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Bild Herr Bock (c) BaFin/Matthias Sandmann

Erscheinung:25.11.2024 Verjährung droht: „Kundinnen und Kunden müssen dringend handeln“

Bei vielen Kundinnen und Kunden von Prämiensparverträgen verjähren Ende 2024 Ansprüche auf Zinsnachzahlungen. Was jetzt zu tun ist – und warum die Finanzaufsicht BaFin gegen ein Urteil des Frankfurter Verwaltungsgerichts in Berufung geht, erklärt BaFin-Verbraucherschutzbeauftragter Christian Bock im Interview.

Herr Bock, rund um die Jahrtausendwende haben viele Verbraucherinnen und Verbraucher Prämiensparverträge abgeschlossen. Das ist lange her. Warum müssen sie ausgerechnet jetzt aktiv werden?

Viele Kundinnen und Kunden, die solche Verträge abgeschlossen haben, können noch Zinsnachzahlungen fordern. Bei einigen droht schon in wenigen Wochen die Verjährung dieser Ansprüche. Deshalb sollten sie schnell ihre Bank oder Sparkasse kontaktieren, um ihre Verträge zu prüfen, Nachzahlungsansprüche geltend zu machen und eine mögliche Verjährung zu stoppen.

Was müssen sie konkret tun?

Betroffene Personen müssen schriftlich von ihrem Kreditinstitut eine Zinsnachzahlung fordern. Dabei können sie sich auf die Urteile des Bundesgerichtshofs berufen, unter anderem vom 9. Juli 2024. Musterbriefe gibt es bei den Verbraucherzentralen.

Ansprüche auf Zinszahlungen verjähren nach drei Jahren. Wie kann man das verhindern?

Verbraucherinnen und Verbraucher können sich an die zuständige Schlichtungsstelle wenden oder Klage einreichen. Alternativ können sie von ihrem Kreditinstitut eine schriftliche Bestätigung verlangen, in dem es auf die sogenannte Einrede der Verjährung verzichtet.

Ob Kundinnen und Kunden überhaupt Ansprüche haben, und wann die Verjährungsfristen dafür beginnen und enden, können sie durch eine Verbraucherzentrale, einen Anwalt oder eine Anwältin überprüfen lassen. Die BaFin kann hier nicht helfen. Sie darf rechtlich nicht beraten.

Zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern hat die BaFin aber vor drei Jahren eine Allgemeinverfügung zu Zinsanpassungsklauseln erlassen. Was waren die Hintergründe?

Die Banken hatten Klauseln in ihre Verträge eingebaut, die ihnen erlaubten, Zinssätze einseitig zu ändern. Der Bundesgerichthof hat diese Klauseln 2004 abschließend für ungültig erklärt, 2010 hat er zudem eine gerichtlich ergänzende Vertragsauslegung verlangt. Viele Kreditinstitute haben das aber lange ignoriert.

Mit unserer Allgemeinverfügung haben wir sie verpflichtet, ihre Kundinnen und Kunden über die Rechtsprechung zu informieren und die Zinsen neu zu berechnen: Entweder indem sie zusagen, ergänzende Vertragsauslegungen des Gerichts zu beachten oder einen Änderungsvertrag anbieten.

Das betraf viele Verbraucherinnen und Verbraucher: 2021 gab es rund 1,1 Millionen Verträge, bei denen die Institute laut Verbraucherzentrale durchschnittlich etwa 1.000 bis 2.000 Euro zu wenig Zinsen gezahlt haben.

Das Verwaltungsgericht Frankfurt hat die Allgemeinverfügung vor wenigen Wochen aufgehoben. Der Grund: Es liege kein erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstoß gegen ein Verbraucherschutzgesetz vor.

Das sehen wir anders – und haben deshalb Berufung eingelegt. Wir erhoffen uns durch ein höherinstanzliches Urteil noch mehr Rechtssicherheit für unsere Verwaltungspraxis. Ich möchte zudem betonen: Das Verwaltungsgericht hat bestätigt, dass die Kreditinstitute die Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vollumfänglich erfüllen. Die zivilrechtlichen Ansprüche von Kundinnen und Kunden gegenüber den Kreditinstituten sind von der Entscheidung des Frankfurter Verwaltungsgerichts nicht betroffen.

Da die Gerichtsverfahren noch laufen, dürfen die Institute die BaFin-Verfügung ignorieren.

Genau. Auch deshalb müssen betroffene Kundinnen und Kunden dringend handeln.

Auf einen Blick :Prämiensparverträge

Etwa von 1990 bis 2010 haben viele Banken und Sparkassen ihren Kundinnen und Kunden Prämiensparverträge angeboten.

Ein Prämiensparvertrag ist eine langfristige Sparform mit variabler Verzinsung. Kunden und Kundinnen erbringen regelmäßige Sparraten. Das Institut hat aber keine Ansprüche auf Einzahlungen. Die Verträge sehen vor, dass das Institut dem Kunden oder der Kundin zusätzlich zum Zins eine Prämie zahlt. Meist ist diese nach der Vertragslaufzeit gestaffelt. Je nach konkreter Vertragsgestaltung beträgt sie bis zu 50 oder sogar 100 Prozent der auf den Vertrag eingezahlten jährlichen Sparleistung.

In der Praxis ähnelten sich die Verträge stark. Die Kreditinstitute verwendeten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen typischerweise Zinsanpassungsklauseln. Diese räumten ihnen ein, die vertraglich vorgesehene Verzinsung mit unbegrenzt einseitigen Ermessensspielräumen zu ändern. Die Klauseln lauteten etwa: „Die Bank/Sparkasse zahlt ... den durch Aushang bekanntgegebenen Zins“ oder „die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit ... % verzinst“.

Derartige Klauseln hat der Bundesgerichtshof seit 2004 in einer Reihe von Urteilen für unwirksam erklärt. Das Gericht hielt die Klauseln für nicht ausreichend transparent. Sparer und Sparerinnen könnten damit weder mögliche Zinsänderungen kalkulieren noch Anpassungen nachprüfen.

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