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Erscheinung:20.05.2022 Abwicklungsfähig sein

(BaFinJournal) Ein neues BaFin-Rundschreiben soll bestimmte Institute dabei unterstützen, im Krisenfall abwicklungsfähig zu sein. Dafür formuliert es Mindestanforderungen, die die Institute erfüllen müssen. Das Rundschreiben steht nun zur Konsultation.

Die BaFin hat am 20. Mai 2022 das Rundschreiben „Mindestanforderungen an die Abwicklungsfähigkeit im Rahmen der Abwicklungsplanung“ zur öffentlichen Konsultation gestellt. Bis zum 1. Juli 2022 haben die Institute nun Gelegenheit, sich dazu zu äußern. Das Rundschreiben richtet sich an Institute bzw. gruppenangehörige Unternehmen, die unter die direkte Zuständigkeit der BaFin als Nationale Abwicklungsbehörde fallen und deren Liquidation im Rahmen eines regulären Insolvenzverfahrens mindestens eines der Abwicklungsziele (siehe Infokasten) gefährden würde. Für diese Institute müsste die BaFin im Fall einer Bestandsgefährdung Abwicklungsmaßnahmen anwenden.

Auf einen Blick:Abwicklungsziele

§ 67 Absatz 1 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) definiert folgende Abwicklungsziele:

  1. Die Sicherstellung der Kontinuität kritischer Funktionen;
  2. die Vermeidung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Finanzstabilität vor allem durch die Verhinderung einer Ansteckung, beispielsweise von Finanzmarktinfrastrukturen, und durch die Erhaltung der Marktdisziplin;
  3. der Schutz öffentlicher Mittel durch geringere Inanspruchnahme außerordentlicher finanzieller Unterstützung aus öffentlichen Mitteln;
  4. der Schutz der unter das Einlagensicherungsgesetz fallenden Einleger und der unter das Anlegerentschädigungsgesetz fallenden Anleger;
  5. der Schutz der Gelder und Vermögenswerte der Kunden.

Bestehende europäische Anforderungen als Grundlage

Das Rundschreiben der BaFin orientiert sich an den im April 2020 veröffentlichten „Expectations for Banks“ des Einheitlichen Abwicklungsausschusses (Single Resolution BoardSRB), mit denen dieser seine Erwartungen an die Abwicklungsfähigkeit von Banken in seinem Zuständigkeitsbereich definiert.

Zugleich setzt die BaFin damit die im Januar 2022 herausgegebenen Leitlinien zur Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA Resolvability Guidelines, siehe Infokasten) in die nationale Verwaltungspraxis um.

Ziel des Rundschreibens ist es, eine einheitliche Anwendung innerhalb der Bankenunion zu gewährleisten. Um dabei auch deutschen Spezifika gerecht zu werden, hat die BaFin bereits bestehende Rundschreiben zur Abwicklungsfähigkeit mitberücksichtigt – zum Beispiel die „Mindestanforderungen zur Umsetzbarkeit eines Bail-in (MaBail-in)“.

Auf einen Blick:EBA Resolvability Guidelines

Die Leitlinien zur Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde („Guidelines on improving resolvability for institutions and resolution authorities under articles 15 and 16 BRRD – Resolvability Guidelines, EBA/GL/2022/01“) richten sich an die Abwicklungsbehörden und an sämtliche Institute gemäß Artikel 4 Nr. 1 der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010. Diese unterliegen der Beurteilung der Abwicklungsfähigkeit nach Artikel 15 und 16 der europäischen Sanierungs- und Abwicklungsrichtlinie (Bank Recovery and Resolution DirectiveBRRD) bzw. §§ 57 und 58 des Sanierungs- und Abwicklungsgesetzes (SAG) durch die Abwicklungsbehörden. Sie sollen die Abwicklungsfähigkeit verbessern und enthalten entsprechende Mindestanforderungen für Institute.

Verbesserung der Abwicklungsfähigkeit

Das Rundschreiben soll die Institute dabei unterstützen, abwicklungsfähig zu werden. Dafür formuliert es entsprechende Mindestanforderungen, die Institute so schnell wie möglich, spätestens aber bis zum 1. Januar 2024 bzw. innerhalb von drei Jahren umsetzen müssen. Die Anforderungen sind nach den folgenden sieben Dimensionen gegliedert, denen wiederum Ziele, Prinzipien und Mindestanforderungen zugrunde liegen:

  1. Governance
  2. Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität
  3. Liquidität und Refinanzierung
  4. Operative Kontinuität und Zugang zu Finanzmarktinfrastruktur-Dienstleistungen
  5. Informationssysteme und Datenanforderungen
  6. Kommunikation
  7. Separierbarkeit und Restrukturierung

Eine angemessene abwicklungsbezogene Governance ist unter anderem notwendig, um im Fall einer Krise eine kurzfristige Entscheidungsfindung zu gewährleisten sowie ausreichend qualifiziertes Personal und eine angemessene technisch-organisatorische Ausstattung vorzuhalten. Damit die Kapazitäten im Krisenfall zur Verfügung stehen, haben die Institute bei der Abwicklungsplanung bestimmte Vorbereitungen zu treffen. Als Grundvoraussetzung gilt: Die Abwicklungsplanung muss innerhalb der Unternehmensgovernance die nötige Unterstützung durch die Geschäftsleiter, die Mitglieder des Aufsichts- oder Verwaltungsorgans und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der nachgelagerten Führungsebene erfahren.

