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Erscheinung:22.08.2022 | Thema Liquiditätsanforderungen BaFin veröffentlicht Rundschreiben zu den quantitativen Liquiditätsstandards der Kapitaladäquanzverordnung

(BaFinJournal) Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht hat im August zwei Rundschreiben zu den quantitativen Liquiditätsstandards der Kapitaladäquanzverordnung veröffentlicht, die vorrangig die aufsichtliche Behandlung von außerbilanziellen Produkten betreffen.

  • In ihrem am 1. August 2022 erschienenen Rundschreiben 6/2022 (BA) spezifiziert die BaFin ihr Vorgehen in Bezug auf die Anwendung von Artikel 428p (10) bzw. 428aq (10) der Kapitaladäquanzverordnung (Capital Requirements Regulation - CRR).
  • Das Rundschreiben 7/2022 (BA) zu Artikel 23 der Delegierten Verordnung (DV) 2015/61, das die BaFin am 15. August 2022 veröffentlichte, ersetzt das bisher geltende Rundschreiben BA 12/2021. In der neuen Version hat die BaFin vor allem die Wesentlichkeitskriterien für die jährliche Meldung nach Artikel 23 (2) DV 2015/61 angepasst. Darüber hinaus gibt es wenige inhaltliche Änderungen, die sich aufgrund eines aus der Praxis resultierenden Klarstellungsbedarfs ergeben haben.

Die beiden Rundschreiben gelten für Institute, für die der Artikel 6 (4) CRR Anwendung findet und die gemäß Artikel 6 (4) SSM-Verordnung als weniger bedeutende Institute (Less Significant Institutions – LSIs) eingestuft werden. Ferner gelten sie auch für alle Institute, die gemäß §1a Kreditwesengesetz wie CRR-Kreditinstitute eingestuft sind. Das Kürzel SSM steht für Single Supervisory Mechanism.

Hintergrund: kurzfristige und strukturelle, längerfristige Risiken im Blick

Die quantitative Liquiditätsaufsicht wird innerhalb der Europäischen Union in der CRR geregelt. Sie überführt die im Basel-III-Rahmenwerk festgelegten Liquiditätskennzahlen, die Liquiditätsdeckungsquote (Liquidity Coverage RatioLCR) und die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding RatioNSFR), in für Kreditinstitute unmittelbar geltendes Recht.

Die LCR deckt den kurzfristigen Liquiditätshorizont ab. Sie soll sicherstellen, dass die Institute einen ausreichenden Liquiditätspuffer vorhalten, um ein aufsichtlich vorgegebenes Stressszenario mindestens 30 Tage lang durchzuhalten. Dieses vorgegebene Szenario deckt institutsindividuelle und systemische Ursachen ab.

Mit der NSFR hingegen wird das strukturelle, längerfristige Liquiditätsrisiko adressiert. Dabei geht es darum sicherzustellen, dass die Institute über einen angemessenen Anteil an stabiler Refinanzierung verfügen. Damit werden übermäßige Fristentransformation und insbesondere eine stressanfällige Abhängigkeit von kurzfristigem Wholesale-Funding verhindert, was sich in der Finanzkrise 2007/2008 als ein wesentliches Problem erwiesen hatte.

Rundschreiben 6/2022 (BA) adressiert die strukturellen Liquiditätsrisiken

Das Rundschreiben 6/2022 (BA), mit dem die BaFin ihr Vorgehen in Bezug auf die Anwendung von Artikel 428p (10) bzw. 428aq (10) CRR konkretisiert, trat mit Veröffentlichung am 1. August 2022 in Kraft. Die Institute müssen die Vorgaben erstmalig zum Meldestichtag 31. März 2023 berücksichtigen.

Das Rundschreiben spezifiziert die Behandlung außerbilanzieller Posten in der strukturellen Liquiditätsquote (Net Stable Funding RatioNSFR) bzw. in der vereinfachten strukturellen Liquiditätsquote (simplified Net Stable Funding Ratio – sNSFR).

Mit der Änderungsverordnung 2019/876 (CRR II), wurde die strukturelle Liquiditätsquote (Net Stable Funding Ratio, NSFR) als neue Mindestanforderung eingeführt. Mit Hilfe der NSFR wird sichergestellt, dass die Institute über einen Mindestbestand an stabiler Refinanzierung verfügen, der auf Grundlage der langfristigen Liquiditätsbindung durch die Aktiva eines Instituts ermittelt wird. Damit wird übermäßige Fristentransformation und insbesondere eine stressanfällige Abhängigkeit von kurzfristiger Kapitalmarktrefinanzierung verhindert.

In Bezug auf sonstige außerbilanzielle Verpflichtungen räumt Artikel 428p (10) CRR den zuständigen Behörden die Möglichkeit ein, einen Mindestbetrag an erforderlicher stabiler Refinanzierung festzulegen. Damit sollen Institute einem strukturellen Refinanzierungsrisiko aus diesen Verpflichtungen angemessen Rechnung tragen. Dabei müssen die zuständigen Behörden wesentliche Reputationsrisiken für das Institut infolge einer fehlenden stabilen Refinanzierung berücksichtigen.

