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Erscheinung:14.05.2021 | Thema Geldwäschebekämpfung Kriminelle waschen schmutziges Geld im Kiosk rein
Zwischen Kaugummis und Tippscheinen oder mit geleasten Sportwagen: Kriminelle waschen ihr Geld auch über Kioske und Leasinganbieter. Wie die BaFin in diesem Bereich Geldwäscheprävention betreibt.
Mehr als 5 Milliarden Euro gingen im Jahr 2020 über die Ladentheken von Kiosken, Call-Shops und Reisebüros. Hauptziel: Konten im Ausland. Herkunft des Geldes: mitunter kriminell. Kein Wunder, dass sich die BaFin für diese Unternehmen interessiert. Im Fachjargon werden sie Agenten genannt, genauer gesagt: Agenten im Finanztransfergeschäft. Die BaFin zählt sie zu einer Gruppe von Unternehmen außerhalb des Bankensektors, über die Kriminelle gerne ihre Gewinne aus Drogenhandel, Prostitution & Co. waschen.
Die Gruppe dieser Nichtbanken ist groß und heterogen: rund 5.200 Unternehmen zählen dazu. Neben den Agenten sind das zum Beispiel Leasingunternehmen. Aber auch Versicherer, Zahlungsinstitute, Wertpapierfirmen und -handelsbanken, Kryptoverwahrer, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Wechselstuben gehören dazu. Sie alle hat die Anti-Geldwäscheeinheit der BaFin auf dem Radar. Im Hinblick auf die große Anzahl der Unternehmen muss die Aufsicht hier risikoorientiert erfolgen. Zwei Referate sind damit befasst. Eines davon hat unter anderem die Agenten und Leasingunternehmen im Blick: das Referat Geldwäsche 7 Nichtbankenbereich II.
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- In weiteren Ausgaben des BaFinJournals lesen Sie, wie neben Agenten und Leasinginstituten auch über andere Unternehmen im Nichtbankenfinanzbereich Geld gewaschen wird.
- Wie Kriminelle über Banken und Sparkassen Geld waschen und wie sich die Institute vor solchen Machenschaften schützen, lesen Sie in der März-Ausgabe des BaFinJournals . Dort erfahren Sie auch, wie die BaFin die Geldwäscheprävention der Banken und Sparkassen kontrolliert.
Wie die BaFin Unternehmen außerhalb des Bankensektors prüft
Das Referat verfolgt nicht die Geldwäscher selbst. Das erledigen Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte. Aber es kontrolliert, ob sich die Agenten und Leasinginstitute ausreichend dagegen wappnen, für Geldwäsche missbraucht zu werden. Zum Beispiel indem sie die Personalien ihrer Kundinnen und Kunden aufnehmen und die Daten dokumentieren (siehe Infokasten „Wie sich Agenten und Leasingunternehmen vor Geldwäsche schützen müssen“).
„Wir haben für die Agenten, Leasinginstitute und die anderen Nichtbanken im Großen und Ganzen ähnliche Handlungsmöglichkeiten wie bei den Banken“, erläutert Dr. Jens Fürhoff, Leiter der Abteilung Geldwäscheprävention (BaFinJournal März 2021). Die BaFin kann an Ort und Stelle prüfen, oder aber vom Büro aus. In der Corona-Pandemie rücken die Prüfteams der BaFin zwar nicht grundsätzlich aus. „Die Informationen, die wir unbedingt haben wollen, kriegen wir aber trotzdem“, versichert Fürhoff. Und selbst wenn Sonderprüfungen angesagt sind, lassen die sich aus der Ferne bewerkstelligen. Oder die BaFin verschiebt sie, wenn sich das vertreten lässt.
Risikoeinschätzung schwierig
Die Geldwäscherisiken des Nichtbankenfinanzbereichs einzuschätzen, sei allerdings deutlich schwieriger als bei den Banken, räumt der Aufseher ein. Ein Grund ist die oben geschilderte Heterogenität. Vom Kiosk über Leasingunternehmen bis hin zu Versicherern und anderen großen Unternehmen des Finanzsektors: Die Bandbreite an Kunden, Produkten und Dienstleistungen ist groß. Was erschwerend hinzukommt: Nicht bei allen Unternehmen prüft ein Jahresabschlussprüfer die geldwäscherechtlichen Pflichten. Dessen Testate sind für die Aufsicht wichtige Informationsquellen. Bei den Agenten zum Beispiel war die BaFin lange Zeit allein auf ihre eigenen Erkenntnisse angewiesen.
