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Eine "Achterbahnfahrt" als symbolische Darstellung eines Kursverlaufes von  Kryptowährungen. © istockphoto.com/sorbetto

Erscheinung:15.09.2020 | Thema Verbraucherschutz Hype mit Risiken

Im Vergleich zu einer Direktanlage etwa in Bitcoin ist ein Investment in Derivate mit Payment-Token als Basiswert transparenter. Risikolos ist es aber keineswegs. Viele Gefahren von Payment-Token schlagen auf Derivate durch. Andere – wie das Emittentenausfallrisiko – treten noch hinzu.

Das Interesse von Anlegern an Investitionen in Payment-Token wie Bitcoin – in Anlegerkreisen untechnisch auch „virtuelle Währungen“ oder „Kryptowährungen“ genannt – ist ungebrochen. Das zeigen auch die Zahlen: Die Gesamtmarktkapitalisierung aller existierenden Payment-Token ist zwischen 2015 und 2020 um rund das 60-fache gestiegen (siehe Abbildung 1). Auch die Zahl unterschiedlicher Payment-Token ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Derzeit existieren öffentlich zugänglichen Quellen zufolge mehr als 6.000 solcher Token. Die Kehrseite des Hypes: Ein Großteil hat nur eine sehr kurze Lebensdauer oder ist weitgehend unbekannt und damit wertlos.

Abbildung 1: Entwicklung der Gesamtmarktkapitalisierung von Payment-Token

Grafische Darstellung (bis Juli 2019 steigend bis maximal 300 Euro, dann leicht sinkend) BaFin, coinmarketcap.com Abbildung 1: Entwicklung der Gesamtmarktkapitalisierung von Payment-Token

Das steigende Interesse von Kleinanlegern macht bei einer direkten Anlage in Payment-Token nicht halt. Es wächst auch ihre Nachfrage nach Finanzinstrumenten, die die Wertentwicklung von Payment-Token abbilden.

Die Zahl der emittierten Wertpapiere mit Payment-Token als Basiswert ist von 12 bis zum Jahr 2018 auf aktuell rund 6.500 angestiegen. Das Handelsvolumen von Kleinanlegern in Deutschland betrug hier über die vergangenen zwei Jahre mehr als 700 Millionen Euro. Die Zertifikate-Branche geht davon aus, dass die Nachfrage nach solchen Finanzinstrumenten weiter zunimmt.

Die Produkte eignen sich jedoch nicht für jeden Anleger. Besonders für Kleinanleger enthalten sie erhebliche Risiken.

Was sind Derivate mit Payment-Token als Basiswert?

Bei Derivaten handelt es sich um Finanzinstrumente, deren Preis davon abhängt, wie sich der Kurs eines Basiswerts entwickelt. Für Kleinanleger sind besonders zwei Derivate-Kategorien relevant: finanzielle Differenzkontrakte (Contracts for DifferenceCFD) und Zertifikate.

Bei CFD wetten zwei Parteien per Vertrag darüber, wie sich der Kurs eines bestimmten Basiswerts entwickeln wird. Aufgrund erheblicher Anlegerschutzbedenken erließ die BaFin mit ihrer Allgemeinverfügung vom 23. Juli 2019 eine Produktinterventionsmaßnahme und beschränkte damit die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von CFD an Kleinanleger in Deutschland (siehe Meldung „CFD-Handel“). Wegen der hohen Volatilität von Kryptowerten gilt für diese CFD eine verschärfte Hebelbegrenzung. Kleinanleger in Deutschland dürfen CFD mit solchen Basiswerten nur noch mit einem Hebel von bis zu zwei handeln (Initial-Margin-Schutz).

Zertifikate und Exchange Traded Notes sind Inhaberschuldverschreibungen. Sie verbriefen dem Inhaber einen Anspruch gegenüber dem Aussteller auf Zahlung bzw. Rückzahlung eines Geldbetrags oder Lieferung eines Basiswerts (siehe BaFinJournal Mai 2019).

Was sind Payment-Token?