Die Institute haben auch genügend verfügbare Verlustabsorptions- und Rekapitalisierungskapazität vorzuhalten. So können bei einer Abwicklung Verluste absorbiert werden und die Institute anschließend die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllen. Die BaFin muss die notwendige Flexibilität haben, um Inhaber relevanter Kapitalinstrumente und Gläubiger in unterschiedlichen Szenarien an Verlusten zu beteiligen –sowohl durch die Befugnis zur Herabschreibung und Umwandlung relevanter Kapitalinstrumente als auch durch das Instrument der Gläubigerbeteiligung.

Ein weiterer entscheidender Faktor für eine erfolgreiche Abwicklung: Die Institute können ihren fälligen Zahlungsverpflichtungen auch bei einer Abwicklung nachkommen bzw. die zur Umsetzung der Abwicklungsstrategie notwendige Liquidität vorhalten. Mit Abwicklungsmaßnahmen versehene Institute werden sich vermutlich noch längere Zeit nach der Abwicklung in einer angespannten Liquiditäts- und Refinanzierungssituation befinden – zumindest bis das Marktvertrauen wiederkehrt. Maßgeblicher Grund hierfür sind fehlende Informationen im Markt, was die langfristige Existenzfähigkeit der Institute und die Tragfähigkeit ihres Geschäftsmodells angeht. Vor diesem Hintergrund haben sie geeignete Vorkehrungen zu treffen, um ihren Zahlungsverpflichtungen stets nachkommen zu können.

Um die operative Kontinuität relevanter Dienstleistungen zu gewährleisten, haben die Institute angemessene Vorkehrungen zu treffen. Sie müssen zudem sicherstellen, dass der Zugang zu Finanzmarktinfrastrukturen und zu Finanzintermediären, die Zahlungsverkehrs-, Clearing- und Verwahrungsdienstleistungen erbringen, auch bei einer Abwicklung stets erhalten bleibt. Vorbereitend müssen sie zum Beispiel kritische gegenseitige Abhängigkeiten identifizieren, das Risiko für die Sicherstellung der operativen Kontinuität beurteilen und Maßnahmen zur Minderung dieser Risiken sowie entsprechende Notfallpläne entwickeln.

Bei der Erstellung, Aktualisierung und Umsetzung von Abwicklungsplänen, zur Beurteilung der Abwicklungsfähigkeit, zur Abwicklungsbewertung und zur effektiven und effizienten Anwendung von Abwicklungsmaßnahmen benötigt die BaFin umfassende Informationen und Daten. Die Institute müssen geeignete Managementinformationssysteme („MIS-Fähigkeiten“) vorhalten, um diese auch unter sich rasch ändernden Bedingungen bereitstellen zu können.

Die Abwicklung eines Instituts wirkt sich für zahlreiche Interessengruppen regelmäßig stark aus. Eine unzureichende und nicht koordinierte Krisenkommunikation kann eine erfolgreiche Abwicklung gefährden. Denn sie kann zu unerwünschten Marktreaktionen führen, die das Vertrauen in das Institut weiter beschädigen und dessen finanzielle Situation verschlechtern. Deshalb müssen alle Prozessbeteiligten die Kommunikationsstrategie bei einer Abwicklungsmaßnahme abstimmen und koordinieren, um das Vertrauen in die Abwicklungsmaßnahme zu stärken. Um bei einer Abwicklung eine kurzfristige, angemessene und konsistente Kommunikation gegenüber relevanten Interessengruppen sicherzustellen, müssen die Institute entsprechende Kommunikationspläne vorhalten. Zugleich unterstützen sie damit die Umsetzung der Abwicklungsstrategie.

Für die effektive und effiziente Umsetzung von Abwicklungsmaßnahmen kann die Komplexität und/oder Verflechtung eines Instituts bzw. einer Gruppe hinderlich sein. Ihre Strukturen müssen die Institute daher so ausgestalten, dass sie die Abwicklungsstrategie unterstützen. Dies kann insbesondere Maßnahmen vor (Strukturänderung eines Instituts bzw. einer Gruppe), während (Separierbarkeit) und/oder nach einer Abwicklung (Restrukturierung) erfordern.

Verfasst von

Dr. Andreas Möller
Janine Schaaf
Maria Steffens
BaFin-Abteilung Abwicklung Grundsatz, Recht und Gremien

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