Um die Lage möglichst genau abschätzen zu können, hat die Aufsicht den Markt umfassend analysiert. Basierend darauf hat sie die Gruppe der Nichtbanken in zehn Sektoren unterteilt und die wiederum in Subsektoren (siehe Abbildung „Nichtbanken: Sektoren und deren Geldwäscherisiken“, beispielhaft ergänzt durch den Subsektor Leasing von Luxusgütern). Über diese Sektoren steuert die BaFin ihre Aufsicht: Die (Sub-)Sektoren mit erhöhten Geldwäscherisiken werden intensiver beaufsichtigt als die mit niedrigen Risiken.
Nichtbanken: Sektoren und deren Geldwäscherisiken
Höchstes Risiko bei Agenten: Geldwäsche mit kleinen Beträgen
Am höchsten ist das Risiko, zu Geldwäschezwecken missbraucht zu werden, ausgerechnet bei den Agenten. Sie machen mit rund 3.000 den größten Anteil an der Nichtbanken-Gruppe aus.
Agenten sind meist Einzelunternehmen oder Kleinstbetriebe wie Kioske, Call-Shops, Handy-Shops, Reisebüros oder Lebensmittelhändler, die als Nebenerwerb das Finanztransfergeschäft ins Ausland anbieten. Sie nehmen Bargeld von Kunden entgegen und übermitteln es an Empfänger im Ausland. Eine eigene Erlaubnis der BaFin haben sie nicht. Sie arbeiten mit ausländischen Zahlungsdienstleistern wie Western Union zusammen – erkennbar an deren Aufklebern im Schaufenster.
Ein Beispiel: Ein Kunde betritt einen Kiosk in Frankfurt am Main und blättert 1.000 Euro in bar auf die Theke. Erhalten soll sie ein Verwandter in einem Land außerhalb Europas. Vom Kiosk aus geht das Geld nun auf die Reise. Der Kioskbesitzer zahlt es auf ein Konto der Western Union in Deutschland ein. Von dort aus wandert es auf ein Western-Union-Konto in dem Land, in dem der Verwandte lebt. Der nimmt es dort entgegen – wieder in einem Kiosk. Der Frankfurter Kioskbesitzer erhält für die Transaktion eine Provision. Für ihn ist das Finanztransfergeschäft ein einträgliches Zubrot: rund 14,3 Millionen solcher Transaktionen liefen im Jahr 2020 über Agenten – ebenso Kleinstunternehmen wie große Masteragenten.
Was nicht heißt, dass hier nur Geldwäscher am Werk waren. Agenten werden auch von Menschen genutzt, die kein Bankkonto haben. Oder der Empfänger hat keines. Aber Agenten sind eben auch bei Geldwäschern beliebt. Golo Trauzettel, Leiter des Referats Geldwäsche 7 Nichtbankenbereich II, nennt die Gründe: „Agenten nehmen Bargeld an, und der Betrag wird transferiert, ohne dass eine nachvollziehbare Kontoverbindung zwischen Einzahler und Empfänger besteht.“ Ein weiterer Punkt: In Kiosken geht es mitunter hektisch zu. Es herrscht ein Kommen und Gehen mit viel Laufkundschaft. Ein idealer Ort also, um illegales Geld in kleineren Beträgen unauffällig zu waschen.
BaFin prüft Agenten seit 2011
Umso wichtiger ist es, dass sich Agenten gegen Geldwäsche wappnen und sich zum Beispiel von ihren Kunden Ausweispapiere zeigen lassen und Daten wie Namen, Geburtsdatum und Adresse notieren, damit sich die Spur des Geldes nachverfolgen lässt (siehe Infokasten „Wie sich Agenten und Leasingunternehmen vor Geldwäsche schützen müssen“).
