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Erscheinung:17.12.2021 | Thema Bilanzkontrolle Moderne Aufsicht: Die neue Bilanzkontrolle

Die Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen kontrolliert ab Anfang 2022 nur noch die BaFin. Stichproben- und Anlassprüfungen fallen dann in ihren Beritt. Bei Verdacht auf Bilanzverstöße kann sie direkt bei den Unternehmen eingreifen. Wiegt der Verdacht schwer, kann sie mit forensischen Mitteln in die Bücher schauen.

Die Bilanzkontrolle in Deutschland wird neu geordnet: Ab Anfang 2022 ist allein die BaFin für die Kontrolle von Bilanzen kapitalmarktorientierter Unternehmen verantwortlich. Das bisher zweistufige Verfahren – mit der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR) auf Stufe 1 und der BaFin auf Stufe 2 (siehe Infokasten) – wird mit dem Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) zum 1. Januar in ein einstufiges Verfahren übergeleitet. Erklärtes Ziel ist es, Anhaltspunkte für fehlerhafte Rechnungslegung und damit auch Bilanzmanipulation möglichst früh zu identifizieren und strafrechtlich relevante Sachverhalte gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft aufzuklären. BaFin-Präsident Mark Branson sieht in der neuen Bilanzkontrolle ein wichtiges Instrument, um Schwachstellen bei der Bilanzierung aufzudecken: „Bilanzkontrolle ist kein Selbstzweck, sie stärkt die Integrität des Finanzmarkts und kommt so auch Anlegerinnen und Anlegern zugute.“

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Das BaFinJournal stellt in dieser und weiteren Ausgaben einzelne Vorhaben aus dem umfangreichen Modernisierungsprojekt der BaFin vor. Ein Team aus rund 100 Projektmitarbeiterinnen und -mitarbeitern aus dem Bundesfinanzministerium und der BaFin sowie externen Expertinnen und Experten haben daran 2021 gearbeitet. Den Auftakt der Serie bilden dieser Beitrag über die neue Bilanzkontrolle und ein Bericht über den Mystery-Shopping-Piloten der BaFin. In der nächsten Ausgabe wird die Fokusaufsicht der BaFin beschrieben.

Der jetzige Bundeskanzler und damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz hatte im Februar 2021 als Lehre aus dem Fall Wirecard einen Sieben-Punkte-Plan zur Reformierung der BaFin vorgelegt. Grundlage für die Reform ist das im Juni dieses Jahres vom Deutschen Bundestag verabschiedete FISG, das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (siehe BaFinJournal Juni 2021). Ziel ist es, die Schlagkraft der BaFin im Aufsichts- und Prüfungshandeln zu erhöhen und den Finanzmarkt mit moderner Technologie wirksamer und stringenter zu beaufsichtigen.

Das Projekt wird Ende Dezember abgeschlossen. Laut BaFin-Präsident Mark Branson ist es aber erst der Anfang einer langfristigen Weiterentwicklung der BaFin (siehe BaFinJournal Oktober 2021).

Die BaFin führt künftig sowohl Stichproben- als auch Anlassprüfungen durch und veröffentlicht unter anderem die festgestellten Fehler. Zudem kann sie Prüfungsanordnungen und wesentliche Verfahrensschritte bekannt machen. Darüber hinaus hat die Aufsicht bald zusätzliche Möglichkeiten zum Informationsaustausch, zum Beispiel mit der Abschlussprüferaufsichtsstelle. Damit verbunden sind zusätzliche hoheitliche Befugnisse, etwa erweiterte Auskunftsrechte, sowie Durchsuchungs- und Beschlagnahmerechte. Unter anderem wird die BaFin auch die Führungsverantwortlichen von geprüften Unternehmen und deren Abschlussprüfer vorladen und vernehmen dürfen.

