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Erscheinung:18.02.2022 | Thema Kapitalanlagen von Versicherern Ausweg Derivate?

In Zeiten niedriger Zinsen nutzen Versicherer vermehrt Derivate: zur Absicherung, aber auch, um ihre Erträge zu steigern. Die BaFin verlangt, dass sie die Risiken im Griff haben.

Versicherer dürfen derivative Finanzinstrumente einsetzen. Wenn auch in einem eng abgesteckten Rahmen, etwa um Risiken zu mindern (siehe Infokasten). Trotzdem nimmt der Derivateeinsatz in der Branche kontinuierlich zu. Die meisten Versicherer nutzen Derivate zur Absicherung, etwa von Fremdwährungsrisiken. Einige Versicherer wollen zudem mit Derivaten Zusatzerträge erzielen.

Dies hatte bereits eine groß angelegte Abfrage der BaFin Ende 2020 aufgezeigt (siehe Infokasten).

Setzt sich dieser Trend fort? Ein knappes Jahr nach der Umfrage führte die BaFin intensive Gespräche mit ausgewählten Versicherern, um unter anderem das herauszufinden. Dabei ging es um die Produkte, die die Unternehmen nutzen, ihre Anlagestrategien und ihr Risikomanagement. Ausgewählt hatte die BaFin vor allem die Versicherer, die ein hohes Nennwert-Exposure in Derivaten aufweisen. Sprechen wollten die Aufseherinnen und Aufseher mit Unternehmen, die Derivate entweder nur im Direktbestand, im Fondsbestand oder in beiden Beständen halten.

Auf einen Blick:Wie (Erst-)Versicherer Derivate einsetzen dürfen

Der Einsatz derivativer Finanzinstrumente wird in § 124 (5) Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) geregelt (Anlagegrundsätze). Demnach dürfen Versicherungsunternehmen derivative Finanzinstrumente nur dann einsetzen, wenn diese zur Verringerung von Risiken oder zur Erleichterung einer effizienten Portfolioverwaltung beitragen.

Nicht zulässig sind hingegen Geschäfte mit derivativen Finanzinstrumenten, die lediglich den Aufbau reiner Handelspositionen (Arbitragegeschäfte) bezwecken oder bei denen entsprechende Wertpapierbestände nicht vorhanden sind (Leerverkäufe).
Außerdem erlaubt § 15 (1) Satz 2 VAG (Versicherungsfremde Geschäfte), derivative Finanzinstrumente dann einzusetzen, wenn sie der Absicherung von vorhandenen Vermögenswerten oder dem späteren Erwerb von Wertpapieren dienen. Möglich ist auch, Derivate einzusetzen, um aus vorhandenen Wertpapieren einen zusätzlichen Ertrag zu erzielen. Jedoch nur, wenn bei Erfüllung von Lieferverpflichtungen keine Unterdeckung des Sicherungsvermögens eintreten kann.

Hinweise zur Nutzung von Derivaten gibt die BaFin in ihrer „Auslegungsentscheidung zur Verwendung von derivativen Finanzinstrumenten im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht (§ 124 VAG)“. Im Vordergrund stehen darin der Neue-Produkte-Prozess, die Behandlung des Gegenparteiausfallrisikos und der Nachweis der Effektivität der Hedging-Beziehung.

Trend zum Derivateeinsatz setzt sich fort

Ein Ergebnis dieser Gespräche: Der Trend, Derivate einzusetzen, hält weiter an. In den vergangenen Jahren hat das nominelle Volumen der Derivategeschäfte stetig zugenommen. Weit überwiegend setzen die Unternehmen sie zu Absicherungszwecken ein. Beispiel Zins-Swaps: In der Vergangenheit wurden sie noch schwerpunktmäßig genutzt, um das Zinsniveau des Rentenbestandes abzusichern, aktuell dienen sie eher der Durationssteuerung.

In der jüngeren Vergangenheit ist zudem eine deutliche Verschiebung festzustellen: Die Versicherer nutzen Derivate nun hauptsächlich zur Währungsabsicherung, und zwar im Wesentlichen in Form von Devisentermingeschäften. Einer der Gründe ist die zunehmend internationale Diversifikation der Kapitalanlage, ein weiterer das seit einiger Zeit sehr niedrige Zinsniveau im Euro-Raum.

