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Wiebke Buck vom Zentrum Sustainable Finance und Exekutivdirektor Rupert Schaefer im Gespräch. © BaFin

Erscheinung:25.02.2025 | Thema Nachhaltigkeit KMU-Kredite: „Hier sind und bleiben die Institute gefordert“

Weniger ESG-Berichtspflichten! In kaum einer Diskussion über Regulierung fehlt diese Forderung. Die BaFin setzt sich für mehr Proportionalität ein. Kreditinstitute brauchen für ihr Risikomanagement jedoch aussagekräftige Nachhaltigkeitsdaten, erklären Exekutivdirektor Rupert Schaefer und Wiebke Buck vom Zentrum Sustainable Finance.

Herr Schaefer, Frau Buck, in der Diskussion über Entbürokratisierung wird vielfach gefordert, die Berichtspflichten der Unternehmen zu reduzieren. Gleichzeitig brauchen Banken Nachhaltigkeitsdaten für das Kreditgeschäft. Wie passt das zusammen?

Schaefer: Wir müssen unterscheiden zwischen Anforderungen des Risikomanagements aus Aufsichtsgesetzen – also dem eigentlichen Zuständigkeitsbereich der BaFin – und den Offenlegungspflichten hinsichtlich allgemeiner Nachhaltigkeitszielsetzungen. Die öffentliche Diskussion dreht sich ja vor allem um die breit angelegten nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegungspflichten, wie es zum Beispiel mit der europäischen Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung CSRD vorgesehen ist. Bei diesem Thema ist momentan viel im Fluss. Die CSRD ist noch nicht in nationales Recht umgesetzt. Die EU-Kommission plant zudem, die Nachhaltigkeitsberichterstattung zu vereinfachen, was wir begrüßen. Letztendlich muss die Politik entscheiden, in welchem Ausmaß die Unternehmen künftig offenlegen müssen.

Welchen Fokus setzt die Finanzaufsicht BaFin hierbei?

Schaefer: Für uns stehen das aufsichtliche Meldewesen und das Risikomanagement der Unternehmen, die wir beaufsichtigen, im Vordergrund. Natürlich wird auch hier darüber diskutiert, wie granular und komplex die entsprechenden Vorgaben sein sollten. Ein aktuelles Beispiel sind die Leitlinien der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA an das Management von ESG-Risiken bei Banken. Hier legen wir bei der nationalen Umsetzung Wert auf noch mehr Proportionalität. Aber ganz grundsätzlich müssen Kreditinstitute einschätzen können: Wie wahrscheinlich ist es, dass ein Unternehmen seinen Kredit nicht mehr bedienen kann? Und da können Klima- und Umweltrisiken mittlerweile eine wichtige Rolle spielen. Der Klimawandel schreitet voran und die physischen Risiken steigen. Wir erwarten, dass die Banken genau hinschauen, ob ihr Geschäft von umweltbezogenen Risiken beeinflusst wird und was die relevanten Risikotreiber sind. Dafür brauchen sie entsprechende aussagekräftige Daten. Das gehört zu gutem Risikomanagement schlichtweg dazu.

Buck: Große, kapitalmarktorientierte Banken brauchen bereits Nachhaltigkeitsdaten für ihre Offenlegung nach den Anforderungen der europäischen Bankenregulierung. Für alle anderen Banken wird es zukünftig ebenfalls aufsichtliche Melde- und Offenlegungsanforderungen geben. Daher überarbeitet die EBA derzeit den bestehenden Implementing Technical Standard für die ESG-Offenlegung. Wir achten dabei besonders auf Proportionalität – und wir fragen beständig: Welche Daten braucht es wirklich für aufsichtliche Zwecke und welche sind vielleicht auch verzichtbar?

Besonders kleinen und mittleren Unternehmen der Realwirtschaft dürfte es schwerfallen, ihren Banken umfangreiche Nachhaltigkeitsdaten zur Verfügung zu stellen.

