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Erscheinung:15.06.2021 Versicherer und die Suche nach Rendite

Angesichts der niedrigen Zinsen sind Versicherer bereit, in der Kapitalanlage höhere Risiken einzugehen. Die BaFin wollte wissen, was Sache ist und was die Unternehmen planen.

Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen ist negativ, und wann zinstragende Wertpapiere wieder auskömmliche Renditen abwerfen, ist fraglich. Lassen sich die Versicherer durch das Dauerzinstief in lukrativere, dafür aber riskantere Anlagen treiben? Gehen sie womöglich zu hohe Risiken in der Kapitalanlage ein? Offenbar nicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine Erhebung der BaFin im vierten Quartal 2020 (siehe Infokasten „BaFin untersucht Kapitalanlageverhalten“).

Danach sind die Unternehmen zwar bereit, höhere Risiken in der Kapitalanlage einzugehen, um trotz der niedrigen Zinsen angemessene Erträge zu erwirtschaften. Deswegen investieren sie auch in alternative Kapitalanlagen. Übermäßige Risiken gehen sie aber bislang nicht ein. Sie investieren auch nicht vermehrt in Anlagen schlechter Qualität oder weichen Kreditvergabestandards auf. Eher ziehen sich einige Versicherer aus dem Kreditgeschäft zurück – zumindest vorübergehend. Die Ergebnisse im Einzelnen:

Auf einen Blick:BaFin untersucht Kapitalanlageverhalten

Das fortdauernde Niedrigzinsumfeld macht es Versicherungsunternehmen schwer, auskömmliche Renditen zu erwirtschaften. Mit Anlagen, die höhere Renditen versprechen, gehen auch entsprechende Risiken für die Kapitalanlage einher. Zum Beispiel höhere Ausfälle durch eine geringere Kreditwürdigkeit der Schuldner, ungewohnte Eigenschaften neuer Anlageprodukte, eine geringere Liquidität und lange Laufzeiten. Diese erhöhten Risiken sind aufsichtlich dann problematisch, wenn Versicherer nicht in der Lage sind, damit angemessen umzugehen.

Die BaFin wollte wissen, ob Versicherer bei der Suche nach Rendite – auch Search for Yield genannt – zu hohe Risiken eingehen. Im vierten Quartal 2020 hat sie die Versicherer unter ihrer Aufsicht nach ihrem Kapitalanlageverhalten befragt. Diese Erhebung ergänzt das reguläre Berichtswesen und ist deutlich umfangreicher als die aus dem Jahr 2016 (siehe BaFinJournal Dezember 2017). Die BaFin plant, die Versicherer weiterhin regelmäßig zu ihrem Kapitalanlageverhalten zu befragen.

In die Erhebung 2020 hat die BaFin alle Solvency-I- und Solvency-II-Versicherer einbezogen, deren Kapitalanlagevolumen zu Zeitwerten 250 Millionen Euro zum Stichtag 31. Dezember 2019 überschritt. An der Erhebung beteiligt haben sich 286 Versicherungsunternehmen. Das entspricht einer Marktabdeckung nach Kapitalanlagevolumen von über 99 Prozent.

Die Versicherer mussten bei der Erhebung unter anderem Daten liefern, Entwicklungen einschätzen und ihr Anlageverhalten erläutern, und zwar

  • zu ausgewählten Anlageklassen ihrer Anlageportfolios (stichtagsbezogen und zukunftsgerichtet),
  • zu Kreditvergabestandards und

Alternative Kapitalanlagen

Wenn traditionelle Kapitalanlagen nicht mehr die benötigte Rendite abwerfen, stellt sich die Frage, wie stark die Versicherer in nicht-traditionelle, also alternative Anlagen investieren. Zu diesen alternativen Anlagen zählen Investitionen in Infrastruktur und Rohstoffe, direkte Beteiligungen (Private Equity), direkte Mittelvergaben an Unternehmen außerhalb des Kapitalmarktes (Private Debt) und Anlagen in Verbriefungen und Hedgefonds.