Payment-Token bezeichnen Anlagen in digitaler Form, die keine Finanzinstrumente nach § 2 Absatz 4 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) sind, kein gesetzliches Zahlungsmittel darstellen und keine Rechte verbriefen. Bei diesen virtuellen Währungen gibt es keine verantwortliche zentrale Institution wie etwa eine Zentralbank, die sie überwacht oder die Einheiten ausgibt. Typisch ist die hohe Relevanz der Informationstechnik: Verschlüsselungstechnologien sichern die Payment-Token, dezentrale Netzwerke verwalten sie (siehe BaFinPerspektiven 1/2018).

Nicht unter die Definition der Payment-Token fallen Beteiligungstoken (Security Token), die wertpapierähnliche Eigenschaften aufweisen. Sie werden als Wertpapiere klassifiziert. Ihre Emittenten unterliegen damit regulatorischen Vorgaben wie beispielsweise der Pflicht, einen Wertpapierprospekt zu erstellen. Es ist derzeit nicht bekannt, dass Security Token oder Stablecoins als Basiswerte für Derivate fungieren.

Bekannte Payment-Token sind unter anderem Bitcoin, Ether, Litecoin, Ripple, Tether und Bitcoin Cash. Mehr als 60 Prozent der weltweiten Gesamtmarktkapitalisierung von Payment-Token in Höhe von 235 Milliarden Euro entfallen auf Bitcoin. Es ist nicht verwunderlich, dass er auch am häufigsten als Basiswert für Derivate dient.

Welche Möglichkeiten bieten Payment-Token als Anlageobjekt?

Wie sich der Wert eines Payment-Tokens entwickelt, hängt in der Regel nicht von anderen gesamtwirtschaftlichen Faktoren ab. Oft besteht keine Korrelation zwischen Payment-Token und traditionellen Anlageklassen wie beispielsweise Aktien-Indizes und Rohstoffen. Auf-grund dieser fehlenden Korrelation versuchen Anleger, ihr Portfolio mit Payment-Token zu diversifizieren und ihr Gesamtrisiko so zu mindern. In der Regel dienen Payment-Token erfahrenen Anlegern jedoch vorrangig als Spekulationsobjekt.

Welche Risiken sind mit Payment-Token als Anlageobjekt verbunden?

Belastbare Prognosen über die Wertentwicklung von Payment-Token können Anleger kaum treffen – dafür sind virtuelle Währungen zu komplex. Dies ist insbesondere darauf zurückzuführen, dass Payment-Token kein realwirtschaftlicher Wert zugrunde liegt. Sie haben keinen intrinsischen Wert und sind dadurch Spekulationen ausgesetzt. Für die Stabilität eines Payment-Tokens ist ihre Reputation und Akzeptanz enorm wichtig – insbesondere vor dem Hintergrund, dass Payment-Token nicht von Zentralbanken ausgegeben werden und kein gesetzliches Zahlungsmittel darstellen.

Ein weiteres Risiko, das von Payment-Token ausgeht: ihre extreme Volatilität (siehe Infokasten). Sie liegt bei bekannten Payment-Token in der Regel sechs- bis 13-mal höher als bei anderen Basiswerten. Im Vergleich zum US-amerikanischen Aktienindex S&P 500 weist etwa der Bitcoin eine 26-mal höhere Schwankungsbreite auf – nicht auf Basis von Veränderungen vertraglicher Ansprüche, sondern vor allem aufgrund von Spekulationen.

Definition:Volatilität

Volatilität bezeichnet die Schwankungsbreite der Renditen. Sie ist ein Maß für die Häufigkeit und Intensität von Wert- oder Preisschwankungen eines Basiswerts. Damit ist die Volatilität auch ein Maß für die Unsicherheit einer Anlage und ihr Kursrisiko. Je höher die Volatilität ist, desto stärker schwankt der Kurs und desto risikoreicher ist eine Anlage.

Auch im Vergleich zu Währungen sticht die extreme Schwankungsbreite des Bitcoins hervor: Zwischen Juli 2017 und Juli 2019 betrug seine durchschnittliche Volatilität mehr als 4 Prozent (siehe Abbildung 2). Im gleichen Zeitraum wies der Wechselkurs zwischen US-Dollar und Euro eine Volatilität von 0,36 Prozent auf (siehe Abbildung 3). Der Bitcoin schwankte demnach zwölfmal stärker.

