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Symbolfoto (c) Deutsche Börse AG

Erscheinung:16.04.2021 | Thema Verbraucherschutz Weniger Unternehmensanleihen für Kleinanleger

Unternehmensanleihen können das Portfolio von Kleinanlegern ergänzen. Doch eine BaFin-Studie zeigt: Das Angebot schrumpft, neue EU-Regulierungen könnten eine Ursache sein.

Unternehmensanleihen können gerade in Zeiten niedriger Zinsen dazu beitragen, das Risiko einer privaten Geldanlage besser zu streuen. Die BaFin hat in einer Studie allerdings herausgefunden, dass Privatanleger seit 2018 immer weniger Unternehmensanleihen handeln (siehe Infokasten „So ist die BaFin bei der Studie vorgegangen“). Das hat Gründe: Viele Unternehmen erstellen seit Inkrafttreten der Verordnung für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (Packaged Retail and Insurance-based Investment ProductsPRIIPs) kein Basisinformationsblatt. Das aber ist Voraussetzung dafür, dass Privatanleger Unternehmensanleihen kaufen dürfen. Ein positiver Grundgedanke, der den Privatanleger schützen soll. Tatsache aber ist, dass Privatanleger weniger Unternehmensanleihen kaufen – und damit in der Produktauswahl eingeschränkt sind.

Hintergrund

Eine mögliche Ursache für den Rückgang könnte das Inkrafttreten der PRIIPs-Verordnung zum 1. Januar 2018 sein. Unternehmensanleihen können unter bestimmten Umständen verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger (PRIIPs) gemäß Artikel 4 Nr. 1 der PRIIPs-Verordnung darstellen.

Nach Artikel 5 Absatz 1 PRIIPs-Verordnung ist ein PRIIP-Hersteller, also zum Beispiel eine Bank, verpflichtet, ein Basisinformationsblatt (BIB) zu erstellen und zu veröffentlichen, bevor er Kleinanlegern ein verpacktes Anlageprodukt anbieten darf. Darüber hinaus muss ein Berater oder Verkäufer eines Produkts dem Kleinanleger das BIB rechtzeitig zur Verfügung stellen, bevor sich der Kunde vertraglich bindet. Dies ist in Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung geregelt. Vereinfacht gesagt: Ohne Basisinformationsblatt kein verpacktes Anlageprodukt für Kleinanleger. Das wäre in Deutschland sanktionsbewehrt.

Dass für Unternehmensanleihen regelmäßig keine BIB erstellt werden, hat dabei verschiedene Gründe: Zum einen scheuen Unternehmen bei Neuemissionen bisweilen die zusätzlichen Kosten oder möglichen Haftungsrisiken eines BIB. Zum anderen erstellen Emittenten für bereits vor dem Inkrafttreten der PRIIPs-Verordnung zum 1. Januar 2018 emittierte Unternehmensanleihen nachträglich keine BIB, da die Kosten nicht in einem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen stehen könnten. Drittstaatenemittenten, die zudem nicht auf den europäischen Markt für Privatanleger angewiesen sind, erstellen ebenfalls keine BIB.

Weniger Anlagemöglichkeiten für Kleinanleger

Durch die weite Auslegung der PRIIPs-Verordnung werden somit Kleinanlegern Anlagemöglichkeiten genommen. Ob dies dem Kleinanleger tatsächlich dient, ist daher fraglich.

Dabei hat das Bundesfinanzministerium das Problem bereits erkannt. Schon 2019 hatte es in einem Positionspapier deutlich gemacht, dass einfache Unternehmensanleihen, auch „Plain Vanilla Bonds“ genannt, gänzlich vom Anwendungsbereich der PRIIPs-Verordnung ausgenommen sein sollten. Diesen Vorschlag unterstützt auch die BaFin. Dem ist die EU-Kommission bislang aber nicht gefolgt. Um Unsicherheiten im Anleihenmarkt zumindest zu reduzieren, hat die BaFin ein Merkblatt zum Anwendungsbereich der PRIIPs-Verordnung veröffentlicht. Mit der gleichen Intention veröffentlichte der gemeinsame Ausschuss der Europäischen Aufsichtsbehörden am 24. Oktober 2019 eine entsprechende Erklärung.

Auf einen Blick:So ist die BaFin bei der Studie vorgegangen

Basis der Studie waren die Transaktionsdaten nach Artikel 26 der europäischen Finanzmarktverordnung (Markets in Financial Instruments Regulation – MiFIR) für die Jahre 2018 und 2019 sowie nach § 9 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) alte Fassung für die Jahre 2016 und 2017. Sie erlauben Einblicke in die Käufe und Verkäufe von Finanzinstrumenten durch Marktteilnehmer.

In der Studie untersuchte die BaFin mehrere Kenngrößen aus den Jahren 2018 und 2019 und stellte sie denen aus den Jahren 2016 und 2017 gegenüber. Dazu zählten Kauf- und Verkaufsvolumina, die Anzahl der handelnden Kunden sowie die Anzahl der gehandelten Anleihen. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass alle Kenngrößen in den Jahren 2018 und 2019 im Vergleich zu 2016 und 2017 rückläufig waren.

So sanken die jährlichen Kaufvolumina zwischen 2016 und 2019 von rund 4,5 Milliarden Euro auf rund 2,5 Milliarden Euro, die Verkaufsvolumina hingegen von rund 3,5 Milliarden Euro auf circa 1,5 Milliarden Euro (siehe Abbildung „Handelsvolumina in Milliarden Euro“).

Zum Vergleich schaute sich die BaFin auch den Handel von Privatanlegern mit Staatsanleihen und DAX-Aktien an: Sie konnte bei Kleinanlegern hier keine vergleichbaren, nachhaltigen Rückgänge um den Jahreswechsel 2017/2018 feststellen.

Abbildung: Handelsvolumina in Milliarden Euro

Grafische Darstellung der Handelsvolumina in Milliarden Euro Dargestellt sind die jährlichen Kauf- und Verkaufsvolumina beim Handel von Unternehmensanleihen durch Kleinanleger über deutsche Meldepflichtige. Die gestrichelten Linien zeigen die jeweiligen durchschnittlichen Kauf- und Verkaufsvolumina der Jahre 2016 und 2017. (c) BaFin

Autorinnen/Autor

Stefanie Schlothauer, Lorenz Ebermann
BaFin-Referat Marktanalyse
Kerstin Rummler, Sirin Sargut
BaFin-Referat Grundsatzfragen Verbraucherschutz, Verbraucherschutzforum/-beirat

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 04/2021 (Download)

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