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Erscheinung:16.11.2020 | Thema Erlaubnispflicht „Unternehmen müssen sich weiterhin anstrengen“

Wenige Wochen vor Ende der Brexit-Übergangsfrist appelliert BaFin-Präsident Hufeld an die Finanzunternehmen, ihre Vorbereitungen abzuschließen und auf ihre Kunden einzuwirken.

„Das geht jetzt sehr schnell“, sagt Felix Hufeld. Der BaFin-Präsident blickt gespannt auf den 31. Dezember. An dem Tag endet die Übergangsfrist, in der für das Vereinigte Königreich trotz seines Austritts aus der Europäischen Union noch das EU-Recht gilt (siehe Infokasten). Vom 1. Januar 2021 an greifen für das Land in Fragen der EU-Finanzmarktregulierung die Regeln eines Drittlandes.

Auf einen Blick:Der Brexit und der Europäische Pass

Die Entscheidung für den Brexit fiel im Juni 2016. Knapp 52 Prozent der britischen Wählerinnen und Wähler stimmten damals in einem Referendum für den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union. Am 31. Januar 2020 fand der Brexit nach langen innenpolitischen Debatten schließlich statt. Damit wurde das Vereinigte Königreich mit Blick auf Regelungen des EU-Rechts zu einem Drittstaat, für den diese Regelungen eigentlich nicht gelten.

Die EU und das Vereinigte Königreich hatten aber zuvor in einem Austrittsabkommen eine Übergangsphase vereinbart. In dieser Phase sollte das EU-Recht für das Land grundsätzlich weiter gelten, und es sollte Teil des EU-Binnenmarkts bleiben. Diese Frist endet nun bald, nämlich am 31. Dezember dieses Jahres.

Mit dem Ende der Übergangsfrist verlieren Finanzdienstleister, die ihren Sitz im Vereinigten Königreich haben, ihren Europäischen Pass. Dieser Pass ermöglicht ihnen bislang den Zugang zum gesamten Europäischen Wirtschaftsraum. Denn wer auf dieser Basis Bankgeschäfte, Finanzdienstleistungen, Investmentfondsgeschäfte oder Versicherungsgeschäfte in einem EWR-Land erbringen darf, darf das automatisch auch in allen anderen Ländern des EWR.

Für Banken und andere Finanzunternehmen, die dort ihren Sitz haben, heißt das: Sie verlieren ihren Europäischen Pass, können also ihre Kunden im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) nicht mehr auf Basis dieses Passes bedienen. Der Ausweg: Sie lassen sich früh genug in einem der verbleibenden EWR-Länder nieder – in Deutschland zum Beispiel. Bei der BaFin sind bereits zahlreiche Erlaubnisanträge eingegangen: Mehr als 60 Finanzunternehmen wollen hierzulande eine Niederlassung errichten oder ihr Geschäft ausbauen. 49 Kreditinstituten, Wertpapierfirmen und Finanzdienstleistern hat die Aufsicht bereits grünes Licht gegeben.

„Wie schnell weitere Anträge abgesegnet werden können, hängt natürlich davon ab, wann wir sie erhalten und ob die Unterlagen vollständig sind“, erläutert Hufeld. Unternehmen, die jetzt noch zögern und sich nicht sicher sind, ob sie den Schritt in Richtung Kontinent und Deutschland wirklich tun sollen, rät der Aufseher, schnell Kontakt mit der BaFin aufzunehmen.

Vorbereitungen abschließen

Auch die Finanzunternehmen, die sich mit Blick auf den Stand ihrer Vorbereitungen schon sicher sind, ermahnt der BaFin-Präsident, die wenigen verbleibenden Wochen zu nutzen: „Die Unternehmen müssen sich weiterhin anstrengen und ihre Verlagerungspläne aktiv managen.“ Dabei gehe es nicht nur um die einzelnen Umzüge, sondern auch um die Finanzstabilität. Die BaFin habe von Anfang an klargemacht, was sie von den Unternehmen und ihren Führungskräften erwarte: eine dauerhafte und angemessene Präsenz, die von Tag 1 an funktionsfähig ist und auch danach sämtliche aufsichtlichen Vorgaben konsequent umsetzt. Dazu gehöre auch ein funktionierendes Risikomanagement.

Die meisten Häuser, die sich in Deutschland niederlassen wollen, sind nach Ansicht der BaFin schon relativ gut vorbereitet – und zwar rechtlich, organisatorisch und was ihre IT angeht. „Bei denen sehen wir, dass die Verlagerung von IT-Infrastruktur, Personal und Bilanzpositionen und die rechtliche Anpassung von Verträgen weit vorangeschritten sind“, kommentiert Hufeld.

