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Erscheinung:05.12.2011 Prüfergebnisse der BaFin zu den Informationsblättern nach § 31 Abs. 3a WpHG

Bericht über die Prüfergebnisse der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zu den von Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten verwendeten seit Juli 2011 gesetzlich vorgeschriebenen Informationsblättern nach § 31 Abs. 3a WpHG

I. Einführung

Mit dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz vom 5. April 2011 (BGBl. I S. 538) wurden Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit Wirkung zum 1. Juli 2011 verpflichtet, ihren Kunden bei der Anlageberatung ein „kurzes und leicht verständliches“ Informationsblatt („Produktinformationsblatt“) zu den Finanzinstrumenten zur Verfügung zu stellen, die Gegenstand einer Kaufempfehlung sind. Durch dieses Informationsblatt soll für die Anleger eine Vergleichbarkeit zwischen unterschiedlichen Finanzinstrumenten hergestellt werden.

Das Gesetz selbst enthält allgemeine Anforderungen an das Informationsblatt, die durch die zeitgleich mit der gesetzlichen Regelungen in Kraft getretenen Änderung der Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung hinsichtlich bestimmter Aspekte des Inhalts und des Aufbaus konkretisiert worden sind. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist für die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zu Informationsblättern und für die Auslegung der durch Rechtsverordnung konkretisierten gesetzlichen Vorschriften zuständig.

Der Begründung des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetzes entsprechend hat die BaFin bereits ab dem ersten Geltungstag des Gesetzes von Instituten eingesetzte Informationsblätter nach § 31 Abs. 3a Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) auf ihre Vergleichbarkeit hin überprüft. Grundlage der Prüfung waren die Antworten auf Auskunfts- und Vorlageersuchen, die die BaFin an 180 Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute gerichtet hat. Da nicht alle Institute Anlageberatung für alle angefragten Gruppen von Finanzinstrumenten erbringen, erstreckte sich die Prüfung auf je 120 bis 130 Produktinformationsblätter zu Aktien, zu Anleihen und zu einem Zertifikat mit einem marktbreiten Börsenindex als Basiswert.

II. Wesentliche Ergebnisse der Prüfung

Zunächst ist positiv zu bewerten, dass der vom Gesetzgeber vorgegebene Umfang für ein Informationsblatt (zwei bzw. drei Seiten) in den allermeisten Fällen eingehalten wurde. Positiv ist auch, dass ein Großteil der untersuchten Informationsblätter eine Gliederung aufwies, die dem von der Deutschen Kreditwirtschaft entwickelten Standard entsprach.

Allerdings erfüllen die Informationsblätter die Funktion, dem Kunden ein hinreichendes Verständnis der verschiedenen Finanzinstrumente und vor allem einen Vergleich der Produkte untereinander zu ermöglichen, nur unzureichend. Nach den Feststellungen der BaFin sind die von den Instituten eingesetzten Informationsblätter in vielen Fällen nur eingeschränkt vergleichbar.

Folgende Problembereiche wurden festgestellt:

1. Mangelnde Individualisierung

  • In wenigen Einzelfällen wurden Informationsblätter nicht für einzelne Finanzinstrumente (z.B. für eine bestimmte Aktie), sondern pauschal für die Wertpapiergruppe (z.B. alle Aktien) erstellt.
  • Oftmals erfolgte im Hinblick auf die mit dem Erwerb des empfohlenen Wertpapiers verbundenen Kosten nur ein abstrakter Verweis auf das Preis- und Leistungsverzeichnis des Instituts und/oder auf Auskünfte des Anlageberaters. In anderen Fällen geben die Informationsblätter die Kosten lediglich als Maximal- oder Durchschnittsangaben an mit Umschreibungen wie „bis zu“, „in der Regel“ oder „unter Umständen“.

    Nach BaFin-Auslegung der durch die Verordnung konkretisierten gesetzlichen Vorschriften sind die mit der Anlage verbundenen Kosten jedoch in der Form auszuweisen, dass entweder die tatsächlichen Kosten oder eine Prozentangabe auf den Anlagebetrag im Informationsblatt genannt werden.

