürlich nicht. Wir haben ein hypernervöses Marktumfeld. Wir sprechen daher selbstverständlich mit den Instituten. Aber das tun wir ohnehin ständig, und wir glauben nicht an eine krisenhafte Zuspitzung, die mit 2008 vergleichbar wäre. Insofern ist es wichtig, das, was gerade passiert, gut zu erklären. Diese Aufgabe betrifft die Institute, aber auch uns Aufseher.

Die Deutsche Bank hat so viel kommuniziert wie nie in den vergangenen Tagen, sogar Selbstverständlichkeiten, dass sie bestimmte Anleihen bedienen kann. Das werteten viele aber erst recht als Alarmzeichen. War das richtig?
Wir kommentieren nicht, was einzelne Institute tun. Grundsätzlich lautet die Antwort aber: In einem hochvolatilen Umfeld kann das sinnvoll sein.

Was sind denn die Gründe für den Mini-Crash?
Es gibt eine Mehrzahl von Gründen. Das ist wie immer in solch exzessiven Phasen. Da gibt es zum einen Marktteilnehmer, die ganz gezielt auf den Kursverfall wetten. Und dann gibt es welche, die generell besorgt sind wegen bestimmter makroökonomischer Indikatoren. Die harten Fakten aber weisen ganz eindeutig in eine positivere Richtung.

Viele Banken sagen: Wegen all der neuen Finanzmarktregeln können wir gar kein Geld mehr verdienen, und weil die Investoren das jetzt merken, fallen die Aktienkurse.
Das sehe ich anders. Hier sollte man Ursache und Wirkung nicht verwechseln. Die Finanzregulierung musste zwingend auf offensichtliche Mängel reagieren. Dabei haben wir in den vergangenen Jahren elementare Fortschritte gemacht. Die Banken sind besser mit Kapital und Liquidität ausgestattet. Keine Bankaktie fällt, weil die Bank jetzt besser mit Kapital ausgestattet ist.

Ist es eigentlich gefährlich für die betroffenen Institute, wenn ihre Aktien- und Anleihekurse so stark fallen?
Zunächst einmal nur sehr eingeschränkt, solange die Bank nicht unmittelbar und in großem Umfang frisches Kapital aufnehmen muss. Und natürlich auch nur, solange sich die Ratings der Banken nicht stark verschlechtern. Ganz entscheidend ist die Frage, ob sich im operativen Geschäft etwas verschlechtert. Wir beobachten zum Beispiel genau, ob die Investoren einem Institut Liquidität entziehen.

Das heißt, Sie lassen sich in solchen turbulenten Zeiten mehrfach am Tag die Liquiditätspositionen der betroffenen Banken geben?
Wir lassen uns grundsätzlich regelmäßig von den Banken berichten, wie ihre Liquidität aussieht.

Gibt es denn genug Abwehrmechanismen, um Banken vor einem irrationalen Herdentrieb zu schützen?
Wer meint, er könne den Markt von göttlicher Warte aus steuern, liegt falsch. Aber natürlich nehmen wir bestimmte Institute oder Institutsgruppen besonders genau in den Blick, wenn Gefahr droht. Aber: Es gibt keine Garantie. Das ist eine Schimäre. Entscheidend ist daher, dass das System so robust ist, dass es solche schwierigen Situationen überstehen kann. Von vorneherein ausschließen kann man solche Situationen nicht.

Auslöser einer Krise kommen manchmal aus unerwarteten Ecken. In den letzten Wochen waren es die so genannten Coco-Anleihen, die im Notfall in Eigenkapital verwandeln und dadurch die Institute stärken. Jetzt aber haben sie dramatisch an Wert verloren und stattdessen die Panik verstärkt. Haben sie den Praxistest nicht bestanden?
Klar ist: Coco-Anleihen sind Risikopapiere. Man bekommt eine hohe Rendite, daher sind sie auch nicht für sicherheitsbewusste Investoren geeignet. Das betrifft nicht nur private Investoren, sondern zum Beispiel auch kleinere oder mittelgroße Lebensversicherer. Die sollten solche Papiere nicht kaufen.

Wissen Sie denn, wer diese Papiere gekauft hat?
Wir kennen nicht jeden Einzelinvestor, aber wir haben eine gewisse statistische Klarheit darüber. Nicht ganz überraschend: Den großen Teil der Papiere haben Fonds gekauft, die landläufig oft dem Schattenbankensektor zugeordnet werden. Da sieht man mal, wie kompliziert Regulierung ist. Die bösen, spekulativen Schattenbanken sind auf einmal willkommene Investoren, weil sie der Sicherheit des Banksystems dienen.

Ist das nicht ein Problem?
Ich bewerte das nicht, aber es ist ein Beispiel, dass die Welt nicht so schwarz-weiß ist, wie viele glauben. Manch einer tut ja so, als würden diese Fonds im Halbschatten nur dubiosen Geschäften nachgehen. Viele aber sind in Wahrheit hochreguliert. Sie haben ihre Berechtigung im Gesamtmarktgefüge. Wir würden schlechter dastehen, wenn es sie nicht gäbe.

Wie gut ist das Bankensystem heute gegen einen zweiten Lehman-Fall gewappnet?
Wir stehen heute viel besser da als damals. Wir haben enorme Fortschritte gemacht. Absolute Garantien gibt es aber natürlich keine. Wir dürfen nicht vergessen, was das Herzstück des Finanzsystems ist: Vertrauen. Wir können Vertrauen nicht einfach herbeiregulieren, wir können nur die Bedingungen dafür schaffen. Wenn aber das Vertrauen fundamental zusammenbricht, sind Sie machtlos. Das lässt sich nicht aufhalten.

