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Erscheinung:15.10.2020 | Thema Geldwäschebekämpfung Klarer Blick auf undurchsichtige Geschäfte
Digitale Shared Utilities könnten die Aufsichtsbehörden im Kampf gegen Geldwäsche einen großen Schritt voranbringen und auch der Finanzindustrie helfen. Der Teufel steckt mal wieder im Detail.
Wenn im Raum steht, dass die estnische Filiale einer dänischen Bank inkriminierte Gelder russischer Geschäftsleute über eine Korrespondenzbank nach Übersee geschafft hat, dann wird klar: Geldwäsche ist komplex – und macht nicht an Ländergrenzen halt. Das macht es umso schwieriger, sie zu bekämpfen. Warum also nicht die vielversprechenden Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen – und das am besten europaweit?
Im Prinzip eine sehr gute Idee, findet auch die BaFin, die sich schon seit langem dafür ausspricht, die Potenziale der Digitalisierung bei der Geldwäschebekämpfung zu heben (BaFinPerspektiven Ausgabe 1 I 2018). Die Behörde verfolgt selbst keine Geldwäscher, aber sie beaufsichtigt die Prävention von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung im Finanzsektor. Von dort stammen immerhin ca. 90 Prozent sämtlicher Geldwäscheverdachtsmeldungen, die bei der FIU eingehen, der Financial Intelligence Unit.
Realistisch bleiben
In einer Diskussion, die durch Hoffnungen und Versprechen geprägt ist, war und ist es der BaFin wichtig, realistische Lösungen zu finden. Mit welchen digitalen Instrumenten ließe sich die Geldwäscheprävention tatsächlich verbessern? Was ist in der gegenwärtigen Rechts- und IT-Sicherheitslandschaft umsetzbar – und wo liegen die Fallstricke? Diese Fragen galt es nach Ansicht der BaFin erst einmal zu klären. Fest stand zunächst nur: Es würden sich nicht allein technische und aufsichtsrechtliche Fragen stellen, sondern auch andere Rechtsgebiete berührt sein.
Die BaFin hat daher eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe „Digitalisierung der Geldwäscheprävention“ geschaffen. Darin neben der Aufsicht vertreten: alle weiteren betroffenen Schlüsselbehörden, also etwa der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI), das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), das Bundeskriminalamt (BKA), die Financial Intelligence Unit (FIU) und die Staatsanwaltschaft.
Daten gemeinsam nutzen
Die Gruppe hat sich mit einem Thema beschäftigt, das nach Ansicht der BaFin großes Digitalisierungspotenzial birgt: der Bündelung und Nutzung von Daten in Shared Utilities. Deren Zweck besteht darin, Daten zu speichern und mehreren Nutzern zur Verfügung zu stellen. In der Geldwäscheprävention sollten das vor allem Daten sein, die geldwäscherechtlich Verpflichtete (siehe Infokasten „Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz“) im Know-Your-Customer-Prozess (KYC) abfragen müssen, um ihre Kunden zu identifizieren. Dabei geht es unter anderem um das Prinzip, die Identität der Kunden und etwaiger wirtschaftlich Berechtigter (siehe Infokasten „Wirtschaftlich Berechtigter“) zu überprüfen, bevor ein Verpflichteter mit diesen Geschäftsbeziehungen eingeht.
Was gegen eine unbeschränkte Nutzung solcher gebündelten Daten spricht, sind die rechtlichen Vorgaben zum Datenschutz und die IT-Sicherheit. Hier besteht ein Spannungsfeld.
Definition:Verpflichtete nach dem Geldwäschegesetz
Das Geldwäschegesetz listet in § 2 auf, wer verpflichtet ist, die Vorgaben des Gesetzes einzuhalten. Dazu zählen auch die Unternehmen, die unter der Aufsicht der BaFin stehen, also zum Beispiel Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Zahlungsinstitute und E-Geld-Institute, Versicherungsunternehmen und Kapitalverwaltungsgesellschaften
Europäisches Transparenzregister denkbar?
Die Gruppe hat verschiedene Konzepte dieser Art untersucht. Im Fokus standen deren gegenwärtige rechtliche Möglichkeiten und etwaige Spannungsfelder. Das Ergebnis: Mittelfristige Lösung könnte eine europäische Shared Utility sein, ein zentralisiertes Transparenzregister, das mit KYC-Daten aus der Identifizierung juristischer Personen und deren wirtschaftlich Berechtigter gespeist wird.