Buck: Es ist für viele dieser Unternehmen tatsächlich schwierig, entsprechende Daten zu ermitteln. Zum Beispiel, weil manche Daten schwer zu beschaffen sind. Dazu kommt: Es gibt aktuell auch keine marktweit einheitlichen Anforderungen oder Templates der Banken, an denen sich die Unternehmen orientieren könnten. Es kommt durchaus vor, dass Bank A andere Informationen anfordert als Bank B. Marktteilnehmer und Verbände haben das Problem erkannt und bemühen sich um klare Branchenstandards. Wir begrüßen dies ausdrücklich.

Der europäische Standardsetzer, die European Financial Reporting Advisory Group, kurz EFRAG, hat kürzlich einen freiwilligen Nachhaltigkeitsberichtsstandard VSME - für kleine und mittlere Unternehmen veröffentlicht. Kann das eine tragfähige Lösung für die Banken sein?

Schaefer: Idealerweise gäbe es aus Aufsichtsperspektive einen Offenlegungsstandard für kleine und mittlere Unternehmen, der auch geeignet ist, die relevanten Informationsbedürfnisse für das Risikomanagement der Banken mit abzudecken. Ob der VSME der EFRAG die Informationsbedürfnisse der Banken trifft, werden wir sehen. Wir setzen uns in den europäischen Gremien dafür ein, dass die Daten, die Banken für das aufsichtliche Meldewesen benötigen, und die Daten, die Unternehmen der Realwirtschaft ohnehin veröffentlichen, möglichst übereinstimmen. Natürlich wäre es aus unserer Perspektive sehr willkommen, wenn der europäische Gesetzgeber die „Omnibus“-Verordnung zur Vereinfachung der ESG-Berichtspflichten für eine sinnvolle Verzahnung der nachhaltigkeitsbezogenen Offenlegung mit den Informationsbedürfnissen der Finanzunternehmen nutzen würde.

Buck: Zudem brauchen Banken natürlich auch weiterhin die Möglichkeit, in Einzelfällen zusätzliche Informationen bei den kleinen und mittleren Unternehmen einzuholen. Zum Beispiel, wenn es um ein konkretes Geschäftsmodell geht, bei dem die Klima- und Umweltrisiken besonders relevant erscheinen. Aus unserer Perspektive sollten die Institute jedoch darauf achten, dass sie die Unternehmen durch solche Anfragen nicht übermäßig belasten.

Was sollen die Kreditinstitute denn tun? Sie brauchen ja Nachhaltigkeitsdaten von den Unternehmen …

Buck: Das Aufsichtsrecht bietet den Instituten verschiedene Möglichkeiten, falls ihnen Nachhaltigkeitsdaten von Unternehmen fehlen. Uns ist wichtig, dass sie risikoorientiert vorgehen: Für welche Aspekte brauchen sie überhaupt zusätzliche Informationen von einem Unternehmen? Nehmen Sie zum Beispiel die physischen Risiken des Klimawandels. Darauf setzen wir in diesem Jahr einen Schwerpunkt. Gerade hier lohnt es sich, zu fragen: Für welche Aspekte können öffentlich verfügbare Daten herangezogen werden? Viele Informationen, die zur Einschätzung von physischen Risiken hilfreich sein können, stehen öffentlich zur Verfügung, zum Beispiel Hochwassergefahrenkarten, Dürremonitore oder Daten zu Starkregenrisiken. Sollte es keine passenden Daten geben, dürfen Kreditinstitute explizit auch schätzen, zum Beispiel auf Basis der Daten vergleichbarer Kunden.

Schaefer: Hier sind und bleiben die Institute gefordert. Sie müssen entscheiden: Was sind die wesentlichen Daten und Informationen für ihr Risikomanagement? Diese müssen sie von ihren Kreditnehmern einholen – und das auf möglichst unkomplizierte Art und Weise. Wir werden den Banken nicht vorschreiben, wie sie das genau machen sollen.

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