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Erscheinung:15.12.2020 | Thema Sanierung/Abwicklung Pflichtlektüre für die Abwicklung

Wer sich mit der Abwicklung einer Bank befasst, kommt an drei Dokumenten nicht vorbei: den MaBewertung, den MaBail-in und dem Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung. Alle drei hat die BaFin im Jahr 2020 konsultiert. Ein Überblick über die aktuelle Praxis und geplante Änderungen.

Bei der Schieflage einer Bank ist tatsächlich etwas aus der Balance geraten: ihre Bilanz. Unter normalen Umständen ist eine Bilanz ausgeglichen, links und rechts stehen unter dem Strich dieselben Summen. Buchhalter sagen auch: Aktiv- und Passivseite sind gleich lang. So steht es im Lehrbuch. Ist ein Institut überschuldet, ist eingetreten, was eigentlich nicht sein darf. Die Passivseite des T-Kontos – also die Seite mit den Verbindlichkeiten – ist länger als die Aktivseite. Dort stehen die Vermögenswerte des Instituts. Das ist aber noch nicht das Ende des Instituts. Es ist erst einmal nur der Anfang der Abwicklung.

Eine solche Abwicklung gemäß Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) bzw. SRM-Verordnung ist in Deutschland noch nicht angeordnet worden. Als Nationale Abwicklungsbehörde bereitet sich die BaFin seit 2018 aber genau darauf vor (siehe BaFinJournal Juli 2019). Im Ernstfall würde sie zuerst die Eigentumstitel löschen, wozu zum Beispiel die Aktien des Instituts gehören. Im Anschluss würde sie die Verbindlichkeiten gemäß ihrem Insolvenzrang herabschreiben, bis schlussendlich Aktiv- und Passivseite des T-Kontos wieder im Einklang sind – oder eben: gleich lang. An diesem Punkt ist die Überschuldung zwar beseitigt, doch das reicht nicht aus. Schließlich sollen das Institut oder Teile davon – insbesondere seine kritischen Funktionen – dauerhaft fortbestehen.

Deshalb muss das Institut im nächsten Schritt rekapitalisiert werden, d.h. man schafft neue Eigentumstitel, indem Verbindlichkeiten in Anteile umgewandelt werden. Danach sollte das Institut wieder alle kritischen Funktionen weiterführen können und das Vertrauen in das Institut und den Finanzmarkt wiederhergestellt sein. Das wäre der optimale Verlauf einer Abwicklung mit Gläubigerbeteiligung (Bail-in, siehe Infokasten „Bail-in aus rechtlicher Sicht“) statt Staats- und Steuerzahlerbeteiligung (Bail-out).

Auf einen Blick:Bail-in aus rechtlicher Sicht

Der Bail-in umfasst nach dem Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) zwei Komponenten:

  • Die Beteiligung der Inhaber relevanter Kapitalinstrumente gemäß § 89 SAG bzw. Artikel 21 SRM-Verordnung.
  • Die Gläubigerbeteiligung gemäß § 90 SAG bzw. Artikel 27 SRM-Verordnung.

Der Bail-in ist das zentrale Abwicklungsinstrument im Baukasten einer Abwicklungsbehörde. Er ist grundsätzlich Bestandteil jeder Abwicklungsstrategie und mit anderen Abwicklungsinstrumenten kombinierbar (siehe Infokasten „Möglichkeiten der Abwicklung“).

Im Fokus stehen beim Bail-in sowohl die Abwicklungsbehörde als auch die Entscheidungsträger in den Instituten. Zu den Aufgaben der Behörde zählt es unter anderem, die Herabschreibungs- und Wandlungsprozentsätze zu berechnen und den Verwaltungsakt zu erstellen. Dabei handelt es sich um eine Allgemeinverfügung über die Herabschreibung sowie Umwandlung der Verbindlichkeiten in Anteile.

Auf einen Blick:Möglichkeiten der Abwicklung

Neben der Beteiligung der Anteilsinhaber und Gläubiger einer Bank (Bail-in) gibt es weitere Möglichkeiten einer geordneten Abwicklung: Banken können auch per Anordnung durch die BaFin an Wettbewerber veräußert oder auf ein Brückeninstitut oder eine Vermögensverwaltungsgesellschaft übertragen werden. Wenn kein öffentliches Interesse vorliegt, ist vor allem für kleinere Banken aber nicht die Abwicklung, sondern ein ordentliches Insolvenzverfahren nach Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Mittel die Regel.

Die Institute müssen der Abwicklungsbehörde unter anderem bewertungsrelevante Daten bereitstellen, eine interne Auswirkungsanalyse durchführen und den Bail-in letztlich technisch implementieren.

