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Erscheinung:08.05.2023 Merkblatt 01/2023 (VA) zu wohlverhaltensaufsichtlichen Aspekten bei kapitalbildenden Lebensversicherungsprodukten

Inhalt

Merkblatt (VA) 01/2023

A. Persönlicher und sachlicher Anwendungsbereich

1 Das Merkblatt ist an die inländischen und ausländischen der Aufsicht der BaFin unterliegenden Lebensversicherungsunternehmen (im Folgenden: LVU) gerichtet, die in den Anwendungsbereich der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) fallen und kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte vertreiben. Pensionskassen sind nicht vom Anwendungsbereich erfasst. Die BaFin erwartet, dass LVU aus einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum die Ausführungen zum Produktfreigabeverfahren bei einer grenzüberschreitenden Tätigkeit in Deutschland beachten. Die BaFin wird sich bei Bedarf an die Aufsichtsbehörde des Herkunftsstaats wenden.

2 Als kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte werden hier (klassische und fondsgebundene) Lebensversicherungsprodukte mit Sparkomponente bezeichnet. Darunter fallen Versicherungsanlageprodukte sowie weitere Lebensversicherungsprodukte mit Sparkomponente (insbesondere werden hier also auch Direktversicherungen sowie Altersvorsorgeverträge gemäß § 1 AltZertG und Basisrentenverträge gemäß § 2 AltZertG unter kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte gefasst).

B. Rechtsquellen und Fokus des Merkblatts und Proportionalität

3 Das Merkblatt stützt sich auf die wohlverhaltensaufsichtlichen Vorgaben der Versicherungsvertriebsrichtlinie (IDD) zum Produktfreigabeverfahren (Art. 25 IDD) sowie zur Vertriebsvergütung und Interessenkonflikten (insbes. Art. 17 Abs. 3, Art. 29 Abs. 2 sowie Art. 27 und Art. 28 IDD), die ergänzenden delegierten Verordnungen (DV 2017/2358 und DV 2017/2359) und die zur Umsetzung der entsprechenden Vorgaben der IDD erlassenen nationalen Vorschriften (§ 23 Abs. 1a bis 1c, § 48a VAG).

4 Im Fokus des Merkblatts steht die unternehmenseigene Feststellung eines angemessenen Kundennutzens der vertriebenen Produkte. Das Produktfreigabeverfahren erlegt den LVU Pflichten auf, bevor sie neue oder wesentlich angepasste Produkte vermarkten, insbesondere die Bestimmung eines Zielmarkts und die Prüfung (und Feststellung), dass das (neue oder wesentlich angepasste) Produkt den Bedürfnissen der Kunden des Zielmarkts entspricht. In der Folgezeit haben die LVU zu überwachen, dass das Produkt weiterhin den Bedürfnissen der zum Zielmarkt gehörenden Kunden genügt. Die gesetzlichen Vorgaben sind Gegenstand der aufsichtlichen Überprüfung. Die BaFin prüft die Beachtung der Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren. Eine Produktregulierung erfolgt hierdurch nicht. Vor diesem Hintergrund sind auch die Inhalte des Merkblatts zu verstehen.1

5 Das Merkblatt steht im Einklang mit EIOPAs „Supervisory Statement on assessment of value for money of unit-linked insurance products under product oversight and governance“, EIOPA (2021)0045739, vom 30.11.2021. Am 31.10.2022 hat EIOPA eine „Methodology to assess value for money in the unit-linked market“ veröffentlicht, mit der sie den nationalen Aufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten eine Auswahl von Werkzeugen an die Hand gegeben hat, um das Preis-Leistungs-Verhältnis der Produkte im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kunden des Zielmarkts (den „Kundennutzen“) zu prüfen.2 Das Merkblatt beschreibt, wie die BaFin die von EIOPA entwickelten Werkzeuge anwendet.

C. Unternehmenseigene Feststellung eines angemessenen Kundennutzens der vertriebenen Produkte

I. Produkt / Produkteigenschaften / Kundennutzen

1. Produkt und Produkteigenschaften

6 Als Teil des Produktfreigabeverfahrens für das individuelle Produkt haben die Hersteller das gegenständliche „Produkt“ zu definieren, seinen Zielmarkt zu bestimmen und den angemessenen „Kundennutzen“ im Hinblick auf die Bedürfnisse der Angehörigen des Zielmarkts zu prüfen und festzustellen. Das Produkt umfasst die Produkteigenschaften, die das Produkt und seinen Nutzen für den Kunden kennzeichnen.

7 Als Produkteigenschaften, die der Prüfung eines angemessenen Kundennutzens des Produkts unterliegen, sind insbesondere anzusehen:

  • die Art und Weise der Prämienkalkulation
  • die Art und Weise der Durchführung der Überschussbeteiligung

und bei der fondsgebundenen Lebensversicherung (einschließlich statische und dynamische Hybride) zusätzlich

  • die Fonds, die der VN3 wählen kann,
  • Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an das LVU und Vertriebspartner des LVU.

8 Als Produkthersteller haben die LVU gegebenenfalls weitere Produkteigenschaften zu bestimmen, die sie im Rahmen der Prüfung des Produkts auf seinen Kundennutzen im Hinblick auf die Bedürfnisse des Zielmarkts prüfen. Beispiele für solche weiteren Produkteigenschaften sind etwa ein Portfoliomanagement während der Vertragslaufzeit bei einem fondsgebundenen Produkt (Auswahl und gegebenenfalls Umschichtung der Fonds), die Beachtung von Nachhaltigkeitszielen, vertragliche Optionen und Serviceleistungen des LVU.

