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Erscheinung:15.06.2021 Nach Wirecard: Mehr Kompetenzen für die BaFin

Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität stärkt auch die Finanzaufsicht und verschärft die Regeln für private Wertpapiergeschäfte ihrer Beschäftigten.

Im Juni 2020 stellte die Wirecard AG einen Insolvenzantrag wegen drohender Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Die Vorgänge rund um den Aschheimer Finanzdienstleister erschütterten das Vertrauen in den Finanzplatz Deutschland. Bundestag und Bundesrat haben nun im Mai mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) den Weg frei gemacht für grundlegende Reformen – unter anderem der Finanzaufsicht. Für die BaFin bedeutet das: Sie erhält mehr Kompetenzen und Durchgriffsrechte. Flankierend dazu gestaltet sie ihre Strukturen effizienter. Erste Reformschritte sind bereits getan

Reformen auf den Weg gebracht

Schon im Juli 2020 hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz einen „Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung von Bilanzbetrug und zur Stärkung der Kontrolle über Kapital- und Finanzmärkte“ präsentiert. Wenige Monate später, im Dezember 2020, verabschiedete das Bundeskabinett seinen Entwurf des FISG, das wesentliche Punkte des Aktionsplans umsetzt. Der Deutsche Bundestag beschloss das Gesetz am 20. Mai 2021. Der Deutsche Bundesrat stimmte am 28. Mai zu. Vorgelegt hatten das FISG das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV).

Die Neuerungen des FISG treten zum größten Teil bereits zum 1. Juli 2021 in Kraft. Eine Übersicht über einige Änderungen, die für die BaFin von zentraler Bedeutung sind:

Stärkung der BaFin in der Bilanzkontrolle

Die BaFin wird durch das FISG vor allem auf dem Gebiet der Bilanzkontrolle deutlich gestärkt. Die entsprechenden Änderungen im Wertpapierhandelsgesetz treten am 1. Januar 2022 in Kraft. Anlass- und Stichprobenprüfungen sind künftig allein Sache der BaFin. Besteht ein Verdacht auf Bilanzverstöße, kann die Aufsicht dann direkt und unmittelbar gegenüber einem Kapitalmarktunternehmen auftreten – und ihm mit forensischen Mitteln in die Bücher schauen.

Dafür erhält die BaFin zusätzliche hoheitliche Befugnisse, etwa erweiterte Auskunftsrechte und ein Recht auf Durchsuchungen und Beschlagnahmen. Die BaFin wird auch die Führungsspitze eines geprüften Unternehmens und dessen Abschlussprüfer vorladen und vernehmen dürfen. Die Aufsicht wird zu diesem Zweck auch personell aufrüsten und unter anderem weitere Wirtschaftsprüferinnen und Wirtschaftsprüfer und Personen mit forensischen Qualifikationen einstellen. Erklärtes Ziel ist, Verdachtsmomente auf fehlerhafte Rechnungslegung bis hin zum Bilanzbetrug möglichst früh zu identifizieren und – gegebenenfalls gemeinsam mit der Staatsanwaltschaft – aufzuklären. Auf diese Weise sollen Fälle wie Wirecard so gut es geht verhindert werden.

Bisher war es zunächst Sache der privat organisierten Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR), einem Verdacht auf Verstöße gegen Rechnungslegungsvorschriften nachzugehen. Zur Prüfung durch die BaFin kam es erst, wenn ein Unternehmen mit der privaten Prüfstelle nicht kooperierte, mit dem Ergebnis der Prüfung nicht einverstanden war oder erhebliche Zweifel am Prüfungsverfahren oder Prüfungsergebnis der DPR bestanden Dieses zweistufige Modell hat sich als nicht effizient erwiesen. Die Bilanzkontrolle wird daher nun bei der BaFin gebündelt.

Weitere Kompetenzen erhält die BaFin auch an anderer Stelle: Die Aufsicht wird dank FISG ab Anfang 2022 direkt auf Unternehmen zugreifen können, auf die Banken wesentliche Aktivitäten und Prozesse auslagern. Das FISG stellt klar, welche unmittelbaren Informations- und Prüfrechte die BaFin haben wird, und erweitert deren Anordnungsbefugnisse: Musste die BaFin bislang über die Banken eingreifen, greift sie künftig unmittelbar auf das Auslagerungsunternehmen zu, wenn sie einen Missstand vermeiden oder beheben will. Auch Bußgelder kann sie nun gegenüber dem Unternehmen verhängen. Für den Fall, dass Institute Auslagerungsunternehmen in Drittstaaten außerhalb des Europäischen Währungsraums wählen, müssen sie mit diesen vertraglich einen Zustellungsbevollmächtigten vereinbaren, an das die Aufsicht zum Beispiel Prüfungsanordnungen kurzfristig zustellen kann. Außerdem wird die Anzeigepflicht für wesentliche Auslagerungen wiedereingeführt, was der Aufsicht einen flächendeckenden Überblick über Auslagerungen und die damit einhergehenden (Konzentrations-)Risiken verschafft.

Stärkung des Präsidenten

Gestärkt wird auch die Rolle des Präsidenten – in der strategischen Steuerung der Behörde, aber auch in Organisations- und Haushaltsfragen. Konkrete Regelungen werden sich in der Satzung der BaFin finden – und in dem darauf aufbauenden Organisationsstatut.