Die Zusammenarbeit zwischen Abwicklungsbehörde und Instituten ist wesentlich für eine erfolgreiche Abwicklungsmaßnahme: Im Ernstfall kommt es auf automatisierte Abläufe und Informationen quasi auf Knopfdruck an. Die Rundschreiben und Merkblätter der BaFin zum Bail-in bilden die Grundlage dafür (siehe Infokasten „Adressatenkreise“).

Erste Fassungen aus dem Jahr 2019

Im Februar 2019 hat die BaFin in einem Rundschreiben Mindestanforderungen definiert, die Institute erfüllen müssen, um im Hinblick auf den Bail-in als abwicklungsfähig zu gelten. Es ging darin vornehmlich um die bereitzustellenden Informationen sowie die technisch-organisatorische Ausstattung der Institute. Auf diese „Mindestanforderungen zur Umsetzbarkeit eines Bail-in“ (MaBail-in, siehe BaFinJournal Februar 2019) folgte ein halbes Jahr später das „Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung“ (siehe BaFin-Journal August 2019), welches das Zusammenspiel mit den Finanzmarktinfrastrukturen stärker in den Blick nahm. Der Gesamtprozess der externen Bail-in-Implementierung gliedert sich idealtypisch in zwanzig operative Schritte und dauert fünf Werktage.

Erweiterung des Rundschreibens MaBail-in

Nun läuft die erste Novellierungsrunde. Noch bis zum 16. Dezember 2020 konsultiert die BaFin die zweite Fassung ihrer MaBail-in. Die MaBail-in regeln unter anderem die Datenerhebung auf der Passivseite. Im Unterschied zur ersten Version vom 4. Juli 2019, die zunächst nur auf die Verbindlichkeiten bis einschließlich der Senior-non-preferred-Insolvenzklasse1 fokussierte, umfasst die neue Version nun grundsätzlich alle Bail-in-fähigen Verbindlichkeiten. Das gilt auch für weitere Verbindlichkeiten, die zwar gesetzlich vom Bail-in ausgenommen sind, die aber dennoch zum Abwicklungsstichtag Bail-in-fähige Komponenten aufweisen können – zum Beispiel besicherte Verbindlichkeiten.

Davon weiterhin ausgenommen sind Verbindlichkeiten, die dem Grunde und/oder der Höhe nach zum Anfragestichtag noch nicht feststehen wie etwa Verbindlichkeiten aus Rechtsstreitigkeiten. Derivate, Wertpapierfinanzierungsgeschäfte und strukturierte Schuldtitel sind hingegen von der Datenerhebung erfasst.

Damit die Institute diesen größeren Informationsumfang ressourcenschonend bewältigen können, hat die BaFin gleichfalls die Proportionalitätskomponente erweitert: Das Rundschreiben ermöglicht es den Instituten, sich bei den Informationen, die sie bereitstellen, auf bestimmte Insolvenzklassen zu beschränken. So kann es im Einzelfall beispielsweise ausreichend sein, Informationen nur für Verbindlichkeiten bis einschließlich der Senior-non-preferred-Insolvenzklasse bereitzustellen, sofern die ökonomischen Voraussetzungen auf Seiten des Instituts vorliegen. Außerdem ergänzte die BaFin Datenpunkte in den MaBail-in, um auch ihr Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung erweitern zu können.

Auf einen Blick:Adressatenkreise

Die MaBail-in richten sich an alle Institute im Sinne von § 2 Absatz 1 Sanierungs- und Abwicklungsgesetz (SAG) und an die Unternehmen nach § 1 Nummer 3 SAG in der Bundesrepublik Deutschland, die nicht in den direkten Zuständigkeitsbereich des Ausschusses für die Einheitliche Abwicklung SRB als Abwicklungsbehörde im Sinne von Artikel 7 Absatz 2 SRM-Verordnung fallen. Das Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung wendet sich grundsätzlich an alle Institute, die in den Zuständigkeitsbereich der BaFin als Nationale Abwicklungsbehörde (NAB) fallen, und – im Rahmen der nationalen Implementierung des Bail-in – auch an solche, die unter die direkte Verantwortung des SRB fallen.

Die BaFin ist als NAB zuständig für die deutschen weniger bedeutenden Institute (Less Significant Institutions – LSIs). Das SRB ist zuständig für die bedeutenden Institute (Signi-ficant Institutions – SIs) und für die grenzüberschreitend agierenden LSIs.

Erweiterung des Merkblatts zur externen Bail-in-Implementierung

Auch ihr Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung konsultiert die BaFin derzeit – Rückmeldungen sind bis zum 15. Januar 2021 möglich. In der ersten Version des Merkblatts vom 1. Oktober 2019 stand zunächst ein Basisszenario im Mittelpunkt. Es betrachtete vor der Umwandlung zum Beispiel nur Aktiengesellschaften mit Inhaberaktien, ging nur von in Euro emittierten Anleihen aus und beschränkte sich auf die Aktivitäten der an der Erstellung des Merkblatts beteiligten Finanzmarktinfrastrukturen, namentlich Clearstream Ban-king, WM Datenservice und Frankfurter Wertpapierbörse.