9 Auch ein vorgesehener Rentenbezug, der sich an die Ansparphase anschließt, unterliegt als Produkteigenschaft der Prüfung eines angemessenen Kundennutzens. Anknüpfungspunkt ist insbesondere das Verhältnis zwischen dem am Ende der Ansparphase zur Verfügung stehenden Kapital und den vom Kunden voraussichtlich bezogenen Rentenleistungen.

10 Sofern signifikante biometrische Absicherungen als Teil der Hauptversicherung angeboten werden, sind sie gesondert auf ihren Kundennutzen zu prüfen. Sofern biometrische Absicherungen über Zusatzversicherungen angeboten werden, ist für diese Zusatzversicherungen ein separates Produktfreigabeverfahren durchzuführen oder im Rahmen eines gemeinsamen Produktfreigabeverfahrens der Kundennutzen der Zusatzversicherung separat zu prüfen.

2. Kundennutzen

11 Der Kundennutzen richtet sich nach dem Zielmarkt des Produkts und ist aus dessen Perspektive zu prüfen. Die LVU sind nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben frei in der Bestimmung des Zielmarkts, dessen besondere Bedürfnisse das Produkt erfüllen soll.

12 Externe Einflussfaktoren, wie etwa steuerliche Rahmenbedingungen, sind bei der Bestimmung des Zielmarktes und entsprechend bei der Prüfung des Kundennutzens im Hinblick auf die Bedürfnisse des Zielmarkts angemessen zu berücksichtigen.4 Der Kundennutzen eines Produkts ergibt sich aus der Gesamtschau auf das Produkt und seinen Eigenschaften. Dabei ist der Nutzen der das Produkt prägenden Produkteigenschaften angemessen zu bewerten. Die Gesamtschau kann weitere Besonderheiten berücksichtigen, insbesondere auch nicht-geldwerte Eigenschaften, die im Hinblick auf die Bedürfnisse der Kunden des Zielmarkts von besonderer Bedeutung sein können wie z. B. die Beachtung von Nachhaltigkeitszielen, vertragliche Optionen und Serviceleistungen des LVU.

13 Bei der Prüfung eines angemessenen Kundennutzens haben die LVU Folgendes zu beachten:

a) Kundennutzen im Hinblick auf den Zielmarkt – hier: Sparkomponente

14 Kapitalbildende Lebensversicherungsprodukte im Sinne dieses Merkblattes umfassen in jedem Fall eine Ansparphase. Bei der Prüfung des Kundennutzens ist es von großer Bedeutung, welche Erwartung die Kunden des Zielmarktes für die Ansparphase haben. Soweit das Produkt eine signifikante biometrische Absicherung einschließt, sind die hiermit in Zusammenhang stehenden Beitrags- und Leistungskomponenten bei der Prüfung des Kundennutzens der Sparkomponente außer Betracht zu lassen.5

15 Die LVU haben für die Prüfung des Kundennutzens kapitalbildender Lebensversicherungsprodukte unter Berücksichtigung der Produkteigenschaften und externer Faktoren (wie z.B. Kapitalmarktverhältnissen) Renditeziele zu formulieren, die im Einklang mit den Erwartungen des von ihnen bestimmten Zielmarktes stehen. Dabei sollten die LVU auch prüfen, ob die Angehörigen des Zielmarktes nicht nur eine positive Rendite nach Kosten, sondern auch eine positive Rendite nach Kosten und Inflation anstreben.6 Bei solchen Produkten würden die zum Zielmarkt gehörenden VN dann regelmäßig mindestens eine Rendite z.B. in Höhe einer begründeten Inflationserwartung anstreben („realer Anlageerfolg“). Bei langfristigen Verträgen kommt dafür beispielsweise das mittelfristige Inflationsziel der Europäischen Zentralbank7 in Betracht. Gegebenenfalls kann ein von einem LVU bestimmter Zielmarkt auch eine noch höhere Renditeerwartung haben. Dies ist insbesondere bei Produkten naheliegend, die mit einem höheren Anlagerisiko verbunden sind. Ein angemessener Kundennutzen setzt voraus, dass das formulierte Renditeziel mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird. Dies ist im Rahmen der Produktprüfung mit geeigneten stochastischen Analysen zu prüfen.

16 Hat ein LVU als Zielmarkt des Produkts sicherheitsorientierte VN bestimmt, so kann hingegen der Wert einer Garantie im Vordergrund stehen. Die Formulierung eines Renditeziels und die Prüfung, ob dieses mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erreicht wird, ist dann gegebenenfalls entbehrlich.

17 Als Produkte für sicherheitsorientierte VN kommen insbesondere klassische Lebensversicherungsprodukte ohne fondsgebundene Komponenten in Frage. Rein fondsgebundene Produkte und Hybridprodukte werden hingegen regelmäßig damit beworben, dass die VN hier auch an den Chancen renditeorientierter Anlagen partizipieren können. Die damit verbundene erhöhte Renditeerwartung ist dann bei der Formulierung des Renditeziels für den jeweiligen Zielmarkt zu berücksichtigen. Bei statischen Hybriden können die klassische und die fondsgebundene Komponente separat betrachtet werden.

b) Kosten, Rendite (vor Kosten) und Szenarioanalysen

18 Die LVU als Produkthersteller haben im Rahmen der ihnen obliegenden Prüfung der Produkte das Zusammenwirken der Größen „Kosten“ und „Rendite“ (vor Kosten) zu prüfen.8 Aus Sicht des VN ist das Risiko einer unzureichenden (oder gar negativen) Rendite bei im Übrigen gleichen Rahmenbedingungen umso höher, je höher die Kosten sind. Die Kosten des Produkts sind wiederrum eine Größe, die die Unternehmen im Rahmen der Produktherstellung weitergehender beeinflussen können als die Rendite, die im Wesentlichen von exogenen Faktoren abhängig ist. Eine geeignete Größe zur Messung der insgesamt anfallenden Kosten eines kapitalbildenden Lebensversicherungsproduktes sind die Effektivkosten, die nach der Methodik berechnet werden, welche die LVU für Produkte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 9 VVG-InfoV i.V.m. § 2 Abs. 6 VVG-InfoV oder für Produktinformationsblätter von AltZertG Produkten zu verwenden haben. Bei „Nettoprodukten“, bei denen dem Versicherungsnehmer für den Vertriebsaufwand Kosten entstehen, die nicht durch seine an das LVU gezahlten Beiträge gedeckt sind (und nicht in die Effektivkosten einfließen), haben die LVU diese Kostenbelastung angemessen bei der Produktprüfung zu berücksichtigen.

