BaFin - Navigation & Service

Symbolfoto zeigt fünf Gewichte, die für die Aufsichtsschwerpunkte von vier Geschäftsbereichen sowie für die Schwerpunkte BaFin-weit  stehen. Der Bereich Versicherungs- und Pensionsaufsicht ist durch ein größeres Gewicht hervorgehoben. © TheNoun/By Sarah

Erscheinung:17.03.2020 Aufsichtsprogramm 2019: Versicherungsaufsicht

Schwergewichte

Was aus den Schwerpunkten wurde, die sich die Versicherungsaufsicht für 2019 gesetzt hatte.

Auch für das Geschäftsjahr 2019 hat die Versicherungsaufsicht der BaFin mit ihrem Aufsichtsprogramm relevante Themen für eine risikoorientierte und vorausschauende Aufsicht identifiziert und veröffentlicht. Im BaFinJournal zieht die Versicherungsaufsicht nun Bilanz – wie sie das auch schon für 2018 getan hat (siehe BaFinJournal Februar 2019).

Nachhaltigkeit in der Kapitalanlage von Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds

Die BaFin hat Ende 2019 ein Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken veröffentlicht, das sich auch an Versicherungsunternehmen und Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung (EbAV) richtet (siehe BaFinJournal Januar 2020).

Um Expertise aufzubauen und die Unternehmen bei der Integration von ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance – Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) in das Risikomanagement im Bereich der Kapitalanlage zu unterstützen, führte die BaFin zahlreiche Aufsichtsgespräche bei ausgewählten Versicherern und EbAV und hielt mehrere Workshops mit Unternehmen und Verbänden ab. Im Fokus standen vor allem Klimastresstests und Szenarioanalysen (siehe BaFinJournal Oktober 2019 und November 2019). Im Austausch mit den Unternehmen zeigte sich, dass sich viele Versicherer und EbAV bereits intensiv mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt haben, auch wenn sie im Umgang damit unterschiedlich weit sind. Insgesamt wurde deutlich, dass sich die Versicherungswirtschaft als Vorreiter sieht und die Unternehmen die regulatorischen Entwicklungen auf europäischer Ebene, insbesondere innerhalb des Aktionsplans „Finanzierung nachhaltigen Wachstums“ der EU-Kommission, aktiv verfolgen.

Analyse eines möglichen Search-for-Yield-Verhaltens der Versicherungsunternehmen/Pensionsfonds in der Neuanlage von Kapitalanlagen

Vor dem Hintergrund der Niedrigzinsphase und der veränderten Regulierung durch Solvency II hat die BaFin mit gezielten örtlichen Prüfungen untersucht, welche Anlagetrends in der Versicherungswirtschaft aufkamen. Ein wichtiges Ergebnis: Die Unternehmen verstärkten ihre Vermögensanlagen mit risikoreichen Kapitalanlagen. Durch neue alternative Anlagen wollen die Unternehmen eine Portfoliodiversifikation erreichen – d.h. eine steigende Portfoliorendite bei gleichem Portfoliorisiko. In den vergangenen drei Jahren sind die Investments in Private Equity, Infrastruktur, Immobilien und Private Debt zulasten der liquiden festverzinslichen Anlagen leicht gestiegen. Gerade kleinere und mittlere Versicherungsunternehmen verzeichneten einen Zuwachs im ihnen vertrauten Immobilienbereich.

Einzelne Unternehmen investierten bewusst stärker außerhalb der Finanzbranche. Bei direkten oder indirekten – d.h. über Fonds vorgenommenen – Ausleihungen an Industrie- oder Immobilienunternehmen ergeben sich nach ihrer Einschätzung interessante Renditechancen. Den größten Teil ihrer Neuanlage investierten die Unternehmen weiterhin in Unternehmensanleihen und Investmentfonds. Bei festverzinslichen Anleihen nahmen sie eine niedrigere Bonität innerhalb des Investmentgrade-Ratings in Kauf. High-Yield-Anlagen machten aber weiterhin nur einen geringen Anteil aus; Zuwächse beobachtete die BaFin hier nur vereinzelt.

Intensivierte Beobachtung der Prämiensituation der Rückversicherer im Bereich Nichtleben

Im Zuge der zweijährigen Marktanalyse über die aktuelle Prämiensituation hat die BaFin 2019 mit großen Rückversicherern Gespräche über die Prämienentwicklung geführt, an Konferenzen der Branche teilgenommen und damit begonnen, qualitative und quantitative Meldedaten zu analysieren.

