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VGH Kassel © Nils Klinger - Photography

Erscheinung:12.10.2022 | Thema Maßnahmen Bekanntmachung von Maßnahmen: Verwaltungsgerichtshof bestätigt BaFin-Praxis

(BaFinJournal) Wann müssen nach dem Kreditwesengesetz (KWG) erlassene Maßnahmen bekannt gemacht werden? Und darf die BaFin hierbei Namen nennen? Geregelt ist das in § 60b KWG. Auf dieser Basis veröffentlicht die BaFin regelmäßig Maßnahmen, die sie gegen Institute erlassen hat. Häufig erfolgen diese Bekanntmachungen in nicht-anonymisierter Form, der Name des betroffenen Instituts wird also genannt. Gegen die Nennung seines Namens in einer solchen Bekanntmachung hatte ein Institut geklagt. Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (Hessischer VGH) hat sich mit seiner Entscheidung vom 4. August 2022 (Aktenzeichen 6 B 134/22) eindeutig positioniert und die BaFin in ihrer Vorgehensweise bestärkt.

Der vorliegende Artikel skizziert die Entscheidung des Hessischen VGH. Ausgehend hiervon geht er auf den Aufbau des § 60b KWG – der die Bekanntmachung von Maßnahmen regelt – sowie die Auswirkungen der Entscheidung auf die Praxis ein. Hierbei konzentriert er sich auf den Kerngehalt des § 60b KWG. Es geht um die Absätze 1 und 4 ohne Berücksichtigung der Sonderregelungen für die Bekanntmachung von Bußgeldentscheidungen in den übrigen Absätzen. Bekanntmachungspflichten nach anderen Normen – etwa nach § 60c KWG, § 319 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) oder nach § 57 Geldwäschegesetz (GwG) – bleiben unberührt. Dies gilt auch für Regelungen im Bereich der Wertpapieraufsicht im weiteren Sinne.

Hintergrund: Die Fallgeschichte

Vor einiger Zeit hat die BaFin einen Bescheid gegen ein Institut erlassen, in dem sie diesem aufgab, bei einer Sonderprüfung aufgefallene Mängel zu beseitigen. Nachdem die Bestandskraft des Bescheides eingetreten war, veröffentlichte die BaFin die Maßnahme unter Nennung des Institutsnamens auf ihrer Website.

Das Institut ging gegen die namentliche Veröffentlichung mit einem Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main vor. Es beantragte, die BaFin zu verpflichten, die Bekanntmachung von ihrer Website zu entfernen, bis über das Hauptsacheverfahren entschieden ist. Diesen Antrag lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. Januar 2022 ab. Hiergegen legte das Institut Beschwerde beim Hessischen VGH ein.

Die Entscheidung des Hessischen VGH

Der Hessische VGH beschäftigte sich folglich mit der Frage, unter welchen Umständen die BaFin bestandskräftige Maßnahmen nach § 60b KWG namentlich veröffentlichen darf – und in welchen Fällen die Veröffentlichung in anonymisierter Form erfolgen oder sogar unterbleiben muss.

Das Ergebnis: Mit seiner Entscheidung stellt der Hessische VGH klar, dass § 60b Absatz 1 KWG die namentliche Bekanntmachung von Maßnahmen als Normalfall ansieht, sofern nicht aufgrund eines atypischen Sonderfalls gänzlich auf die Veröffentlichung verzichtet wird. Eine Anonymisierung ist nach der Entscheidung nur in den von § 60b Absatz 4 KWG genannten Fällen – Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Gefahren für die Finanzmarktstabilität, Gefährdung strafrechtlicher Ermittlungen oder einem unverhältnismäßig großen Schaden für die Betroffenen – vorgesehen. Damit folgt der Hessische VGH der Argumentation des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main.1

Bekanntmachung: Kein Verwaltungsakt

Bei der öffentlichen Bekanntmachung einer Maßnahme handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt (§ 35 Verwaltungsverfahrensgesetz, VwVfG). Zu diesem Punkt enthält zwar weder die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main noch die Entscheidung des Hessischen VGH explizite Ausführungen. Ausdrücklich positioniert hat sich das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main in der Vergangenheit jedoch zu einer Bekanntmachung nach § 26b Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b) Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Hier hat das Verwaltungsgericht festgehalten, dass es sich bei einer solchen Bekanntmachung um einen Realakt und nicht um einen Verwaltungsakt handelt.2

Zudem ergibt sich aus den Entscheidungen mittelbar, dass beide Gerichte – ebenso wie die einschlägige bankaufsichtliche Kommentarliteratur – auch eine Bekanntmachung nach § 60b KWG nicht als Verwaltungsakt betrachten. Geprüft wurde in den Entscheidungen eine einstweilige Anordnung auf Basis des § 123 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Im Falle eines Verwaltungsakts müsste dagegen eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Absatz 5 VwGO) beantragt werden. Im vorliegenden Fall wäre der Antrag damit unzulässig gewesen, womit sich auch die Gerichte hätten auseinandersetzen müssen.