19 Aufgrund der Unsicherheiten, die insbesondere bei fondsgebundenen Produkten im Hinblick auf die zukünftige Rendite bestehen, haben die LVU bei der Prüfung eines angemessenen Kundennutzens der Sparkomponente im Rahmen von Szenarioanalysen verschiedene „Renditeszenarien“ zu betrachten.9 Insbesondere ist sicherzustellen, dass das formulierte Renditeziel nicht nur in optimistischen Szenarien, sondern auch bei einer weniger günstigen Marktentwicklung erreicht wird.

20 Im Rahmen der Produktprüfung und bei der Durchführung von Szenarioanalysen haben die LVU darauf zu achten, dass sie eine ausreichende Anzahl an typischen Vertragskonstellationen abdecken. Kann ein angemessener Kundennutzen für bestimmte Vertragskonstellationen nicht festgestellt werden, so ist dies bei der Produktgestaltung und/oder gegebenenfalls bei der Zielmarktdefinition zu berücksichtigen.

21 Setzt ein LVU in der Beitragskalkulation z.B. in erheblichem Maße Stückkosten in Form eines absoluten jährlichen Euro-Betrages an, so kann dies dazu führen, dass sich die Effektivkosten in Abhängigkeit von der Höhe des jährlichen Beitrages erheblich unterscheiden. In einem solchen Fall sind im Rahmen der Produktprüfung ausreichend viele unterschiedliche jährliche Beitragshöhen zu betrachten.

II. Berücksichtigung ausgewählter Aspekte bei der Prämienkalkulation und der Durchführung der Überschussbeteiligung

22 Bei der Feststellung eines angemessenen Kundennutzens haben die LVU die nachfolgenden Besonderheiten zu adressieren.

1. Kundennutzen

a) Storno (vorzeitige Vertragsbeendigung)

23 Für die Bewertung des Kundennutzens für die VN ist zu berücksichtigen, dass nicht alle VN die Verträge bis zum Ende der Ansparphase halten. Vielmehr werden Verträge von VN vorzeitig beendet. Insbesondere bei langfristigen Produkten kündigt oftmals ein großer Teil der VN seine Verträge vor Ablauf der Ansparphase. Darin spiegelt sich wider, dass es bei langen Laufzeiten dazu kommen kann, dass sich Lebensumstände oder Interessen der Versicherungsnehmer während der Vertragslaufzeit in einer bei Vertragsabschluss noch nicht vorhergesehenen Weise ändern.

24 Ist für den Zielmarkt eines Produktes – auch nach den vorliegenden Daten – damit zu rechnen, dass ein wesentlicher Anteil der Angehörigen des Zielmarkts seine Verträge vor dem Ende der Ansparphase beendet, so ist das bei der Prüfung des Kundennutzens des Produkts für den Zielmarkt zu berücksichtigen. Es reicht dann nicht, den Kundennutzen nur auf das Ende der vertraglichen Ansparphase zu beziehen. Vielmehr sind im Rahmen der Szenarioanalysen für eine ausreichende Anzahl an typischen Vertragskonstellationen (z.B. im Hinblick auf Vertragslaufzeit und Beitragshöhe) auch Stornoerwartungen zu betrachten. Auf dieser Basis ist zu prüfen zu welchem Zeitpunkt zu erwarten ist, dass ein wesentlicher Anteil der Angehörigen des Zielmarkts seinen Vertrag vorzeitig beendet hat. Das Produkt muss für alle Angehörigen des Zielmarkts, die ihren Vertrag ab diesem Zeitpunkt kündigen, einen angemessenen Kundennutzen bieten.10 Andernfalls ist das Produkt für den Zielmarkt nicht geeignet. Ein wesentlicher Anteil im obigen Sinne dürfte in jedem Fall die Hälfte der Ange-hörigen des Zielmarkts sein, an die das Produkt verkauft wird.

25 Bei vorzeitiger Beendigung gegen Ende der Ansparphase sollte stets ein angemessener Kundennutzen erreicht sein.

b) Kosten und Kundennutzen

26 Die LVU kalkulieren in die von den Kunden zu zahlenden Beiträge Kostenanteile ein, die dazu dienen, die Aufwendungen der LVU zu finanzieren. Diese Kosten müssen angemessen sein.11 Ein Teil dieser Kosten sind die Abschluss- und Vertriebskosten, die insbesondere die Aufwendungen der LVU für Versicherungsvermittler für den Vertrieb ihrer Produkte decken sollen. Bei der Prüfung der Angemessenheit der Kosten durch das LVU sind Aufwendungen für die Versicherungsvermittler (wie allgemein auch sonstige Aufwendungen des LVU), die sich nicht dem individuellen Produkt zuordnen lassen, zu einem angemessenen Anteil zu berücksichtigen.

