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Erscheinung:15.10.2021 Luft nach oben

Eine Umfrage der BaFin zeigt: Fast alle deutschen Finanzinstitute beschäftigen sich bereits mit Nachhaltigkeitsrisiken. Allerdings gibt es große Unterschiede in der Umsetzung. Die Umfrage-Ergebnisse helfen Unternehmen dabei, sich im Vergleich zu Mitbewerbern einzuschätzen, und zeigen auf, wo noch Handlungsbedarf besteht.

Die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind allgegenwärtig. Zunehmend richtet sich die öffentliche Aufmerksamkeit dabei auch auf den Finanzsektor. Um den von ihr beaufsichtigten Unternehmen eine Richtschnur an die Hand zu geben, hatte die BaFin bereits im Dezember 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht.

Nun wollte sie in einer Umfrage wissen: Wie gehen Banken, Versicherer und Co. mit Nachhaltigkeitsrisiken um? Wo stehen sie und was planen sie im Hinblick auf die ESG-Kriterien, die Klima- und Umweltrisiken, soziale und Governance-Aspekte vereinen (Environmental, Social, Governance)? Von den 399 befragten Unternehmen aus dem Banken-, Versicherungs- und Wertpapiersektor liegen 381 auswertbare Antworten vor. Die BaFin hat hierzu nun einen Bericht veröffentlicht. Dieser enthält neben einer detaillierten Analyse aller Umfrageergebnisse auch einen direkten Bezug zum oben genannten Merkblatt. Basierend auf der Selbstauskunft der Unternehmen zeigt sich: Die ersten Schritte sind getan, doch es besteht noch Handlungsbedarf.

Hohe Motivation

Positiv fällt auf, dass nahezu alle Unternehmen die Dringlichkeit erkannt haben und für das Thema Nachhaltigkeit sensibilisiert sind. Die BaFin begrüßt ausdrücklich, dass die Unternehmen dabei nicht nur auf Klima- und Umweltrisiken schauen, sondern in ebenso hohem Maß soziale Faktoren und Governance-Aspekte einbeziehen (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Betrachtung verschiedener Nachhaltigkeitsrisiken (im Durchschnitt)

Grafische Darstellung verschiedener Nachhaltigkeitsrisiken BaFin Abbildung 1: Betrachtung verschiedener Nachhaltigkeitsrisiken (im Durchschnitt)

Den Unternehmen geht es dabei in erster Linie darum, Reputationsschäden zu vermeiden sowie Nachhaltigkeitsrisiken zu erkennen und zu beobachten. Kreditinstitute wollen darüber hinaus insbesondere die Chancen aktiv nutzen, die sich aus der Transition der Wirtschaft ergeben. Bei der Versicherungsbranche steht die aktive Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken im Vordergrund.

Relevanz und Wesentlichkeit von Nachhaltigkeitsrisiken

Während nahezu alle Unternehmen einen Einfluss von Nachhaltigkeitsrisiken auf die bekannten Risikoarten annehmen, stuft nur ein Teil von ihnen diesen Einfluss auch als wesentlich ein. Zwischen den einzelnen Sektoren bestehen dabei signifikante Unterschiede, die sich nur bis zu einem gewissen Grad durch die unterschiedlichen Geschäftsmodelle erklären lassen.

Von Relevanz sind Nachhaltigkeitsrisiken für Kreditinstitute insbesondere in Bezug auf Kreditrisiken (91 Prozent). Für Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds, die formal keine Versicherungsunternehmen im Sinne des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) sind, spielt Nachhaltigkeit insbesondere bei Markt- (92 Prozent) und versicherungstechnischen Risiken (76 Prozent) eine Rolle. Branchenübergreifend wird angenommen, dass das eigene Reputationsrisiko sowie operationelle und strategische Risiken durch Nachhaltigkeitsrisiken beeinflusst werden.