Abbildung 2: Volatilität des Bitcoins

Grafik zeigt Volatilitätsschwankungen des Bitcoins BaFin Abbildung 2: Volatilität des Bitcoins

Abbildung 3: Volatilität des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Euro

Grafik zeigt Volatilität des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Euro BaFin Abbildung 3: Volatilität des Wechselkurses zwischen US-Dollar und Euro

Der Wechselkurs zwischen US-Dollar und Euro schwankte im Beobachtungszeitraum zwischen zwei aufeinanderfolgenden Schlusskursen zudem um maximal 1,88 Prozent, wohingegen sich der Wert des Bitcoins mehrfach um über 10 Prozent änderte. Am 7. Dezember 2017 lag der Schlusskurs um 22,44 Prozent über dem Schlusskurs vom Vortag. Diese kurzzeitigen, starken Kursausschläge (Flash Crashes) sind auch heute noch typisch für Payment-Token.

Ebenfalls typisch sind Ledger-Splits. So nennt sich die Aufspaltung eines Payment-Tokens. Dabei werden zwei Blockchains fortgeführt, die eine gemeinsame Historie haben. Darauf folgt in der Regel eine höhere Volatilität und eine Unsicherheit über den künftigen Kurs sowohl des verbleibenden als auch des neugeschaffenen Payment-Tokens. Außerdem besteht das Risiko, dass ein Payment-Token nicht weiter existiert, womit der Basiswert für das Derivat entfällt und dieses wertlos wird. Zudem sind Payment-Token nicht reguliert. Es fehlt eine unabhängige Stelle, die den Handel bzw. die Preisbildung überwacht. Da Payment-Token wertpapierrechtlich keine Finanzinstrumente darstellen, gelten für sie auch keine kapitalmarktrechtlichen Marktfolge- und Transparenzpflichten – im Gegensatz zu den meisten anderen Basiswerten wie beispielsweise Aktien.

Eine Möglichkeit für Anleger, ihre Kryptowerte selbst zu verwalten, sind Wallets. Darunter versteht man den Speicherort des privaten Schlüssels für den vollumfänglichen Zugriff auf die verwahrten Kryptowerte. Dieser Speicherort kann eine Software sein, Hardware wie etwa ein USB-Stick oder das Blatt Papier, auf dem der Schlüssel notiert wurde. Wenn Anleger ihren privaten Schlüssel verlieren, können sie auf ihre Kryptowerte nicht mehr zugreifen. Wenn Hacker das Passwort knacken, droht ebenfalls ein Totalverlust. Um die technischen Risiken zu reduzieren, können Anleger auf Dienstleister zurückgreifen, die das Kryptoverwahrgeschäft anbieten. Die Verwaltung ihrer Kryptowerte orientiert sich dann an einem Wertpapierdepot.

Vor den Risiken von Kryptowerten haben die Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) und auch die BaFin bereits gewarnt.

Welche Möglichkeiten bieten Derivate mit Payment-Token als Basiswert?

Über Derivate können Anleger im günstigsten Fall von den steigenden Kursen der Payment-Token profitieren – oder, wenn sie auf das Gegenteil gesetzt haben, von fallenden Kursen. Sie können mit einem Payment-Token spekulieren, vermeiden aber spezifische operationelle bzw. technische Risiken, weil sie es nicht direkt erwerben. Das macht ihr Investment grundsätzlich einfacher und weniger fehleranfällig. Wenn Anleger sich für Derivate entscheiden, muss das Payment-Token beispielsweise nicht in einem Wallet mit privatem Schlüssel verwahrt werden.

Insgesamt ist der Handel mit Derivaten, deren Basiswert ein Payment-Token ist, transparenter als eine Direktanlage. Dies ist auf die gesetzlichen Anforderungen insbesondere bei Zertifikaten zurückzuführen. Zertifikate-Emittenten müssen nämlich nicht nur einen Wertpapierprospekt erstellen, sondern auch ein Basisinformationsblatt. Diese Dokumente beschreiben die Risiken der Anlage und enthalten auch eine Angabe zur Handelbarkeit des Zertifikats sowie eine Risikoeinstufung, Informationen zu den mit dem Produkt verbundenen Kosten und eine empfohlene Haltedauer. Zudem nimmt der Emittent eine Zielmarkteinstufung vor. Diese höhere Transparenz bezieht sich jedoch nur auf die Zertifikate-Struktur, der Basiswert an sich bleibt weiterhin intransparent.