Die zweite Version des Merkblatts erweitert den Fokus nun prozessual und technisch auf alle Rechtsformen sowie alle Aktiengattungen und berücksichtigt auch Fremdwährungsanleihen. Während die Handelsaufhebung und Handelsaussetzung bisher nur den regulierten Markt der Frankfurter Wertpapierbörse umfasste, beinhaltet die neue Version auch die Handelsaussetzung an regulierten und nicht-regulierten Märkten der Regionalbörsen – etwa an der Baden-Württembergischen Wertpapierbörse in Stuttgart.

Zuvor ging das Merkblatt auch davon aus, dass die Umwandlung bei einer Aktiengesellschaft die Gattung der Aktien nicht verändert. Um die neuen gattungsgleichen Aktien am regulierten Markt zuzulassen, genügte eine Mitteilung der Abwicklungsbehörde. Der „vereinfachte Zulassungsantrag“ in der neuen Fassung deckt nun alle weiteren Fälle ab. Neben der Aktiengattung können sich nämlich auch die Rechtsform des Instituts oder die Börsennotierung nach der Abwicklung ändern.

Was ist noch neu? Im Gegensatz zur ersten Version beinhaltet die Konsultationsfassung die Möglichkeit, Zahlungen während der Phase der technischen Implementierung – also zeitlich befristet – auszusetzen. Außerdem ist die Poolfaktorreduzierung in die neue Fassung eingegangen.

Zusammenhang mit dem Rundschreiben MaBewertung

Ein weiteres im Jahr 2020 konsultiertes Rundschreiben sind die „Mindestanforderungen an Informationssysteme zur Bereitstellung von Informationen für Bewertungen im Rahmen einer Abwicklung“ (MaBewertung, siehe BaFinJournal September 2020), die konkrete Vorgaben zur Art der Informationen machen, die für die vorzunehmenden Bewertungen im Rahmen einer Abwicklung benötigt werden. Das Rundschreiben beantwortet die Frage, welche Informationen die Institute hierfür bereitstellen müssen. Die MaBewertung sind proportional angelegt und verfolgen einen zweistufigen Ansatz: Während Stufe I im Wesentlichen auf bereits bestehenden internen und externen Standardberichten sowie Dokumenten der Bank aufsetzt, wird die BaFin auf Stufe II ein Datenmodell von den Instituten verlangen. Stufe II ist in den aktuellen MaBewertung noch nicht enthalten. Das ändert aber nichts am engen Zusammenhang zwischen den MaBewertung und den MaBail-in: ohne Bewertungsergebnisse kein Bail-in.

Da die neue Fassung der MaBail-in die Datenabfrage auf alle Bail-in-fähigen Verbindlichkeiten erweitert, gewinnt die Rolle der MaBewertung sogar noch an Bedeutung. Denn die Aufgabe des Bewerters ist es nun nicht mehr nur, Verluste, Nettovermögenswerte und Rekapitalisierungsbedarf des abzuwickelnden Instituts zu bestimmen. Je nach konkretem Einzelfall, muss er jetzt beispielsweise auch für strukturierte und/oder teilweise besicherte Instrumente Bail-in-Werte feststellen sowie für Derivate und Wertpapierfinanzierungsgeschäfte Close-out-Beträge schätzen.

Ausblick

Die Konsultation der zweiten MaBail-in-Fassung wird nicht die letzte bleiben. Die BaFin plant, in künftigen Fassungen zusätzlich noch die interne Verlustabsorption und nicht erfasste ungewisse Verbindlichkeiten aufzunehmen.

Beim Merkblatt zur externen Bail-in-Implementierung wird es in Zukunft darum gehen, die internationalen Zentralverwahrer – Clearstream Banking Luxemburg und Euroclear Bank – einzubinden.

Die erste Fassung der MaBewertung wird nach abgeschlossener Konsultation zwar erst im Januar 2021 veröffentlicht, doch wirft die zweite Fassung bereits ihren Schatten voraus. Besagte Stufe II soll dann detaillierte Datenanforderungen sowie ein ebenso detailliertes Datenmodell einführen. Diesbezüglich wird die BaFin im Jahr 2021 mit den Instituten in den Dialog treten.

Fußnote:

  1. 1 Schuldtitel i.S.d. § 38 Insolvenzordnung (InsO) i.V.m. § 46f Absatz 6 Satz 1 und Absatz 9 Kreditwesengesetz (KWG).

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 12/2020 (Download)

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