27 Die nachfolgenden Positionen sind für eine solche Prüfung geeignet (vgl. auch III.2.):Aufwendungen für Vermittler zur Vergütung des Vermittlungserfolges (Abschlussprovisionen);

  • hier ist jede Vergütung umfasst, die an die Vermittlung einschließlich der hierbei geleisteten Beratung und/oder den bloßen Fortbestand eines Vertrages anknüpft, unabhängig davon, ob sie nicht aufgeschoben (mit Ausnahme von vereinbarten Abrechnungsmodalitäten, z.B. „vierteljährliche Abrechnung“) oder aufgeschoben („laufend“) geleistet wird,

Beispiele:

- reine Bestandsprovisionen, also Zahlungen, die allein an einen Bestand von Versicherungsverhältnissen anknüpfen, etwa anknüpfend an eine vermittelte Beitragssumme im Kalenderjahr; das gilt auch dann, wenn hiermit (zugleich) eine Vergütung von über den Vermittlungserfolg hinausgehende Leistungen, etwa Beratungs- und Betreuungsleistungen beabsichtigt sein mag,
- (quantitativ und qualitativ orientierte) Bonusleistungen,
- sonstige Aufwendungen zur Vergütung des Vermittlungserfolges, auch wenn es sich um freiwillige Leistungen handelt, etwa eine Reise als „Belohnung“,
  • Aufwendungen für Vermittler als sonstige Vergütung für über den Vermittlungserfolg hinausgehende Leistungen;

Beispiele:

- Bestandspflege, Bestandsverwaltung, Beratungs- und Betreuungsleistungen inkl. Prämieneinzug während der Vertragslaufzeit; allerdings ist von einer Vergütung des Vermittlungserfolges auszugehen, wenn die Vergütung einer Dienstleistung nicht dem arm‘s-length-Prinzip genügt - das Entgelt also nicht auf den Betrag begrenzt ist, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter Berücksichtigung der Belange der Versicherten mit einem nicht verbundenen Unternehmen vereinbaren würde - und wenn die vereinbarten Leistungen bei dem Versicherungsunternehmen nicht zu einer entsprechenden Ersparnis der Aufwendungen geführt haben (zuzüglich eines angemessenen Gewinnaufschlags; vgl. auch § 50 Abs. 2 VAG),
- „verlorene Zuschüsse“, „garantierte Provisionen“ (die der Vertriebspartner behalten kann, die also nicht an die erfolgreiche Vermittlung von Verträgen geknüpft sind); solche Zahlungen werden insbesondere als Anschubfinanzierung geleistet und dienen dazu, dass der Vertriebspartner sich am Markt etablieren kann,
- „Regalgeld“, das (allein) für die Bereitschaft des Vertriebspartners geleistet wird, den Vertrieb von Produkten des LVU zu übernehmen, ohne an die erfolgreiche Vermittlung von Verträgen geknüpft zu sein,
- Festgehalt eines angestellten vermittelnden Außendienstes,
  • Aufwendungen zur Vertriebsunterstützung;

    hier sind Aufwendungen umfasst, die den Vertragsabschluss und die Arbeit des Vertriebspartners direkt unterstützen - es handelt sich um Personal- oder Sachaufwendungen, die der Vermittler aus seiner Sicht als Leistung des Unternehmens unmittelbar in Anspruch nehmen kann,

Beispiele:

Zurverfügungstellung von Werbematerial oder IT-Geräten und anderer Betriebsmittel, Unterstützung zur Terminvereinbarung, Telefon-Hotline für Fragen während des Beratungsgespräches, Einbindung von Experten, Aushilfen für Urlaub/Krankheit, Schulungen, Schulungsmaterialien.

28 Bei der Analyse der Aufwendungen für die Versicherungsvermittler haben die LVU auch Abweichungen zwischen verschiedenen Produkten, insbesondere unterschiedlich hohe Abschlussprovisionen, zu berücksichtigen und zu prüfen, ob diese Unterschiede durch einen abweichenden Kundennutzen bedingt sind. So sind bei den LVU nach Kenntnis der BaFin die vorgenannten Aufwendungen für den Vertrieb von Versicherungsanlageprodukten mit Fondsanlage teilweise höher als für Versicherungsanlageprodukte ohne Fondsanlage. Maßgeblich dafür ist die Zahlung höherer Abschlussprovisionen bei Produkten mit Fondsanlage als bei Produkten ohne Fondsanlage. Das bildet gegebenenfalls einen höheren Informations- und Beratungsaufwand beim Verkauf von Produkten mit Fondsanlage ab, dem ein entsprechender Kundennutzen entsprechen kann. Das haben die betroffenen Produkthersteller zu prüfen.

2. Unterschiedlich hohe Aufwendungen für unterschiedliche Vertriebspartner / -wege

29 Wenn LVU mit unterschiedlichen Vertriebspartnern zusammenarbeiten, die sie im Hinblick auf die erbrachten Leistungen unterschiedlich vergüten, kann das in der Konsequenz dazu führen, dass VN, die das Produkt durch einen Vertriebspartner des LVU erwerben, der hierfür nur eine geringe Vergütung erhält, den Produkterwerb anderer VN, die das Produkt durch einen Vertriebspartner des VU erworben haben, der hierfür eine höhere Vergütung erhält, „mit“ finanzieren.

30 Die LVU haben im Hinblick auf die Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten zwischen Kunden untereinander12 darauf zu achten, dass es nicht zu einer unangemessenen Spreizung der Aufwendungen / „Quersubventionierung“ kommt und diese gegebenenfalls angemessen zu adressieren. Sie haben hierfür die Bandbreite der unterschiedlichen Vergütungssätze und sonstigen vertriebspartner/-wegbezogenen Aufwendungen in den Blick zu nehmen und deren unterschiedliche Auswirkung auf die Kostenbelastung bei separater Betrachtung der Vertriebspartner/-wege.

3. Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an das LVU in der fondsgebundenen Lebensversicherung

31 Produkthersteller einer fondsgebundenen Lebensversicherung erhalten im Einzelfall Rückvergütungen von Fondsgesellschaften, deren Fonds der VN wählen kann. Diese Rückvergütungen werden regelmäßig aus der Verwaltungsvergütung für den Fonds erhoben. Eine hohe Verwaltungsvergütung kann einen angemessenen Kundennutzen in Frage stellen.

32 Die LVU haben im Rahmen des produktindividuellen Produktfreigabeverfahrens zu prüfen, ob und in welchem Umfang Rückvergütungen der Fondsgesellschaften den Bedürfnissen des Zielmarkts entsprechen. Sofern bei den für die VN zur Wahl stehenden Fonds Rückvergütungen der Fondsgesellschaften an die LVU selbst vorgesehen sind, haben die LVU zu prüfen, ob hierdurch unzulässige Fehlanreize für sie selbst gesetzt werden. In Betracht kommt ein unzulässiger Fehlanreiz, VN diejenigen Fonds vorzuschlagen, von denen sie selbst die höchste Rückvergütung erhalten.13

33 Die LVU haben zu prüfen, ob sie Rückvergütungen im Rahmen der Produktgestaltung angemessen ausgleichen durch:

  • Ermäßigung der in die Prämie einkalkulierten Kosten und/oder
  • eine Berücksichtigung im Rahmen der Überschussbeteiligung durch eine Zuführung zur Rückstellung für Beitragsrückerstattung (RfB) über die Mindestanforderungen der MindZV 14 hinaus und/oder
  • eine Überschussbeteiligung auf vertragsindividueller Ebene

    • im Rahmen eines allgemeinen Kostenüberschussanteils des einzelnen VN
      (VN erhält einen Kostenüberschussanteil zur Beteiligung am gesamten Kostenergebnis, in dem gegebenenfalls Rückvergütungen implizit berücksichtigt sind) und/oder
    • durch einen besonderen Überschussanteil zur Erstattung von Rückvergütungen
      (Produkte können nach den maßgeblichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen vorsehen, dass Rückvergütungen über einen separaten Überschussanteil teilweise oder ganz an den VN ausgekehrt werden).

34 Soweit Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an die LVU bei der Prämienkalkulation kostenermäßigend berücksichtigt oder im Rahmen der allgemeinen Überschussbeteiligung ausgekehrt werden, sollte sich die Beteiligung der einzelnen VN im Ergebnis möglichst weitgehend danach richten, wie hoch die Rückvergütungen der von ihnen gewählten individuellen Fonds sind.

III. Weitere besondere Produkteigenschaften in der fondsgebundenen Lebensversicherung

35 Bei der Feststellung eines angemessenen Kundennutzens haben die LVU in der fondsgebundenen Lebensversicherung zusätzlich die nachfolgenden Besonderheiten zu adressieren.

1. Fonds / sonstige Basiswerte

36 LVU haben zunächst die Anlagestrategie als Produkteigenschaft zu bestimmen, an welcher der VN teilhaben soll. Hierbei können sie an die Anlagestrategien der Fonds (bzw. das Renditepotential sonstiger Basiswerte) anknüpfen. Bei Hybridprodukten sind auch die Anlage im Sicherungsvermögen und etwaige Umschichtungsalgorithmen als wesentliche Bestandteile der Anlagestrategie zu berücksichtigen. Zugleich haben die LVU Erwartungen an die Höhe der Rendite und das Anlagerisiko (Rendite-Risikoprofil) zu formulieren, die sie dann auch einer Szenarioanalyse zugrunde legen können (vgl. I. und II.1.). Im Rahmen der Produktüberwachung und bei der regelmäßigen Überprüfung ihrer Produkte haben die LVU zu prüfen, ob die Anlagestrategie, die das LVU selbst als Produkteigenschaft bestimmt hat und die mit dem oder den Fonds sowie gegebenenfalls der Kapitalanlage im Sicherungsvermögen und etwaigen Umschichtungsalgorithmen umgesetzt wird, weiterhin einen angemessenen Kundennutzen hat. Sie haben zu prüfen, ob ein Fonds der Anlagestrategie und der Erwartung an das Rendite-Risikoprofil genügt. Abhängig vom Ergebnis dieser Prüfung hat ein LVU gegebenenfalls zu prüfen, ob es den Fonds für den zukünftigen Vertrieb des Produkts nicht mehr anbietet und – wenn an der Anlagestrategie als Produkteigenschaft festgehalten werden soll - stattdessen einen anderen Fonds anbietet.

37 Für den Fall, dass ein LVU einen Fonds für den zukünftigen Vertrieb nicht mehr anbietet, sei es, weil die Anlagestrategie als Produkteigenschaft aufgegeben wird oder der Fonds zur Umsetzung der Anlagestrategie als Produkteigenschaft nicht mehr geeignet erscheint, hat es zu prüfen, ob „mit dem Produkt verbundene Umstände“ im Sinne des Art. 7 Abs. 3 DV 2017/2358 vorliegen, „die nachteilige Auswirkungen auf den Kunden des betreffenden Produkts haben können“. Das LVU hat (im Rahmen seiner Geschäftsorganisation als Teil des Produktfreigabeverfahrens) zu prüfen, ob sich zivilrechtlich Verpflichtungen gegenüber den Kunden ergeben und diese dann gegebenenfalls zu erfüllen, ohne dass es der ausdrücklichen Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche durch den Kunden bedarf. Im Betracht kommt insoweit insbesondere eine Beratungspflicht (vgl. auch § 6 Abs. 4 VVG). Entsprechendes gilt, wenn ein Fonds von dem Fondsanbieter geschlossen wird.

2. Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner der LVU

38 Neben Produktherstellern einer fondsgebundenen Lebensversicherung (vgl. oben II.3. und nachfolgend D.II.) erhalten im Einzelfall auch deren Vertriebspartner Rückvergütungen von Fondsgesellschaften, deren Fonds der VN wählen kann.

39 LVU haben sich in ihrer Eigenschaft als Produkthersteller zu vergewissern, ob und in welchem Umfang Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner gezahlt werden. Im Fall von Rückvergütungen direkt an ihre Vertriebspartner haben die LVU in besonderer Weise auf einen korrespondierenden Kundennutzen solcher Rückvergütungen zu achten. Sie haben dabei ihre eigenen Vergütungszahlungen an ihre Vertriebspartner und die Rückvergütungen insgesamt zu betrachten.

40 Diese Ausführungen gelten für Rückvergütungen sonstiger Dritter direkt an Vertriebspartner der LVU entsprechend, ebenso für Rückvergütungen, welche von den LVU an ihre Vertriebspartner weitergeleitet werden, unabhängig davon, dass solche weitergeleiteten Rückvergütungen Teil der Aufwendungen der LVU für ihre Vertriebspartner sind (vgl. II.1.b)).

IV. Ergänzende Hinweise zu Zielmarkt, Produktprüfung, Produktüberwachung; Dokumentationspflicht

1. Zielmarkt und Informations-/Beratungsaufwand im Verkauf (am Point of Sale)

41 Gerade fondsgebundene Lebensversicherungen weisen, in Abhängigkeit der Zahl und der verschiedenen Chancen-Risiko-Profile der zur Auswahl stehenden Fonds gegebenenfalls eine hohe Anzahl von Optionen für den VN auf („Multioptionsprodukt“). Eine etwaige Ausgestaltung als Hybridprodukt, insbesondere dynamisches Hybridprodukt mit Umschichtungsalgorithmen, erschwert die Verständlichkeit eines Produkts für den VN gegebenenfalls zusätzlich. Entsprechendes gilt gegebenenfalls für ein Angebot zur Anlageverwaltung durch das LVU oder von diesem beauftragte Dritte.

42 Bei der Definition des Zielmarkts wählen LVU gegebenenfalls eine „breite“ Beschreibung, weil sie eine „breite“ Vermarktbarkeit des Produkts vorsehen. Das Ziel, dem VN das seinen Bedürfnissen entsprechende Produkt zu verkaufen, bleibt dann gegebenenfalls weitgehend dem Verkaufsgespräch am „Point of Sale“ überlassen. Tendenziell führt ein „breiterer Zielmarkt“ zum Zweck einer „breiteren Vermarktbarkeit“ damit zu einem erhöhten Beratungsbedarf und Beratungsaufwand am Point of Sale. Ein erhöhter Beratungsaufwand wird sich tendenziell erhöhend auf die Abschlusskosten (Abschlussprovisionen) auswirken und erhöht tendenziell auch das Risiko einer fehlerhaften Beratung zu Lasten des VN.

43 Die LVU haben daher bei der Ermittlung des Zielmarkts und Beurteilung, ob ein Versicherungsprodukt für den Zielmarkt geeignet ist, zu prüfen, ob der Beratungsbedarf und -aufwand am Point of Sale in einem angemessenen Verhältnis im Hinblick auf die Bedürfnisse des Zielmarkts steht. Sie haben zu prüfen, ob es vorzugswürdig ist, einen „breiten“ Zielmarkt, insbesondere bei fondsgebundenen Lebensversicherungen auch im Hinblick auf die Risikobereitschaft der VN, in mehrere Zielmärkte zu „segmentieren“. Das verlangt nicht zwingend parallel das Versicherungsprodukt entsprechend zu segmentieren. Soweit weiter ein Produkt mit einer großen Anzahl an Anlageoptionen angeboten werden soll, kann auch die Beschreibung geeigneter Teilzielmärkte für einzelne Anlageoptionen oder Gruppen von Anlageoptionen innerhalb der übergeordneten Zielmarktdefinition für das gesamte Produkt ein geeignetes Mittel sein, um dem Bedarf einer hinreichenden Segmentierung des Zielmarktes Rechnung zu tragen.15

2. Wiederholte Prüfung des Kundennutzens im Rahmen der Produktüberwachung

44 Für die Prüfung des Kundennutzens im Rahmen der Produktüberwachung gelten die allgemeinen Ausführungen zur Produktprüfung entsprechend. Die LVU haben bei der Prüfung des Kundennutzens im Rahmen der Produktüberwachung Erkenntnisse und Erfahrungswerte aus dem Bestandsgeschäft einzubeziehen. Das gilt insbesondere für die Verwendung von Renditeszenarien (vgl. III.1.) und Stornoerwartungen.

3. Dokumentationspflicht

45 Die LVU haben die Prüfung und Feststellung des angemessenen Kundennutzens für den Zielmarkt im Rahmen des produktindividuellen Produktfreigabeverfahrens und der fortdauernden Produktüberwachung hinreichend zu dokumentieren und der BaFin auf Verlangen zur Verfügung zu stellen (vgl. Art. 9 DV 2017/2358). Die Dokumentation muss zumindest die Prüfung des Kundennutzens für die Ansparphase, die unter I.1. aufgeführten zu berücksichtigenden Produkteigenschaften und die vom LVU selbst bestimmten weiteren Produkteigenschaften umfassen.

D. Unternehmenseigene Prüfung von Fehlanreizen in der Vertriebsvergütung

46 Neben den Vorgaben zum Produktfreigabeverfahren enthält die IDD eigenständige Vorgaben zur Vertriebsvergütung und Interessenkonflikten (vgl. Rundschreiben 11/2018, Rn. 90 ff.). Diese Vorgaben haben die LVU für ihr Unternehmen zu prüfen und das Ergebnis zu dokumentieren (vgl. a.a.O., Rn. 101 f.).