Welche Nachteile haben Derivate mit Payment-Token als Basiswert?

Anders als beim Direkterwerb von Payment-Token gilt es zu beachten, dass Anleger nicht nur das Kursrisiko des Basiswerts tragen, sondern, wie bei allen Zertifikaten, zusätzlich das Risiko eines Emittentenausfalls und bei CFD das Kontrahentenausfallrisiko.

Außerdem übertragen sich die Marktrisiken der Token auf das jeweilige Derivat. Ein fortlaufender Handel auf Basis von Angebot und Nachfrage ist auch bei Zertifikaten auf Payment-Token nicht sichergestellt. Da oft keine ausreichende Liquidität bzw. Marktbreite vorliegt, stellen Market-Maker die Preise – und zwar nach eigenem Ermessen und mit der Option, die Preisfeststellung jederzeit auszusetzen oder sogar zu beenden (siehe BaFinJournal Januar 2019). Zudem preist der Emittent jene Kosten in das Zertifikat ein, die ihm dadurch entstehen, dass er Absicherungsgeschäfte (Hedging) durchführt oder selbst als Market-Maker agiert. Solche Kosten entstehen bei einer direkten Investition in Payment-Token nicht.

Die Hebelwirkung bei Knock-Out-Zertifikaten oder die Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung durch den Emittenten bei Anlagezertifikaten sind produktimmanente Risiken, die Anleger zusätzlich beachten müssen – je nachdem, für welche Derivateausgestaltung sie sich entscheiden.

Auf einen Blick:Exkurs: Empirische Studie zu Anlegerverlusten

Zertifikate mit Payment-Token als Basiswert bringen regelmäßig mehr als der Hälfte ihrer Anleger Verluste ein. Eine BaFin-Analyse der Transaktionsdaten von Kleinanlegern zwischen Januar 2018 und April 2020 ergab, dass ein Großteil der Anleger in ungehebelte Anlagezertifikate investiert und nur ein Fünftel dieser Anleger mit Hebel-Zertifikaten spekuliert – in beiden Fällen ein Minusgeschäft.

Beim Handel von Hebelzertifikaten mit Payment-Token als Basiswert erlitten rund 60 Prozent dieser Kleinanleger einen Verlust und nur rund 40 Prozent machten einen Gewinn. Bei ungehebelten Anlagezertifikaten ist das Verhältnis mit einer Verlustquote von rund 52 Prozent hingegen ausgeglichener. Durchschnittlich verlieren Kleinanleger beim Handel von Zertifikaten mit Payment-Token als Basiswert rund 250 Euro.

Beim Handel von finanziellen Differenzkontrakten (Contracts for DifferenceCFD) mit Payment-Token als Basiswert erleiden regelmäßig sogar mehr als 80 Prozent der Kleinanleger Verluste.

Was sollten Anleger beachten?

Payment-Token haben keinen intrinsischen Wert und unterliegen keiner wertpapierrechtlichen Aufsicht. Eine hohe Volatilität und damit Unsicherheit über die künftige Wertentwicklung sind typisch für sie.

Zwar sind insbesondere Zertifikate insgesamt transparenter und ermöglichen, an der Wertentwicklung von Payment-Token zu partizipieren, ohne in diese direkt investieren zu müssen. Allerdings schlägt die hohe Unsicherheit aufgrund der Volatilität auch auf die Derivate durch. Außerdem bleibt die grundsätzliche Intransparenz in Bezug auf Payment-Token auch bei Zertifikaten und CFD bestehen.

Daher eignen sich Derivate mit Payment-Token als Basiswert nicht für eine langfristige Anlagestrategie, sondern allenfalls zur kurzfristigen Spekulation. Da die Prognose über den künftigen Kursverlauf bei Payment-Token besonders komplex ist, sollten nur erfahrene Anleger Derivate mit diesen Basiswerten in Betracht ziehen.

Unabhängig davon beobachtet die BaFin den Markt für Zertifikate mit Payment-Token als Basiswert und prüft im Einzelfall, ob Aufsichtsmaßnahmen bis hin zu einem Produktverbot erforderlich sind.

Autor

Marc-Oliver Michel
BaFin-Referat für operative Missstandsaufsicht und Produktintervention

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 09/2020 (Download)

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