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Darstellung der europäischen Flagge sowie mehrerer Silhouetten. © istockphoto.com/kamisoka

Erscheinung:15.09.2020 „Kapitalmarktunion vorantreiben – gerade jetzt“

Ein europäischer Kapitalbinnenmarkt ist besser als 27 nationale. Davon ist Felix Hufeld überzeugt. Ein Appell des BaFin-Präsidenten – kurz vor der Halbzeit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft in der Corona-Pandemie.

Das Europamotto „In Vielfalt geeint“ gehört zu den offiziellen Symbolen der Europäischen Union. Es passt auch gut zu einem ihrer wichtigsten Zukunftsprojekte – der Kapitalmarktunion (siehe Infokasten „Kapitalmarktunion). Denn hierfür braucht es unbedingt noch mehr Einheit, die aber zugleich Raum für nationale Besonderheiten lässt.1

Die EU-Mitgliedsstaaten haben schon einige wichtige Fortschritte auf dem Weg zur Kapitalmarktunion erzielt. Es bleibt aber noch einiges zu tun. Derzeit hat sich ein neues Momentum entwickelt, das Europa nutzen sollte, um bei der Vollendung der Kapitalmarktunion ein gutes Stück voranzukommen.

Definition:Kapitalmarktunion

Die Kapitalmarktunion (KMU) soll den freien Kapitalverkehr, eine der vier Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarkts, in der Europäischen Union vertiefen. Weitere Ziele sind:

  • einen Binnenmarkt für Kapital zu schaffen, indem Hindernisse für grenzüberschreitende Investitionen beseitigt werden,
  • den Zugang zu Finanzmitteln für alle Unternehmen zu verbessern,
  • die Finanzierungsmöglichkeiten der Wirtschaft zu diversifizieren und die Kosten der Kapitalaufnahme zu verringern,
  • die Vorteile von Kapitalmärkten zu maximieren, so dass sie zu wirtschaftlichem Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen in der EU beitragen können,
  • kleinen und mittleren Unternehmen zu helfen, leichter Kapital aufnehmen zu können, vor allem den Zugang zu Beteiligungs- und Risikokapital zu verbessern,
  • und aus der ganzen Welt Investitionen in die EU anzuziehen und wettbewerbsfähiger zu werden.

Weit über den Euro hinaus

Über ein anderes Symbol der Europäischen Union, den Euro, geht die Kapitalmarktunion deutlich hinaus. Kapital soll nicht nur ungehindert zwischen Berlin und Paris fließen, sondern auch zwischen Berlin und Prag – also über Währungsgrenzen hinweg. Je mehr Integration gelingt, desto eher eröffnen sich den vielen kapitalsuchenden Unternehmen neue, alternative und auch günstige Finanzierungsmöglichkeiten. Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist das vor allem für kleine und mittelständische Firmen wichtig.

Auch Großbritannien hatte seinen festen Platz in der Kapitalmarktunion. Doch es hat sich bedauerlicherweise vom gemeinsamen Tisch erhoben. Der Brexit hat den Handlungsdruck erhöht. Bis zum vergangenen Jahr hatte die EU in London ein sehr großes Kapitalmarktzentrum. Nun, da dieses Zentrum vor ihren Toren liegt, kann sie die dortigen Spielregeln nur noch begrenzt mitbestimmen. Die 27 verbleibenden EU-Staaten müssen in diesem Punkt also ihre eigenen Fähigkeiten ausbauen.
Das ist nicht die einzige Herausforderung. Damit der europäische Kapitalmarkt homogener, transparenter und verbraucherfreundlicher wird, müssen Mindeststandards im Insolvenzrecht angeglichen, steuerrechtliche Regelungen vereinfacht, gesellschaftsrechtliche Regelungen standardisiert und die Verbraucherbildung gestärkt werden.

Paneuropäische Altersvorsorge

Noch immer hat die EU im Vergleich zu den USA eine viel zu schwach ausgeprägte Buy-Side. Es gibt nach wie vor eine gemessen an der Wirtschaftsleistung der EU zu schwache originär europäische Investorenstruktur. Das gilt vor allem für Deutschland und Frankreich, die beiden größten EU-Länder. Ein idealer Ansatzpunkt, um diesen Mangel anzugehen, ist die Weiterentwicklung der kapitalgedeckten Altersvorsorge innerhalb der Kapitalmarktunion, insbesondere im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge. Daneben ist zu begrüßen, dass die EU den Grundstein für eine paneuropäische Altersvorsorge gelegt hat. Das PEPP, das Pan-European Personal Pension Product, soll eine einfache, transparente und kostengünstige Ergänzung der privaten Altersvorsorge sein, die sich vor allem für mobile Menschen mit grenzüberschreitenden Erwerbsbiografien anbietet. Versicherte können nämlich ihre Anwartschaft von einem EU-Mitgliedsstaat in einen anderen mitnehmen und ihr Produkt weiter besparen. So wird das PEPP zum Vorreiter, selbst wenn es kein Produkt für die breite Masse werden sollte.

Blockchain-Technologie

Natürlich spielen der technische Fortschritt und die zunehmende Digitalisierung auch auf den weltweiten Kapitalmärkten eine immer wichtigere Rolle. Die Blockchain-Technologie kann sowohl Basistechnologie für Dienstleistungen sein als auch Zahlungsmittel. Somit dürften Blockchain-Anwendungen künftig wesentliche Treiber des digitalen Wandels werden. Damit diese Technologie auch in der EU ihr volles Potenzial ausschöpfen kann, braucht sie Vertrauen. Das kann nur ein sicherer Rechtsrahmen gewährleisten. Der darf einerseits Innovationen nicht unterdrücken, sondern muss sie fördern. Andererseits muss er eine doppelte Schutzwirkung entfalten: Er muss die Finanzstabilität und die Anleger schützen.

Elektronische Wertpapiere

Das Bundesfinanzministerium hat im August den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren veröffentlicht. Daraus lassen sich auch für die Kapitalmarktunion fruchtbare Ideen ableiten. Elektronische Wertpapiere ermöglichen Unternehmen einen schnellen und kostengünstigen Zugang zum Kapitalmarkt, was vor allem für kleine und mittlere Unternehmen sehr attraktiv sein dürfte. Investoren – auch Privatanleger – haben eine große Auswahl und können kostengünstig und kleinteilig anlegen – und somit ihre Risiken diversifizieren.

Ausblick

Eine starke und lebendige Kapitalmarktunion lässt sich nicht von heute auf morgen schaffen. Gestärkt werden muss sowohl das „U“, d.h. eine stärkere Harmonisierung des europäischen Binnenmarktes, wie auch das „M“, d.h. der beharrliche Ausbau eigener, europäischer Kapitalmärkte in unterschiedlichen Segmenten. Das gelingt nur im Zusammenspiel von Politik, Regulieren und den Akteuren der Finanzwirtschaft und erfordert ebenso Fokus wie auch langen Atem. Für den Herbst dieses Jahres hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan angekündigt – ein weiterer wichtiger Meilenstein auf dem Weg hin zu einer leistungsfähigen Kapitalmarktunion.

Fußnote:

  1. 1 Beitrag basiert auf einer Rede von BaFin-Präsident Felix Hufeld beim Eurofi High Level Seminar am 10. September 2020

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 09/2020 (Download)

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