Die Erhebung der BaFin hat nun gezeigt, wie hoch der Anteil dieser nicht-traditionellen Kapitalanlagen ist: Er macht derzeit knapp sechs Prozent der gesamten Kapitalanlagen aus. Den größten Anteil haben mit 2,1 Prozent Investitionen in Infrastruktur. Anlagen in Private Equity machten 1,4 Prozent aus, Anlagen in Private Debt 1,2 und Anlagen in Verbriefungen 0,8. Zwischen den Sparten sind Unterschiede sichtbar: Pensionskassen investieren einen deutlich höheren Anteil in alternative Kapitalanlagen (8,1 Prozent) als der Branchendurchschnitt, Rückversicherer einen deutlich geringeren Anteil (3,7 Prozent).

Hedgefonds, Rohstoffe und Leveraged Loans spielen in der Kapitalanlage derzeit praktisch keine Rolle. Leveraged Loans sind eine Unterkategorie von Private Debt. Dazu gehören Darlehen an Unternehmen, deren Rating unterhalb des Investment Grades liegen und sehr risikoreich sind. Auch das ergab die Erhebung der BaFin: Kein Unternehmen investierte zum Zeitpunkt der Abfrage in Kryptowährungen.

Künftig mehr Investitionen in alternative Kapitalanlagen

Aus den Angaben der Versicherer zur langfristigen Ziel-Kapitalanlagestruktur (Strategische Asset-Allocation) lässt sich ablesen, dass der Anteil alternativer Kapitalanlagen in den Portfolien künftig deutlich größer werden soll. Vor allem Investitionen in Infrastruktur und in Private Debt dürften zunehmen. Jedoch sind alternative Kapitalanlagen zum Teil deutlich komplexer und illiquider als die traditionellen Anlageklassen und haben das Zeug, die Risiko-/Renditestruktur des Portfolios in Richtung höhere Risiken zu verschieben.

Die BaFin erwartet von den Versicherungsunternehmen, dass sie diese künftige Ausrichtung angemessen im Risikomanagement berücksichtigen. Was auch bedeuten kann, dass sie das Risikomanagement personell aufstocken und/oder fachlich weiter qualifizieren müssen. Denn jedes Unternehmen muss jederzeit in der Lage sein, die mit der Kapitalanlage verbundenen Risiken hinreichend zu identifizieren, zu bewerten, zu überwachen, zu steuern und zu kontrollieren. So verlangt es § 124 Absatz. 1 Satz 1 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG).

Bonität der Emittenten hat sich verschlechtert

Ein weiteres Ergebnis lässt aufhorchen: Mehr als die Hälfte der Unternehmen gab bei der Erhebung an, dass sich die durchschnittliche Bonität der Emittenten bei Neuanlagen innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre verschlechtert habe. Die BaFin wollte wissen, wie sich die COVID-19-Pandemie bemerkbar macht. Die meisten Unternehmen haben ihr Anlageverhalten deswegen nicht wesentlich geändert.

Es sind auch keine nennenswerten Anzeichen für eine Lockerung der Vergabestandards bei der Kreditneuvergabe zu beobachten. Tatsächlich ziehen sich sogar einige Versicherer – zumindest vorübergehend – aus dem Kreditgeschäft zurück.

Die meisten der teilnehmenden Unternehmen setzen Derivate ein. 30 Prozent nutzen Derivate im Direktbestand, zwei Drittel im indirekten Bestand, und da überwiegend bei der Anlage in Spezialfonds. 22 Prozent der Unternehmen gaben an, Derivate sowohl im Direkt- als auch im Fondsbestand einzusetzen. Primär dienten Derivate der Absicherung – und zwar vor allem gegen Fremdwährungs- und Zinsrisiken – und dem effizienten Portfoliomanagement.

Autor

Frank Niewel
Referat VA 25 Grundsatz Kapitalanlage

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 06/2021 (Download)

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