    Im Hinblick auf die Verwahrungskosten und die Nebenkosten beim Erwerb (z.B. Börsengebühren) reicht nach BaFin-Auslegung ein abstrakter Hinweis aus, dass diese Kosten anfallen, ohne dass deren Höhe zu beziffern ist.
  • Es erfolgte in vielen Fällen keine Auswahl der für das betreffende Finanzinstrument einschlägigen Risiken. Stattdessen wurden oftmals alle bei Finanzinstrumenten denkbaren Risiken genannt (z.B.: Bei einer auf Euro lautenden Anleihe eines inländischen Emittenten wird auf ein - nicht existierendes - Fremdwährungsrisiko hingewiesen).
  • In anderen Fällen fehlten wesentliche Risiken, z.B. das mit einer Anlage verbundene Totalverlustrisiko.

    Nach BaFin-Auslegung erscheinen grundsätzlich das Emittentenrisiko, das Kursänderungs-/Zinsänderungsrisiko und das Dividendenrisiko dort wesentlich (und sind somit zu nennen), wo diese Risiken dem beschriebenen Finanzinstrument immanent sind. Ferner ist nach BaFin-Auslegung ein Hinweis auf die Möglichkeit des Totalverlusts des eingesetzten Kapitals wichtig. Bei Zertifikaten und Schuldverschreibungen, bei denen der Zinsertrag vom Erreichen/Über- oder Unterschreiten bestimmter Schwellen abhängt, wird von der BaFin erwartet, dass auslösende Schwellen eindeutig, konkret und verständlich angegeben werden. In der Produktbeschreibung hält die BaFin einen abstrakten Hinweis auf die Problematik der Schwellenwerte für ausreichend, wenn bei der Risikodarstellung die Schwellenwerte und die sie auslösenden Ereignisse konkret benannt sind.
  • Die Beschreibung eines Produkts sowie seiner Funktionsweise war häufig zu abstrakt und oberflächlich.

    So lautete zum Beispiel die Beschreibung eines Zertifikats, das den DAX im Verhältnis 1:1 nachbildet:

    „Zertifikate sind Anleihen mit einer oder mehreren Nebenbedingungen. Diese Nebenbedingungen regeln die Abhängigkeit von laufenden Erträgen und/oder Rückzahlungen von der Entwicklung oder dem Zustand eines Basiswertes (Underlying). Bei Zertifikaten auf Indizes besteht die Berechnungsgrundlage aus einem oder mehreren Indizes. Die Einzelheiten der Abhängigkeit von Höhe der Erträge und Rückzahlungen ergeben sich bei Zertifikaten aus den Emissionsbedingungen.“

    Die Produktbeschreibung der Aktie eines Sportartikelherstellers lautete beispielsweise: „Die Aktie ist ein Anteils- oder Teilhaberpapier, welches Mitgliedschaftsrecht des Aktionärs an einer Aktiengesellschaft in einer Aktienurkunde verbrieft. Der Aktionär wird Teilhaber am Aktienkapital und damit Mitinhaber des Gesellschaftsvermögens.“

    Nach BaFin-Auslegung ist ein Mindestmaß an Detaillierung erforderlich, bspw. indem bei Aktien und Unternehmensanleihen die Branche des emittierenden Unternehmens genannt wird (incl. der wesentlichen Tätigkeitsschwerpunkte) und ein Verweis auf die Homepage des Unternehmens erfolgt. Bei Staatsanleihen ist der emittierende Staat zu nennen, bei Zertifikaten Basiswert und bspw. Schwellenwerte. Graphische Darstellungen können helfen, die Funktionsweise zu veranschaulichen.

2. Fehlende Verständlichkeit

  • Die gewählten Formulierungen sind für den „Normalanleger“ regelmäßig nur schwer verständlich, z.B. wegen nicht erklärter Fachbegriffe, zusammengesetzter Wortkonstruktionen, komplizierter und langer Sätze, unbekannter Abkürzungen.

