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Erscheinung:14.05.2021 | Thema Erlaubnispflicht Merkblatt: Hinweise zum Tatbestand der Tätigkeit des Betriebs eines organisierten Handelssystems

Hinweise zum Tatbestand des Betriebs eines organisierten Handelssystems gemäß § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1d KWG

(Stand Mai 2021)

1. Einführung

Artikel 6 des Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz - 2. FiMaNoG) vom 23.06.2017 (BGBl. I 2017 S. 1693, 1776) hat den Katalog der Finanzdienstleistungen in § 1 Abs. 1a Satz 2 des Gesetzes über das Kreditwesen (Kreditwesengesetz – KWG) um den Tatbestand des Betriebs eines organisierten Handelssystems ergänzt.

Die Änderung ist am 03.01.2018 in Kraft getreten.

2. Der Tatbestand der Tätigkeit des Betriebs eines organisierten Handelssystems

§ 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 1d KWG definiert den Betrieb eines organisierten Handelssystems (organised trading facility - OTF) als Betrieb eines multilateralen Systems, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt oder ein multilaterales Handelssystem handelt und das die Interessen einer Vielzahl Dritter am Kauf und Verkauf von Schuldverschreibungen, strukturierten Finanzprodukten, Emissionszertifikaten oder Derivaten innerhalb des Systems auf eine Weise zusammenführt, die zu einem Vertrag über den Kauf dieser Finanzinstrumente führt.

Diese Definition beruht auf Art. 4 Abs. 1 Nr. 23 der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID II).

a) System

Ein System kann bejaht werden entweder beim Vorliegen einer elektronischen Handelsplattform oder bei der systematischen Übermittlung der Handelsabsicht eines Kunden an die anderen Kunden, unabhängig von der verwendeten Technik, inklusive nicht elektronischer Mittel (z. B. mündlich oder auch telefonisch).

b) Multilateralität/Interessen einer Vielzahl Dritter

Das Merkmal der Multilateralität ist grundsätzlich identisch mit dem beim multilateralen Handelssystem (vgl. Merkblatt - Tatbestand des Betriebs eines multilateralen Handelssystems), allerdings darf der Betreiber eines OTFs gemäß Art. 20 Abs. 2 der MiFID II bei Zustimmung des Kunden auf die Zusammenführung sich deckender Kundenaufträge zurückgreifen. Auch kann ein Unternehmen vom Betreiber eines OTFs damit beauftragt werden, Market-Making in dem OTF zu betreiben, Art. 20 Abs. 5 der MiFID II.

Nach Art. 18. Abs. 7 der MiFID II haben die Mitgliedstaaten zudem vorzuschreiben, dass ein OTF mindestens drei Kunden hat; die Handelsabsicht eines Kunden muss mit derjenigen mindestens zweier anderer Kunden zusammentreffen. Dies ist umgesetzt in § 72 Abs. 1 Nr. 13 des Wertpapierhandelsgesetzes.

c) kein organisierter Markt oder multilaterales Handelssystem

Wesentliches Merkmal dieser Handelsplätze ist, dass auf ihnen das Zusammenführen der Handelsinteressen nicht-diskretionär, also ohne Ermessen des Betreibers, stattfindet. Bei einem OTF hingegen steht dem Betreiber ein solches Ermessen bei der Annahme und Einstellung oder Ausführung der Kundenaufträge, wobei auch eine nur teilweise Ausführung der Kundenaufträge in Betracht kommt, zu; er ist aber zur bestmöglichen Ausführung für den Kunden („Best Execution“, vgl. Erwägungsgrund 9 zur Verordnung EU Nr. 600/2014 über Märkte für Finanzinstrumente - MiFIR) verpflichtet.

d) Zusammenführung der Interessen innerhalb des Systems

Die Interessen/Orders müssen entweder innerhalb einer elektronischen Plattform oder auch auf Grundlage des OTF-Regelwerks, z. B. auch im telefonischen Handel, zusammengeführt werden (so genanntes matching), das aber diskretionär zu erfolgen hat, Art. 20 Abs. 6 der MiFID II, s. o., s. hierzu Q&A 19 der ESMA Questions and Answers on MiFID II and MiFIR market structures topics.