Dass es sich bei der öffentlichen Bekanntmachung nicht um einen Verwaltungsakt handelt, wirkt sich auf die rechtlichen Anforderungen des Verfahrens aus. Denn anders als bei einem Verwaltungsakt ist damit eine gesonderte vorherige Anhörung nicht erforderlich. Gleichwohl enthalten die Anhörungen und Maßnahmen der BaFin häufig einen Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften zur Bekanntmachung.

Aufbau des § 60b KWG

Sowohl das Verwaltungsgericht als auch der Hessische VGH mussten sich für ihre Entscheidungen mit dem Aufbau des § 60b KWG auseinandersetzen.

In der Grundkonstellation, die in § 60b Absatz 1 KWG geregelt ist, sieht die Norm vor, dass die BaFin von ihr verhängte und bestandskräftig gewordene Maßnahmen öffentlich bekannt machen „soll“. Die Veröffentlichung ist also nicht bei jeder Maßnahme zwingend gesetzlich vorgesehen. Der Gesetzgeber räumt der BaFin vielmehr einen Ermessensspielraum ein – zum „ob“ der öffentlichen Bekanntmachung (siehe Infokasten Gebundene Entscheidungen und Ermessen). Damit unterscheidet sich die Vorschrift etwa von der Regelung in § 57 Geldwäschegesetz (GWG), nach der eine Bekanntmachung bestimmter Maßnahmen zwingend vorgesehen ist.

Auf einen Blick:Gebundene Entscheidungen und Ermessen

Verwaltungsrechtliche Vorschriften kennen gebundene Entscheidungen und Ermessensentscheidungen. Bei gebundenen Entscheidungen gibt die Vorschrift eine feste Rechtsfolge vor. Ein Beispiel für eine gebundene Entscheidung enthält § 33 Absatz 1 Satz KWG: „Die Erlaubnis ist zu versagen, wenn …“.

Bei Ermessensentscheidungen hat die Behörde einen Spielraum bei ihrer Entscheidung, die Norm gibt keine feste Rechtsfolge vor. Signalwörter für eine Vorschrift, die Ermessen einräumt, sind „soll“ und „kann“. Ein Beispiel für eine Ermessensvorschrift ist § 33 Absatz 2 Satz KWG: „Die Bundesanstalt kann die Erlaubnis versagen, wenn …“.

Zentrale Rechtsnorm für das Ermessen ist § 40 VwVfG.

Durch die Formulierung als „Soll“-Bestimmung stellt der Gesetzgeber allerdings klar, dass das Ermessen der BaFin für öffentliche Bekanntmachungen nach § 60b KWG eingeschränkt ist. Im Regelfall muss die BaFin die Maßnahme öffentlich bekanntmachen, in atypischen Sonderfällen kann sie von einer öffentlichen Bekanntmachung absehen (siehe Infokasten „Kann“- und „Soll“-Bestimmungen).3

Auf einen Blick:„Kann“- und „Soll“-Bestimmungen

Den Grundfall der Ermessensentscheidungen bilden „Kann“-Bestimmungen. Wenn eine Behörde eine Rechtsfolge herbeiführen „kann“, ist sie gesetzlich nicht in eine Richtung gebunden. In diesem Fall muss sie ihr Handeln vollumfänglich abwägen und anschließend innerhalb des ihr zustehenden Entscheidungsspielraums eine Entscheidung treffen.

Bei „Soll“-Bestimmungen ist die Entscheidung gesetzlich für den Regelfall vorgegeben. Die Behörde kann allerdings aus wichtigen Gründen oder in atypischen Sonderfällen hiervon abweichen und von ihrem Entscheidungsspielraum Gebrauch machen.

Kein Ermessen hat die BaFin dagegen, wenn es um die Frage geht, ob die Maßnahme anonymisiert bekannt gemacht werden muss. Die Gründe hierfür listet § 60b Absatz 4 KWG abschließend auf. Im Kern muss eine Anonymisierung dann erfolgen, wenn andernfalls Persönlichkeitsrechte verletzt oder strafrechtliche Ermittlungen gefährdet werden würden, eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität besteht oder den Betroffenen ein unverhältnismäßig großer Schaden drohen würde.