I. Die Vergütung durch die LVU

47 Die Vertriebsvergütung umfasst gemäß § 7 Nr. 34b VAG alle Arten von Provisionen, Gebühren, Entgelten oder sonstigen Zahlungen, einschließlich wirtschaftlicher Vorteile jeglicher Art, oder finanzielle oder nichtfinanzielle Vorteile oder Anreize, die in Bezug auf Versicherungsvertriebstätigkeiten angeboten oder gewährt werden (ausgenommen solcher aus Rückversicherungsvertriebstätigkeiten).

48 Gemäß § 48a Abs. 1 S. 1 VAG darf die Vertriebsvergütung von LVU nicht mit ihrer Pflicht kollidieren, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. § 48a Abs. 6 VAG bestimmt insbesondere, dass Provisionszahlungen an Versicherungsvermittler sich nicht nachteilig für den Kunden auswirken und nicht die Verpflichtung des Versicherungsunternehmens beeinträchtigen dürfen, im besten Interesse seiner Kunden zu handeln. Die Vertriebsvergütung darf danach insbesondere keine Anreize setzen, die einen nicht hinnehmbaren Widerspruch begründen zu der den LVU (ihren im Vertriebsbereich Angestellten) / den Versicherungsvermittlern obliegenden Pflicht, im bestmöglichen Interesse des VN zu handeln (vgl. §§ 1a, 59 Abs. 1 S. 2, 3 VVG). Dem Interesse des Versicherungsvermittlers an der Provision für den Vertragsabschluss steht das Interesse des Kunden gegenüber, bestmöglich beraten zu werden, d. h. ergebnisoffen und nicht im Hinblick auf ein bestimmtes Ergebnis/einen bestimmten Vertragsschluss.

49 Um zu beurteilen, ob ein Anreiz (insbesondere „Provisionszahlungen“, vgl. Art. 2 Abs. 2 DV 2017/2359) sich nachteilig auf die Qualität der betreffenden Dienstleistung für den Kunden auswirkt, haben die LVU eine Gesamtanalyse vorzunehmen, bei der sämtlichen relevanten Faktoren, die das Risiko einer nachteiligen Auswirkung auf die Qualität der betreffenden Dienstleistung für den Kunden erhöhen bzw. senken können, sowie den organisatorischen Maßnahmen, die zur Verhinderung des Risikos einer nachteiligen Auswirkung ergriffen werden, Rechnung getragen wird. Für die Prüfung des Anreizcharakters der Vertriebsvergütung erscheint es aus Sicht der BaFin geeignet, an die unter C.II.1.b) aufgeführten Positionen von Aufwendungen für Versicherungsvermittler als Ausgangspunkt/Orientierung für die Prüfung von Fehlanreizen anzuknüpfen, und also zu prüfen, ob eine Zahlung oder Aufwendung den Vermittlungserfolg vergütet (Abschlussprovision) oder eine tätigkeits-/aufwandsbezogene Vergütung einer sonstigen Leistung oder eine Aufwendung zur Vertriebsunterstützung ohne besonderen Anreizcharakter darstellt.

50 Im Rahmen der Beurteilung von Anreizen hat das LVU als Kriterium insbesondere auch den Wert des Anreizes im Verhältnis zu dem Wert des „Produkts und der Dienstleistungen“ zu berücksichtigen (Art. 8 Abs. 2 S. 2 lit. c DV 2017/2359). Ein Fehlanreiz kann sich also auch aus der Höhe einer Provision für den einzelnen Vertragsabschluss ergeben. So ist eine Abschlussprovision im Hinblick auf ihre Höhe auch daraufhin zu prüfen, welcher Wert ihr aus Sicht des VN zukommt (vgl auch oben C.II.1.b)). Je höher eine Abschlussprovision im Vergleich zu ihrem „Wert“ ist, desto höher wird ihr Anreizcharakter sein. Dabei ist als Teil der maßgeblichen Abschlussprovision auch eine an den bloßen Fortbestand des einzelnen Vertrages anknüpfende Bestandsprovision/Folgeprovision anzusehen (vgl. auch schon C.II.1.b)). Eine aufwandsangemessene Vergütung einer anderen Leistung als der Vertragsvermittlung und Aufwendungen zur Vertriebsunterstützung, auch wenn sie im Einzelfall im Hinblick auf die weite gesetzliche Definition als Vertriebsvergütung anzusehen sein mögen, haben regelmäßig keinen spezifischen Anreizcharakter.

51 Das LVU hat zu berücksichtigen, ob der Anreiz ausschließlich oder vorwiegend auf rein quantitative Kriterien abstellt oder aber auch angemessene qualitative Kriterien berücksichtigt (Art. 8 Abs. 2 S. 2 lit. b DV 2017/2359). Danach kommt einer Abschlussprovision, die an das Zustandekommen eines vermittelten Vertrages anknüpft, grundsätzlich eine hohe Anreizwirkung zu. Eine hohe Abschlussprovision ist daher an angemessene qualitative Kriterien zu knüpfen.

52 In Betracht kommt insbesondere das Anknüpfen an eine Stornoquote. Die Stornoquote sollte gegebenenfalls, anknüpfend an die Anzahl der vermittelten Verträge, für das individuelle Produkt (vgl. oben C.II.1.a)) und für den individuellen Vertriebspartner definiert werden. Eine hohe Abschlussprovision kann etwa davon abhängig gemacht werden, dass die individuelle Stornoquote des Vertriebspartners unterhalb der Stornoquote für das Produkt insgesamt oder einer individuell für den Vertriebspartner definierten Schwelle liegt.