An einer Stelle sieht Hufeld allerdings noch dringenden Handlungsbedarf: „Die Finanzunternehmen können sich selbst noch so gut vorbereiten; wenn ihre eigenen Kunden, deren Mitwirkung bei Verlagerungen benötigt wird, zögern, dann ist das ein Problem.“ Seine Botschaft ist eindeutig: „Die Zeit läuft ab. Üben Sie sanften Druck auf Ihre Kunden aus. Sonst baut sich bis Ende des Jahres eine hohe Bugwelle auf, und das ist nicht gut.“

Standort-Wettbewerb geht weiter

Dass der Standort Deutschland sich bislang als attraktiv erwiesen hat, freut den BaFin-Präsidenten zwar. Es wäre in seinen Augen aber ein Irrglaube zu meinen, dass der Standort-Wettbewerb am 1. Januar 2021 beendet wäre. „Der geht subkutan weiter“, ist sich Hufeld sicher. Bei der Gelegenheit erinnert er daran, dass die BaFin keine Standortpolitik betreibe: „Das ist nicht unser Job, jedenfalls nicht direkt.“ Aufgabe der BaFin sei es, trotz des Brexits für stabile Verhältnisse an den Finanzmärkten zu sorgen „und den Unternehmen, die zu uns kommen wollen, zu erklären, was unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen sind. Zur Attraktivität des Standorts Deutschland tragen wir durch erstklassiges Aufsichtshandeln, Qualität, Pragmatismus und Verlässlichkeit bei.“

Die BaFin hat zu diesem Zweck Hunderte von Gesprächen geführt und die Unternehmen in Workshops und auf ihrer Homepage mit den entscheidenden Informationen versorgt. Viele Detailfragen hat sie auch im direkten Austausch beantwortet. Ein Ansatz, der sich bewährt hat und den die BaFin auch nach dem Tag 1 der neuen Zeitrechnung verfolgen wird. „Auch dann werden sich noch Umsetzungsfragen stellen“, sagt Hufeld voraus. Die Aufsicht werde da eng am Ball bleiben.

Äquivalenzvereinbarungen

Wie wird die EU ab dem kommenden Jahr mit britischen Finanzunternehmen umgehen, die zwar Geschäfte mit Kunden im EWR machen möchten, ihren Sitz aber nicht in den EWR verlagern wollen? Werden diese Unternehmen einen Zugang zum EWR erhalten? In einem Freihandelsabkommen werden solche regulatorischen Fragen voraussichtlich nicht geklärt. Die Europäische Kommission wird daher – wie bei anderen Drittstaaten auch – von Bereich zu Bereich entscheiden müssen, ob das britische Aufsichtsregime mit dem der EU gleichwertig ist.

Erst kürzlich hat sie eine erste und besonders wichtige Äquivalenzentscheidung getroffen – und zwar zu zentralen Gegenparteien (Central CounterpartiesCCPs): Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA hat daraufhin Ende September erklärt, dass sie die britischen CCPs ICE Clear Europe Limited, LCH Limited und LME Clear Limited ab dem 1. Januar 2021 als Drittstaaten-CCPs nach den Regularien der europäischen Kapitalmarktverordnung EMIR anerkennen werde (siehe BaFinJournal Oktober 2020).

Hintergrund der Vereinbarung: Europäische Marktteilnehmer sollen erst einmal weiter über britische CCPs clearen können. Wäre das von einem auf den anderen Tag nicht mehr möglich, könnte das die Finanzstabilität gefährden. Die Anerkennung britischer CCPs ist allerdings bis Ende Juni 2022 befristet. Bis dahin sollen nach der Erwartung der Kommission die Geschäfte schrittweise in den EWR verlagert werden. Die ESMA wird bis dahin prüfen, ob eine der britischen CCPs von so hoher systemischer Bedeutung für die EU ist, dass ihre Clearingdienste nicht von einer CCP außerhalb der EU angeboten werden sollten.

Mit den britischen Kollegen kooperieren

Entscheidend wird neben den Äquivalenzvereinbarungen auch sein, dass die BaFin weiterhin eng mit den britischen Aufsichtsbehörden kooperiert. „Wir haben schon früh den Austausch mit unseren britischen Kolleginnen und Kollegen gesucht. Langjährige vertrauensvolle Zusammenarbeit zahlt sich in solchen Phasen besonders aus“, erläutert Hufeld. Nun sei es wichtig, auch für die Nach-Brexit-Zeit dauerhaft tragfähige Formen der Zusammenarbeit mit den britischen Aufsichtsbehörden zu entwickeln. Die BaFin hat dazu bereits diverse bilaterale Memoranda of Understanding abgeschlossen. Auch die drei Europäischen Aufsichtsbehörden und die Europäische Zentralbank haben solche Abkommen abgeschlossen. Die Vereinbarungen treten in Kraft, wenn die Übergangsfrist endet, also am 1. Januar 2021.

Nicht nur durch die Brexit-Brille schauen

Auch wenn der Brexit derzeit vorherrschendes Thema ist, fordert Hufeld dazu auf, das Vereinigte Königreich nicht ausschließlich durch die Brexit-Brille zu sehen. „Der Brexit ist bedauerlich, aber er ist nun einmal Fakt. Wir sollten nun das Beste daraus machen und nicht vergessen, dass wir EU-Europäer immer noch sehr viele Interessen mit den Briten teilen. Im globalen Wettbewerb zum Beispiel. Wenn wir das aus dem Blick verlören, würden andere Standorte die Nutznießer sein – und zwar außerhalb Europas.“

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 11/2020 (Download)

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