Auf einen Blick:Was bisher geschah: Zweistufige Bilanzkontrolle

Bis 31. Dezember 2021 existiert das alte zweistufige Bilanzkontrollverfahren:

1. Stufe: Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung e. V. (DPR): Mitwirkung der Unternehmen freiwillig

a. Stichprobenprüfungen
b. Anlassprüfungen (eigenständig oder auf Verlangen der BaFin)

2. Stufe: BaFin-Prüfungen (hoheitliches Verfahren): Mitwirkungspflicht der Unternehmen

a. Unternehmen verweigert Mitwirkung an DPR-Prüfung oder
b. Unternehmen ist mit Prüfergebnis des DPR nicht einverstanden oder
c. BaFin hat erhebliche Zweifel am Ergebnis oder der Durchführung der Prüfung durch die DPR

Neue organisatorische Struktur

Die BaFin hat ihre internen Strukturen und Prozesse an ihre neuen Aufgaben angepasst und eine neue Gruppe Bilanzkontrolle (Gruppe BilKo) eingerichtet. Intern ist die Gruppe BilKo bereits seit September 2021 aktiv. Am 1. Januar 2022 wird sie die Bilanzkontrolle vollständig übernehmen. „Die BaFin hat sich gut auf ihre neuen Aufgaben vorbereitet“, kommentiert Dr. Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor der BaFin Wertpapieraufsicht.

Zu ihren Aufgaben wird auch die Kontrolle des EU-weit einheitlichen elektronischen Berichtsformats (European Single Electronic Format – ESEF) zählen. Aber auch internationale Fragen rund um das Enforcement fallen in ihren Aufgabenbereich, insbesondere die Zusammenarbeit mit der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA). Und last but not least überwacht die Gruppe BilKo die Erfüllung der Finanzberichterstattungspflichten nach dem Transparenzrichtlinien-Umsetzungsgesetz (TUG), soweit nicht das Bundesamt für Justiz zuständig ist. Dies ist bei der Offenlegung der Jahresfinanzinformationen aller Emittenten mit satzungsmäßigem Sitz in Deutschland der Fall.

Die neue Gruppe BilKo teilt sich in vier Referate auf. Alle Referate werden die Kernaufgaben des Enforcements, Stichproben- und Anlassprüfungen, übernehmen. Die übrigen Aufgaben werden jeweils in einzelnen Referaten gebündelt. Damit will die BaFin sicherstellen, dass es möglichst wenige Schnittstellen gibt, aber alle Referate einheitliche Entscheidungen treffen können.

Abbildung: Neue organisatorische Struktur der Bilanzkontrolle bei der BaFin

Darstellung der Struktur der Bilanzkontrolle bei der BaFin © BaFin Abbildung: Neue organisatorische Struktur der Bilanzkontrolle bei der BaFin

Die Mischung macht’s!

Um die Expertise der Beschäftigten der DPR weiter nutzen zu können und dieses Wissen im Sinne einer schlagkräftigen und effizienten Bilanzkontrolle bestmöglich mit der Aufsichtserfahrung der BaFin-Beschäftigten zu kombinieren, hat der Gesetzgeber geregelt, dass die Beschäftigten der DPR die Möglichkeit haben, zur BaFin zu wechseln. Aufgrund ihrer Expertise sollen sie in der Gruppe BilKo eingesetzt werden. Mit dem FISG wurde daher auch das Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetz (FinDAG) angepasst. Im neuen § 18b FinDAG wird der Übergang der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten der DPR auf die BaFin geregelt. Die zur BaFin wechselnden DPR-Beschäftigten verfügen größtenteils über eine Zusatzqualifikation als Wirtschaftsprüferin oder Wirtschaftsprüfer beziehungsweise über vergleichbare ausländische Abschlüsse auf dem Gebiet des Accountings. Für einen Übergangszeitraum von einem Jahr haben die vormaligen DPR-Beschäftigten die Möglichkeit, von ihrem bisherigen Beschäftigungsort Berlin aus zu arbeiten. Ab dem 1. Januar 2023 werden sie die Gruppe BilKo am BaFin-Standort Frankfurt am Main verstärken.

Die Gruppe BilKo soll durch interne und externe Personalgewinnung weiter gestärkt werden. Insgesamt soll sie rund 60 Beschäftigte umfassen. Das sind etwa doppelt so viele Beschäftigte wie zuvor bei BaFin und DPR zusammen.