53 Als weiteres Beurteilungskriterium ist insbesondere zu berücksichtigen, ob eine variable oder an die Erreichung eines bestimmten Ziels gebundene Schwelle jedweder Form oder ein anderer werterhöhender Mechanismus besteht, der bei Erreichung eines bestimmten Verkaufsvolumens oder -werts ausgelöst wird (Art. 8 Abs. 2 S. 2 lit f DV 2017/2359). Solche Zahlungen oder erhöhte Zahlungen, die auf die Anzahl der vermittelten Verträge oder auf den Wert der vermittelten Beitragssumme (oder einer daraus abgeleiteten Größe) abstellen, haben grundsätzlich eine hohe Anreizwirkung. Eine entsprechend hohe Anreizwirkung ist anzunehmen, wenn Vorauszahlungen vereinbart sind, die in entsprechender Weise an bestimmte Zielwerte für eine vermittelte Beitragssumme (oder einer daraus abgeleiteten Größe) anknüpfen.

II. Zahlungen Dritter an Vertriebspartner, insbesondere Rückvergütungen der Fondsgesellschaften in der fondsgebundenen Lebensversicherung

54 Im Einzelfall erhalten auch die Vertriebspartner der LVU neben Zahlungen des LVU auch Zahlungen (Rückvergütungen) von Fondsgesellschaften, deren Fonds der VN wählen kann. Wie unter C.III.2 dargestellt haben sich die LVU zu vergewissern, ob und in welchem Umfang Rückvergütungen von Fondsgesellschaften an Vertriebspartner gezahlt werden. Sie haben dies auch für die Prüfung von Fehlanreizen in der Vertriebsvergütung zu wissen. Solche Rückvergütungen können eine Anreizwirkung für den Vertriebspartner haben, den Fonds zu empfehlen, für den er eine höhere Rückvergütung erhält.

55 Diese Ausführungen gelten für Rückvergütungen sonstiger Dritter direkt an Vertriebspartner der LVU entsprechend, ebenso für Rückvergütungen, welche von den LVU an ihre Vertriebspartner weitergeleitet werden.


Fußnoten:

  1. 1 Das stellt auch der Erwägungsgrund 8 zur DV 2017/2358 klar: „Die vorgeschriebene Bewertung der Produktleistung sollte allerdings nicht als Eingriff in die Freiheit der Hersteller betreffend die Festsetzung von Prämien oder als Preiskontrolle jedweder Art verstanden werden.“
  2. 2 Vgl. EIOPAs „Methodology …“, Seite 5: „Costs and performance should be always considered jointly, regardless of the tool used, as the focus of this approach is on ensuring value for money […].“
  3. 3 Die Bezeichnung VN wird im Übrigen synonym zum Begriff „Kunde“ im Sinne der IDD verwendet.
  4. 4 Vgl. EIOPAs „Methodology …“, Seite 5: „Moreover additional extrinsic factors may matter when assessing product value for money.”
  5. 5 Insbesondere sind auch etwaige Auswirkungen der Risikokomponente auf den Auszahlungsbetrag der Sparkomponente z.B. durch Überschussanteile auf die Risikobeiträge nicht zu berücksichtigen. Diese sind für die Bewertung des Kundennutzens der biometrischen Absicherung zu betrachten.
  6. 6 Vgl. EIOPAs „Methodology …“, Seite 5: „ Such a factor could be inflation. Inflation is not part of the costs and performance that at least to a certain degree can be influenced by the manufacturers; nevertheless inflation is a factor of importance as it affects the ‘real’ value of the product’s return and therefore it needs to be taken into account.“
  7. 7 Siehe Messung der Inflation – der Harmonisierte Verbraucherpreisindex (HVPI) (europa.eu). Anknüpfend an die tatsächliche Inflation können gegebenenfalls abweichende Inflationserwartungen angemessen berücksichtigt werden. Vgl. auch EIOPAs „Methodology …“, Seite 14.
  8. 8 So auch EIOPAs „Methodology …“, Seite 5: „Costs and performance should be always considered jointly, regardless of the tool used, as the focus of this approach is on ensuring value for money and some higher costs may not be undue because of the services offered and/or because of the possibility of seeking higher performance.”
  9. 9 Siehe auch Art. 6 Abs. 1 DV 2017/2358.
  10. 10Vgl. EIPOA Supervisory Statement, Ziffer 3.14: “Such product testing, to be performed by manufacturers, should assess whether the unit linked product over its lifetime meets the identified needs, objectives and characteristics of the target market. This includes delivering value for money, whereby value should be assessed taking into account the point in the lifecycle where target market could be reasonably expected to surrender the policy depending on its characteristics.”
  11. 11 Vgl. EIOPAs Supervisory Statement, Ziffer 3.5: „In particular, due costs are those costs which manufacturers can clearly link to services rendered or expenses made and which are proportional to the efforts and expenses incurred by the (co)-manufacturer or distributors. To this end, NCAs should monitor that the pricing process adopted by the manufacturer allows a clear identification and quantification of all costs charged to customers.“
  12. 12 Vgl. § 48a Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 3 VAG.
  13. 13 Vgl. EIOPAs „Opinion on monetary incentives and remuneration between providers of asset management services and insurance undertakings", insbes. Ziffer 5.2.
  14. 14 Zur Berücksichtigung von Rückvergütungen bei der Berechnung der Mindestzuführung vgl. auch die Auslegungsentscheidung zur Mindestzuführung in der fondsgebundenen Lebensversicherung der BaFin vom 22.12.2009 und Ziffer 28 der Auslegungsentscheidung Anlageentscheidungen im Interesse der Versicherungsnehmer und Anspruchsberechtigten und Umgang mit Interessenkonflikten im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht (§ 124 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 und 4 VAG) der BaFin vom 13.07.2020.
  15. 15 Vgl. EIOPA Supervisory Statement, Ziffer 3.12.

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