Namentliche Bekanntmachung als Regelfall

Umstritten war im vorliegenden Fall auch, ob die in § 60b Absatz 1 KWG geregelte Grundkonstellation generell eine namentliche Veröffentlichung vorsieht. Wäre dies nicht der Fall, stünde der BaFin ein Ermessen zu, ob sie eine Maßnahme nur anonymisiert bekannt macht. Dies gälte unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 60b Absatz 4 KWG für eine anonymisierte Bekanntmachung vorlägen.

Der Hessische VGH hat sich hier eindeutig positioniert und klargestellt, dass § 60b Absatz 1 KWG generell eine namentliche Veröffentlichung vorsieht. Wörtlich heißt es hierzu im Beschluss des Hessischen VGH:

„Liegen die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelungen4 (und ein atypischer Fall) nicht vor, steht der Antragsgegnerin kein Ermessen zu, gleichwohl nur in anonymisierter Form zu veröffentlichen; sie hat vielmehr ihre Maßnahmen unter Namensnennung öffentlich zu machen.“

Umfang der Bekanntmachung

Der Hessische VGH äußerst sich auch zum Umfang der öffentlichen Bekanntmachung. In seinem Beschluss hat er festgehalten, dass der Gesetzgeber nicht etwa offengelassen und ins freie Ermessen der BaFin gestellt habe, ob, wann und wie eine Veröffentlichung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen erfolgen soll. Vielmehr habe er seine Vorstellungen über die Vorgehensweise klar zum Ausdruck gebracht.

In § 60b Absatz 1 KWG hieße es, die Bundesanstalt solle jede bestandskräftige aufsichtsbehördliche Maßnahme unverzüglich auf ihren Websites bekanntmachen und zudem Informationen zu Art und Charakter des Verstoßes mitteilen. Dies unterstreiche das öffentliche Interesse daran, Verstöße möglichst wirksam zu sanktionieren und gegenüber dem Finanzmarkt transparent zu kommunizieren.

Bedeutung für die Praxis

Die BaFin wird die öffentliche Bekanntmachung von Maßnahmen nach § 60b KWG damit auch zukünftig zweistufig prüfen und über das „ob“ und „wie“ der Bekanntmachung entscheiden.

Auf der ersten Stufe der Prüfung ist dabei zu klären, ob ausnahmsweise ein atypischer Sonderfall vorliegt und die BaFin damit von dem ihr zugewiesenen Ermessensspielraum Gebrauch machen muss. In diesem Fall kann die BaFin schlussfolgern, dass aufgrund des atypischen Sonderfalls eine Bekanntmachung unterbleiben muss. Sie kann aber auch zu dem Schluss kommen, dass eine Bekanntmachung dennoch zulässig ist.

Liegt kein atypischer Sonderfall vor oder ist die Bekanntmachung trotz des atypischen Sonderfalls zulässig, ist auf der zweiten Stufe zu klären, ob die Bekanntmachung anonymisiert werden muss. Hierzu wird geprüft, ob die Voraussetzungen des § 60b Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 KWG vorliegen.

Abhängig vom Ergebnis wird die Maßnahme anschließend entweder namentlich oder anonymisiert bekanntgemacht oder unterbleibt im Ausnahmefall.

Fußnoten:

  1. 1 Zu beachten ist, dass es sich um eine Entscheidung in einem Eilverfahren handelt. Eine Hauptsacheentscheidung erging in dem konkreten Fall bislang nicht.
  2. 2 Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 29. Dezember 2020, Aktenzeichen 7 L 2897/20.F.
  3. 3 Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu „Soll“-Bestimmungen, vergleiche etwa BVerwG, Urteil vom 17.08.1978, Aktenzeichen V C 33.77, Randnummer 8; BVerwG, Urteil vom 14.01.1982, Aktenzeichen 5 C 70/80, Randnummer 14; BVerwG, Urteil vom 17.03.1992, Aktenzeichen 1 C 31/89, Randnummer 13.
  4. 4 Anmerkung des Verfassers: Gemeint ist § 60b Absatz 4 Satz 1 KWG.

Verfasst von

Jan Wesselmann
Referat ZRC 1 – Rechtsreferat für Bankenaufsicht, Versicherungsaufsicht und Informationsfreiheitsgesetz

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