Wenn ein Kunde jedoch bestimmte Instruktionen hinsichtlich einer Order gibt, hat der OTF-Betreiber diesen Instruktionen zu folgen und insoweit kein Ermessen auszuüben.

e) einschlägige Finanzinstrumente

Über ein OTF gehandelt werden Schuldverschreibungen, strukturierte Finanzprodukte, Emissionszertifikate und Derivate.

f) Vertrag über die einschlägigen Finanzinstrumente

Es muss zu einem Geschäftsabschluss (Kauf oder Verkauf) innerhalb des Systems kommen.

3. Erlaubnispflicht der Tätigkeit des Betriebs eines organisierten Handelssystems

Nach § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG bedarf der schriftlichen Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bundesanstalt), wer im Inland gewerbsmäßig oder in einem Umfang, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen will1. Die Erfüllung einer Alternative genügt, um die Erlaubnispflicht des Geschäfts zu begründen. Auf die Rechtsform des Unternehmens (natürliche Person, Personengesellschaft, juristische Person) kommt es dabei nicht an.

Bank- und Finanzdienstleistungsgeschäfte werden, auch wenn der Umfang dieser Geschäfte objektiv keinen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert, gewerbsmäßig betrieben, wenn der Betrieb auf eine gewisse Dauer angelegt ist und der Betreiber ihn mit der Absicht der Gewinnerzielung verfolgt.

Alternativ gilt das Kriterium des Erfordernisses eines in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetriebs. Hierbei ist es unerheblich, ob tatsächlich ein in kaufmännischer Weise eingerichteter Geschäftsbetrieb geführt wird. Maßgebend ist allein, ob für den Betrieb der Geschäfte nach der bankwirtschaftlichen Verkehrsauffassung die Einrichtung eines solchen Betriebs objektiv erforderlich ist. Dies ist im Einzelfall zu bestimmen und kann sich beim gleichzeitigen Betreiben mehrerer Bank-/Finanzdienstleistungsgeschäfte auch bei einem vergleichsweise geringen Umfang ergeben.

Unter den Erlaubnisvorbehalt nach § 32 Abs. 1 KWG fällt das Geschäft nur, wenn es (auch) im Inland betrieben wird. Das Geschäft wird im Inland betrieben, wenn das Unternahmen seinen Sitz im Inland hat, auch wenn es das Geschäft gezielt aus dem Inland heraus nur mit Nicht-Gebietsansässigen betreibt. Das Geschäft wird auch im Inland betrieben, wenn das Unternehmen hier eine rechtlich eine unselbständige Zweigniederlassung errichtet oder eine andere physische Präsenz unterhält, von der aus es die Geschäfte - und sei es auch nur gezielt mit Nicht-Gebietsansässigen - betreibt. Der erforderliche Inlandsbezug besteht schließlich, wenn sich das Angebot aus dem Ausland auch und gerade an Personen richtet, die ihren Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Nähere Hinweise gibt das Merkblatt „Hinweise zur Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG in Verbindung mit § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG von grenzüberschreitend betriebenen Bankgeschäften und/oder grenzüberschreitend erbrachten Finanzdienstleistungen.“

4. Ausnahmen von der Erlaubnispflicht

Der Betrieb eines organisierten Handelssystems ist grundsätzlich nicht erlaubnispflichtig in den in § 2 Abs. 6 Satz 1 KWG genannten Fällen.

Insbesondere kommt hier § 2 Abs. 6 Satz 1 Nr. 16 KWG in Betracht. Danach gelten Betreiber organisierter Märkte, die neben dem Betrieb eines multilateralen oder organisierten Handelssystems keine anderen Finanzdienstleistungen im Sinne des § 1 Abs. 1a Satz 2 KWG erbringen, nicht als Finanzdienstleistungsinstitute.

Betreiber organisierter Märkte mit Sitz im Ausland, die als einzige Finanzdienstleistung ein organisiertes Handelssystem im Inland betreiben, und Träger einer inländischen Börse, die außer dem Freiverkehr als einzige Finanzdienstleistung ein organisiertes (oder multilaterales) Handelssystem im Inland betreiben, haben allerdings gemäß § 2 Abs. 12 Satz 1 und 2 KWG bestimmte Anforderungen und Pflichten zu erfüllen, die in den folgenden Bestimmungen des KWG enthalten sind:

  • § 25a (besondere organisatorische Pflichten von Instituten),
  • § 25b (Pflichten bei Auslagerung),
  • § 33 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 KWG (zum Geschäftsbetrieb erforderliche Mittel; Zuverlässigkeit der Geschäftsleiter; Unbedenklichkeit der Inhaber bedeutender Beteiligungen; fachliche Eignung der Geschäftsleiter), wobei nach § 2 Abs. 12 Satz 3 KWG vermutet wird, dass Geschäftsführer einer inländischen Börse und Personen, die die Geschäfte eines ausländischen organisierten Marktes tatsächlich leiten, den Anforderungen nach § 33 Abs. 1 Nr. 2 und 4 KWG genügen,
  • § 2c Abs. 1 und 4 KWG (Meldung bedeutender Beteiligungen) und
  • § 24 Abs. 1 Nr. 1 und 2 und Abs. 1a Nr. 2 KWG (Anzeige der Absicht zur Bestellung eines Geschäftsleiters, des Ausscheidens eines Geschäftsleiters sowie der Entziehung der Befugnis zur Einzelvertretung des Instituts in dessen gesamten Geschäftsbereich sowie bedeutende Beteiligungen an anderen Unternehmen).

Außerdem hat die Bundesanstalt nach § 2 Abs. 12 Satz 4 KWG entsprechende Befugnisse nach den §§ 2c und 25a Abs. 1 Satz 7 KWG sowie den §§ 44 bis 48 KWG (Auskunftsersuchen und Prüfungen; Maßnahmen in besonderen Fällen). Falls Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass das Unternehmen auch Finanzdienstleistungen außerhalb der Bereichsausnahme oder Bankgeschäfte betreibt, die nicht durch eine andere Bereichsausnahme gedeckt sind, stehen der Bundesanstalt die Rechte aus § 44c KWG und ggf. auch aus § 37 KWG direkt zu.

Die Bundesanstalt ist gemäß § 2 Abs. 12 Satz 5 KWG zudem ermächtigt, den Betrieb eines organisierten Handelssystems in den Fällen des § 35 Abs. 2 Nr. 4, 5 und 6 KWG (Eröffnung eines Insolvenzverfahrens; keine ausreichenden Eigenmittel; nachhaltiger Verstoß gegen KWG, Wertpapierhandelsgesetz oder zur Durchführung dieser Gesetze erlassene Verordnungen) zu untersagen.

Betreiber organisierter Märkte mit Sitz im Ausland haben schließlich gemäß § 2 Abs. 12 Satz 6 KWG der Bundesanstalt die Aufnahme des Betriebs eines organisierten Handelssystems unverzüglich anzuzeigen, damit eine Kontrolle der für das organisierte Handelssystem und seine Betreiber geltenden Bestimmungen möglich wird.

5. Hinweise und Anschriften

Dieses Merkblatt enthält grundlegende Informationen zum Tatbestand der Tätigkeit des Betriebs eines organisierten Handelssystems. Es erhebt keinen Anspruch auf eine erschöpfende Darstellung aller den Tatbestand betreffenden Fragen und ersetzt insbesondere nicht die einzelfallbezogene Erlaubnisanfrage an die BaFin.

Für eine abschließende Beurteilung möglicher Erlaubnispflichten im Einzelfall wird eine vollständige Dokumentation der vertraglichen Vereinbarungen, die dem Betreiben des Systems zugrunde liegen, benötigt. Hinsichtlich aller Angaben sind die Bediensteten der Bundesanstalt und der Deutschen Bundesbank zur Verschwiegenheit verpflichtet (§ 9 KWG).

Ob ein Unternehmen der Erlaubnispflicht nach § 32 Abs. 1 KWG unterliegt, entscheidet in Zweifelsfällen die

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Falls Sie zu diesem Merkblatt weitere Fragen haben, steht es Ihnen auch frei, sich an die für Sie zuständige Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank zu wenden. Das hat für Sie den Vorteil, dass die Hauptverwaltung vor Ort mit den Verhältnissen in der Region vertraut ist. In Zweifelsfällen wird die Hauptverwaltung Ihre Frage mit einer Stellungnahme an die Bundesanstalt weiterleiten.

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Fußnote:

  1. 1 Vgl. auch das Merkblatt der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht über die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben von Bankgeschäften gemäß § 32 Abs. 1 KWG und das Merkblatt der Deutschen Bundesbank über die Erteilung einer Erlaubnis zum Erbringen von Finanzdienstleistungen gemäß § 32 Abs. 1 KWG.

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