    Beispiele:

    • „Anleger tragen das Risiko, dass sich die finanzielle Situation der Emittentin verschlechtert und sie ein Reorganisationsverfahren oder eine Übertragungsanordnung durchläuft, oder über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren eröffnet wird – und deshalb unter den Zertifikaten fällige Zahlungen nicht oder nicht vollständig oder rechtzeitig geleistet werden.“
    • „Zinstagequotient : ACT/ACT“
    • „Zinstyp: ratierlicher Zinssatz“
    • „Abwicklungswährung: NOK“
    • „Börsennotierung: EUROMTF“
  • Bei Wertentwicklungsdarstellungen zur Veranschaulichung der möglichen Rendite erfolgt, von wenigen Ausnahmen abgesehen, keine Nettodarstellung.

    Im Einklang mit den Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen (MaComp) ist es nach BaFin-Auslegung ausreichend, ein Musterbeispiel, basierend auf einem Anlagebetrag von 1.000 Euro bei einem Anlagezeitraum von fünf Jahren (es sei denn, die Fälligkeit erfolgt vor Ablauf dieses Zeitraums – in diesem Fall ist die Simulation bis zu diesem Zeitpunkt vorzunehmen), darzustellen. Das Beispiel ist nach BaFin-Auslegung zu aktualisieren, wenn die Aussagekraft erheblich eingeschränkt wird oder nicht mehr gegeben ist (z.B. bei einem Bonuszertifikat im Fall des Berührens der Bonusschwelle, wenn der Bonus verfällt). Die BaFin sieht es hingegen nicht als erforderlich an, dass in dem Musterbeispiel die Nettodarstellung auf den konkreten Anlagebetrag bezogen ist.

3. Umfangüberschreitungen

  • In einigen Fällen wurde der von § 5a Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung (WpDVerOV) vorgegebene Umfang von zwei bzw. drei DIN-A4-Seiten überschritten.

4. Defizite hinsichtlich erforderlicher Angaben

  • Die Annahmen für Szenariodarstellungen werden oftmals nicht offengelegt.

    Nach BaFin-Auslegung sind die Annahmen so zu wählen, dass für verschiedene Szenarien ein steigendes, ein gleichbleibendes und ein sinkendes Preis-/Zinsniveau zugrunde gelegt wird.
  • In einigen Fällen fehlten Angaben zur Laufzeit des Finanzinstruments (z.B. Fälligkeitsdatum einer Anleihe oder Sonderkündigungsrechte des Emittenten).
  • Ferner fehlten in einigen Informationsblättern Angaben zu deren Aktualität (Stand des Informationsblattes per Datum).
  • In einigen Fällen fehlten Angaben zum Kurswert und zur Rendite.

    Soweit der Kurswert Schwankungen unterliegt oder wenn der Kauf über den Sekundärmarkt erfolgen soll, wird von der BaFin nicht beanstandet, wenn im Informationsblatt kein Kurswert angegeben wird. Hingegen steht bei Neuemissionen in der Zeichnungsphase der Preis fest. In diesem Fall ist er nach BaFin-Auslegung zwingend anzugeben. Ebenso ist die Rendite bei Neuemissionen in der Zeichnungsphase nach BaFin-Auslegung im Informationsblatt zu nennen.

5. Unzulässige Angaben

  • Andererseits enthielten einige WpHG-Informationsblätter unzulässige Angaben hinsichtlich der Haftung und bezüglich Ratings

    Ein Haftungsausschluss für die Richtigkeit der Angaben im WpHG-Informationsblatt ist nach BaFin-Auslegung nicht möglich.

    Ratings sind – da nicht für alle Produkte/Emittenten vorhanden – nach BaFin-Auslegung als werbliche Information zu qualifizieren und haben daher zu unterbleiben.

III. Weiteres Vorgehen

Es ist aus Sicht der BaFin erforderlich, die gravierendsten Verstöße einzelner Institute gegen die Anforderungen an Produktinformationsblätter in § 31 WpHG und der entsprechenden Verordnung durch BaFin-Schreiben an die betroffenen Institute zu beanstanden. Hierbei handelt es sich um Mängel bezüglich

  • der Erstellung von Informationsblättern für ganze Produktgattungen,
  • der Kostendarstellung in Form eines Verweises auf das Preis- und Leistungsverzeichnis bzw. auf Auskünfte des Anlageberaters,
  • des zu großen Umfangs von Informationsblättern,
  • der Aufnahme eines Haftungsausschlusses im Hinblick auf die Richtigkeit von Informationsblättern.

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