In der Vergangenheit existierte ein globaler Rückversicherungs-Zyklus, der von einem weichen Markt mit niedrigen Prämien zu einem harten Markt mit steigenden Prämien führte – den Übergang setzten Großschadenereignisse in Gang. Seit einigen Jahren verflacht dieser Zyklus, und Preisbewegungen werden zunehmend regionaler. Ein Beispiel dafür sind die extremen Naturkatastrophenereignisse 2017 und 2018: Die befragten Rückversicherungsunternehmen berichteten zwar von Preisanstiegen in betroffenen Regionen, auf die globalen Rückversicherungspreise wirkten diese sich aber nur eingeschränkt aus.

Hinzu kam ein makroökonomisches Umfeld, das zu einer hohen Kapitalverfügbarkeit im traditionellen und alternativen Rückversicherungsmarkt geführt hat. Dieser war auch 2019 durch ein Überangebot und erhöhten Wettbewerb geprägt. Erste Anzeichen für eine ansteigende Nachfrage fielen noch ins Kalenderjahr 2019. Viel Beachtung unter Marktteilnehmern fanden 2019 Wachstumsfelder wie Cyber-Versicherungen, die Versicherbarkeit immaterieller Vermögenswerte wie Patente und Lizenzen sowie die Frage, wie man bestehende Deckungslücken (Protection Gap) schließen könnte.

Prüfung von versteckten (non-affirmativen) Cyber-Risiken in Versicherungspolicen

In einer Abfrage unter 27 Versicherern bzw. Versicherungskonzernen zu non-affirmativen Cyber-Risiken haben nur zwei Versicherungsunternehmen von bekannten Schäden berichtet. Es fiel auf, dass zahlreiche Versicherer bislang noch keine entsprechenden Versicherungsfälle zu verzeichnen hatten. Allerdings gab rund die Hälfte der Versicherer zu bedenken, dass es nicht einfach sei, derartige Fälle überhaupt zu identifizieren. Bei non-affirmativen Cyber-Risiken handelt es sich um Risiken, die in traditionellen Versicherungsprodukten schlummern können (daher auch: Silent Risks), weil sie anders als Cyberpolicen nicht ausdrücklich regeln, inwieweit Cyberschäden gedeckt sind. Die massive Zunahme von Hackerangriffen und anderen Formen von Cybervorfällen kann zu disruptiven Schadenentwicklungen vor allem bei Schaden- und Unfallversicherern führen. Mit ihrem Schwerpunkt und etwa auch den Aufsichtskontakten im Zusammenhang mit der Abfrage wollte die BaFin die Branche für das Problem sensibilisieren.

Um Trends in der Schadenentwicklung genauer beobachten zu können, hält es die BaFin für notwendig, dass Versicherungsunternehmen stärker prüfen, ob Cybervorfälle schadenursächlich waren. Richtigerweise berücksichtigten praktisch alle Versicherer non-affirmative Risiken 2019 in ihrem Risikomanagement und beobachteten die Schadenentwicklung sowie das Marktgeschehen. Versicherer haben zudem damit begonnen, ihre Allgemeinen Versicherungsbedingungen auf Silent Risks hin zu analysieren. Umfangreichere Vertragsänderungen im Bestand waren von den Versicherern jedoch nicht beabsichtigt.

Durchführung von Prüfungen der stochastischen Bewertungsmodelle (SUM/BSM) von Lebensversicherungsunternehmen mit Standardformel

Die BaFin hat 2019 die komplexen Simulationsmodelle geprüft, mit denen Lebensversicherer unter Solvency II ihre versicherungstechnischen Rückstellungen bewerten. Bei Lebensversicherern, die kein internes Modell, sondern die Standardformel anwenden, erfolgte die Prüfung des Bewertungsmodells – des Branchensimulationsmodells (BSM) oder des stochastischen Unternehmensmodells (SUM) – in der laufenden Aufsicht. Das Ziel bestand darin, Schwächen zu identifizieren, die dazu führen könnten, dass die Modelle die versicherungstechnischen Rückstellungen unter- bzw. fehlbewerten. Zudem stand die BaFin in regelmäßigem Austausch mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, der das BSM entwickelt.

Bei der Anwendung des BSM fielen Schwächen auf, wenn es bestimmte Versicherungstarife – wie etwa dynamische Hybridversicherungen – oder spezielle Kapitalanlagen – zum Beispiel derivative Produkte oder renditeorientierte Kapitalanlagen mit einem hohen Risikoprofil – abbilden sollte. Diese Schwächen führten im Extremfall dazu, dass sich das BSM nicht mehr dafür eignete, die versicherungstechnischen Rückstellungen zu bewerten. In vielen Fällen war die Aussagekraft der versicherungstechnischen Rückstellung dadurch eingeschränkt, dass das Unternehmen die zugrundeliegenden Annahmen oder die zukünftigen Maßnahmen des Managements nicht ausreichend validiert hatte. Die Aufsicht bemängelte zudem, wie wenig sich die Unternehmen mit den Schwächen der extern zur Verfügung gestellten Programme bzw. Daten auseinandergesetzt haben.

Vertiefte Prüfung, wie Versicherungsunternehmen, die die Standardformel anwenden, im Rahmen der Bewertung mit ESGs (Economic Scenario Generators – ESGs) umgehen

Ökonomische Szenariogeneratoren (Economic Scenario Generators – ESGs) sind komplexe Kapitalmarktmodelle, mit denen Versicherer die versicherungstechnischen Rückstellungen von Produkten mit Zinsgarantien und Überschussbeteiligung stochastisch bewerten können. Die BaFin dringt auf deren stetige Weiterentwicklung und erwartet von den Unternehmen eine hohe Sorgfalt bei der unternehmensindividuellen Anpassung eingekaufter ESGs.

Eine von der BaFin 2019 vorgenommene, nicht repräsentative Stichprobe deutet darauf hin, dass es kleinen Versicherungsunternehmen an den personellen Kapazitäten mangelt, um die ESGs unternehmensindividuell anzupassen und zu bedienen. Bei größeren Versicherern ist fraglich, ob diese eigenständig ein vollständig anderes, besser zum Unternehmen passendes Modell implementieren könnten. Große Versicherer, die ein unternehmensindividuelles, stochastisches Unternehmensmodell verwenden, scheinen über das erforderliche Personal zu verfügen.

Weil sich in der Stichprobe sehr heterogene Ergebnisse gezeigt haben, die sich nicht verallgemeinern lassen, weitet die BaFin ihre Untersuchung 2020 auf die gesamte Lebensversicherungsbranche aus. Sie kann hierfür Daten nutzen, die bei den Unternehmen bereits vorhanden sind, und diese zentral auswerten.

Prüfung und Qualitätssicherung von versicherungstechnischen Schadenrückstellungen in der Solvabilitätsübersicht bei Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen

Auch im Berichtsjahr 2019 hat die BaFin die marktnahe Bewertung der Schadenrückstellungen von Schaden-/Unfallversicherungsunternehmen (Best-Estimate nach Solvency II) mit Hilfe einer Reservierungssoftware geprüft. Die Aufsicht nimmt Auffälligkeiten bei der Datenqualität und der Datenvalidierung zum Anlass, um darauf hinzuweisen, dass gerade bei der Verwendung von externen Daten oder beim Einsatz unterschiedlicher IT-Systeme auf Angemessenheit, Vollständigkeit und Exaktheit der Daten zu achten ist.

Teilweise waren der Validierungsumfang und die genutzten Validierungsmethoden unzureichend. Grundsätzlich konnte die Aufsicht feststellen, dass die Unternehmen in der Breite zwar die Hinlänglichkeit der Annahmen und verwendeten Methoden überprüften, dass rückblickende Vergleiche zwischen der erwarteten und eingetretenen Schadenbelastung jedoch oft noch verbesserungswürdig waren. Wenn die Unternehmen für Analysen und Anpassungen der Reservierung Expertenschätzungen verwendeten, fehlten zumeist stringente Vorgaben, etwa in Form eines Wesentlichkeitskonzepts, aus dem hervorgeht, welche Entwicklungen Maßnahmen erfordern. Ein übliches Problem war die Kontrolle von Arbeitsergebnissen, die aus ausgegliederten oder gutachterlichen Tätigkeiten resultierten. Die Unternehmen müssen sicherstellen, dass ihnen zugelieferte Resultate fehlerfrei und angemessen sind. Die Dokumentation war häufig nicht ausreichend und aussagekräftig genug, um sachverständigen Dritten in angemessener Zeit einen hinreichenden Überblick über die Reservierung zu verschaffen. Besonders oft waren Dokumentationsmängel bei der Bewertungskonzeption und dem Berechnungsprozess des Best-Estimates festzustellen.

Schwerpunkte 2020

Die Versicherungsaufsicht hat Anfang des Jahres ihre Schwerpunkte für 2020 veröffentlicht (siehe BaFinJournal Januar 2020). Nachhaltigkeit, Kapitalanlage im Niedrigzinsumfeld, Cyberrisiken und Rückstellungen gehören nach wie vor dazu.

Hinweis

Der Beitrag gibt den Sachstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im BaFinJournal wieder und wird nicht nachträglich aktualisiert. Bitte beachten Sie die Allgemeinen Nutzungsbedingungen.

Zusatzinformationen

BaFinJournal 03/2020 (Download)

Fanden Sie den Beitrag hilfreich?

Wir freuen uns über Ihr Feedback

Es hilft uns, die Webseite kontinuierlich zu verbessern und aktuell zu halten. Bei Fragen, für deren Beantwortung wir Sie kontaktieren sollen, nutzen Sie bitte unser Kontaktformular. Hinweise auf tatsächliche oder mögliche Verstöße gegen aufsichtsrechtliche Vorschriften richten Sie bitte an unsere Hinweisgeberstelle.

Wir freuen uns über Ihr Feedback