Die in die Umfrage einbezogenen kleineren und mittelgroßen Kreditinstitute unter Aufsicht der BaFin schätzen Nachhaltigkeitsrisiken – anders als die großen Kreditinstitute, die von der Europäischen Zentralbank (EZB) direkt beaufsichtigt werden – hingegen derzeit nur vereinzelt als wesentlich bzw. als wesentliche Treiber von Risikoarten ein. Dies könnte an ihrem Geschäftsmodell liegen. Auch und gerade kleinere Institute könnten im Falle von Konzentrationsrisiken gegenüber bestimmten Wirtschaftssektoren und regionalen Abhängigkeiten wesentlich von Nachhaltigkeitsrisiken betroffen sein. Die relativ spät einsetzende Regulierung von Nachhaltigkeitsrisiken im Bankensektor oder das Fehlen von Methoden zur Identifikation und Bewertung solcher Risiken sind mögliche weitere Ursachen. Unter den Versicherungsunternehmen liegt diese Zahl höher, allerdings bei nur knapp 50 Prozent für Reputationsrisiken und unter 50 Prozent für alle anderen Risikoarten. Im Wertpapiersektor werden Nachhaltigkeitsrisiken noch am häufigsten als wesentlich bewertet, insbesondere im Hinblick auf das Reputationsrisiko (81 Prozent), das strategische Risiko (65 Prozent) sowie das Marktrisiko (45 Prozent).

Geschäfts- und Risikostrategien

In den Geschäftsstrategien der Unternehmen finden Nachhaltigkeitsrisiken bereits häufig Berücksichtigung, was die Aufsicht begrüßt. Nur 12 Prozent der Unternehmen sind aber bislang dazu bereit, kritische Geschäftsfelder aus Nachhaltigkeitsgründen gänzlich einzustellen. Demgegenüber schränkt über ein Viertel (27 Prozent) der Unternehmen bestimmte Geschäftsfelder wegen Nachhaltigkeitsrisiken ein.

Bei der Festlegung des Risikoappetits berücksichtigen nur wenige Kreditinstitute und nur etwa jeweils ein Drittel der befragten Versicherungsunternehmen, Wertpapierinstitute und Kapitalverwaltungsgesellschaften nachhaltigkeitsspezifische Risiken. Teilweise wurden zwar regionale bzw. sektorspezifische Ausschlüsse oder Limite festgelegt. Kaum ein befragtes Unternehmen ist aber bislang dazu übergegangen, den strategischen Planungshorizont auszuweiten. Hier besteht jedenfalls für Kreditinstitute und größere Unternehmen im Wertpapierbereich Handlungsbedarf, da die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) eine solche Ausweitung ausdrücklich befürwortet und entsprechende regulatorische Änderungen zu erwarten sind.

Verantwortlichkeit im Unternehmen

Nachhaltigkeit ist Chefsache – das spiegelt sich auch im Umfrageergebnis zur Zuweisung von Verantwortlichkeiten im Unternehmen wider. Kreditinstitute ordnen die Zuständigkeit für Nachhaltigkeitsrisiken weit überwiegend ausschließlich der gesamten Geschäftsleitung zu (96 Prozent), während Versicherer und Unternehmen des Wertpapiersektors häufig zusätzlich eine Ressortzuständigkeit bei einzelnen Geschäftsleitern verorten. Die Aufsicht sieht Vorteile in einer klaren Verantwortungszuweisung an einzelne Personen, wobei der Grundsatz der Funktionstrennung zu beachten ist.

Unterhalb der Geschäftsleitungsebene haben viele Unternehmen Nachhaltigkeitsrisiken in bereits bestehende Strukturen integriert. Einige wenige Unternehmen (5 Prozent) haben spezielle Einheiten hierfür geschaffen.