Mystery Shopping

Auch Mystery Shopping wird dank FISG bald möglich sein. Dabei treten geschulte Testkäufer als Verbraucher auf, um sich beraten zu lassen oder Produkte zu Testzwecken zu erwerben. Die Aufsicht kann sich mit solchen verdeckten Testkäufen einen Eindruck davon verschaffen, wie Unternehmen mit ihren Kundinnen und Kunden umgehen. Die BaFin wird dieses neue Instrument künftig nutzen, um zu prüfen, ob die Unternehmen ihre gesetzlichen Pflichten gegenüber Verbrauchern und (Klein-)Anlegern einhalten.

Testkäufe wird es also überall da geben, wo Finanzdienstleistungen oder Finanzprodukte an Verbraucher oder Kleinanleger vertrieben werden. In der klassischen Anlageberatung, der Kreditvergabe, aber auch im Versicherungsvertrieb – kurzum: in jedem Bereich, für den es gesetzliche Verbraucherschutzregelungen gibt.

Um schon bald ein Pilotvorhaben in Gang setzen zu können, hat die BaFin am 28. Mai 2021 eine öffentliche Ausschreibung gestartet. Die Aufsicht will zunächst in einer Marktsondierung Aufträge an verschiedene Agenturen vergeben. Ab 2022 soll dann der Regelbetrieb aufgenommen werden.

Mitarbeitergeschäfte

Eine weitere wesentliche Änderung: Mit dem FISG wird Beschäftigten der BaFin zum 1. Juli 2021 grundsätzlich der private Handel mit Finanzinstrumenten wie etwa Aktien und Anleihen weitgehend verboten. BaFin-Mitarbeiter dürfen künftig zum Beispiel nicht mehr mit Finanzinstrumenten handeln, die an einer deutschen Börse zugelassen sind. Tabu sind künftig auch sämtliche Finanzinstrumente, die von einer finanziellen Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Niederlassung in der Europäischen Union ausgegeben wurden, egal ob sie zum Handel zugelassen sind oder nicht. Auch mit Finanzinstrumenten beaufsichtigter Unternehmen oder deren Konzernunternehmen dürfen BaFin-Beschäftigte nicht mehr handeln. Und auch hier spielt es keine Rolle, ob diese Finanzinstrumente zum Handel zugelassen worden sind. Auch die Emissionen nicht gelisteter Unternehmen sind also von dem Verbot erfasst. Und last but not least ist nun auch der Handel mit Derivaten auf die genannten Finanzunternehmen verboten.

Das FISG enthält lediglich zwei Ausnahmen – und zwar – vereinfacht gesagt – für Fonds und für Geschäfte im Rahmen einer Finanzportfolioverwaltung.

Die neuen Regelungen haben zum Ziel, dass keine Zweifel an der Integrität der Aufsicht aufkommen. Es soll der Anschein vermieden werden, dass sich Beschäftigte der BaFin bei privaten Investments nicht nur von objektiven Kriterien leiten lassen, dass sie Insidergeschäfte tätigen, ihr im Dienst erlangtes Wissen für private Finanzgeschäfte nutzen oder sich bei ihren dienstlichen Entscheidungen von eigenen finanziellen Interessen leiten lassen könnten.

Im Vorgriff auf die neuen Anforderungen hatte die Behörde ihre Regelungen für Mitarbeitergeschäfte bereits verschärft: Seit dem 16. Oktober 2020 dürfen Beschäftigte, die der Risikokategorie A zugeordnet sind, grundsätzlich keine privaten Geschäfte in Finanzinstrumenten mehr tätigen, die von finanziellen Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Niederlassung in der EU ausgegeben werden. Der Risikokategorie A gehören alle Beschäftigten an, die bestimmungsgemäß, also aufgrund ihrer Aufgaben, Zugang zu Insiderinformationen haben. Das sind mehr als 85 Prozent der BaFin-Beschäftigten.

Modernere Strukturen

Der Fall Wirecard hat auch verschiedene Schwachstellen in den Strukturen der BaFin offengelegt. In einem vom Bundesministerium der Finanzen initiierten und von der BaFin mitgestalteten Projekt zur Modernisierung der Aufsicht werden diese Schwachstellen behoben. Ende des Jahres soll das Projekt abgeschlossen sein, einige Teilprojekte sind aber schon weit fortgeschritten. So ist bereits im Mai der Pilot der künftigen Fokusaufsicht live gegangen. Im August beginnt dann hausweit der Regelbetrieb.

Mit der Fokusaufsicht will die BaFin viel intensiver hinter die Fassade von Banken und anderen Unternehmen schauen, deren Geschäftsmodell sehr komplex ist oder sehr innovativ erscheint. Bei solchen Unternehmen wird die Aufsicht schneller, genauer und aus erster Hand erfahren, wo die Erträge erwirtschaftet werden und Risiken entstehen. Sollte die Aufsicht dabei auf intransparente Verhältnisse stoßen und sich keine Klarheit verschaffen können, wird sie entsprechend handeln und – wenn erforderlich – die Geschäfte des Unternehmens einschränken.

Neben der Fokusaufsicht ist die künftige Taskforce ein weiteres zentrales Teilprojekt des Modernisierungsvorhabens. Sie soll Mitte August an den Start gehen und Hand in Hand mit der Fokusaufsicht arbeiten. Die Taskforce soll eine Art schneller Eingreiftruppe werden, die kurzfristig ausrücken kann, um in den Unternehmen zu prüfen. Die Taskforce wird in Eigenregie prüfen und auch forensische Prüfungen vornehmen können. Damit betritt die BaFin Neuland. Bislang spielte Forensik nur bei der Verfolgung unerlaubter Geschäfte eine Rolle..

Hinweis

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Zusatzinformationen

BaFinJournal 06/2021 (Download)

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