Mit der CRR II wurde ebenfalls der Begriff der Small and Non-Complex Institution (SNCI) in Artikel 4 (1) Nummer 145 CRR eingeführt. SNCIs können gemäß Artikel 428ai CRR II bei der zuständigen Behörde die Erlaubnis beantragen, bei der Berechnung der NSFR die einfacheren Vorschriften für die vereinfachte NSFR (simplified NSFR – sNSFR) zugrunde zu legen. Die vereinfachte Fassung ist konzeptionell vergleichbar mit der vollständigen NSFR. Die außerbilanziellen Posten werden in Artikel 428aq (10) CRR behandelt. Das in Artikel 428p (10) CRR stehende Wahlrecht gilt hier analog, weshalb beide Sachverhalten in einem Rundschreiben geregelt werden.

Ein Refinanzierungsbedarf im Sinne der NSFR entsteht durch eine langfristige Liquiditätsbindung oder durch negative Auswirkungen der betrachteten Geschäfte auf die verfügbaren stabilen Refinanzierungsmittel, insbesondere die Eigenmittel. Hiervon ist bei den potentiell unter Artikel 428p (10) bzw. 428aq (10) CRR fallenden Posten per se nicht auszugehen, die sich primär auf die kurzfristigen Zahlungsströme niederschlagen, deren Auswirkungen auf Bilanz und Refinanzierungsbedarf überwiegend temporärer Natur sind.

Daher sieht die BaFin von einer Unterlegung außerbilanzieller Posten mit stabiler Refinanzierung grundsätzlich ab. Die Aufsicht nutzt das Wahlrecht nach Artikel 428p (10) bzw. 428aq (10) CRR und legt einheitlich einen Faktor für die erforderliche stabile Refinanzierung von 0 Prozent für diese Produkte fest. Eine Ausnahme von dem 0-Prozent-Faktor stellt lediglich das strukturelle Refinanzierungsrisiko aus der langfristigen Weiterverwendung bzw. -verpfändung von Wertpapieren dar, die eine Bank kurzfristig im Rahmen von außerbilanziellen nicht besicherten Wertpapierleihen erhalten hat.

Rundschreiben 7/2022 (BA): neue Wesentlichkeitskriterien entlasten viele Institute

Die mit Rundschreiben 7/2022 (BA) veröffentlichten neuen Wesentlichkeitskriterien für die jährliche Meldung nach Artikel 23 (2) DV 2015/61 stellen sicher, dass nur diejenigen Institute eine solche Meldung einreichen, für die die jeweiligen Produktkategorien tatsächlich relevant sind. Diese Maßnahme entlastet viele Institute.

Das Rundschreiben trat mit Veröffentlichung am 15. August 2022 in Kraft. Die im Vergleich zu Rundschreiben 12/2021 (BA) vorgenommenen Neuerungen im Abschnitt 5 müssen Banken erstmalig ab dem 31. März 2023 anwenden. Damit wird einerseits sichergestellt, dass die höheren Grenzwerte für die Wesentlichkeitskriterien der jährlichen Meldung sofort zur Anwendung kommen, so dass zahlreiche Institute keine Jahresmeldung mehr erstellen müssen. Andererseits steht den Instituten eine angemessene Implementierungszeit für die Änderungen im Abschnitt 5 zur Verfügung. Bis zum 31. März 2023 sind für den Artikel 23 DV 2015/61 noch die entsprechenden Vorgaben des Rundschreibens 12/2021 (BA) anzuwenden.

Das Rundschreiben 7/2022 (BA) spezifiziert das aufsichtliche Vorgehen bei der Anwendung von Artikel 23 DV 2015/61 zu den zusätzlichen Liquiditätsabflüssen im Zusammenhang mit anderen Produkten und Dienstleistungen. Artikel 23 DV 2015/61 dient im Rahmen der LCR als Auffangtatbestand für Liquiditätsabflüsse, die nicht unter die Artikel 27 bis 31a DV 2015/61 fallen. Dabei handelt es sich überwiegend um Liquiditätsabflüsse, deren Eintritt oder Zeitpunkt unsicher ist, einschließlich solcher, bei denen eine vertragliche oder sonstige Zahlungsverpflichtung des Instituts nicht vorliegt bzw. vom Institut jederzeit widerrufen werden kann.

Im Rundschreiben 7/2022 (BA) werden die in Artikel 23 (1) a) bis h) DV 2015/61 genannten Kategorien von Produkten und Dienstleistungen näher bestimmt und die dazugehörenden Liquiditätsabflüsse festgelegt. Ferner erfolgt die beschriebene Konkretisierung der gemäß Artikel 23 (2) DV 2015/61 mindestens jährlich durchzuführenden Meldungen zu den unter Artikel 23 fallenden Produkten und Dienstleistungen, für die die Wahrscheinlichkeit und der potenzielle Umfang von Liquiditätsabflüssen wesentlich sind.

Verfasst von

Manuel Krebs
Referent in der Bankenaufsicht der BaFin

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