BaFin - Navigation & Service

Porträtaufnahme von Raimund Röseler, Exekutivdirektor Bankenaufsicht. © Bernd Roselieb

Erscheinung:13.12.2022 „Wir wollen gestalten - nicht nur begleiten“

(BaFinJournal) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat gemeinsam mit der Deutschen Bundesbank und der Kreditwirtschaft in einer Machbarkeitsstudie Perspektiven für die Neuausrichtung des bankaufsichtlichen Meldewesens aufgezeigt. Raimund Röseler, Exekutivdirektor der Bankenaufsicht, erklärt, welche Möglichkeiten sich daraus für die Aufsicht und Finanzinstitute ergeben.

Herr Röseler, warum wollen Sie das Meldewesen modernisieren?

Ein Grund ist: Das Meldewesen ist in den vergangenen Jahren extrem aufwändig geworden – für die Institute und für uns. Das muss sich ändern.

Da ist einmal der Zeitfaktor: Wir haben einen Wust an Meldepflichten. Bankenaufsicht, Bankenstatistik und Abwicklungsbehörden – alle wollen Informationen, alle stellen eigene Anforderungen. Das ist historisch so gewachsen. Und es wird auf absehbare Zeit nicht besser: Die Einführung der CRR III und der EU-Taxonomie werden den Meldeaufwand sogar noch weiter erhöhen. Dann sind da die Kosten: Das Meldewesen ist teuer. Rund 20 Milliarden Euro geben Banken EU-weit dafür pro Jahr aus. Da sind die Aufwendungen der Aufsicht noch nicht einmal eingerechnet.

Das zweite Motiv ist: Unser jetziges Meldewesen ist zu starr. Wir verlieren dadurch manchmal unnötig Zeit. Wenn etwas am Markt passiert, dem wir sofort nachgehen wollen, dann müssen wir fast immer die Institute dazu befragen. Das sind nicht die Analysefähigkeiten, von denen wir Aufseher träumen.

Mit einem reformierten Meldewesen, wie wir es uns vorstellen, könnten wir viel flexibler reagieren. Wir wären in der Lage, jederzeit auf die Daten zuzugreifen, die wir brauchen, und sie ohne unnötige Verzögerung zu analysieren. Dadurch würden auch Stresstests weniger aufwändig.

Was hat Sie bewegt, eine eigene Studie mit Prototyp in Auftrag zu geben?

Wir wollten die Initiative ergreifen: aktiv gestalten – nicht nur begleiten. Theoretische Ansätze und Konzeptpapiere gibt es mehr als genug. Mir war die Verbindung von Theorie und Praxis wichtig. Wir mussten auch nicht bei Null anfangen. Wir haben auf Basis von BIRD, das ist ein Datenmodell, das bereits existiert, einen Prototyp entwickelt. Der bildet die gesamte Strecke des Meldeprozesses ab. Damit haben wir gezeigt, dass wir BIRD als Grundlage für die Neuausrichtung des Meldewesens nutzen könnten.

Plan war ja, das Meldewesen grundlegend neu zu denken. Und der Prototyp hat gezeigt, dass unser Lösungsansatz funktioniert.

Welche Änderungen im Meldewesen schlagen Sie vor?

Wie gesagt: Wir wollen das Meldewesen von Grund auf reformieren. Also nicht nur Anpassungen hier und da. Wir wollen den großen Wurf: Entlastung für Institute und Aufsicht und bessere Analysefähigkeit für uns.

Unser Zielmodell fußt auf einem mixed-granularen Datenmodell. Das könnte in Zukunft für alle Meldeanforderungen einheitlich gelten. Heißt: Neben granularen Daten umfasst das Modell auch aggregierte Datenpunkte, die granular nicht abgebildet werden. Die unterschiedlichen meldebogen-basierten Anforderungen können dann irgendwann entfallen.

Durch die höhere Datengranularität bieten sich dann ganz neue analytische Möglichkeiten.

Welche Erkenntnisse hat die BaFin aus den granularen Daten gezogen?

Unsere Analysen werden aktueller, besser und treffsicherer, was gerade in schwierigen und schnelllebigen Zeiten wie diesen sehr hilfreich wäre. Wir werden viel individueller und differenzierter Risiken erkennen können. Die granularen Daten ermöglichen ganz neue Auswertungen. Mit nur einem Klick sind wir mit dem Prototyp in der Lage zu sehen: Welcher Kunde treibt die Risikoquote? Welches Geschäft trägt am meisten zum Kapitalbedarf bei? Wie hoch ist die Ausfallquote im Institut?

Wir könnten als BaFin auch eigene Frühwarnindikatoren setzen. Ohne Zusatzaufwand für die Banken. So könnten wir auch sehen: Welche Banken sind von der Pandemie besonders betroffen? Welche Kunden sind bereits ausgefallen? Welche Sicherheiten sind von einem Hochwasser – wie dem im Ahrtal – betroffen? All das könnte die Aufsicht in Zukunft mit wenigen Klicks sehen. Zudem würde auch die Zusammenarbeit zwischen Aufsicht und Instituten deutlich verbessert, da beide dasselbe Datenmodell nutzen. Eine Übersetzung zwischen unterschiedlichen Datenmodellen ist nicht mehr erforderlich.

Welche Banken waren am Piloten beteiligt?

Meldewesen ist ein Thema, das alle Banken betrifft. Daher haben wir darauf geachtet, dass die beteiligten Institute möglichst repräsentativ für den gesamten Sektor sind. Wir hatten aber natürlich auch Rechenzentren und die Verbände mit im Boot. Insgesamt waren über 30 Vertreter aus Aufsicht und Instituten in die Studie involviert. Mit dabei waren unter anderem die Sparkasse Leipzig, die Volksbank Mittelhessen, die Commerzbank, der Bankenverband sowie der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken.

Auch wenn eine Reform Vorteile mit sich brächte – wäre sie auch wirtschaftlich sinnvoll?

Es wird keine Kostenreduzierungen von jetzt auf gleich geben. Auf längere Sicht aber schon. Größere Entlastungen können vor allem durch die Nutzung von Zusatzpotentialen generiert werden. In der Studie haben wir einige identifiziert: Beispielsweise die Einführung von einheitlichen, konsistenten zentralen Stammdaten, aber auch durch die sukzessive Umsetzung zentraler Methoden.

Wie geht es jetzt weiter?

Nachdem wir den Prototyp auf Basis des BIRD-Datenmodells entwickelt hatten, war für uns klar: Wir werben bei unseren europäischen Partnern für unser Zielmodell. Dass es praxistauglich ist, hatte es ja bewiesen. Das Thema muss auf jeden Fall europäisch angegangen werden. BaFin und Bundesbank haben mehrere Gespräche mit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde, der Europäischen Zentralbank und der EU-Kommission geführt. Das Feedback ist durchweg positiv. Alle sind motiviert, das Meldewesen der Zukunft mitzugestalten; haben zugleich aber Respekt vor der Aufgabe.

Jetzt geht es ans Synchronisieren der Elemente auf EU-Ebene. Die Key-Player müssen sich zusammensetzten und gemeinsam mit nationalen Aufsichtsbehörden das Meldewesen der Zukunft entwickeln.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

Fachartikel zur Machbarkeitsstudie im BaFinJournal

Ausführlicher Beirag zur Machbarkeitsstudie

Video zur Machbarkeitsstudie

BaFinJournal

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback