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Symbolfoto zeigt einen Laptop und ein Tablet. Durch Fingerdruck auf das Tablet wird ein symbolisches Netz generiert. © istockphoto.com / metamorworks

Erscheinung:15.06.2020 Digitale Revolution in der Krise?

In der Corona-Pandemie schlägt die Stunde von Online Banking und bargeldlosem Bezahlen. BaFin-Chef Felix Hufeld zu neuen Kundengewohnheiten, Innovation im Bankensektor und den Folgen der Krise.

Wenn Institute in der Corona-Pandemie ihre Filialen schließen und auch das Zahlen mit Bargeld zum gesundheitlichen Risiko wird, dürfte das der digitalen Innovation im Bankensektor einen kräftigen Schub verpassen, oder? BaFin-Präsident Felix Hufeld hat eine differenziertere Sicht auf die Dinge. Eher wird seiner Meinung nach die Krise zum Lackmustest für digitale Angebote. Die werden nun häufiger genutzt. Darüber und über die Frage, wann die BaFin ihre krisenbedingten aufsichtlichen Anpassungen (siehe Infokasten und BaFinJournal Mai 2020) zurücknimmt, sprach Hufeld mit dem BaFinJournal.

Herr Hufeld, wird der deutsche Bankensektor digital runderneuert aus der Corona-Pandemie hervorgehen?

Wir wissen noch nicht, wie stark und wie nachhaltig sich die Pandemie auf Innovation und Digitalisierung auswirkt. Dass ausgerechnet Corona eine digitale Revolution auslöst, bezweifle ich zwar. Ich beobachte aber gerade zwei parallele Entwicklungen, die auf den ersten Blick widersprüchlich sind.

Die etablierten Banken richten gerade ihren Fokus im Großen und Ganzen weniger auf Innovationen. Da sind eher andere Themen angesagt. Was verständlich ist. Die Institute sind damit beschäftigt, die verheerenden Folgen der Corona-Krise für die Realwirtshaft abzumildern. Auf der anderen Seite stellen wir fest, dass digitale Angebote stärker genutzt werden. Sehen wir die Pandemie also eher als Lackmustest für solche Dienstleistungen.

Dass sich Kunden digitalen Angeboten zuwenden, ist keine Überraschung.

Das war in gewisser Weise vorauszusehen, ja. Als die Filialen vorübergehend geschlossen waren, sind mehr Menschen auf kontaktlose Kanäle ausgewichen. Online und Mobile Banking, Telefon Banking und Chats haben an Bedeutung gewonnen. Vor allem bei etablierten Instituten.

Auch der bargeldlose Zahlungsverkehr hat – genauso wenig überraschend – zugenommen. Was vor allem daran liegt, dass sehr viel mehr Menschen online eingekauft haben. Und daran, dass das Limit für kontaktloses Bezahlen mit Kredit- oder Debitkarte ohne PIN von 25 auf 50 Euro gehoben worden ist. Hinzu kommt, dass Sie selbst in Bäckereien oder Eisdielen in Deutschland mittlerweile Kartenzahlgeräte finden. Die Corona-Krise hat diese Entwicklung sicher gefördert.

Bleiben die Kunden beim Online Banking und beim bargeldlosen Bezahlen? Die Filialen öffnen langsam wieder, und die Deutschen hängen bekanntlich am Bargeld.

Da kann man nur Vermutungen anstellen. In Schweden galten Sie schon vor sieben Jahren als Dinosaurier, wenn Sie in einem Convenience Store eine Flasche Cola bar bezahlen wollten. Die Deutschen nehmen Bargeld mit, wenn sie einen Fernseher kaufen wollen. Das sind Klischees, die aber ein Körnchen oder zwei Wahrheit haben. Außerdem besteht bei uns eine besondere Sensibilität in Fragen des Datenschutzes. Auch das spielt eine Rolle, wenn wir uns fragen, ob die Kunden in Deutschland beim Online Banking und beim bargeldlosen und kontaktlosen Bezahlen bleiben.

Aber der Trend in diese Richtung wird sich vermutlich fortsetzen. Es ist von einem Beharrungseffekt auszugehen: Viele Kunden werden die digitalen Angebote auch weiterhin nutzen. Zentrale Voraussetzung dürfte dafür aber sein, dass die digitalen Angebote wirklichen Nutzen stiften. Ich bin mir übrigens sicher, dass einige Institute aufgrund dieses Trends die Existenz mancher Filiale noch kritischer hinterfragen als bisher.

Wer hat eigentlich in puncto Digitalisierung und Innovation die Nase vorn, die traditionellen Banken oder Fintechs?

Das ist schon deswegen schwierig zu beantworten, weil viele traditionelle Banken vielfältige und attraktive digitale Angebote entwickelt haben, während sich umgekehrt eine Reihe erfolgreicher Fintechs schneller in Richtung traditioneller Banken entwickeln, als ihnen lieb sein dürfte.

Dadurch verschärft sich der Wettbewerb im Finanzsektor. Wenn dadurch das Finanzsystem insgesamt reichhaltiger, stabiler und effizienter wird, ist das zu begrüßen. Und dann sähe ich vor allem einen Gewinner: den Kunden.

Die etablierten Banken haben offenbar schon vor Ausbruch der Pandemie digital nachgerüstet.

So ist es. Mittlerweile haben auch die Etablierten ihre digitalen Kontaktkanäle ausgebaut und bieten Mobile-Banking und Wallet-Lösungen an. Und sie haben immer noch den großen Vorteil, das langjährige Vertrauen der Kunden zu genießen.

Können die Banken also nach der Krise weitermachen wie bisher?

Ganz sicher nicht. Der Bankensektor ist zwar heute insgesamt vergleichsweise widerstandskräftiger als noch in der Finanzkrise 2007/2008. Damals zählten die Banken zu den Auslösern des Problems. Heute tragen sie zur Lösung bei, was wir auch den Regulierungsreformen der Post-Lehman-Zeit zu verdanken haben. Wir haben heute mehr und besseres Kapital im System und mehr Liquidität.

Aber wir brauchen uns nichts vorzumachen: Es ginge den Banken in der Corona-Krise um einiges schlechter, wenn Politik, Europäische Zentralbank und Aufsicht nicht weitgehende Maßnahmen ergriffen hätten. Davon abgesehen ist die Krise noch nicht mit voller Wucht in den Bilanzen angekommen. Die Institute müssen mit Kreditausfällen rechnen, vermutlich in mehreren Wellen – trotz der milliardenschweren Hilfsprogramme. Was wir auch nicht vergessen dürfen: Die Pandemie verschärft die Probleme, die schwache Institute vorher schon hatten.

Kurzfristig stehen zwar wegen der Corona-Krise eher operative Fragen und das Risikomanagement im Vordergrund. Der gesamte Bankensektor wird aber weiterhin seinen Fokus sehr stark auf Innovation legen müssen, sei es bei der Digitalisierung, sei es bei der notwendigen Überprüfung von Geschäftsmodellen.

Sie sprachen gerade ein zentrales Thema an: Die BaFin hat ihre aufsichtlichen Rahmenbedingungen denen der Krise angepasst. Wann kehrt wieder Normalität ein?

Wir haben diese Anpassungen vor allem vorgenommen, um den Banken in der Krise den Rücken freizuhalten. Sie sollten und sollen in der Lage sein, zügig die eigenen und die öffentlichen Mittel dorthin zu leiten, wo sie dringend gebraucht werden. Außerdem wollen wir die Institute möglichst gut für eventuelle Kreditausfälle rüsten.

Wir betreiben gerade Aufsicht im Krisenmodus, und die Krise ist noch nicht vorbei. Es weiß auch noch niemand, wann sie vorbei ist oder wann sie zumindest nachlässt. Wir haben zum Beispiel noch keine verlässlichen Zahlen zu Kreditausfällen. Bislang arbeiten wir mit Szenariorechnungen. Darum können wir auch noch nicht sagen: Am soundsovielten des Monats X stellen wir um auf Normalbetrieb.

Fest steht: Wir werden zur aufsichtlichen Normalität zurückkehren. Daran führt kein Weg vorbei, wenn wir weiterhin die Finanzstabilität sichern wollen. Aber wir werden nicht im Hauruckverfahren und von einem auf den anderen Tag sämtliche krisenbedingten Anpassungen zurücknehmen. Das machen wir alles mit der angemessenen Ruhe und schrittweise. Wir werden das Bankensystem nicht dafür bestrafen, dass es jetzt das tut, was alle von ihm erwarten: nämlich die Realwirtschaft bei der Bewältigung der Krise tatkräftig zu unterstützen.

Eine letzte Frage: Stehen Sie weiterhin zu Ihrer Aussage, dass im Bankensektor keine Systemkrise drohe?

Niemand weiß, wie sich die Dinge entwickeln. Nach dem, was wir heute wissen, gehe ich davon aus, dass der Bankensektor zwar einige Schrammen davontragen wird, dass er aber genug Kraft hat, um die Corona-Pandemie ohne Systemkrise zu überstehen.

Wie gesagt: Der Bankensektor ist widerstandskräftiger als zu Zeiten des Lehman-Zusammenbruchs. Aber unverwundbar ist er selbstverständlich nicht.

Ob jedes einzelne Institut diese Kraft hat, ist eine andere Frage. Corona hin oder her, ich würde nie behaupten: Von jetzt an verlässt keine Bank mehr den Markt. Das hat es immer gegeben, das wird es immer geben. Und dass die Corona-Pandemie ohnehin schwache Institute nicht gerade stark macht, liegt auf der Hand.

Herr Hufeld, wir danken Ihnen für das Interview!

Hinweis

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Zusatzinformationen

BaFinJournal 06/2020 (Download)

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