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Erscheinung:15.09.2021 | Thema Sanierung/Abwicklung Digital, vernetzt – und abwickelbar?

Die Zukunft der Finanzinstitute ist stark technologiegetrieben. In puncto Abwicklungsfähigkeit birgt das Chancen, aber auch Risiken und Herausforderungen.

Für Finanzinstitute ist die Nutzung immer größerer Datenmengen ein Erfolgsfaktor. Die Cloud revolutioniert IT-Infrastrukturen, Blockchain und Disintermediation können ganze Wertschöpfungsketten ändern (siehe Infokasten). Die Digitalisierung bringt eine Reihe von Ertragschancen mit sich. Auf der anderen Seite birgt sie aber auch Risiken und Herausforderungen – etwa mit Blick auf eine eventuelle Abwicklung. Und dies auf zweierlei Weise: Die Institute müssen berücksichtigen, wie sich der technologische Wandel auf ihre Krisenfestigkeit und Abwicklungsfähigkeit auswirkt. Zugleich ist eine moderne IT-Infrastruktur eine Grundvoraussetzung dafür, ein Institut im Fall der Fälle schnell und zuverlässig abwickeln zu können, so dass das Finanzsystem keinen Schaden nimmt. Digitalisierungstrends wirken sich also auch auf die Abwicklungsplanung selbst aus.

Beide Punkte sind nicht nur aus Sicht der BaFin von Bedeutung. Abwicklungsstrategien und Abwicklungsfähigkeit von Finanzinstituten sind inzwischen auch integraler Bestandteil der Bewertungen von Ratingagenturen und der Planung von Kapitalmarktaktivitäten.

Hoher Zeitdruck bei Abwicklungen

Abwicklungsbehörden wie die BaFin haben weitreichende Befugnisse, die – auch außerhalb von Krisen – signifikante Eingriffe etwa in die Geschäftstätigkeit, die Dividendenpolitik und die Gestaltung der internen Informationssysteme der Institute erlauben. Zeichnet sich ab, dass ein Institut in Schieflage gerät, bereiten die Behörden innerhalb kürzester Zeit Abwicklungsmaßnahmen vor, um Marktreaktionen zu minimieren. Eine Abwicklung geht somit unter hohem Zeitdruck vonstatten und hängt wesentlich davon ab, dass die Institute in der Lage sind, verlässliche Daten schnell bereitzustellen. Eine schnelle und verlässliche Abwicklung minimiert Marktreaktionen und Risiken für die Finanzstabilität, reduziert eventuell notwendige Risikopuffer und schützt die Reputation betroffener Institute.

Dies setzt eine intensive Vorbereitung voraus und stellt hohe Anforderungen an die Automatisierung und damit Digitalisierung der Prozesse. Institute sollten die Voraussetzungen dafür schaffen, Daten kontinuierlich, aktuell und in hoher Qualität vorzuhalten und den Abwicklungsbehörden einen Zugriff in Echtzeit zu ermöglichen. Sind die Daten nicht in der erforderlichen Qualität und Geschwindigkeit verfügbar, stellt dies ein Abwicklungshindernis dar, welches die BaFin beanstanden würde. Es ist zudem ratsam, interne Abwicklungsexperten frühzeitig in Technologieprojekte einzubinden. Denn es ist aufwändiger und damit kostspieliger, Abwicklungshindernisse nachträglich zu beseitigen, als abwicklungsrelevante Merkmale schon in der Projektphase zu berücksichtigen.

Große Datenmengen für die Abwicklungsplanung

Noch vor wenigen Jahren wurden im Rahmen der Abwicklungsplanung rund 300 strukturierte Datenpunkte abgefragt. Heute können es in einer Abfrage über 2 Millionen Datenpunkte sein. Selbstverständlich ist die Menge der Daten kein Selbstzweck: Um Institute abwickeln zu können, müssen Abwicklungsbehörden die Passivseite von Einzelinstrumenten erfassen, um nötigenfalls eine Abschreibung und Umwandlung in Aktien anzuordnen. Zusätzlich rückt für Bewertungszwecke auch das Vermögen der Institute in den Fokus.