Ob sie das tun und sich dabei an die Vorgaben des Geldwäschegesetzes halten, kontrolliert seit 2011 die BaFin. Anfangs tauchten die Prüferinnen und Prüfer auch schon mal ungemeldet im Laden auf. Solche Überraschungsbesuche gehören allerdings der Vergangenheit an. Mittlerweile kündigen die Kontrolleure ihr Kommen an. „Wir haben festgestellt, dass dann die Kooperationsbereitschaft größer ist und wir mehr erfahren“, erklärt Fürhoff. Eines hat sich aber nicht geändert: Ist die BaFin erst vor Ort, heißt es für Kioskbesitzer und Call-Shop-Betreiber, Rede und Antwort zu stehen. „Wie identifizieren Sie Ihre Kunden?“ „Welche Dokumente lassen Sie sich zeigen?“ Das sind typische Fragen, die bei einer BaFin-Prüfung fallen. In der Pandemie stellt die BaFin sie allerdings schriftlich.
Auf einen Blick:Wie sich Agenten und Leasingunternehmen vor Geldwäsche schützen müssen
Um nicht für Geldwäsche missbraucht zu werden, müssen Agenten und Leasinginstitute zum Beispiel bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen. Ein zentraler Punkt ist die Identifizierung der Kundinnen und Kunden. Notiert werden müssen deren Vornamen und Nachnamen, der Geburtsort, das Geburtsdatum, die Staatsangehörigkeit und eine Wohnanschrift. Bei juristischen Personen müssen zum Beispiel Firma, Name oder Bezeichnung und Rechtsform sowie Anschrift des Sitzes oder der Hauptniederlassung dokumentiert werden. Diese Informationen müssen die Unternehmen aufbewahren und der Aufsicht vorlegen.
Schöpfen Agenten und Leasinginstitute den Verdacht, dass sie es mit einem Geldwäscher zu tun haben, müssen sie der Financial Intelligence Unit eine Verdachtsmeldung schicken.
Die Aufseher lassen sich auch Transaktionsbelege zeigen. „Die vergleichen wir mit den dokumentierten Kundendaten“, erläutert Trauzettel. Fallen dabei Unstimmigkeiten auf, schauen die Prüfer, ob der Agent Verdacht geschöpft und den bei der Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen (FIU) des Zolls gemeldet hat. Die FIU analysiert solche Verdachtsmeldungen. Manchmal sind es aber auch die Agenten selbst, die kriminell werden, nämlich dann, wenn sie das Geld nicht über einen Zahlungsdienstleister transferieren, sondern über ihr eigenes Konto.
Aufsicht über Agenten zeigt Erfolge
„Die Prüfungen, die wir seit 2011 vorgenommen haben, haben etwas bewirkt“ resümiert Fürhoff. Viele Agenten setzten die geldwäscherechtlichen Standards mittlerweile besser um als zuvor. Zu diesem Schluss kommt auch die Erste Nationale Risikoanalyse 2018/2019, die unter Federführung des Bundesfinanzministeriums entstanden ist und an der mehrere Behörden mitgewirkt haben, darunter auch die BaFin. Nach dieser Studie gibt es einen doppelt positiven Effekt: Die „Aufsichtshandlungen der BaFin“ hätten „zu einer gewissen Konsolidierung des Marktes zugunsten der Qualität der Präventionsmaßnahmen geführt.“ Will sagen: Die Agenten sind weniger und deren Präventionsmaßnahmen besser geworden. Zum Vergleich: Als die BaFin die Aufsicht über die Geldwäscheprävention von Agenten übernahm, gab es in Deutschland noch rund 8.600 von ihnen. Heute sind es, wie gesagt, etwa 3.000.
Dabei war die Aufsicht von Agenten lange Zeit besonders schwierig – allein wegen der schieren Menge. Besagte Steuerung über Sektoren erleichtert die Arbeit. Geholfen hat aber auch, dass Zahlungsdienstleister mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat, die mehr als zehn Agenten beschäftigen, seit 2018 in Deutschland eine zentrale Kontaktperson benennen müssen, an die sich die BaFin, aber auch Strafverfolgungsbehörden und die Financial Intelligence Unit wenden können.
BaFin koordiniert Agentenaufsicht über Kontaktpersonen
Seit 2019 müssen diese Kontaktpersonen der BaFin Bericht erstatten: zum Beispiel darüber, wie viele Transaktionen die einzelnen Agenten ausgeführt haben und um wie viel Geld es dabei ging. „Diese Berichte sind eine wichtige neue Informationsquelle für uns“, erläutert Referatsleiter Trauzettel.