Inwiefern?
Die Institute haben deutlich mehr Kapital und die Zentralbanken stellen viel mehr Liquidität bereit. Es gibt jetzt außerdem im Euroraum eine gemeinsame Aufsicht und eine Behörde für Bankenabwicklung. Wir können jetzt im Krisenfall viel mehr tun. Die Situation ist heute also definitiv nicht mit 2008 vergleichbar.

Wie muss man sich die Arbeit der neuen Bankenaufsicht unter dem Dach der EZB denn vorstellen. Da sitzen Aufseher aus 19 Staaten an einem Tisch, nicht mehr nur die nationalen Aufseher. Ist das ein Kulturschock?
Es ist in der Tat eine ganz neue Aufgabe, auf europäischer Ebene operativ die Banken zu beaufsichtigen. Man trifft ständig Entscheidungen zu einzelnen Banken. Das ist ein ständiges Zusammenraufen, da gibt es auch Unstimmigkeiten. Aber die Aufgabenstellung erzeugt auch einen heilsamen Zwang, sich zu einigen. Die Sandkörner, die im Getriebe der europäischen Bankenaufsicht noch da sind, werden wir rausholen, bis es irgendwann ein summendes Maschinchen wird.

Lässt es den deutschen Aufseher kalt, wenn Aufsichtsgremium auch Vertreter anderer Nationen mitreden, wenn es um die Rettung eines deutschen Instituts geht?
Man darf nicht glauben, dass die 19 Vertreter an der Garderobe ihre nationale Identität abgeben. Das geht nicht und wäre auch nicht hilfreich. Das nationale Hintergrundwissen, das jeder mitbringt, ist unerlässlich, wenn es darum geht, eine tragfähige Lösung zu entwickeln. Das ist das Geheimnis von Europa insgesamt.

Die Bafin hat Macht verloren, die EZB kontrolliert jetzt die Großbanken. Wie motivieren Sie ihre Mitarbeiter?
Wir müssen die Stärke der Bafin nun europäisch ausspielen. Über Jahrzehnte war die Bankenaufsicht eine rein nationale Sache. Man schrieb einen brillanten Vermerk, der drei Etagen nach oben eskaliert und abgezeichnet wurde. Heute müssen wir unsere Kompetenz in viel komplexeren Entscheidungsstrukturen durchbringen. Das erfordert eine Umstellung.

Gibt es die perfekte Aufsicht?
Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass Bankenaufsicht nur eine mechanistische Anwendung von Modellen wäre, wo am Ende ein bestimmtes Ergebnis ausgespuckt wird. Man wird als Aufseher unter Berücksichtigung der Faktenlage immer auch sein Urteilsvermögen, sprich seine Erfahrung mit einbringen müssen.

Mit den neuen Spielern in der Finanzbranche, den Fintechs, haben Sie aber kaum Erfahrung. Ein Problem?
Nein, die Finanzindustrie ist reguliert, und wer sich da tummelt, muss sich den Regeln unterwerfen. Das gilt auch für Fintechs.

Herr Hufeld, Sie haben als Anwalt gearbeitet, bei einer Bank, bei einer Beratungsgesellschaft und in der Versicherungsbranche. Sind Sie als Behördenchef jetzt dort angekommen, wo Sie hinwollten?
Die mittlerweile drei Jahre bei der Bafin waren eine grandiose Erfahrung. Man sieht Sachverhalte plötzlich aus der öffentlichen Perspektive. Das ist eine Bereicherung. Am Anfang hatte ich Sorge, ob die Aufgabe genug Internationalität mit sich bringt. Das war unbegründet. Regulierung ist eine europäische und globale Aufgabe. In diesen internationalen Strukturen fühle ich mich wohl und kann meine Erfahrungen aus der Zeit als Manager einbringen.

Was treibt Sie an?
Die Gestaltungsmöglichkeit. Ich arbeite eng mit den Ministerien, Ausschüssen, dem Parlament und den Abgeordneten zusammen. Ich lerne, wie in der Politik entschieden wird. Das war neu für mich.

Als Unternehmensberater haben Sie doch früher bestimmt mal über Politiker und Beamte gelästert?
Mir fallen da bestimmte Kommentare ein, die im Rückblick weitgehend falsch waren. Ich sehe die Welt jetzt anders. Ich bedauere es sehr, dass es in Deutschland ein tiefes Nichtverstehen zwischen der Welt der Wirtschaft und der Welt der Politik gibt.

Woran liegt das?
Das hat nichts mit mangelnder Intelligenz zu tun – in beiden Welten gibt es sehr schlaue Menschen. Doch sie sprechen in unterschiedlichen Sprachen und verstehen sich nicht. Ich merke nun, dass es gar nicht so schwer ist, den anderen zu verstehen. Man muss sich nur auf seinen Code einlassen.

Sind Sie angesichts ihrer vielen Jobwechsel ein unruhiger Typ?
Im Rückblick hat es wohl den Anschein, obwohl ich diese Wechsel nie so geplant hatte. Als ich 1999 zur Dresdner Bank kam, da dachte ich, bei dieser ehrwürdigen Bank ginge ich später auch in Rente. Tatsächlich habe ich das Institut nach drei Jahren verlassen, weil sich die Parameter der Bank fundamental verschoben hatten. So hatte ich Gelegenheit, in der Versicherungswirtschaft zu arbeiten. Auch diese Erfahrung kommt mir jetzt zugute.

© Süddeutsche Zeitung GmbH, München. Mit freundlicher Genehmigung von http://www.sz-content.de (Süddeutsche Zeitung Content).

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