Dabei entwickeln sich auch die Methoden weiter, wie Daten abgefragt, gemanagt und ausgewertet werden. Ansätze hierzu werden unter dem Schlagwort „ResTech“ (Resolution Technology) vorangetrieben. Dies betrifft die Datenschnittstelle mit Abwicklungsbehörden ebenso wie die Automatisierung von Auswertungen und die Frage, wie unstrukturierte Daten systematischer in Analysen einbezogen werden können. Hier sind die Institute gefragt, Lösungen mit zu entwickeln. Ziel muss es sein, den Behörden bei Bedarf jederzeit aktuelle und verlässliche Daten liefern zu können.

Auf einen Blick

Cloud: Beim Cloud-Computing werden IT-Ressourcen nicht innerhalb des Unternehmens betrieben, sondern durch einen externen Dienstleister. Dies geschieht in der Regel über ein internetbasiertes, dynamisch nutzbares System.

Distributed Ledger Technology: Ein Distributed Ledger (wörtlich „verteiltes Kontobuch“) ist ein öffentliches, dezentral geführtes Kontobuch. Er ist die technologische Grundlage virtueller Währungen und dient dazu, im digitalen Zahlungs- und Geschäftsverkehr Transaktionen von Nutzer zu Nutzer aufzuzeichnen, ohne dass es einer zentralen Stelle bedarf, die jede einzelne Transaktion legitimiert.

Blockchain: Blockchain ist der Distributed Ledger, welcher der virtuellen Währung Bitcoins zugrunde liegt.

Disintermediation: Der Begriff beschreibt die unmittelbare Interaktion der Teilnehmer mit Hilfe der Blockchain-Technologie, die die Rolle bestehender Intermediäre in Frage stellt.

Nähere Informationen zu Themen rund um die Blockchain-Technologie finden Sie auch in den BaFinPerspektiven „Digitalisierung“.

Auslagerung von IT-Infrastruktur in die Cloud

Die Überführung von IT-Infrastrukturen in die Cloud bietet Chancen für die Datennutzung und die Vernetzung mit Behörden, die die Institute nutzen sollten. Denkbar ist zum Beispiel, dass Daten in Echtzeit verfügbar sind und Behörden darauf im Krisenfall direkt und damit unauffällig zugreifen können. Der Aspekt „Unauffälligkeit“ ist wichtig, weil unkontrollierte Signale im Institut oder an den Markt vermieden werden sollen.

Zugleich entstehen durch Auslagerungen in die Cloud neue Abhängigkeiten und möglicherweise sogar Konzentrationsrisiken, weil mehrere Finanzinstitute denselben großen Dienstleister nutzen. Auch in Zukunft bleibt es daher wichtig, kritische Auslagerungen klar zu identifizieren und auch Abwicklungsbelange in Vertragsstrukturen durchzusetzen, etwa in Bezug auf eine Kontinuität der kritischen Services in der Abwicklung. Außerdem ist zu analysieren, ob die Cloud-Architektur selbst abwicklungsfähig ist. Diese Aspekte der Abwicklungsplanung sollten die Institute in Cloud-Strategien von Anfang an berücksichtigen.

Disintermediation durch Distributed Ledger Technology

Mit den Technologien Blockchain und Distributed Ledger Technology (DLT, siehe Infokasten) ergibt sich die Möglichkeit, Aktiva und auch verbriefte Verbindlichkeiten von Instituten digital in der Blockchain abzubilden und zu handeln. Die Rolle etablierter Finanzmarktintermediäre bei Verwahrung, Clearing und Settlement könnte sich hierdurch signifikant wandeln.

Eine Grundvoraussetzung einer erfolgreichen Abwicklungsmaßnahme ist die Fähigkeit der Abwicklungsbehörden, in Zahlungs- und Wertpapiertransaktionen einzugreifen und Kapitalinstrumente herunterzuschreiben und zu wandeln. Hierfür bestehen heute etablierte Prozesse und Schnittstellen. Marktteilnehmer, die sich derzeit mit Projekten rund um Blockchain und DLT beschäftigen, sollten neben der laufenden Fortentwicklung der Regulierung auch die abwicklungsseitigen Anforderungen im Blick haben und dafür sorgen, dass die Eingriffsmöglichkeiten der Abwicklungsbehörden erhalten bleiben.

Verfasst von

Marion Linck
BaFin-Referat für die Abwicklungsplanung bei Host Banken
Leonhard Estel / Steffen Hanne
BaFin-Referat für die Abwicklungsplanung bei SRB Home Banken 2

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 09/2021 (Download)

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