Proaktiveres Enforcement

Die BaFin setzt zunächst auf dem bisher von der DPR genutzten Prozedere bei Stichprobenprüfungen auf und erweitert dieses systematisch mit Blick auf die jeweiligen ökonomischen Risiken. Dem Ziel des FISG entsprechend richtet die BaFin das Enforcement proaktiver aus und strebt eine hohe Interaktion mit den geprüften Unternehmen an. So wird es künftig auch mehr Vor-Ort-Prüfungen geben, wenn die Aufsicht dies aus fachlichen Erwägungen und Risikogesichtspunkten als sinnvoll ansieht. Bei Bedarf wird die BaFin – wie oben bereits angedeutet – auch forensische Untersuchungen vornehmen.

Eine wesentliche Neuerung besteht auch darin, dass die BaFin ein IT-gestütztes Markt-Monitoring etabliert und eine weitgehend automatisierte Medienanalyse vornimmt. Die Ergebnisse daraus sollen helfen, Unternehmen zu identifizieren, die geprüft werden müssen, und bei Prüfungen die richtigen Schwerpunkte setzen zu können.

Eine weitere wichtige Informationsquelle für die Bilanzkontrolle sind Hinweise, die sie beispielsweise über ihre Hinweisgeberstelle und die Market Contact Group erhält und weiterverfolgt. Im August hatte die BaFin als Teil des Modernisierungsprojekts ihre Hinweisgeberstelle neu aufgestellt, an die sich Whistleblower wenden können. Die neu geschaffene Market Contact Group ist in der Hinweisgeberstelle angesiedelt und nimmt Informationen aus der Finanzbranche entgegen.

Schließlich wird die BaFin in der Bilanzkontrolle weiter auch präventiv arbeiten und Hinweise zur Bilanzierung geben, wie es die DPR zuvor auch getan hat. Zudem will die Gruppe BilKo die Bilanzkontrolle durch aktive Kommunikation mit den Stakeholdern begleiten: über das Internet, Veranstaltungen und weitere Foren.

Unter die Bilanzkontrolle fallen aktuell rund 540 kapitalmarktorientierte Unternehmen. Die neue Gruppe BilKo wird Stichproben- und Anlassprüfungen durchführen. Die Prüfungsteams werden flexibel und passgenau zusammengestellt. Ein intensiver referatsübergreifender Austausch innerhalb der Gruppe BilKo soll für konsistente Prüfungen und eine einheitliche Verwaltungspraxis bei der Fehlerfeststellung sorgen.

Prüfungsschwerpunkte 2022

Zur aktiven Kommunikation mit den Stakeholdern gehört es auch, frühzeitig Prüfungsschwerpunkte für das folgende Jahr zu publizieren. Ende November hat die BaFin eine Pressemitteilung dazu herausgegeben. Danach wird die Gruppe BilKo in den Konzernabschlüssen für das Jahr 2021 schwerpunktmäßig Lieferkettenfinanzierungen (Reverse Factoring) überprüfen, weil diese Art der Unternehmensfinanzierung immer häufiger eingesetzt wird. Als unmittelbare Konsequenz aus dem Fall Wirecard plant sie zudem, in begründeten Einzelfällen auch zu prüfen, ob angegebene Zahlungsmittel und Vermögenswerte tatsächlich vorhanden sind. Darüber hinaus wird die Aufsicht verstärkt auf nachvollziehbare und nachprüfbare Buchführungsunterlagen achten.

Die BaFin richtet sich bei ihren Schwerpunkten auch nach den Prioritäten, die die ESMA setzt. Diese hatte Ende Oktober für alle europäischen Enforcer folgende Prüfungsschwerpunkte festgelegt: Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (Impacts of COVID-19), klimabezogene Risiken (Climate-related matters) und erwartete Kreditausfälle (Expected credit losses disclosures).

Verfasst von

Ludger Hanenberg
Leiter Teilprojekt Bilanzkontrolle
Sergej Kostjutschenkow
Referat ZI 2 Personalwesen

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 12/2021 (Download)

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