Ein solches Register könnte einen großen Beitrag zur Optimierung der Geldwäscheprävention in Europa leisten. Es triebe zudem die Harmonisierung des Binnenmarkts weiter voran. Den in Europa tätigen Finanzunternehmen und anderen Stakeholdern könnte es ermöglichen, ihre Kunden und die wirtschaftlich Berechtigten schnell, effizient und transparent zu identifizieren. Könnten sie auf die Daten in Sekundenschnelle zugreifen und sich auf deren Qualität verlassen, hätten auch die Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden erhebliche Vorteile in ihrer Arbeit. Die Hoffnung: Gerade die komplexen internationalen Fälle von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung könnten sie künftig leichter aufdecken und verfolgen.
Definition:Wirtschaftlich Berechtigter
Wirtschaftlich Berechtigter nach § 3 Absatz 1 Geldwäschegesetz ist „1. die natürliche Person, in deren Eigentum oder unter deren Kontrolle der Vertragspartner letztlich steht, oder 2. die natürliche Person, auf deren Veranlassung eine Transaktion letztlich durchgeführt oder eine Geschäftsbeziehung letztlich begründet wird. (…) Bei juristischen Personen außer rechtsfähigen Stiftungen und bei sonstigen Gesellschaften, die nicht an einem organisierten Markt nach § 2 Absatz 11 des Wertpapierhandelsgesetzes notiert sind und keinen dem Gemeinschaftsrecht entsprechenden Transparenzanforderungen im Hinblick auf Stimmrechtsanteile oder gleichwertigen internationalen Standards unterliegen, zählt zu den wirtschaftlich Berechtigten jede natürliche Person, die unmittelbar oder mittelbar 1. mehr als 25 Prozent der Kapitalanteile hält, 2. mehr als 25 Prozent der Stimmrechte kontrolliert oder 3. auf vergleichbare Weise Kontrolle ausübt.“
Im Kern soll diese Regelung transparent machen, wer im Hintergrund die Fäden zieht und die nach außen auftretenden Handelnden steuert.
Bevor ein solches zentralisiertes Register Realität werden könnte, müssten europäische Gesetze geändert werden. Man bräuchte zum Beispiel neue Vorgaben zum Datenschutz: Welche Daten dürfen wo und wie gesammelt werden? Wie lange dürfen sie aufbewahrt werden, und wer darf sie zu welchen Zwecken nutzen? Das sind nur einige der Fragen, die auf europäischer Ebene beantwortet werden müssten. Auch die technische Herausforderung ist bei 27 Mitgliedstaaten nicht zu unterschätzen.
Die BaFin setzt sich für die erforderlichen Anpassungen ein, denn der wirkliche Nutzen von Shared Utilities mit Daten aus dem KYC-Prozess entsteht erst bei einem grenzüberschreitenden Modell. Deutschland tritt in Brüssel dafür ein, die derzeitigen geldwäscherechtlichen Harmonisierungsbestrebungen auch dafür zu nutzen, das Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Geldwäschebekämpfung aufzulösen. Und die mit der 5. Europäischen Geldwäscherichtlinie geplante Vernetzung der nationalen Transparenzregister könnte aus Sicht der BaFin ein Schritt in Richtung eines zentralisierten Registers sein. Die Entscheidung für oder gegen ein solches Register liegt aber letztlich beim europäischen Gesetzgeber.
Meinung:Dreimal mehr Europa
Wie Exekutivdirektor Dr. Thorsten Pötzsch die Geldwäscheprävention weiter verbessern will.
Der Kampf gegen Geldwäsche wurde und wird verschärft: Gesetzgeber und Aufsicht handeln und auch die Unternehmen des Finanzsektors legen beim Aufspüren von Verdachtsfällen noch nach. Das zeigen die zunehmenden Verdachtsmeldungen. Und doch ist da noch mehr möglich – und erforderlich: mehr Europa etwa. Und das heißt: mehr Transparenz, möglicherweise auf mittlere Sicht durch ein zentralisiertes Transparenzregister für KYC-Daten.
Mehr Europa heißt auch: mehr Einheitlichkeit. Wir brauchen ein wirklich harmonisiertes europäisches Regelwerk: eine Verordnung, die unmittelbar gilt, und nicht – wie bislang – nur Richtlinien, die den Ländern zu viele Spielräume bei der Umsetzung lassen. Ein bunter Flickenteppich an Aufsichtspraktiken ist nicht das Rüstzeug, mit dem wir Geldwäsche wirkungsvoll bekämpfen oder gar verhindern können.
Mehr Europa bedeutet aber auch: eine engere Zusammenarbeit der nationalen Aufseher und – für besonders risikoreiche Fälle – eine zentrale europäische Anti-Geldwäsche-Aufsicht. Geldwäsche ist oft international, und es gibt immer wieder Situationen, in denen eine europäische Aufsicht besser eingreifen könnte, während wir nationalen Aufseher buchstäblich an unsere Grenzen stoßen – anders als die, die wir bekämpfen wollen. Das muss sich ändern.
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