Die Gespräche ergaben, dass die Versicherer stärker in Anleihen investieren, die in Fremdwährung emittiert werden. Besonders im Fokus stehen Anleihen in US-Dollar, in britischen Pfund und dänischen Kronen. Auf diese Weise profitieren die Versicherer – auch unter Berücksichtigung der Hedgingkosten – von der wechselkursbedingten Zinsdifferenz gegenüber den in Euro begebenen Titeln. Das dabei übernommene Fremdwährungsrisiko geben die Unternehmen weit überwiegend über Derivate weiter.

Daneben nutzen sie Derivate in geringerem Umfang zur Vorbereitung des künftigen Erwerbs von Wertpapieren. Der Schwerpunkt liegt hierbei bei den Vorkäufen. Von untergeordneter Bedeutung sind dagegen Derivate, die zum effizienten Portfoliomanagement genutzt werden.

Derivate als Mittel zur Ertragsvermehrung

Ein weiterer Trend, der bereits in der Umfrage der BaFin zutage getreten war: Versicherer setzen in Zeiten niedriger Zinsen derivative Instrumente immer häufiger ein, um ihre Erträge zu steigern. Besonders fällt auf, dass Unternehmen hierzu auf Fondskonstruktionen wie Masterfonds zurückgreifen, bei denen wiederum ein Zielfonds derivative Strategien umsetzt. Dabei handelt es sich auch um Strategien, bei denen ein Mehrertrag aus der Vereinnahmung von Optionsprämien entstehen soll. Die BaFin beobachtet diese Entwicklung aufmerksam und erwartet, dass sich die Unternehmen kritisch mit den zusätzlichen Risiken im Rahmen des Grundsatzes der unternehmerischen Vorsicht und der Risikotragfähigkeit auseinandersetzen.

Das könnte Sie auch interessieren:BaFin untersuchte Kapitalanlageverhalten

Das fortdauernde Niedrigzinsumfeld macht es Versicherern schwer, auskömmliche Renditen zu erwirtschaften. Lassen sich die Unternehmen auf ihrer Suche nach Erträgen (Search for Yield) in lukrativere, dafür aber riskantere Anlagen treiben? Gehen sie womöglich zu hohe Risiken in der Kapitalanlage ein? Das wollte die BaFin wissen und befragte die Unternehmen deshalb im vierten Quartal 2020 (siehe BaFinJournal Juni 2021) nach ihrem Kapitalanlageverhalten und zur Nutzung von Derivaten.
Das Ergebnis: Die Versicherer zeigten sich zwar bereit, höhere Risiken in der Kapitalanlage einzugehen, um trotz der niedrigen Zinsen angemessene Erträge zu erwirtschaften. Aus diesem Grund investierten sie auch in alternative Kapitalanlagen. Übermäßige Risiken gingen die Unternehmen aber bis dato nicht ein. Sie investierten auch nicht vermehrt in Anlagen schlechter Qualität oder weichten Kreditvergabestandards auf.

In die Erhebung hatte die BaFin alle Solvency-I- und Solvency-II-Versicherer einbezogen, deren Kapitalanlagevolumen zu Zeitwerten 250 Millionen Euro zum Stichtag 31. Dezember 2019 überschritt. An der Erhebung beteiligten sich 286 Unternehmen. Das entsprach einer Marktabdeckung nach Kapitalanlagevolumen von mehr als 99 Prozent.

BaFin erwartet Risikoprüfung und transparente Berichterstattung

Die Aufsicht erwartet, dass sich Versicherer, die in erhöhtem Umfang Derivate nutzen, umfassend und intensiv mit den entsprechenden Risiken auseinandersetzen. Dafür müssen sie über ein entsprechendes Risikomanagementsystem verfügen. Außerdem erwartet die BaFin, dass sie transparent und umfassend über den Einsatz von derivativen Finanzinstrumenten berichten.

Der Themenkomplex der derivativen Instrumente wird einen Schwerpunkt bei der nächsten Abfrage zum Anlageverhalten der Versicherungsunternehmen darstellen. Die soll noch in diesem Jahr stattfinden.

Verfasst von

Olaf Schmitz
Referat Grundsatz Kapitalanlage

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 02/2022 (Download)

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