Die BaFin koordiniert die Agentenaufsicht seit einiger Zeit verstärkt über die Kontaktpersonen. „Wir wollen 2021 mit allen Kontaktpersonen Aufsichtsgespräche führen“, sagt Trauzettel. Geplant ist aber auch, Kontaktpersonen zu prüfen. Der Aufsicht ist wichtig, dass die Kontaktperson personell und finanziell gut ausgestattet ist. Weshalb sie 2020 ein ausländisches Zahlungsinstitut mit einem großen Agentennetzwerk auch formal aufgefordert hat, nachzubessern.
Aber nicht nur Kontaktpersonen, auch Mehrfachagenten oder Agenten mit besonders vielen oder hohen Transaktionen will die BaFin auch in diesem Jahr stichpunktmäßig prüfen. Daneben werden die Aufseher aber auch wieder zahlreiche Auskunftsersuchen verschicken.
Schnelle Autos und Schmuck für die organisierte Kriminalität
Sind Kioske und Call-Shops eher Anlaufstelle für Kriminelle mit kleineren Beträgen, haben Vertreter der organisierten Kriminalität offenbar einen eher schillernden Weg gefunden, ihr Geld zu waschen: Sie leasen kostspielige Luxusgüter. Besonders beliebt sind bei Kriminellen dieses Kalibers schnelle Autos und Schmuck. Deren Kauf scheint nicht mehr attraktiv zu sein. Die Autoren der Ersten Nationale Risikoanalyse 2018/2019 vermuten folgenden Hintergrund: Seit Juli 2017 können Strafverfolger Gewinne aus Straftaten leichter abschöpfen. Diesem Zugriff wollen sich die Organisierten offenbar entziehen, indem sie mehr und mehr aufs Leasing ausweichen. Die simple Logik: Der gekaufte Sportwagen lässt sich beschlagnahmen, der geleaste Sportwagen dagegen gehört dem Leasinggeber und nicht dem Kriminellen, der nur Leasingnehmer ist.
Mit Sorgfalt gegen Geldwäsche
Die BaFin ist alarmiert. Sie stuft das Geldwäscherisiko des Leasingsektors zwar insgesamt als mittel-niedrig ein. „Beim Subsektor ‚Leasing von Luxusgegenständen‘ sehen wir das aber anders“, kommentiert Abteilungsleiter Fürhoff. Da sei das Risiko zumindest mittel-hoch. „Entsprechend sind die Unternehmen dieses Subsektors stärker in den Fokus der Anti-Geldwäscheaufsicht gerückt“, ergänzt Trauzettel. Knapp 300 Leasinginstitute gibt es in Deutschland. Nur ein kleiner Teil bietet das Luxus-Leasing an. Wie alle Leasinginstitute brauchen sie fürs Betreiben des Leasinggeschäfts eine Erlaubnis der BaFin und stehen nicht nur unter Anti-Geldwäscheaufsicht, sondern auch unter laufender Aufsicht nach dem Kreditwesengesetz.
Die Jahresabschlüsse von Leasinginstituten werden von einem Jahresabschlussprüfer geprüft und testiert. „Diese Testate machen es natürlich etwas leichter, die Geldwäscherisiken dieses Subsektors zu überblicken“, erklärt Trauzettel. Wenn er mit seinem Referat einen Luxus-Leasing-Anbieter prüft, interessiert er sich vor allem dafür, wie die Anbieter ihre Sorgfaltspflichten erfüllen (siehe Infokasten „Wie sich Agenten und Leasingunternehmen vor Geldwäsche schützen müssen“). Im Fokus der Kontrolleurinnen und Kontrolleure stehen derzeit vor allem die besonders beliebten Leasingobjekte, also teure Autos und Schmuck. „Aber auch bei Privatflugzeugen und Luxusjachten sehen wir besonders genau hin“, erläutert Trauzettel.
Autorinnen
Nicole Hammes
BaFin-Referat GW 1 Europa und Strategie
Ursula Mayer-Wanders
BaFin-Referat K 3 Reden und Publikationen
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