Risikomanagement und Stresstests

Im Bereich des Risikomanagements hat die Umfrage Nachholbedarf offengelegt. So hat bisher beispielsweise nur ein Teil der befragten Kreditinstitute (31 Prozent) Nachhaltigkeitsrisiken in die eigenen internen Leitlinien zum Risikomanagement integriert. Außerdem mangelt es meist an Methoden zur Identifikation und Bewertung von Nachhaltigkeitsrisiken (siehe Abbildung 2). Dies dürfte – neben den spezifischen Geschäftsmodellen der weniger bedeutenden Institute (LSIs) und gegebenenfalls der Restlaufzeit und damit Anfälligkeit von Krediten gegenüber Nachhaltigkeitsrisiken – auch eine Erklärung dafür sein, dass die Banken Nachhaltigkeitsrisiken vergleichsweise seltener als wesentlich bzw. als wesentliche Treiber einschätzen.

Der Versicherungssektor verfügt schon zum jetzigen Zeitpunkt häufiger über Methoden zur Identifikation, zur Bewertung und auch zur Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken. Positiv tut sich außerdem der Wertpapiersektor hervor. Hier gaben 77 Prozent der befragten Unternehmen an, Nachhaltigkeitsrisiken steuern zu können. Allerdings wurden im Vergleich zu den anderen Finanzsektoren weniger Unternehmen aus dem Wertpapiersektor in die Umfrage einbezogen, so dass sich die drei Finanzsektoren nur eingeschränkt miteinander vergleichen lassen, wenngleich die Erwartungen der BaFin aus ihrem Merkblatt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Geschäftsmodelle grundsätzlich gleich sind.

Internes Kapital wird branchenübergreifend nur ganz vereinzelt (im Durchschnitt 6 Prozent) zur Abfederung von Verlusten aus Nachhaltigkeitsrisiken zurückgelegt.

Abbildung 2: Methoden zur Steuerung versus Steuerungsabsicht

Grafische Darstellung: Vergleich Methoden zur Steuerung und zur Steuerabsicht BaFin Abbildung 2: Methoden zur Steuerung versus Steuerungsabsicht

Nur teilweise setzen Unternehmen nachhaltigkeitsbezogene Stresstests ein. Sofern sie zum Einsatz kommen – am häufigsten ist das bei Unternehmen des Versicherungssektors (23 Prozent) der Fall – können aus den Ergebnissen in vielen Fällen auch strategische Rückschlüsse gezogen oder diese in das Risikomanagement einbezogen werden. Dies unterstreicht die von der BaFin bereits in ihrem Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken hervorgehobene Relevanz dieser Selbsttests. Diese stellen ein besonders probates Mittel für die Einschätzung künftiger Risiken und ungewisser Gefahrenlagen dar. Die Aufsicht begrüßt deshalb, dass eine vergleichsweise große Zahl der befragten Unternehmen (insgesamt 39 Prozent) an nachhaltigkeitsbezogenen Stresstests arbeitet. Sie weist darauf hin, dass sie von Versicherungsunternehmen im Rahmen der der eigenen Risiko- und Solvabilitätsbewertung (ORSA) klimabezogene Szenarien erwartet, sofern solche Risiken für diese wesentlich sind.

Ausblick

Die Umfrageergebnisse zeigen, dass sich nahezu alle befragten Unternehmen mit unterschiedlichem Umsetzungsstand dem Thema Nachhaltigkeitsrisiken widmen. Nachholbedarf besteht häufig im Risikomanagement, insbesondere bei der Verwendung interner Stresstests, aber auch bei strategischen und organisatorischen Festlegungen. Die Aufsicht erwartet auch in Zukunft von den beaufsichtigten Unternehmen, dass sie sich angemessen mit Nachhaltigkeitsrisiken auseinandersetzen und die notwendigen Maßnahmen ergreifen.

Der Bericht zur Umfrage kann den Unternehmen dazu dienen, den eigenen Fortschritt auch im Vergleich zu anderen einzuschätzen und Handlungsbedarf aufzudecken. Die BaFin plant zudem gegen Ende des Jahres die Veröffentlichung eines ergänzenden Berichts, der sich mit einer intensiveren Analyse der Behandlung von Nachhaltigkeitsrisiken durch den Versicherungssektor befasst.

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